2000 KM "Bonne Route" Frankreich, 27.4.-18.5.94

Planung

Also diesmal ist die Tour wirklich von langer Hand geplant, was, wie sich zeigen wird - noch nichts über ihren Ausgang ahnen lässt. Das ist das Schöne am Radfahren, oder auch nicht?

Kollege Rainer B. löchert mich schon im Herbst des Vorjahres, was man mal wieder für eine Unternehmung starten könnte, irgendwo zwischen Nordkap und Sizilien oder sonstwo. Meine von Braunschweig aus sternförmig in Europa ausstrahlenden Radtouren enden in einem Zweig in Paris, wo ich vor Jahren einmal eine Fahrt über Kanalküste, Belgien und Holland bis nach Ostfriesland unternahm. Dieser Zweig liesse sich vervollständigen in die andere Richtung: Loire, Atlantik und dann weiter nach Süden.

Einige Gründe sprechen dafür: ein Nachtzug mit Fahrradtransport fährt von Braunschweig direkt nach Paris, Frankreich hat touristisch eine hervorragende Infrastruktur, was Verpflegungs- und übernachtungsmöglichkeiten angeht, die Landschaften sind vielversprechend. Termin: am besten nach meinem Geburtstag (dem x0-ten) Ende April, da kann man gleich den offiziellen Verpflichtungen vorerst ein Schnippchen schlagen mit der Ausrede, sich die Fahrt selbst zum Geschenk zu machen.

Natürlich müssen zu dieser Gelegenheit auch neue Fahrräder her. Rainer spendiert sich ein Trekkingrad von Kildemoes, ich vergucke mich in ein feuerrotes Exemplar von Kalkhoff mit dem Namen Tramper. Da die Räder rechtzeitig angeschafft sind (das ziehe ich als Geburtstagsgeschenk vor), kann man sich noch einigermassen einfahren und die nötigen Modifikationen an den Rädern vornehmen.

Bei einem unserer allwöchentlichen Sportabende erzähle ich Thomas G. von dem Plan. "Komme ich mit" sagt er - also eine Fahrt zu dritt, noch besser!

In der Zeit bis zu dem Beginn der Tour kommt Rainer ständig mit Kalkulationen vorbei, wie viele Monate oder Wochen noch. Mir verkürzt unser Zwischenurlaub auf Rhodos die Zeit. Thomas ist noch über Ostern zum Skilaufen unterwegs. So hat er dann noch alle Hände voll zu tun, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Ein Diavortrag über die faszinierenden Landschaftsbilder Frankreichs kommt uns noch gut zupass.

Schliesslich sind Bahncard, Fahrkarten und Liegewagenreservierung besorgt, nur der Fahrradtransport grenzüberschreitend bleibt das grosse Fragezeichen. Sowohl im Reisebüro als bei der Auskunft der Bundesbahn kann man uns keine positive Auskunft geben. Doch der Zug führt einen Gepäckwagen bis Paris mit. Alle reden vom geeinten Europa, was ist nun damit?

Am Abend, als es losgehen soll, hat sich Thomas eine dicke Grippe eingefangen, doch ein Zurück soll es nicht geben. Wir hoffen, dass die körperliche Ausarbeitung beim Radfahren und die frische Luft das Ihre tut.

Am Mittwoch, 27.4, 22.30 Uhr fahren Thomas und ich im Dunkeln los zum Bahnhof, er ohne Licht, weil er mit seinem Rennrad fährt. Dickere Reifen für die rauhen Strassen Frankreichs hat er sich noch besorgt. Nach hundert Metern fällt Thomas ein, dass er sich auch eine Regenjacke mitnehmen sollte, da müssen wir nochmal umkehren. Marianne bringt Thomas' Gepäck mit dem Auto zum Bahnhof, weil man sonst mit dem ganzen Gerödel nicht zupotte kommt.

In der Bahnhofshalle treffen wir Rainer, der steht erwartungsfroh neben seinem neuen Fahrrad. Der Zug Warschau - Paris ist pünktlich, Abfahrt 23.15 Uhr. Die Räder werden im Gepäckwagen verstaut. Auf die Frage, ob das dann auch klar gehe mit Paris, versichert uns die Schaffnerin nichts Nachteiliges. Wir beziehen unsere Liegestätten, ein Ehepaar aus Berlin hat sich schon zur Ruhe begeben. Rainer hat eine Überraschung in Form einer Flasche Baujolais mitgebracht, die wir uns in einem Nachbarabteil munden lassen.

Irgendwo zwischen Hannover und Bielefeld wickeln wir uns in das Durcheinander aus Laken und Decken und lassen uns in einen unruhigen Schlaf ruckeln.

Als wir uns die verklüsten Augen wieder reiben, ist es bereits hell, man ist schon in Frankreich. Thomas ist völlig durchgeschwitzt, ihm geht es nicht gerade gut. Nach dem Herrichten von Gepäck und Abteil vertreiben wir uns mit munteren Gesprächen die Zeit bis zur Ankunft am Gare du Nord um 9 Uhr morgens.

Do, 28.4 Paris - Ramboulliet 80 km: Schwitztour

Erst einmal stehen wir auf dem Bahnsteig inmitten unseres Gepäcks und suchen verzweifelt nach einem Schaffner oder dgl., der uns den Gepäckwagen öffnet. Es vergehen bange Minuten, es zeigt sich keine Menschenseele weit und breit. Ich als Pessimist warte nur darauf, dass der Zug wieder aus dem Bahnhof fährt und mitsamt unseren Rädern auf irgendeinem Abstellgleis im grossen Paris verschwindet.

Dann erscheint aber doch noch ein Arbeiter, der hat den passenden Drei- oder Vierkantschlüssel dabei und aufatmend nehmen wir unsere Räder in Empfang. Nun wird geschnallt und gezurrt, bis die Räder fahrbereit sind. Wir schieben aus dem Bahnhof hinaus, die Sonne über Paris empfängt uns.

Um die Fahrt gleich zünftig zu beginnen,
fahren wir durch den dichten Morgenverkehr ein paar Strassen hinauf zur Kirche Sacre Coeur. Durch einen Park schieben wir hinauf, die Kirche liegt weiss im Sonnenschein, Paris liegt uns zu Füssen im Morgendunst. Man muss sich erst einmal besinnen, die Reise hat begonnen, man kann es noch gar nicht fassen. Thomas ist es sowieso reichlich dumpf im Kopf, doch er lotst uns dann weiter zum Centre Pompidou.

In einem Cafe nehmen wir den ersten Kontakt zu Croissant und Cafe au lait auf. Ein Spatz kümmert sich um die Krümel unter unseren Stühlen, der Spatz von Paris. Rainer geht Geld tauschen in einer nahen Wechselstube. Nachdenklich kommt er zurück, der Kurs liegt wohl um etliches unter dem, den ich in der Norddeutschen Landesbank zuvor erhielt. Er rechnet und rechnet und kommt auf 10 Prozent weniger.

Der Barkeeper verabschiedet einen Gast mit einem Gesang - na also, das ist Paris! Unser nächstes Ziel ist Notre Dame auf der Ile de la Cite. Mit unseren bepackten Rädern sind wir etwas unbeweglich und schauen uns die ganze Sache mehr oberflächlich an. Auf der anderen Seite der Seine geht es weiter in Richtung Versailles, von Ampel zu Ampel, immer vom Verkehr umtost. Man passiert den Eiffelturm, mächtig spreizt er seine Füsse, um die die Touristen emsig wimmeln.

Wir wechseln über eine Brücke zurück auf das andere Ufer der Seine und befinden uns auf der Avenue de Versailles offensichtlich auf der richtigen Strecke. Wenig später aber kommen wir inmitten verwirrender Verkehrsschilder bald durcheinander. Leicht gerät man auf eine Autobahn oder Fernstrasse. Dann wissen wir nicht mehr, wo wir uns befinden. Rainer und Thomas zücken ihre Lesebrillen, um ihren Senf auf der Michelinkarte dazuzugeben. Ein Passant, der Englisch spricht, erbarmt sich unserer kleinen Gruppe, die da gestikulierend und heftig aufeiander einredend am Strassen rand für Aufsehen sorgt. Er erklärt uns den Standort, was wir erst nach längerem Neigen der Köpfe und Drehen der Karte nachvollziehen können.

Über die Pont du Sevres gelangen wir nach Meudon und dann immer geradeaus nach Versailles. Thomas schwitzt wie in der Sauna, wir anderen beiden auch. Aber Thomas ist bald wie ausgedörrt und wir suchen in Sichtweite des Schloss Versailles ein Restaurant auf. Das tut allen gut. Nun ist schon früher Nachmittag und wir sind noch nicht weit gekommen.

Wenig später schieben wir mit den Rädern durch das Tor vor dem Schloss, das man ja gesehen haben muss. Gruppen von gelb- bejackten Japanern streben wissbegierig auf die Sehenswürdigkeit zu.

Uns dagegen macht ein Wachmann klar, dass wir mit den Rädern hier nichts zu suchen hätten. Mit einer ausholenden Armbewegung erklärt er uns den Weg, den wir in den Park auf der Rückseite des Gebäudes zu nehmen hätten. Wir machen uns auf und radeln dann durch den Park, der von Wasserläufen durchzogen ist. Da kann man Boote mieten und herumpaddeln oder sich im Grünen lagern, die geschichtsträchtige Szene in sich aufnehmend. Auf bequeme Weise kann man den Park mit einem kleinen Bummelzug besichtigen, der aber ist fest im Griff der Japaner.

Wir verlassen den Park wieder und befinden uns endlich auf der Strecke, die uns endgültig von Paris wegführt. In Dampiere wird verschnauft. Um die Ecke steht das erste Schloss, mal abgesehen von Versailles. In einem kleinen Laden können wir uns Trinkbares kaufen. Wenig später drücken sich die einkaufenden Damen aus Dampiere die Nasen an der Schaufensterscheibe von innen platt, als Thomas sich erstmal trockenlegt.

Unser Tagesziel haben wir schon im Visier, es ist die Stadt Ramboulliet. Wir fahren auf einer Nebenstrasse durch ein bewaldetes kleines Tal, in jedem Busch scheint eine Nachtigall zu hausen. Eine alte Abtei lassen wir rechts liegen. Das letzte Stück Weges an diesem Tag fahren wir statt auf der Autobahn auf einer eigens für Radfahrer angelegten Trasse durch den Wald von Ramboulliet.

Das Hotel St. Charles nimmt uns auf, vor allem Thomas ist am Ende seiner Kräfte. Neben dem Hotel ist eine Kaserne, dort marschiert eine Militärkapelle unter schmetternden Weisen umher, wie wir von unserem Fenster aus feststellen können. So wird offebar der Weltfrieden erhalten.

Ein kleiner Rundgang - auch hier gibt es ein Schloss mit grossem Park. In diesem Schloss werden des öfteren offizielle Empfänge abgehalten, deswegen ist es aus Sicherheitsgründen mit einem hohen Eisenzaun umgeben.

Mit der französischen Küche sind wir noch einigermassen unentschlossen, deswegen suchen wir ein Chinarestaurant auf. Von drei verschiedenen Gerichten lassen wir uns es wechselweise schmecken, Rainer macht das alles zünftig mit den Stäbchen.

Fr 29.4. Ramboulliet - Tournoisis 105 km: Plattes Land

Wir nehmen das erste Frühstück ein, das petit dejeuner, bestehend aus Croissant und Baguette, Butter und Konfitüre, dazu Tee oder cafe au lait. Ich bin erfreut, dass die Hotelrechnung per Visa-Karte beglichen werden kann, da spart man sich das ständige Beschaffen von Bargeld. Seit ich diese Karte habe, ist sie noch gar nicht benutzt worden, nun umweht mich der hauch des "Mannes von Welt".

Bis wir weiterkommen, vergeht noch eine Weile. Erstmal Fototermin beim Schloss. Thomas sucht ein Geschäft auf, um Getränke, Obst und Baguette zu besorgen. Rainer erkundigt sich in einer nahen Bank nach den gängigen Wechselkursen, um seinen Ärger vom Vortag aufzufrischen. Dann macht sich Thomas an's Telefonieren, was natürlich wieder nicht klappt. Rainer eilt ihm zu Hilfe. Ich trete derweil bei dem strahlenden Sonnenschein von einem Fuss auf den anderen: "er scharrt mit den Hufen" heisst das bei den anderen.

Als das Telefonieren endlich funktioniert hat, muss Thomas schliesslich noch ein Örtchen aufsuchen. Dazu muss aber auch ein Kaffee getrunken werden, damit man die Legitimation bekommt. Ich scharre weiter mit den Hufen. Endlich ist es 11 Uhr, bis wir loskommen.

Die Ausfahrt aus der Stadt gelingt uns wieder mehr schlecht als recht, auf einer vierspurigen Rennstrecke finden wir uns wieder. Irgendwann sind wir dann zwischen Rapsfeldern auf einer fast autofreien Nebenstrecke. Bald findet Thomas alle Augenblicke etwas am Strassenrand. Es handelt sich um CDs mit klassischer Musik, die noch einigermassen unversehrt aussehen. Eine nach der anderen verschwindet in seiner Lenkertasche.

Das letzte Stück bis Chartres fahren wir bei Gegenwind in schneidigem Tempo, Rainer ist kaum zu halten. Schon von weitem kann man die grossartige Kathedrale von Chartres erkennen, da weiss man, dass die Fahrtrichtung stimmt. Chartres begrüsst uns mit romantischen Eindrücken, ein mittelalterliches Stadtbild, Befestigungsanlagen, schliesslich geht es den Berg hinauf, wo die Kathedrale thront.
Bild 1 Bild 2 Bild 3 Chartres

Dieses Ungetüm aus Stein gewordener Bildhauerkunst, an dem Generationen gearbeitet haben mögen, nimmt einem schon den Atem. Gewaltig der Innenraum, leuchtende Glasfenster und Rosetten. Es kommen einem aber auch Zweifel am Sinn der ganzen Sache, wieviel Blut und Tränen diese Pracht gekostet haben mag. Wir ziehen unsere Kreise um das Bauwerk, beschauen es von allen Seiten. Rainer hat noch andere Bildungslücken und blättert unentwegt in seiner französischen Grammatik und im Wörterbuch.

Fassade Pferd Dictionaire

Wir schlagen nun die Richtung nach Süden ein. Bis zum Tal der Loire gilt es, eine weniger interessante Landschaft von flachem Land zu durchfahren. Der Wind bläst etwas von vorn, das macht die Sache nicht leichter. Wir finden aber fast verkehrsfreie Nebenstrassen, da kann man nebeneinander herfahren und sich unterhalten.

Hausruine Uhrturm

Als die ersten Hinweistafeln auf die Sehenswürdigkeiten des Loire-Bezirks auftauchen, befinden wir uns in Tournoisis. Das ist ein weniger interessantes Dorf, an der Strassenkreuzung aber befindet sich ein Hotel. Noch zögern wir, aber für heute reicht es eigentlich. Wir entscheiden uns für den wohlverdienten Feierabend und werden im Relais St. Jaques gastfreundlich aufgenommen. Über eine hölzerne Stiege werden wir in ein Dachzimmer gelotst.
Dort besteht die Zimmerdecke aus der sorgsam restaurierten Balkenkonstruktion des Dachstuhls. Es handelt sich hier wohl um eine alte Poststation, wie der Name Relais vermuten lässt. Unten in der Halle finden wir später ein Fotoalbum, wo der ganze Vorgang der Restaurierungsarbeiten dokumentiert ist.

Frisch geduscht, schamponiert und eingekleidet erscheinen wir wieder in der Gaststube, wo uns der Monsieur an einem fest lich gedeckten Tisch bewirtet. Wir machen uns über das Menue her, bei unserem Hunger kein Problem. Salat, Ei, Steak, Quarkgericht und Dessert bilden die Gänge. Dazu spendieren wir uns Rotwein und Kaffee, Rainer noch einen Cognac obendrauf.

Trotz der vielen gedeckten Tische sind wir die einzigen Gäste. "Une catastrophe" meint der Monsieur angesichts der ausbleibenden Gäste. Wir geniessen natürlich die individuelle Bedienung. Nach dem gastlichen Abend können wir - im Nachhinein - dem Relais St. Jaques die meisten Sterne unserer Bewertungsskala verleihen. Als Thomas entdeckt, dass es ein Faxgerät gibt, lässt er sofort einen Brief an zu Hause los, am nächsten Morgen ist sogar eine Antwort da.

Sa, 30.4. Tournoisis - Onzain 107 km: An der Loire

Nach diesem so angenehm verbrachten Abend begrüssen wir ausgeschlafen den sonnigen Morgen. Schnell ist die verblei bende Reststrecke bis an die Loire abgeradelt. Thomas und ich fahren nun bartfrei, um dem Gegenwind besser zu trotzen. Ich kann mich aber im Spiegel nicht wiedererkennen und beschliesse - Zeit genug ist ja - den alten Zustand wieder herzustellen. Ausserdem haben wir jetzt Rückenwind, was für eine stabile Wetterlage spricht.

Bei Meung erreichen wir die Loire und sind entzückt über das kleine Städtchen. Wieder werden nötige Besorgungen gemacht, Thomas versucht bei der Bank Credit Lyonnaise vergeblich, mit seiner Kreditkarte zu Geld zu kommen. Weder der Automat noch der nachgeordnete Bankbevollmächtigte können etwas damit anfangen. Ich mit meiner VISA-Card stehe feixend mit weltmännischer Miene daneben.

Bis Bourgency geht es auf einer Radwanderstrecke am Ufer der Loire dahin, herrliche Ausblicke auf die Flussauen und malerisch gebaute kleine Ortschaften machen die Fahrt zu einem Hochgenuss.

Bild 1 Bourgency

In Bourgency passieren wir die mächtige Loirebrücke. Zwischen den Pfeilern fliesst das Wasser in reissender Strömung, was wir paddeltheoretisch begutachten. Wir schlagen die Richtung nach Chambord ein, dem wohl grossartigsten der Loire Schlösser (obwohl es gar nicht an der Loire liegt). Auf der langen Strecke, die zwar durch den Wald führt, aber kaum Schatten bietet, macht uns die Mittagshitze zu schaffen. Wieder finden wir in einer originellen Dorfkneipe eine angenehme Rast.

Durch ein Tor fährt man in den Park von Chambord ein, auf schnurgerader Strasse weiter geradeaus, bis das Schloss unvermittelt zur Rechten auftaucht. Chambord beeindruckt besonders durch die Pracht seiner vielen Schornsteine, die werden ganz schön Arbeit mit dem Heizen haben, wenn mal alle Öfen und Kamine angefeuert sind. Wir suchen aber lieber den Schatten auf und lassen die Pracht auf uns wirken.

Bild 1 Chambord

Dann mache ich mich auf, das Innere dieses Anwesens zu erkunden. Erstmal betritt man eine Halle mit Souvernirständen, da kann man natürlich alles finden, was direkt oder indirekt mit dem hier befindlichen und anderen Loire-Schlössern zu tun hat. Am liebsten würde ich mir ja einen Bastelbogen zum Nachbau des Gebäudes und seinen Schornsteinen kaufen, aber das ist gepäcktechnisch schlecht zu machen.

Am Durchgang zum Schlossinnenhof zischt mich dann schon ein zwar hübsches aber unnachgiebiges Fräulein an: "Votre ticket s'il vous plait". Ich trete den Rückzug an.

Draussen umschwärmt Rainer das Schloss fotografierenderweise, Thomas strebt einem Cafe zu. Ich schliesse mich Thomas an, im Schatten sitzend lassen wir die Szene wieder auf uns wirken. Nachdem dann Rainer noch ein überteuertes Eis verzehrt hat, geht es an die Weiterfahrt.

Auf einer schönen Strasse zurück an die Loire, dann landen wir allerdings auf einer viel befahrenen Nationalstrasse. Wir versuchen uns an einem unbefestigten Uferweg, doch Thomas mit seinem Vollblutrenner hat mit Sand und Schotter grosse Probleme. Bis Blois spulen wir also umtost vom Verkehr die Strecke ab.

Dort wieder über die Brücke und hinein in die selbstredend pittoreske Altstadt. Wie überall an solchen Orten hat sich auch hier allerhand fahrendes Volk eingefunden, das durch mehr oder minder grosse Leistungen Aufmerksamkeit und ein paar Münzen zu ergattern trachtet. Eine vielköpfige Gauklerfamilie musiziert, jongliert, tanzt, ein Kleinkind plagt sich mit seiner Nuckelflasche, einer geht mit einer Mütze herum.

Zu Füssen des bemerkenswerten Schlosses von Blois, dem wir nur wenig Aufmerksamkeit schenken, leisten wir uns wieder etwas Trinkbares (Orangeade) und kehren dann der betriebsamen Stadt den Rücken. Zwischen Bahndämmen, einem Friedhof und Neubauvierteln irren wir umher. Die Strassenkarte gibt wenig Aufschluss, die Stimmung wird leicht gereizt. Wir erreichen einen grossen Wald, wo sich mehrere Wege zur Fortsetzung anbieten. Rainer und ich sind der Überzeugung, zu weit nördlich abgedriftet zu sein und plädieren für einen nach Süden führenden Weg. Thomas nimmt uns kurzerhand die Entscheidung ab und biegt auf den nach Norden führenden Weg ein. "Hier geht's lang!"

Ich erkläre entschieden, dafür nicht die Verantwortung zu übernehmen, Rainer knirscht unhörbar mit den Zähnen.

Bislang haben wir keine Rollen verteilt, was die Wegführung angeht. Es ist lediglich so, dass nur ich über einen Kartenhalter auf dem Lenker verfüge und aufgrund meiner multifokalen Brille (superentspiegelt und Titangestell) in der Lage bin, auch während der Fahrt die Karte abzulesen. Die anderen beiden müssen immer erst ihre Lesebrille herauskramen. Nur ich sehe dann schlecht aus, wenn die Orientierung mal wieder versagt hat. So ist es auch jetzt.

Zu Thomas' Glück biegt der von ihm gewählte Weg bald in Richtung Westen um und führt schnurgerade - herrlich zu fahren immerhin - durch den Wald. Wir erreichen eine sternförmige Kreuzung, umstanden von alten Zypressen. Hier ist endlich eine Orientierungstafel aufgestellt. Wie erwartet sind wir zu weit nördlich, aber das lässt sich leicht korrigieren. Ganz so leicht zwar auch wieder nicht, der weitere Weg wird immer unwegsamer. Thomas muss schliesslich schieben. Endlich erreichen wir den Waldrand und eine auf der Karte wieder erkennbare Route.

Diese führt uns nun durch eine grüne Landschaft bergauf bergab, schliesslich mehr bergab zurück an die Loire zu dem Ort Onzain. Dort nehmen wir Quartier im Hotel Pont de Ouchet.

Wieder gönnen wir uns zum Diner ein Menue, als letzter Gang wird Käse (fromage) gereicht. Unerfahren in französischen Ess Essmanieren leiste ich mir einen Fauxpas. Als die Bedienung mit der Käseplatte erscheint, greife ich zum Messer und schicke mich an, ein paar gehörige Streifen der dargebotenen Sorten abzusäbeln. So geht das aber nicht und meine Gefährten fallen mir in den Arm. Man muss auf vornehme Art mit dem Finger auf die gewünschten Sorten zeigen, und die Bedienung schneidet einem ein Streifchen herunter. Und mehr als drei Sorten gibt es auch nicht.

So 1.5. Onzain - Chinon 127 km: Abflüge

Gleich im ersten Ort wird unsere Fahrt durch einen riesigen Flohmarkt verzögert. Autos kommen hier heute gar nicht durch, in allen Strassen sind Verkaufsstände aufgebaut. Einen ganzen Tag könnte man hier verbringen, wenn man genügend Geld und Stauraum im Gepäck hätte. So belassen wir es beim Bewundern des vielfältigen Angebots und schwingen uns am Ortsausgang wieder in die Sättel.

Vor Amboise fahren wir im Takt mit einer Rennfahrergruppe, die sich allerdings mit einem gemächliches Tempo begnügt. Thomas zeigt ihnen, was eine Harke ist, und übernimmt die Führung. In Amboise aber muss er erstmal eine Apotheke aufsuchen, um eine Bindehautreizung mit Augentropfen behandeln zu lassen. Er schwärmt von der netten Apothekerin.

Für die Weiterfahrt kaufen wir einen Satz Michelinkarten ein, dann geht es weiter Richtung Schloss Chenonceau. Dort herrscht ein grosser Trubel, wohl weil heute Sonntag ist. So ganz können wir uns aus aller Kultur schliesslich nicht heraushalten, so entrichten wir zähneknirschend jeder umgerechnet DM 9.- Eintritt, um überhaupt des Schlosses ansichtig zu werden.

Die Besichtigung des Schlosses ist allerdings ein Erlebnis und ihr Geld wert. Man wandelt durch die prunkvollen Räume, ein Handzettel, auch in deutsch erhältlich, erläutert die Merkwürdigkeiten.

Bild 1 Bild 2 Chenonceau

Eine Besonderheit ist eine über den Fluss Cher gebaute Wandelhalle, durch die man das andere Ufer erreicht. Eine Gruppe jauchzender Schwimmer in Neoprenanzügen wälzt sich unter dem Schloss hindurch. Schliesslich bewundern wir noch ein berühmtes Portrait von Ludwig XIV. sowie die Küchen- und Kellerräume des Schlosses. Kulturgeschwängert begeben wir uns blinzelnd zurück in die Sonne und zu unseren Rädern.

Bei der Weiterfahrt ergeben sich erstmals einige ernstere Differenzen. Wartezeiten beim Umkleiden und damit verbundenes Vorauseilen einzelner Teilnehmer unserer Gruppe erregen den Unmut der anderen Beteiligten. Rainer muss einmal nach Bezwingen einer Anhöhe an die zwei Kilometer zurückfahren, weil er an der geplanten Abzweigung vorbeigefahren ist. Mit einem Kaffee wird der Unmut halbwegs runtergespült.

Noch ein weiteres Schloss steht auf dem Programm: Azay le Rideau. Dazu fahren wir südlich von Tours am Fluss Indre entlang. In Veigne übt ein Wildwasserfahrer im Schwall eines Wehres, dem gucken wir eine Weile zu. Als er merkt, dass er beobachtet wird, wirft er sogar sein Paddel weg und meistert das Ganze mit den blossen Händen.

Die weiterführende Strasse nach Montpazon ist wegen Bauarbeiten gesperrt, da fragen wir ein paar Spaziergänger, ob wir mit dem Fahrrad da durch können. Das ginge, heisst es. Beim Anfahren komme ich kurz aus dem Gleichgewicht, durch den im Pedalkorb fixierten Fuss kann ich nicht ausbalancieren und falle aus dem Stand wie mit der Axt gefällt zu Füssen der Spaziergänger danieder. "Kommen aus Deutschland mit grossem Gepäck und können nicht mal richtig radfahren" mögen die wohl denken. Schleunigst verschwinden wir um die nächste Kurve.

In Montpazon sind die Strassen aufgerissen, deswegen die Sperrung. Mit den Rädern schieben wir leicht hindurch. Bei Ripault passieren wir ein Industriegelände, da werden wohl irgendwelche Atomforschungen betrieben. Alles ist militärisch mit Stacheldraht und elektrisch geladenen Zäunen gesichert. Ein schlechtes Gewissen müssen die ja haben, wenn sie sich so verschanzen!

Durch das idyllische Tal des Indre erreichen wir Azay le Rideau, doch boshafterweise ist das Eingangstor heute geschlossen, das Schloss liegt weit hinten hinter Bäumen und bleibt unsichtbar. Damit nicht genug. In einem Restaurant am Marktplatz des Ortes geniessen wir mal richtig Kaffee und Kuchen. Nur als die Rechnung kommt, bleibt uns die Spucke weg. 30 Franc kostet ein Stück Kuchen, das sind 9 DM. Auf unseren Protest wird uns die Preisliste gezeigt, das hat tatsächlich seine unverschämte Richtigkeit. Wutschnaubend verlassen wir diese Stätte. Das verhüllte Schloss wird nur noch von seiner Rückseite fotografiert, nicht mal das ist was geworden.

Nach wenigen Kilometern erreicht man wieder die grünen Wiesenauen der Loire, auf einsamer Strasse kann man auf dem Deich entlangfahren. Die Strasse knickt schliesslich rechtwinklig ab und führt geradewegs auf das Schloss Rigny-Usse zu. Zwei Pappeln verstellen leider den optimalen Panoramablick. Vor dem Schloss steht ein Hubschrauber auf einer Wiese, von dort kann man - nicht ganz billig - Rundflüge unternehmen. Wie wir so den Hubschrauber anstaunen, spricht uns alsbald eine Dame an, die mit dem Hubschrauber oder dessen Piloten verheiratet zu sein scheint. Sie ist ehemalige Holländerin und kann deutsch. So können wir ausnahmsweise mal ein Gespräch über Land und Leute führen. Dieses Schloss wird alljährlich von einigen hunderttausend Besuchern aufgesucht. Was der Hubschrauber kostet, wieviele Flugstunden er jährlich absolviert und wie aufwendig die Wartung ist, all das erfahren wir auch noch.

Das genügt uns, wir machen uns an eine Bergstrecke hinauf in den Ort Huismes. Ein Hinweisschild auf einen Panoramablick erweckt unser Interesse. Rainer dreht auf der Dorfstrasse um, übersieht aber einen Bordstein. Nun ist es an ihm, sich langzulegen, ein paar Einheimische vor einer Bar lachen sich kaputt. Wieder entschwinden wir eilig in Richtung Panoramablick, steil hinauf. Dieser stellt sich nach einigem Suchen aber nicht ein. So fahren wir wieder hinab unter Umgehung des Dorfzentrums, um unseren feixenden Fans kein weiteres Schauspiel zu bieten.

Nun ist es nicht mehr weit bis Chinon, wo wir uns an einer Informationstafel über das Hotelangebot ins Bild setzen. Wir beschliessen, den Fluss (Vienne) zu queren, vielleicht ist es dort preiswerter. Im Hotel St. Jaques finden wir Quartier.

Das Abenddiner nehmen wir in dem vornehmen Restaurant Boulle dore (Goldener Ball) ein. Anschliessend warten wir den Zapfenstreich in einer zünftigen Bar bei ein/zwei Bier ab.

Mo 2.5. Chinon - Ingrandes 125 km: Individualisten

Seit wir in Frankreich sind, bin ich auf der Suche nach einem Radtrikot, das ich mir in Braunschweig nicht mehr besorgen konnte. Bei unserem Bummel am Vorabend hatten wir ein Radsportgeschäft entdeckt, wo eine ganze Stange voll Hemden auf Käufer wartet. Also nichts wie hin, Shopping nach dem Frühstück ist angesagt. Obwohl es nach neun Uhr ist, scheint die gesamte Geschäftswelt in Tiefschlaf versunken. Eine Bank hat aber geöffnet, wo Thomas seine Barbestände ergänzt. Montags (Lundy) ist das mit den Ge schäften so eine Sache, erklärt uns die Bankangestellte auf englisch. Wir umkreisen nochmal hoffnungsvoll das Radsportgeschäft, kehren aber unverrichteter Dinge über die Brücke (12. Jahrhundert) zu unserem Hotel zurück.

Dort stochert der Wirt des Hotels mit mißmutiger Miene in einem braunquellenden Gully herum. In einigem Abstand bepacken wir unsere Räder und brechen unter dem Motto "Nach uns die Sintflut" auf.

Wir durchfahren ein ausgedehntes Weinanbaugebiet, überall locken Schilder mit dem Hinweis auf "Cave de Vin", was wohl sowas wie "Weinkeller" heisst. Das Besondere daran ist, dass diese Keller in die Tuffelsen der Berghänge eingebaut sind und sicher optimale Temperaturbedingungen für die Reife der edlen Tropfen bieten. Manche dieser unterirdischen Systeme sollen kilometerlang sein. Mancher Besucher der Loire erliege der Gefahr, seine Reise zu einer einzigen Weinproben-Orgie verkommen zu lassen (Reiseführer).

Am Ortsschild von Candes-S. Martin besteht Thomas darauf, mich als Namensvetter zu fotografieren. Hier soll der Heilige Martin im Jahre 397 gestorben sein. Kaum zu fassen, wie lange das her ist.

Bald darauf finden wir uns auf der Nationalstrasse Richtung Saumur wieder. Das ist wenig erfreulich, deshalb schlagen wir uns links hinauf in die Weinberge. Dort ist es ruhiger, nur mit der Orientierung hapert es mal wieder. Nach einigem Hin und Her finden wir eine Strasse, die uns öben rüber" nach Saumur führt. Der Vorteil ist, dass wir direkt an der hoch über der Stadt gelagerten
historischen Trutzburg herauskommen.

Während Rainer und ich sich dem Fotografieren hingeben, setzt Thomas sich in das obligatorische Cafe und bestellt. Als wir uns auch daselbst einfinden, sitzt Thomas hinter drei Kaffeetassen, alle drei aber sind leer. Nie wird man ergründen, waren die schon vorher da, oder hat er die alle ausgetrunken...

Wir sausen nach Saumur hinunter, halten uns nicht lange dort auf und finden über Seiten- und Holzwege schiebend die Fortsetzung der Tour. Einmal läuft ein Reh parallel zur Strasse beängstigend nah neben uns her, nach einigen Metern erst trennen sich unsere Wildwechsel.

Weiter am linken Ufer der Loire hat sich die Nutzung der tief in die Berghänge reichenden Kavernen geändert: hier baut man Champignons an. Es gibt ein Pilzmuseum. Unsere Hoffnung auf eine zünftige Pilzpfanne bleibt unerfüllt. In einer Strassenbar von Gennes reicht es nur zu einem Käse-Schinken-Sandwich.

Wieder passieren wir eine Brücke über die inzwischen recht breite und behäbige Loire, "rechtsrheinisch", wie Thomas sagt, geht es auf verkehrsreicher Strasse weiter. Man kann über Landschaftseindrücke philosophieren: auch hier ist die Landschaft sehr reizvoll, doch die breite Asphalttrasse schmälert den Genuss für den Radfahrer erheblich.

Dafür ist man schnell unterwegs, Rainer braust an der Spitze dahin. Die grosse Stadt Angers nimmt uns mit ihrem Vekehr, den Baustellen und Ampeln unter unbarmherziger Nachmittagssonne in Empfang.

Als Rainer und ich endlich in der Fussgängerzone von Angers verschnaufen, fehlt von Thomas jede Spur. Er war zwar immer auf Sichtweite hinter uns, aber nun glänzt er durch Abwesenheit. Es vergeht eine Weile, Rainer wird ungehalten. Schliesslich taucht unser Thomas auf, er musste sich dringend ein paar Birnen kaufen. Nun steht er mitten auf der Kreuzung, umtost vom Verkehr. Rainers Laune bessert sich nicht...

Schnell suchen wir an einer Konditorei (Patisserie) nach Labung, der Kuchen ist hier immerhin billiger als beim Schloss Azay de Rimbaud. Die Verkäuferin sieht aus wie die Callas in jungen Jahren. Eine Frau schleppt sich vorbei, gestützt von ihren Begleitern, ständig klappt ihr Kopf nach hinten. Nachdem sie sich kurz auf einem Stuhl erholt hat, ziehen sie weiter ihres Weges.

So auch wir, ein mittelalterliches Fachwerkhaus (Adamhaus), daneben die Kathedrale. Ich schaue kurz hinein, mächtig hohe Gewölbe, das breiteste Kirchenschiff Frankreichs, alte Bilder und Glasfenster.
Bild 1 Bild 2 Angers

Über Stufen hinab an den Fluss, dort lagert zwischen Springbrunnen die Kultur der Neuzeit in Gestalt von zwielichtigen Individuen. Das Hauptnahrungsmittel wird dezent getarnt in Tüten herumgereicht. Besser man macht, dass man weiterkommt.

Wider Erwarten gelingt uns der Absprung aus der Grossstadt Angers gut. Bald schon sind wir auf den angepeilten Nebenstrassen längs der Loire. Recht bergig ist es sogar, der Schweiss fliesst wieder reichlich. Wir finden uns auf einer Traumstrecke wieder, mit Rückenwind auf dem Deich, die Dörfer und Flussauen fliegen vorbei. Schon wollen wir Quartier machen, doch noch mal ein paar Kilometer drauf, es läuft so schön.

Was nun läuft, wird ein besonderes Kapitel werden. In Ingrandes ist für heute Schluss. Es findet sich ein einfaches Hotel, wir beziehen ein Einzel- und ein Doppelzimmer. Unter unseren Fenstern rauscht die Loire unter einer Brücke hindurch über eine Staustufe.

Wir suchen ein gut geratenes Restaurant auf, geniessen auch noch das Menue. Die daran anschliessende Diskussionsstunde aber bekommt Würze. Erst geht es um Ärzte, ob die zuviel verdienen oder nicht. Dann fallen Namen, der eine hält viel von dem, der andere weniger von jenem. Wie man dann auf den niedersächsischen Innenminister gekommen ist, weiss ich auch nicht mehr, jedenfalls der eine findet ihn so und der andere nicht so. Plötzlich eskaliert die Diskussion. "Spinner", "Wandelnde Bildungslücke", ünd auch noch bei der SPD"..., in diesem Stil geht das ab.

Wegen der womöglich fliegenden Weingläser hat sich die Bedienung tief hinter ihrem Tresen verzogen. Ich zücke schon mal meine VISA-Karte, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Rainer ist kategorisch. "Auf diesen Urlaub habe ich mich wahnsinnig gefreut, den lasse ich mir nicht versauen". Dann kommt prompt wie eine Kaskade der aufgestaute Ärger über die unbestreitbar dagewesenen Fehlsituationen der bisherigen Tour zum Ausbruch. Nun will er allein weiterfahren.

Ich sitze dabei sozusagen zwischen allen Stühlen. Ich habe die Tour in dieser Form angezettelt, indem wir zu dritt fahren. In der Hoffnung, dass das harmonisch abläuft, man sich gruppendy namisch arrangiert. Bin ich nun verantwortlich für das Scheitern der Unternehmung, und wie kommen wir da weiter?

Als sich die beteiligten Kontrahenten den Schaum aus den Mundwinkeln gewischt haben und wir schweigend ins's Gespräch vertieft wieder unser Quartier angelaufen haben, pendle ich nochmal zwischen den Zimmern und versuche, zwischen den Fronten zu vermitteln.

Doch ein Zurück gibt es nicht mehr. Immerhin sieht Rainer die Sache realistisch, dass ich mit Thomas zusammen weiterfahre. Mein Vorschlag, erst einmal darüber zu schlafen, verspricht keinen Erfolg. "Ein schwieriges Kapitel in Deinem Bericht" sagt Rainer. "Das kann man wohl sagen"...

Im Grunde ist eine solche Entscheidung bei uns als "Fallschirm" immer eingeplant gewesen. Mit Rainer war ich 10 Tage unterwegs nach Danzig, stets bestand Übereinstimmung darin: wenn es mit dem Verständnis nicht klappt, dann geht man getrennt seiner Wege. In unserem Fall ist es natürlich enttäuschend, nach der langen Planung und Vorfreude so einen Fortgang der Tour nach erst einer von drei vorgesehenen Wochen zu erleben.

Zurück zurHomePage

Kapitel 2
Kapitel 3