Radtour Saale Radweg Magdeburg - Hof,
durch Vogtland und Erzgebirge bis Zittau
29.9.-7.10.2000
Planung
In diesem Jahr steht noch nicht eine einzige Radtour auf unserem Konto, und
es geht schon auf den Oktober zu. Das hat gesundheitliche Gründe,
was ja auch mal passieren kann. Leider herrscht im September - wie allerdings
auch schon den Sommer über in der Siebenschläferperiode - ein
wenig einladendes Wetter für eine Radtour. Heidi hat jedenfalls keine
Lust auf Regen, Gegenwind und Kälte und schleppt Reisekataloge rund
ums Mittelmeer heran. Aber auch da gibt es Probleme noch einen Flug zu
bekommen. Nach einigem Hin und Her wird ein Kompromiss gefunden: Heidi
macht eine Woche "Beauty-Urlaub" in Bad Lauterberg/Harz und ich werde auf
die übrige Menschheit losgelassen.
Ich kann also 8 Tage ungehemmt los brettern, ist das zu fassen? Vorgenommen
wird der Saale Radweg, dessen oberer Teil von Hof bis Saalfeld wegen seiner
Ansprüche an die Beinmuskeln berüchtigt ist. Von Hof soll es
einen Fernradweg nach Zittau geben. Über diesen kann man im voraus
leider wenig in Erfahrung bringen. Der Saale-Radweg ist dagegen gut dokumentiert:
"Vom Fichtelgebirge zur Elbe" in der bikeline Reihe von Esterbauer.
Nur dass ich den Weg in der umgekehrten Richtung nehmen sollte. Da muss
man die Wegbeschreibung bei Bedarf dann rückwärts lesen.
Freitag, Magdeburg – Halle, 130 km
8.30 - 18.30, 38,5 km/h max, 14,85 km/h avg
Man könnte auch von der Haustür los fahren, einen halben Tag
wäre man von Braunschweig bis zur Saalemündung in die Elbe bei
dem Ort Barby unterwegs. Aber die Strecke kenne ich schon von einer
Fahrt nach Berlin im Jahr 1990. Lieber vertraue ich mich der Deutschen
Bahn an und starte in Magdeburg. Vom Hauptbahnhof in Magdeburg bis zur
Elbe braucht man 5 Minuten, dann lässt man die hektische Welt hinter
sich und biegt auf den Elbe-Radweg ein, der zunächst gut asphaltiert
oder geschottert auf dem Hochwasserdamm dahin führt. Der Morgendunst
liegt über den Wiesen, Tautropfen perlen, Windstille - und da steht
auch schon der erste Graureiher im Schilf. Es ist nicht der letzte, das
ist schon sicher.
Eine Schautafel informiert über die Randauer Talsanddüne
oder die Schönefelder Kultur, da ist man dann schon bald an
der Elbbrücke nach Schönebeck. Wenn man nun weiter naturnah
weiterfahren wollte, müsste man sich durch die Botanik und Orte wie
Plötzky, Pretzien oder Gödnitz schlagen. Da es
mich doch mehr zur Saale zieht, ziehe ich die direkte Strecke auf der Bundesstraße
nach Barby vor. Zunächst aber in Schönebeck in einen Supermarkt,
um die notwendigen 2 Liter Brause zu bunkern. Einige Individuen frönen
bereits dem morgendlichen Dosenbier und gucken mir interessiert beim Verstauen
der riesigen Fanta-Flasche zu. Danach gilt es in diesem Ort noch ein merkwürdiges
Gebilde zu bestaunen, das ist ein Kunstwerk von einem dänischen Künstler
namens Anders Nyborg und nennt sich Salzblume. Dieses Kunstwerk
steht direkt an der Elbe auf einem riesigen Platz, an dem noch gepflastert
wird. Ich schüttele unmerklich mit dem Kopf, mache ein Foto, und dann
geht es auf der Bundesstraße flott dahin.
Mit Ungeduld wird endlich der niedliche Ort Barby erreicht, wo
allerdings wohl nicht die berühmte Puppe gleichen Namens erdacht wurde.
Die Menschen hier sehen jedenfalls nicht so aus. Meinen Vorwärtsdrang
bremse ich nun erst einmal und fahre von Neugier getrieben die 2 km zur
Elbfähre nahe der Saalemündung. Die Fähre legt gerade an:
fotogen. "Heh Ferryman" ruft eine Frau hinüber und ich verspeise das
erste Butterbrot. Die Saalemündung liegt in Sichtweite und ist über
einen holperigen Weg zu erreichen. Dabei muss die Herde einer wandernden
Schulklasse durchquert werden bis man entdeckt, dass der Weg an der Saalemündung
endet und es auch sonst weiter nichts zu sehen gibt. Aber die Sonne scheint
nun warm vom wolkenlosen Himmel, schön wäre es, sich ins Gras
zu legen und zu träumen.
Aber so geht das ja nun nicht, stattdessen den holperigen Weg zurück,
wo sich die Schulklasse gerade auf die Fähre begibt, um die Elbe in
Richtung Osten zu überschreiten. Ab Barby ist der Saale-Radweg nun
ausgeschildert und es geht auf einem Schotterweg schnurgerade an einer
Kieskuhle entlang. Man erreicht den Ort Werkleitz, der ist eine
einzige Baustelle. Da kommt in dem ausgekofferten Straßenbett kein
Auto durch, mit dem Fahrrad ist das dagegen kein Problem. Zwei Kilometer
weiter soll es mit einer Fähre über die Saale nach Rosenburg
weiter gehen. Da hätte man ja schon mal den Denkapparat einschalten
sollen, was ich allerdings unterlasse und auf einer Kopfsteinstrecke zum
Fähranleger holpere.
Ein idyllisches Plätzchen, eine himmlische Ruhe, und - "Fähre
außer Betrieb" handschriftlich geschrieben auf einem Zettel am Anleger.
"Wir sind außer Betrieb" ruft da auch schon einer von gegenüber,
wo die Fähre am Ufer dümpelt. "Ach du Schreck" rufe ich wohl
aus, gucke dumm und wende langsam mein bepacktes Rad. "Wart mal, wir holn
dich rüber weil du mitn Fohrrad bist" - hat man schon mal was schöneres
gehört? "Das ist ja ganz toll, sonst hätte ich zehn Kilometer
Umweg" gebe ich zur Antwort und schon gleitet die Fähre heran und
ich schiebe strahlend mein Fahrrad auf die Ladefläche. "Kost ne Mark"
woraufhin ich zwei Zweimarkstücke zücke und mit "Stimmt so" abliefere.
Reicht ja immerhin für ne Packung Clubzigaretten.
Bedankend und dienernd und "Da habe ich ja schon wieder was ganz tolles
erlebt, einen schönen Tag noch" verabschiede ich mich und bin auf
der Stelle in Hochstimmung. Kann man sich ja vorstellen. Ende November
wird die Fähre dann wieder ihren regulären Dienst versehen, mag
wer nach mir kommt solange hier kampieren.
Nun geht es durch die Felder weiter, wo Graureiher äsen - ja wirklich
- oder ein Schäfer seine Herde hütet, während er mit dem
Handy Kontakt zur Außenwelt hält. Ja wirklich. Dann lässt
man den Ort Calbe rechts liegen, wo es eine Klosterkirche gibt.
Ich aber kurve über grobes Pflaster durch Orte wie Wispitz
und Wedlitz. Dann erreicht man Nienburg über die Brücke,
da muss man dann doch einen Abstecher machen. Dort gibt es die Klosterkirche
St. Marien und St. Cyprian, und deren Inneres besteht hauptsächlich
aus steinernen Säulen, wenn ich mich richtig erinnere. Bald bin ich
wieder auf dem Radweg nach Bernburg.
Bernburg ist auf jeden Falle einen längeren Aufenthalt wert. Wir
sind hier allerdings vor ein paar Jahren schon einmal durch gefahren. Inzwischen
hat man viele marode Gebäude restauriert. Ich halte mich an die Beschilderung
und bestaune schließlich eine besonders idyllische Ansicht des Schlosses
über dem Saaleufer. Dann geht es lange durch den Auwald, bis man des
Schlosses Plötzkau ansichtig wird. Das sieht aus wie aus dem
Märchenbuch. Dann kommt der Ort Alsleben, was gab es dort zu sehen?
Weiß ich nicht mehr. Im Radwanderführer steht, es hätte
dort eine alte Burg gegeben, deren Reste sich nicht finden lassen. So geht
es mir wohl auch.
Es ist ja schwierig, im Nachhinein sich nach etlichen hundert Kilometern
an jeden einzelnen Teilabschnitt zu erinnern. Außerdem verfahre ich
mich auch schon mal, lande in dem Ort Könnern, der gar nicht
an der Strecke liegt. Auf der Landstraße wird mit dem Ort Wettin
wieder der Saale Radweg erreicht und das Erinnerungsvermögen setzt
wieder ein. Da liegt nämlich wieder eine trutzige Burg auf dem hohen
Ufer, deswegen benötigt man wohl auch die Busparkplätze zu ihren
Füßen oder besser Mauern. Ich versorge mich noch einmal in einem
Supermarkt und eile dann wegen der fortgeschrittenen Zeit der Stadt Halle
zu.
Immerhin kann man parallel zu den verkehrsreichen Einfallstraßen
einigermaßen im Grünen radeln. Es zieht sich, bis man endlich
den berühmten Marktplatz mit dem Roten Turm und der Marktkirche mit
den Doppeltürmen, die durch eine Brücke verbunden sind, erreicht.
Gibt es da nicht ein Bild von Lionel Feininger, das diese Kirche in Lichtstrahlen
aufgelöst darstellt? Da es inzwischen nach 18 Uhr ist, ist da nicht
mehr viel mit Lichtstrahlen, ich suche vergeblich nach dem rettenden HOTEL
- Wahrzeichen. Fragt man besser einen Passanten. Der schickt mich zum Hotel
am Stadtbad. Das zweite mal quere ich den Marktplatz hinauf zum Steintor:
"Zimmer belegt" ist zu lesen. Panik. Alles zurück, Marktplatz zum
dritten mal überquert. An einer Telefonzelle suche ich meine Unterlagen
zusammen, inzwischen ist es dunkel. Anruf bei einem anderen Hotel. Piep,
piep, kein Anschluss unter dieser Nummer. Bei einem weiteren Versuch
dasselbe. Ich versuche es mit einer anderen Unterkunftsliste aus dem Internet.
Da stehen ganz andere Telefonnummern drin, anscheinend neueren Datums.
Und jetzt klappt es, ich werde im Hotel am Steintor erwartet. Ein
viertes mal über den Marktplatz, dann finde ich das Hotel nicht, aber
man kann ja mal einen Taxifahrer fragen. Die wissen ja alles.
So bin ich nun endlich am Ziel, mit schweren Beinen. Dusche, Rumpsteak
und zwei Bier - wie schön kann das Leben sein, wenn man ein Bett hat.
Samstag, Halle - Jena, 115 km
7.45 - 17.00, 57 km/h max, 15 km/h avg
Obwohl an einer verkehrsreichen Straße mit Kopfsteinpflaster gelegen
hat man eine ruhige Nacht, weil die Fenster schallisoliert sind. Mit neuen
Kräften startet man in den frühen Morgen, ein fünftes mal
über den vertrauten Marktplatz von Halle. Ansonsten macht die Stadt
nicht einen so heimeligen Eindruck, es ist noch viel im Bruch, als ob vor
kurzem noch reihenweise die Bomben eingeschlagen hätten. So ist auch
die erste Strecke Richtung Merseburg durch verfallene Industrieviertel
nicht so erbauend.
Was war nun in Merseburg? Sicher ein Supermarkt mit morgenfrohen Individuen:
"Bring mal nen Bier mit". Außerdem Dom und Schloss - habe ich die
gesehen? Weiß nicht mehr. Gesehen habe ich wenig später die
Leuna Werke, die passen gar nicht auf ein Foto. Um dem weiteren
Weg zu folgen, muß man eine Unterführung passieren, wo ein Baufahrzeug
den Weg versperrt und aufgereihte Kanthölzer als Stolpersperren dienen.
Mit dem Fahrrad unter dem Arm ist das weiter kein Problem und die Bauarbeiter
geben Anfeuerungsbekundungen von sich.
Jedenfalls ist in Bad Dürrenberg wieder etwas zu sehen,
nämlich eines der größten Gradierwerke Europas. Das ist
dann so eine Art überdimensionaler Hecke, wo eine Salzlake über
Strauchwerk rieseln sollte, um den erhobenen Nasen genesungsbedürftiger
Kurgäste Linderung zu verschaffen. Aber nichts da, alles liegt trocken,
vielleicht wird auch gerade instand gesetzt. Das hätte ich alles nicht
gesehen, wenn ich nicht extra einen Treppenweg hinauf geschoben hätte
oder das Eintrittshäuschen zu dem ausgedehnten Kurpark besetzt gewesen
wäre.
Danach geht es wieder auf angenehmste Weise durch die Botanik, wobei
man des öfteren dem herumliegenden Fallobst ausweichen muss. Ich entscheide
mich für drei Birnen, deren eine ich sogleich nach Entfernen der mulschen
Teile verspeise, die anderen beiden nach Mitführen über weitere
mehrere hundert Kilometer dem Abfall zuführen muss, aber als eiserne
Ration haben sie zumindest psychologisch ihren Zweck erfüllt
Nun gelangt man wieder in die angenehme Situation, die Saale per Fähre
überqueren zu dürfen. Leider reicht mein Kleingeld nicht für
3.- DM, einen Fünfzigmarkschein kann man nicht wechseln. Ich muss
eine Mark schuldig bleiben, trotzdem setzt mich die freundliche Dame über.
Die nächste Attraktion sind die ersten Weinberge der Saale-Unstrut-Region.
Gleich der erste wird fotografiert in der Annahme, den wirklich nördlichsten
Weinberg in Deutschland vor sich zu haben, Marke Bahndamm. Weinort Burgwerben,
ist zu lesen. Dann kommt man nach Weissenfels. Da weiß ich
auch nur zu berichten, dass mir an einer Würstchenbude eine zechende
Gruppe das Weiterfahren angeraten sein ließ.
Die Landschaft wird großartig. Oben an den Weinhängen kleine
romantische Häuschen, aber auch Anwesen wie kleine Schlösser.
Man nähert sich der Mündung der Unstrut in die Saale. Da wird
es wieder lebhaft, Bootsverleihe, Wandergruppen und ein Campingplatz. Da
kann ich endlich meinen sperrigen Fünfzigmarkschein wechseln. Bei
all der Aufregung hat man die wohl großartige Stadt Naumburg
mit ihrer Uta aus dem Kreuzworträtsel links liegen gelassen.
Nur die Türme grüßen herüber, wer Zeit hat, sollte
einen Abstecher machen. Habe ich etwa keine Zeit? Eigentlich alle Zeit
der Welt, aber könnte es nicht auch sein, dass das Radeln durch die
Landschaft mehr Spass macht als sich dauernd etwas anzugucken?
Die Beschilderung des Radweges lässt mal wieder zu wünschen
übrig, so findet man sich über die Landstraße unversehens
in Bad Kösen wieder. Hier findet heute ein Volkslauf statt.
Die einen werden schon der Siegerehrung zugeführt, die anderen befinden
sich noch auf der Strecke. Deswegen werden die umherirrenden Gäste
von aufgeregten Helfern hinter irgendwelche Schranken verwiesen, was mich
auf einen Nebenweg treibt, der schon wieder vor einem Gradierwerk endet.
Zurück an der Saale fahre ich in Erwartung einer Holzbrücke am
Ufer dahin, doch die Brücke zeigt sich nicht und ich kehre lieber
um. Auf der anderen Uferseite dahin fahrend entdecke ich die Brücke
dann doch, habe dafür 5 Kilometer Umweg auf dem Konto.
Nun aber heißt es ein
Studentenlied
aus der Zeit der Romantik
anzustimmen, dessen Melodie
ich aber leider nicht kenne:
"Dort Saaleck, hier die Rudelsburg...".
Oben auf dem Berg liegt die Rudelsburg, unten
im Tal der Turm der Burg Saaleck und an der Straße die Busparkplätze.
Damit lasse ich es für heute gut sein mit dem Saale-Radweg. Denn
dieser windet sich nun laut Karte versehen mit einigen Steigungspfeilen
durch die Hinterlandschaft. Da ziehe ich die weniger attraktive Landstraße
bis Jena vor. Da überholt mich doch ein Radfahrer, und der
hat das gleiche Hemd an wie ich? Peinlich. Na ja, Eduscho. Bei den Profis
tragen die Fahrer der gleichen Mannschaft ja auch gleiche Trikots, vielleicht
gibt es die so auch billiger? Nun, ich bin in Jena, woran orientiert man
sich hier? Natürlich an dem runden Monstrum, aufgrund seines phallischen
Designs genannt "Jenaer Pimmel". Sorry, habe ich mir nicht selbst
ausgedacht. Dieses Monstrum wird gerade von oben nach unten restauriert,
mit neuen Fenstern und hellem Putz versehen. Schade, denn sonst würde
ein denkmalwürdiges schwarz vergammelndes Dokument der ehemals sozialistischen
Baukunst dahinreifen.
Schlau von gestern versuche ich mich wieder telefonisch an der Zimmersuche
und habe sogleich Erfolg beim Hotel Schwarzer Bär, sozusagen
erstes Haus am Platze aber bezahlbar. Danach ist es früh genug für
einen Rundgang. Jena ist erstaunlich stimmungsvoll, schöne Plätze
umstanden von historischen Giebelkulissen. Der Abend ist so warm, dass
man im Freien eine Pizza Mare mit Tintenfischen, Garnelen und Muscheln
genussvoll verzehren kann.
Zum Abschluss: ein gemütliches Zimmer, Olympia gucken, aber: auch
nicht schlecht, mein eigenes Olympia bislang!
Sonntag, Jena – Lobenstein, 110 km
8.30 – 18.00, 49,2 km/h max, 13,7 km/h avg
Im schönsten Morgendunst geht es wieder auf die Strecke. Zuerst
durch Grünanlagen, wo ein Individuum gerade seine Lagerstatt auf einer
Bank verlassen hat und tapsig die ersten Schritte in den neuen Tag tut.
Da bin ich schon vorbei gerauscht und finde mich alsbald in der Nähe
der Karl-Zeiss-Jena-Werke wieder. Hier wirkt erfolgreich ein schwäbischer
"Amigo", wie man weiß. Der weitere Radweg führt meistens über
Schotterstrecken, wenn man die leid ist, kann man sich mal wieder ein Stück
weit über die B88 mogeln. Nicht verpassen sollte man allerdings die
Überquerung der Saale über eine abenteuerliche Eisenbahnbrücke
bei dem Ort Orlamünde (ich glaube, das war ganz woanders).
Eine weitere Abwechslung bietet die Ortschaft Kolkwitz, wo man
über einen Berg erst eine Reha-Klinik, dann eine Burg passiert. Dann
folgt die Stadt Rudolstadt, durch die ich wohl wieder recht ignorant
durch gerollt bin. Man nähert sich nun Saalfeld, ab dort soll
es bergig werden. In Saalfeld irre ich ein wenig herum, bis man den Marktplatz
gefunden hat, wo es ja wie meistens am meisten zu sehen gibt, besonders
das Rathaus. Im Tal passiert man die Schokoladenfabrik, nun unter dem Zeichen
"Stollwerk Sprengel", ehemals "Thürina", wie noch auf
einem alten Schild zu lesen ist, das man der Fabrik gelassen hat.
Schon geht es wieder weiter, nun ganz im Zeichen des Thüringer
Schiefergebirges. Ab hier hat der Radweg seine Mucken in Gestalt von Pfeilmarkierungen
auf der Karte und entsprechenden Steigungen in der Wirklichkeit. Dem kann
man zunächst noch aus dem Weg gehen, indem man auf der Landstraße
bleibt. Eine schöne Rast lässt sich an der Staumauer Eichicht
machen. Hier hat man es irgendwie mit Forellen zu tun, da liegen auch so
merkwürdige Kästen im Wasser, womöglich eine Mastzucht wie
mit den Lachsen in Norwegen und Schottland? Noch auf ebener Strecke erreicht
man weiterhin das Ende der Eichicht Staustufe, und dann geht es erstmals
zur Sache. Etwa 50 Höhenmeter sind zu überwinden, das ist die
Höhe der Staumauer der Talsperre Hohenwarte. Außerdem gibt es
ein Pumpspeicherwerk, wie man den von oben herabführenden Rohren ansieht.
Um ein paar Buchten der Talsperre geht es nun geruhsam dahin, leider
hat sich das Wetter verschlechtert und es ist kühl und trübe.
Wir befinden uns inzwischen auf etwa 300 m Höhe, und das soll nicht
so bleiben. Das Oberland liegt auf über 500 m Höhe, und der Radweg
wäre ein schlechter, wenn er einen nicht erst einmal dort hinauf führte.
Nach mehreren Kehren erreicht man den Ort mit dem reizenden Namen "Reitzengeschwenda".
Da gibt es wohl auch ein Bauernmuseum. Es folgt ein wenig Auf und Ab über
das Hochland mit weiten Blicken, leider heute eben etwas trübe. Schließlich
wieder eine rauschende Abfahrt durch ein Wiesental, leider weiß man
dann schon, was kommt. Richtig, man muss alles wieder rauf, diesmal bis
zu dem Ort Liebschütz. Hier scheidet sich nun die Spreu vom
Weizen. Ich schlage mich zur Spreu.
Wer sich zum Weizen zählen will, muss nun ein erneutes mal auf
300 m Höhe nach Ziegenrück runter fahren und kann sich danach
in stetem Auf und Ab in den Wäldern oberhalb der Saaletalsperren vergnügen.
Das ist eher was für Tagesfahrer ohne Gepäck. Schon wegen der
Quartiernahme ist es für mich einfacher und bequemer, auf der Landstraße
oberhalb der 500 m Höhe zu bleiben und in zügiger Fahrt dem Moorbad
Lobenstein zu zu streben. Dort war ich vor 9 Jahren schon einmal
nach Beendigung der Rennsteigtour. Mein damaliges Hotel Oberland
ist wegen "Aufräumungsarbeiten" heute geschlossen. Dafür finde
ich ein Hinweisschild auf das Berghotel "Alter Turm". Da habe ich
seinerzeit gespeist und die Zukunft dieses Unternehmens war damals sehr
ungewiss.
Also zum Abschluss noch einmal eine Steigung hinauf schieben, bis man
das Berghotel erreicht. Hotel ist wohl etwas übertrieben. Wegen eines
Zimmers soll man klingeln. Nach dem zweiten Anlauf meldet sich eine Stimme
und ich bekomme mein Zimmer. Da erfahre ich auch, wie es seinerzeit weiter
gegangen ist. Man hat das Restaurant schließen müssen und geht
nun arbeiten. Die Zimmervermietung läuft nebenbei. Obwohl sich Lobenstein
gut raus gemacht hat, wie man von hier oben sehen kann, mangelt es an Besuchern.
"Wir haben hier gar keine Saison" heißt es.
So muss ich zum Essen noch einmal hinunter in den Ort, wo ich in der
Gaststätte am Markt ein Kammsteak mit Bratkartoffeln und Zwiebeln
verzehre. Leider ist das Ganze reichlich fettig, vielleicht ist das hier
so üblich.
Montag, Lobenstein – Hof, 36 km
8.00-11.00, 50 km/h max, 14 km/h avg
Am Fahrrad habe ich einen schwerwiegenden Defekt festgestellt, den ich
auf erstaunlich einfache Weise beheben kann. Die Schraube zur Befestigung
von Gepäckträger und Schutzblechstreben ist verloren gegangen.
Wenn man da nichts macht, brechen durch die Schwingungen bald weitere Teile,
womöglich sogar der Gepäckträger selbst. Man nehme also
in Ermangelung einer passenden Schraube einen Kabelbinder, der die ganze
Angelegenheit so fest zusammen hält, dass man getrost den nächsten
1000 km entgegen sehen kann.
Es folgt die für mich letzte Etappe des Saale-Radweges. Natürlich
wird gleich hinüber nach Harra abgekürzt. Hinter einer
Bahnunterführung eine ruppige Steigung, aber dann erreicht man in
Blankenstein wieder das Niveau der Saale. Hier gibt es eine große
Papierfabrik, über Fließbänder werden riesige Haufen aus
Holzschnitzeln aufgetürmt. Nach Überqueren der Saale geht es
nun in einigen Kehren hinauf nach Blankenberg. Dort schaufelt ein
Mann auf einer Grasböschung an einem Querweg. Den frage ich nach dem
weiteren Weg und dem Sinn seines Tuns. "Diesen Steig brauche ich zum
Mähen."
Aha!
Ein weiterer hübscher Ort ist dann Sparnberg, bevor man
sich bei Rudolphstein der röhrenden Autobahn Hof – Berlin nähert.
Da kommt ein Mann mit einer Brötchentüte daher, mit dem kann
ich einen kleinen Schnack machen, weil ich auch gerade den Berg hinauf
schiebe. Über den Fernradweg Bayreuth – Hof – Zittau weiß
er auch nichts, aber man kann ja schon mal fragen.
Der Rest bis Hof ist Wald- und Wiesenstrecke auf wenig befahrener Landstraße.
Auf einem Festplatz in Hof gastiert der Zirkus Krone. M-CK lauten die Kfz-Kennzeichen.
Ein paar Kamele bekomme ich auch zu Gesicht. Dann schiebe ich durch die
Innenstadt und gerate vor einen Buchladen. Dort weiß man überhaupt
nichts von jenem Radweg, nach dem ich mich erkundige, noch hat man irgend
welche Literatur darüber. Also auf zur Touristeninformation. Die wissen
genauso wenig. Es gibt zwar irgend so eine Eurotour als Rundtour, aber
die hatte ich eigentlich nicht geplant. Gegenüber befindet sich nun
noch ein Bertelsmann-Buchladen, aber die sind schon gar nicht zuständig.
Ein paar Häuser weiter gibt es noch die Buchhandlung Kleinschmidt.
Dort herrscht eine so wunderbare Ordnung, dass man wenigstens die ADFC-Radtourenkarten
Nr. 18: Oberfranken Vogtland sowie Nr.13: Saale Westl. Erzgebirge
erwerben kann. Dort ist der Radweg Bayreuth – Hof – Zittau als BT-ZI
eingezeichnet, und so steht der Fortsetzung der Tour nun nichts mehr im
Wege.
Kapitel 2: Hof - Zittau
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