Kapitel 1: Ankunft, Markttag in Ierapetra
Kapitel 2: Sitia, 7 Bergdörfer
Kapitel 3: Lasithi, Kritsa
Kapitel 4: Festos, Matala

Agios Nikolaos und Spinalonga

Ein Pflichttag steht uns aber noch bevor. Da nehmen wir uns eine nicht so große Strecke vor und fahren erst mal an die Mirabellobucht. Dort ist ja noch die Ausgrabungsstätte von Gournia, die wir schon einige Male liegen gesehen haben. Es handelt sich hier nicht um einen Palast, sondern wohl um eine Wohnstätte höher gestellter Minoer. Manche Räume haben gar keinen Zugang, sondern sind allseits von Mauern umgeben. Die meisten Räume waren auch sehr winzig. So wirkt das ganze ziemlich verschachtelt. Oben auf dem Hügel ist ein größerer zentraler Platz. Am anderen Ende der Bucht sehen wir unser Ziel, die Stadt Ag. Nikolaos schon auf uns warten.

In einer größeren unbekannten Stadt gibt es mit dem Auto zwei Probleme: erstens, einen Parkplatz zu finden, und zweitens, den Parkplatz wieder zu finden. Erstens löst sich leicht in einer Nebenstraße und für zweitens merken wir uns den nahe gelegenen Sportplatz und Busbahnhof. Von dort geht die Hauptstraße direkt zu dem kleinen Binnensee, der Ag. Nikolaos seinen eigenen Charakter verleiht. Der See ist natürlich fest im Griff der umliegenden Tavernen, die steil abfallenden Hänge konnte man nicht bebauen. Auf der Straße treffen wir plötzlich unsere Zimmernachbaren. "Lange nicht gesehen". In einem Antiquitätengeschäft steht eine alte Rechenmaschine schwedischen Fabrikats im Schaufenster. Leider kann ich meine Sammlung nicht um dieses Stück bereichern "We don't sell it" erfahren wir.

Wir laufen auf der Uferstraße zurück zum Auto. Dazu muß man einen Berg umrunden und landet dann in einer Bucht, wo es nicht mehr weitergeht. Nur über eine steile Treppe gelingt der Übergang zum Busbahnhof.

Wir fahren nach Elounda. Wieder muß man steil hinauf, dafür hat man dort oben einen schönen Blick nach Ag. Nikolaos und auf die Mirabello Bucht. In Elounda bellt es aus allen Ecken: "Spinalonga, Spinalonga!". Das sind die Fahrkartenverkäufer für eine Bootsfahrt zu der Festungsinsel Spinalonga. Das müssen wir uns schon gönnen und lösen die Karten bei einem blonden Typ mit Pferdeschwanz. "Thirty minutes, ten past twelve" teilt er uns mit. Da haben wir genügend Zeit, uns in Elounda noch ein wenig umzusehen. Es heißt, dies sei der vornehmste und teuerste Badeort auf Kreta, was wir mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht beurteilen können.

Bald haben wir Langeweile und sehen zu, wie ein Boot von Spinalonga zurückkommt. Ob wir mit dem fahren werden? Wir schlendern schon mal zurück zu dem Ticketverkäufer, der schon fast heiser von seinen Lockrufen ist. "Where is our boat?" wage ich zu fragen. Da guckt er uns etwas arrogant an und sagt "No Problem, we will find the boat together". Es sind nur noch wenige Minuten bis zur angekündigten Abfahrtszeit. Als wir uns etwas unwirsch abwenden, teilt er wenigstens noch mit "By the way, it's the last one" und zeigt auf eines der am Ufer liegenden Boote.

Wir können noch eine Weile von einem Fuß auf den anderen treten, bis man dann schließlich das Boot betreten darf. Dann geht es aber noch lange nicht los, man versucht, noch weitere Gäste anzulocken. Immerhin sind wir freudig überrascht, daß wir die einzigen Deutschen an Bord sind, das kommt ja nicht so oft vor. Als man uns um mehr als eine halbe Stunde unserer kostbaren Urlaubszeit übers Ohr gehauen hat, legt man endlich ab. Die Mitfahrer cremen sich eifrig ein und rücken ihre Sonnenbrillen zurecht.

Schnell kommt nun die kleine Insel mit der venezianischen Festung näher, nach 20 Minuten Fahrt sind wir da. Ein Herr winkt alle Aussteiger zu sich heran, er wolle die Führung übernehmen für alle, die Englisch verstehen. Er führt die Gruppe hinauf zu der Plattform, wo sich die Grabstellen befinden. Das sind kleine Gruften, durch eine Steinplatte verschließbar. Wenn wieder ein Grab benötigt wurde, habe man den vorherigen Inhalt zusammen gesammelt und in einem Beinhaus deponiert. Gräber und Beinhaus seien aber längst leer, weil die Hippies sich gern der Knochen als Talismann bedient hätten.

Dann zieht die ganze Corona weiter in den Schatten einer Kiefer. Der nette Herr kommt nun zum Geschäftlichen, er werde am Schluß abkassieren, Kinder seien frei. Wir trollen uns von dannen und erkunden die hiesige Geschichte auf eigene Faust. Man geht auf einem Rundweg durch die Klippen, Heidi immer schön links an der Felswand. Als man um eine Ecke biegt, erblickt man die Ruinen der vormaligen Siedlung. Bis zum Jahre 1957 waren hier noch Leprakranke einquartiert. Ein paar große ebenfalls verfallende Häuser sind wohl neueren Datums, die Ruinen müssen älter sein. Das einzige intakte Gebäude ist die kleine Kirche, da schwenkt aber auch schon einer seine Sammelbüchse.

Es führt auch ein Weg hinauf zu der mächtigen Bastion der Festung. Heidi bleibt unten, ich kraxele hinauf. Hier oben hat man natürlich eine noch schönere Aussicht. Rings um die Bastion befinden sich Schießscharten, durch die man allerdings nicht viel sieht. Aber das war ja auch nicht ihr Bestimmungszweck. Es ist nachzulesen, daß man in dieser Festung noch viele Jahre der türkischen Besetzung widerstanden hat, bis auch sie im Jahre 1715 den Türken übergeben wurde.

Durch einen tunnelartigen Gang erreicht man wieder das Gestade, wo uns das Boot nach einer Stunde Inselaufenthalt wieder aufnimmt. Bei der Rückfahrt mit dem Boot haben wir etwas Streß. Da turnt ein kleines Mädchen immer auf der Reling herum, die Aufsicht führenden Eltern schauen aber seelenruhig zu. Aber wir erreichen doch wieder wohlbehalten den Hafen von Elounda.

Wir fahren schließlich mit dem Auto den gleichen Weg zurück, alle anderen Straßen würden über die Berge führen, und wir wollen uns heute nicht überanstrengen. Nach einer abermaligen Umrundung der Mirabello Bucht geraten wir nun in die Nähe dieser geheimnisvollen Schlucht, an der wir inzwischen ja verschiedentlich vorbeigefahren sind. An der Straße steht ein Hinweisschild, "Ha Canyon" steht da drauf. Das hört sich nach einschlägigem Sprachverständnis doch ganz gut an.

Wir biegen in eine Schotterstraße ab, die entwickelt sich schließlich immer abenteuerlicher und endet in einem trocken gefallenen Bachbett. Da geht es nur zu Fuß weiter. Der Pfad wiederum endet aber auf dem Gelände einer Papierfabrik zwischen geschreddertem Altpapier und Stapeln von großen Papierrollen. Dahinter wird eine Fläche planiert, ein Bulldozer wühlt geschäftig hin und her. Die herrliche Schlucht ist nur wenige 100 m entfernt. Eine kleine Kapelle ist neben ihrem Ausgang erkennbar. Wir kehren lieber um, man muß sich auch noch Geheimnisse bewahren. Wahrscheinlich wäre der Durchstieg der Schlucht auch nur mit Kletterausrüstung möglich, da sind wir mit unseren Strandschlappen schlecht beraten.

An unserem einsamen Parkplatz taucht nun ein Pickup auf, von dessen Ladefläche uns zwei Hunde verbellen. Der Fahrer hält an, läd die Hunde ab, die uns nun neugierig umkreisen. Weitere Befürchtungen sind aber unnötig, der Besitzer des Pickups inspiziert nur einen nahe gelegenen Ziegenhain, und das ist auch für die Hunde wichtiger. Wir inspizieren unsrerseits eine große Zisterne, in die aus zwei großen Rohren glasklares Wasser strömt. Heidi taucht plötzlich mit einem Arm voll Gestrüpp auf, das sei Salbei, versichert sie.

Nachdem wir zum Abschluß des ereignisreichen Tages noch ein paar Stunden am Strand verbringen, müssen aber am Abend auch noch ein paar Büschel Thymian zur Abrundung der Gewürzkollektion stibitzt werden.

Ausklang

Es bleibt nur noch ein voller Tag für das Strandleben, der Freitag ist dann schon der Abreisetag. Es ist eine traurige Sache, auf der Abreiseliste seinen Namen und den Abreisetermin nachzusehen. Könnte es nicht immer so weiter gehen? "Freust du dich denn nicht auf zu Hause?" fragt Heidi. "Überhaupt nicht" fällt mir nur ein.

Es bleibt noch zu berichten, in welchen Händen diese wunderschöne Anlage Coriva Beach liegt. Das haben wir an der Rezeption in Erfahrung gebracht. Man vermutet ja immer irgend einen Konzern oder eine Multigesellschaft hinter so was. Man kann uns beruhigen. Es ist alles im Privatbesitz zweier Brüder, die sich persönlich um alles kümmern. Das Hotel wurde 1980 angelegt, deshalb ist die Bepflanzung auch so üppig entwickelt und liebevoll gepflegt. Die Gattin eines der Besitzer unterhält ein Schmuckgeschäft in der Eingangshalle, von dieser kann ich Heidi nur mühsam fernhalten.

Man kann sich auch in ein Gästebuch eintragen. Da ist Erstaunliches zu lesen. Entweder haben die alle voneinander abgeschrieben, oder die eigene Phantasie ist verkümmert. Fast alle Eintragungen beginnen wörtlich mit dem Satz: "Wir waren das erste Mal auf Kreta, und es hat uns sehr gut gefallen". Das trifft für uns auch zu, doch zu einem Beitrag im Gästebuch kommt es nicht mehr, statt dessen soll dieser Bericht einige Eindrücke wiedergeben und auch eine Werbung für unsere "Anlage" Coriva Beach in Koutsounari sein.

Abschied nehmen wir auch von dem netten Betreiber eines der Supermärkte. Nun waren wir auch gute Kunden mit unserem Retsina. Dafür hat er uns eines Abends eine Kostprobe von einem selbst hergestellten Raki kredenzt, ein Getränk, das nur auf Kreta produziert wird, und dessen genauere Rezeptur uns nicht ganz klar ist. Ein Traubenschnaps, oder so was.

Der letzte Tag, ein ruppiger Wind und aufkommende Wolken erleichtern uns den Abschied. Der Strand ist verwaist, alle Liegen sind wegen des Windes unbesetzt, das Meer ist kälter als die Tage zuvor. Wir liegen ganz allein in einer geschützten Ecke am Pool, die Reisegarderobe auf Stühlen verteilt. Jede Minute kosten wir aus. Das Sonnenschutzmittel ist auch alle (von ALDI, die gelbe Plastikflasche am Strand von Kreta war allgegenwärtig, vielleicht doch ein Anzeichen für ein vereinigtes Europa). Mit dem Taschenmesser wird die Plastikflasche aufgeschlitzt, damit nichts verkommt. Immerhin sind wir nun auch nußbraun, die Sonne kann uns nichts mehr anhaben.

Und noch ein Tier zum Abschluß. Eigentlich sollte noch ein Kapitel über die Tiere eingeschoben werden. Die ersten Tiere, die man auf Kreta zu sehen bekommt, sollten Esel oder Ziegen sein, die an den Straßenrändern oder auch sonstwo angepflockt sind. Auf einer der Autofahrten haben wir auch eine Ziege mitten auf der Straße schlafend erlebt, da lag sie morgens, und auf der Rückfahrt am Nachmittag immer noch. Wild lebende Ziegen gibt es nur noch in Reservaten. Sie unter Schutz zu stellen, hatte keinen Zweck. Der Kreter ist über jeden Braten erfreut und hat mit seiner Flinte, die er schon wegen der Blutrache ständig dabei hat, gründlich aufgeräumt. Die Hausziegen aber sind sein Augapfel, da werden sogar Weinblätter serviert, und da kann man die Ziegen aber fressen sehen.

Neben unseren kleinen Eidechsen an der Mauer unserer Terrasse haben wir unterwegs auch große grüne Eidechsen die Straße kreuzen sehen, viele hatten leider auch platt gewalzt auf der Straße ihr Ende gefunden. Das Chamäleon soll es auf Kreta geben. Das hat uns leider nicht die Ehre erwiesen. Vielleicht war es aber auch nur gut getarnt, wie es seine Art ist. Einen Krähenvogel haben wir noch gesichtet, der hatte einen grauen Körper und schwarze Schwingen. Spatzen, Schwalben, Möwen oder Grünfinken, aber die kennen wir auch von zu Hause.

Das letzte Tier an unserem letzen Tag also ist eine gemeine Heuschrecke, spannenlang. Die verfügt nicht nur über enorme Sprungqualitäten, sondern erfreut einen auch durch erstaunliche Flugkünste, vor denen man sich gerade so in Sicherheit bringen kann. Nun haben wir zum Abschluß unser zweites UFO, und können beruhigt nach Hause fahren - fliegen.

Wir sind die ersten, die von dem Zubringerbus um 15.40 Uhr abgeholt werden. Natürlich besetzen wir die erste Reihe mit dem Panoramablick. Da haben die gleich danach zusteigenden Clubgäste - alles inklusive - ganz schön das Nachsehen. Auf der Fahrt werden dann die einschlägigen Clubs oder Anlagen kurvenreich angefahren. Für die Beurteilung dieser Einrichtungen schlagen wir den Neckermann Katalog vor, dort ist das alles farbenfroh nachzulesen.

Mit Verspätung am Flughafen in Herakleion treffen wir auch Heidi und Peter alsbald wieder, wir meistern die Warteschlange vor dem Abfertigungsschalter, wo sich einige Leute fast in eine Schlägerei einlassen, weil sie sich mit den Gepäckwagen über die Füße fahren. Wir haben einen angenehmen Rückflug und der Urlaub ist vorbei.

Kreta, ein unbeschriebenes Blatt bei der Ankunft, jetzt ist es ein buntes Bild in unserer Erinnerung.


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