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Kapitel 1 Würzburg - Rothenburg
Kapitel 2 Rothenburg - Füssen

Nach 18 Uhr sind wir schließlich in Lindau, wo wir in einem mittelmäßigen Hotel absteigen. Am Bodensee ist eben schon mehr Tourismus, da wird es eng und teuer. Unser Rundgang wird dann noch ganz nett, obwohl es windig und ungemütlich geworden ist. Nichts mit Biergarten heute, wir finden uns im Rössle ein. Wir bestellen Hering und Bodenseefelchen, haben damit der Insellage von Lindau Tribut gezollt.

Es war nicht ganz unser Tag heute: Dafür haben wir einen Abschnitt der Reise abgeschlossen und können unbeschwert ein neues Ziel ins Auge nehmen. "Der Leistungsdruck ist weg" sagt Heidi und meint damit wohl die Berge.

Mittwoch, Lindau - Konstanz, 82 km, Um den See rum

Wir haben nun noch drei Tage Zeit, in denen wir die vollständige Umrundung des Bodensees natürlich nicht schaffen werden. Als erste Teiletappe bietet sich von Lindau aus die Schweizer Seite an, die für uns ja auch Neuland ist. Obwohl es in der Nacht noch tüchtig geregnet hat, starten wir in einen frischen und sonnigen Morgen.


Lindau
Erst einmal schauen wir uns die Inselstadt Lindau noch einmal bei Tageslicht an. Auf dem Wochenmarkt erstehen wir ein paar Gurken für unterwegs. Natürlich stolpern wir auch noch mal in eine der Kirchen, um unseren Hunger nach Barock nicht zu kurz kommen zu lassen. Über die Seebrücke, dann geht es auf dem gut ausgeschilderten Uferweg angenehm dahin. Bald passieren wir die Grenze nach Oesterreich. Wir tun so, als hätten wir nichts damit zu tun. Es nimmt auch keiner Anstoß, wozu gibt es das Schengener Abkommen.

Wir folgen einem Schild: Innenstadt, weil wir uns Bregenz angucken wollen. Es ist damit aber der Ort Lochau gemeint, den wir uns nicht angucken wollen. Also wieder zurück zur Straße am See, bis Bregenz ist es noch ein Stückchen. Man kommt dann auch direkt beim Bahnhof raus, sozusagen auf dem Bahnsteig. Der Abstecher in die Innenstadt fällt dann auch nur kurz aus, denn lieber möchten wir dem Verkehrsgewühl entfliehen und freuen uns mehr auf den Radweg am See.


Seebühne Bregenz
Der Seebühne der Bregenzer Festspiele muß natürlich noch ein Besuch abgestattet werden. Die Festspiele haben erst kürzlich statt gefunden, die Kulissen sind noch aufgebaut. Es hat Porgy and Bess gegeben, entsprechend hat man eine unwirtliche Welt in Szene gesetzt. Ein Torso einer schmuddeligen Betonbrücke, zu deren Füßen ein Haufen abgestürzter Schrottautos aufgetürmt ist. Da erfreut man sich um so mehr an dem Grün ringsumher und dem schönen Blick über das Schwäbische Meer hinüber nach Lindau.


Seeblick
Wir geraten an die Bregenzer Aach, wo man mit großen Steinblöcken einen ordentlichen Schwall verursacht hat. Durch den Ort Hard erreicht man die Brücke über den Neuen Rhein. Das ist ein schnurgerade ausgekofferter Kanal, eingefaßt durch Deiche. Auf dem blühen immerhin die Herbstzeitlosen, ist das für Ende August normal? Uns kann's recht sein.


In der Botanik
Richtig schön wird es aber erst entlang des Alten Rheins, den man allerdings kaum zu sehen bekommt. Der Alte Rhein bildet die Grenze zwischen Oesterreich und der Schweiz. Auf der Brücke passieren wir die Grenze in das für heute nun schon dritte Land. Daß wir weder Schillinge noch Schweizer Franken in der Tasche haben, kümmert uns wenig, wir haben ja die Gurken.

Der weitere Weg wird nun ein wenig unübersichtlich. Wegen der Orientierung fahre ich einmal rechts auf den Bürgersteig und ramme um ein Haar einen Mopedfahrer, der mich rechts überholen wollte. Der hat aber schon gestoppt, ich entschuldige mich, er sich auch, nur meine Ehefrau, die maßregelt mich tüchtig. "Du guckst auch immer nicht richtig" oder so was. Ich fühle mich im Recht, muß man denn damit rechnen, auf dem Bürgersteig rechts überholt zu werden?

Zur Strafe - für wen auch immer - geht es nun einen Berg rauf, das nennt sich nun Rorschacherberg. Es ist nicht heraus zu bekommen, warum man den Berg nicht seeseitig umfahren kann. Natürlich geht es danach wieder runter nach Rorschach, wo man wieder sozusagen auf dem Bahnsteig des Bahnhofs landet. Der Name dieses Ortes ist bekannt durch den Rorschach-Test. Dieser wird bei psychologischen Gutachten angewandt, indem ein wenig Tinte auf ein Blatt Papier gekleckst wird. Das wird dann zusammengefaltet und es entsteht eine sog. Klecksografie. Bei der sich darbietenden Figur muß man sich etwas möglichst unanständiges vorstellen und dem begutachtenden Psychologen beschreiben. Je unanständiger das dann ist, um so glücklicher ist dabei der Gutachter. (Der Name des Tests stammt lt. Brockhaus von dem schweizer Psychiater H. Rorschach, 1884-1922).

Rorschach hat noch eine Macke: es ist durch die Eisenbahnlinie vom Seeufer abgeschnitten. Glücklich, wer in der Nähe eines Bahnübergangs sein Quartier hat. Es folgen bekannte Orte wie Arbon, Frasnacht - nicht zu verwechseln mit dem ähnlich klingenden Synonym für Fasching - dann Romanshorn. Da gibt es einen Hafen, von wo aus man sich in alle möglichen Richtungen einschiffen kann. Das kommt für uns heute nicht in Frage, blendendes Wetter, der schöne Radweg, der blaue See, "Das ist meine Welt" läßt Heidi verlauten.


Ein Ort

In der Gegend von Uttwil passiert man Grundstücke, wo private Anwesen sich zum Seeufer hinunter ziehen, da wird man nachdenklich als Bewohner eines Reihenhauses. Sei's denen gegönnt, die so ein schönes Fleckchen Erde ihr eigen nennen. Wir erreichen den Ort Landschlacht. Da hat es wohl zu einer Seeschlacht nicht gereicht, warum auch immer. Ein Fischer, leider männlich, sonst hätten wir eine Fischerin vom Bodensee erlebt, bringt sein Boot in den Hafen, wirft den Anker aus und klappt den Außenborder hoch.


Malerisches Salatfeld
Die Kulisse von Konstanz ist schon auszumachen, ein Rauchpilz erhebt sich über der Stadt. Wir fahren nun an Kreuzlingen irgendwie vorbei, in einem Bahnhofsgelände etwas so ähnliches wie eine Grenzstation, dann steht man vor einem Bahnhof. "Da ist die Info" macht mich Heidi auf das Touristenbüro aufmerksam. "Aber wir sind doch noch gar nicht in Konstanz" sage ich, ortskundig wie immer. "Da stand eben Universitätsstadt Konstanz" wird entgegen gehalten. In der Info frage ich erst mal, "Sind wir hier eigentlich in Konstanz?". Das wird bestätigt, so schnell kann es gehen.

Gegenüber sind jede Menge Feuerwehrfahrzeuge aufgefahren, sogar eine Einsatzleitung gibt es. Hätten wir nun vor gehabt, im Hotel Halm abzusteigen, das wäre nicht gegangen, das brennt gerade. (Es ist ein wenig anders, darauf kommen wir später). In der Info empfiehlt man mir dieses oder jenes Hotel. Inzwischen hat Heidi draußen auf der Übersichtstafel das Hotel Zeppelin ausgeguckt, da gebe es einen separaten Innenhof für Fahrräder. Es gibt hier vor dem Konstanzer Bahnhof auch eine sehr nützliche Einrichtung: da kann man nach Drücken diverser Tasten und Eingabe einer Kennummer kostenfrei eine telefonische Verbindung mit dem gewünschten Quartier herstellen. Das praktizieren wir nun mit dem Hotel Zeppelin, es funktioniert sogar. Zwei Übernachtungen melden wir gleich an, da kann man nämlich morgen einen Ruhetag einlegen, um eine Fahrradtour zu machen.

Der erste Eindruck von Konstanz ist überaus positiv. Eine schöne Fußgängerzone und viele alte Häuser. Zu denen gehört auch das Hotel Zeppelin, das sich durch eine üppig bemalte Fassade hervor tut. Nun war ich vor etwa 15 Jahren anläßlich einer Dienstreise ja auch schon mal in Konstanz und habe in einem Hotel genächtigt, das eine Fassadenbemalung aufwies, soweit es mir in Erinnerung ist. War das womöglich sogar hier? Ich gerate ganz aus dem Häuschen.


Hotel Graf Zeppelin
Das Hotel Zeppelin liegt aber am Stefansplatz, das stimmt nicht so ganz mit der Erinnerung überein. Keine Angst - es wird sich alles auflösen. Wir bekommen jedenfalls ein Zimmer, das ist groß und hoch, hat Fenster auf einen Innenhof, und damit eine sehr düstere Atmosphäre. Das ist weniger schlimm. Wir wollen ja hier nicht sonnenbaden. Schlimmer ist der Ausblick in den Innenhof hinunter. Da hat so mancher Hotelgast Zigarettenkippen, Bierdosen und anderen Müll hinunter geschmissen. Unerklärlich, warum ein Hotel, das was auf sich hält, solche Mißstände nicht beseitigt.

Sei's drum, wir brechen auf um das übrige Konstanz zu erkunden. Das besteht gewohnheitsgemäß darin, die aushängenden Speisekarten für das Abendessen in Augenschein zu nehmen. Immerhin wird aber auch Heidis Wunsch entsprochen: ein Cafe am See, mit Meerblick und angenehmer Atmosphäre. Das alles bietet ein altes Fachwerkhaus am Hafen, es nennt sich Konzilgebäude, besteht seit 1388, hat seitdem verschiedenen Verwendungszwecken gedient und ist heute zu einem modernen Fest- und Tagungsgebäude umgestaltet. Da tagen wir nun bei Kaffeee und Eisportion (mit Sahne).

Hier legen auch die Schiffe der Weißen Flotte an, wie sie von Usedom bis Genfer See genannt wird. Wir ergötzen uns an den an Land eilenden Touristen, zählen die anlandenden Radfahrern oder lauschen Gesprächen am Nebentisch, wie es unsere Art ist. Als uns der Hunger plagt, machen wir uns auf zu einem noch nicht feststehenden Lokal.

Wie mit der Schnur gezogen geraten wir auf einen Platz, der heißt Obermarkt. Und da ist das Hotel Barbarossa mit bemalter Fassade. Das war es - jetzt weiß ich es wieder - da bin ich vor 15 Jahren abgestiegen. Schon sitzen wir unter einem Sonnenschirm, auch wenn es schon dunkelt. Was soll man sagen, schlecht ist es uns an diesem launigen Ort nicht gegangen. Wir haben sogar noch was raus gekriegt. Die Bedienung ist eine Studentin aus Breslau, die findet hier alles prima. Nebenan parkt ein Auto mit Mafiosis, wie wir meinen. Aber da hat wohl nur einer seine Frau aus der Boutique abgeholt.

Eines ist noch zu klären: die Brandkatastrophe beim Bahnhof. Das erledigen wir nun auch noch. Vor Ort ist noch immer einiges los, man wirft gerade das gesamte Innere der Brandstätte vom Dach aus auf die Straße. Das ist einigermaßen gruselig, was da alle herab segelt und auf die Straße kracht. Zudem glimmt es noch recht deutlich oben im Gebälk. Wir fühlen uns verantwortlich und machen einen Polizisten auf das Geglimme aufmerksam. "Das hat die Feuerwehr im Griff" werden wir abgefertigt. Ein Anwohner weiß - auf Befragen - zu berichten, daß dort oben zweifelhaftes Volk gehaust habe, die wegen einer Kündigung Rache durch Brandstiftung verübt hätten. Zweie hätte man schon, zwei weitere würden noch gesucht.

Am nächsten Morgen kann man alles in der Zeitung nachlesen. Es hat jedenfalls nicht das berühmte Hotel Halm gebrannt, sondern dort ist nur der Rauch aus den Lüftungsschächten gekrochen, wodurch der Brand überhaupt erst entdeckt wurde. Eine Million Schaden hat es dennoch gegeben, und wir haben Konstanz an diesem denkwürdigen Tag erlebt.

Donnerstag, Mainau - Überlingen - Meersburg, 30 km, Regen

Heute können wir ganz gemütlich ohne Gepäck um den See gondeln. Es bietet sich der Überlinger See an, da gibt es die Insel Mainau und auch sonst noch einiges zu sehen. Wir packen die Badesachen ein, besser hätten wir aber die Trainingsanzüge mitnehmen sollen. Um die Insel Mainau zu erreichen kann man den Hinweisschildern folgen, oder - wie wir - sich einen eigenen Weg möglichst nahe am Ufer suchen. Hinter dem Ortsteil Petershausen gerät man dann zwischen einem Thermal- und einem Freibad in einen Park, aus dem man nur durch eine Drehtür oder eine spezielle Pforte heraus kommt. Die Pforte ist wahrscheinlich für Kinderwagen gedacht, ein Fahrrad paßt nicht ohne weiteres durch. Erst wenn man verschiedene Kippwinkel ausprobiert hat, mag es einem gelingen, das Rad diagonal verkantet und schräg gekippt durch die Öffnung zu lavieren. Oder man baut das Rad auseinander...

Wir kommen jedenfalls zum Ableger der Fähre nach Meersburg und sind damit wieder in der Zivilisation. Auch auf den Parkplätzen vor dem Eingang zur Insel kann man sich nicht über Einsamkeit beklagen. Der Eintritt ist nicht ganz billig, wie zu erwarten. Mit einer Broschüre in der Hand kann man sich dann aussuchen, ob es einen mehr zu den Rosen oder Dahlien zieht, ob man das Schmetterlingshaus - das größte in Deutschland - besichtigen will, eine Schloßführung mitmachen will usw. Wir gucken ein paar Papageien zu, wandern dann an bemerkenswerten Mammutbäumen entlang. Da kann man auch Jahresringe zählen, wenn man lange Weile hat.


Insel Mainau


2 Papageie
Als wir wieder am Eingang anlangen, kommen uns mehr und mehr Menschenmassen entgegen, der Run auf Mainau ist in vollem Gange. Wir fahren weiter am See entlang, leider wird das Wetter grau und grauer. Es hat keinen Zweck, weiter zu ziehen, ab Dingelsdorf ist der Uferweg für Radfahrer ohnehin gesperrt. Dort gibt es aber noch die Marienschlucht, den Teufelstisch und eine Höhle, das hätte man sich gut noch angucken können. In einem Gasthof in Dingelsdorf müssen wir aber vor dem einsetzenden Regen Schutz suchen und essen eine Tagessuppe.

Bald darauf setzen wir über nach Überlingen. Graue Regenschwaden ziehen über den See. Eine Weile stellen wir uns in Überlingen beim Verkehrsverein unter, dann schlagen wir uns - wohin wohl - zur Stadtpfarrkirche St. Nikolaus durch. Hier blendet einen weder Barock noch Rokoko, sondern es handelt sich um Gotik, da kommt man ganz durcheinander.


Ueberlingen

Es hört nicht auf zu regnen, da machen wir uns auf den Rückweg, gut daß wir Rückenwind haben. Nun hat man noch eine Sehenswürdigkeit aufgebaut, das ist die Wallfahrtskirche Birnau. Die liegt, wie es sich gehört, natürlich auf einem Berg, wenn auch nur auf einem kleinen. Nun entwickelt sich folgender Disput:

"Noch ne Barockkirche, müssen wir deswegen unbedingt da rauf?"

"Aber das ist doch Birnau, eines der Wahrzeichen vom Bodensee!"

"Na gut, sonst bist Du wieder nöckelig."

"Und wenn wir da rauf fahren, bist DU nöckelig."


Kloster Birnau

Wir fahren nicht, sondern schieben rauf. Man muß es nicht bereuen. Erstens ist es in der Kirche wärmer als draußen und zweitens regnet es dort nicht rein. Ob wir mit unseren Regenumhängen die richtige Figur an diesem ehrwürdigen Ort machen, ist eine andere Frage. Jedenfalls gibt es wieder etwas zu staunen. An der Aussichtsplattform über dem See begebe ich mich noch an die Ballustrade, wo auf einer Schrifttafel der Schöpfer dieses herrlichen Sees gepriesen wird. Das kann man nachvollziehen, wenn man sich die über den See ziehenden grauen Regenschleier weg denkt.


Meersburg

8 km bis Meersburg, meistens entlang der Straße, das ist dann nicht mehr so schön. Die Schönheiten von Meersburg sind trotzdem augenfällig, auch wenn wir triefend und verfroren wenig Sinn dafür aufbringen können. Heidi besorgt eine Tafel Schokolade, das ist schon mal was. Ich mache ein Foto, damit man beweisen kann, daß man da war. Dann buchen wir die Überfahrt nach Konstanz, wärmen uns ein wenig in der Wartehalle auf, zittern auf dem Schiff, fahren so schnell es geht, "nach Hause". Eine heiße Dusche, und als dann der Regen richtig loslegt, sind wir mit unserem düsteren Hotelzimmer auch ganz zufrieden.

Abends essen wir beim Griechen, das Restaurant liegt gleich um die Ecke, da kommt man einigermaßen trocken hin. Der Salat wird gebracht - ein wenig Dressing würde ihm gut tun, meint Heidi. Sie bedient sich einer Flasche mit rotem Inhalt, wird wohl Essig sein. Der Salat schmeckt dann wohl auch etwas sonderbar. Als dann wenig später der Kellner jene roten Flaschen, sie stehen auf allen Tischen, mit dem Feuerzeug in eine illuminierende Tischbeleuchtung verwandelt, haben wir wieder etwas zu lachen. Als Lampenöl entpuppt sich also das vermeintliche Dressing. Fragt sich nur, was für eine Durchschlags- oder Halbwertzeit es hat. (Zur Beruhigung: es ist nichts weiter passiert).

Zur Belohnung für dieses Ungemach bereitet uns die Abendsonne nach dem Regen eine eigenartige Beleuchtung: die Häuser und Kirchen um den Stefansplatz glühen auf.

Freitag, Konstanz - Singen (Hohentwiel), 53 km, Annäherung an Stein am Rhein

Das Ziel der letzten Etappe unserer Tour bedarf eines Kommentars. Wir müssen letztendlich mit der Bahn zurück nach Würzburg gelangen, das haben wir uns für den Sonnabend vorgenommen. Um Kosten zu sparen, kann man das mit dem Wochenendticket für 35.- DM erledigen. Man muß nur sorgfältig darauf achten, daß man nicht wieder in einem InterRegio Zug landet, wie wir gesehen haben. Von Singen aus gibt es eine ideale Verbindung: ein RE (Regional Express) fährt nach Stuttgart, von dort ein weiterer nach Würzburg.

Also müssen wir an diesem Tag nur von Konstanz nach Singen radeln. Für die Strecke gibt es auch wieder einige verschiedene Varianten, die ich diesmal nicht alle durch diskutiere. Wir entscheiden uns für die Schweizer Variante am Südufer des Unteren Sees. Der Untere See gehört genaugenommen nicht mehr zum Bodensee, weil ein Stück Rhein dazwischen liegt. Auf der anderen Seite liegt das NSG Wollmatinger Ried. Dort mögen die Wolpertinger her stammen, die, wenn einmal erlegt, gern als gehörnter Hasenkopf in waidbewußten Gasthöfen als Wandverzierung dienen.

Weder des NSG noch der Wolpertinger werden wir ansichtig, während wir uns - nun wieder in der Schweiz - voran arbeiten. Wir haben es nun mit einem tüchtigen Gegenwind zu tun. Gegenüber der Insel Reichenau machen wir in Ermatingen eine Rast. Die Insel Reichenau ist durch ihren Gemüseanbau bekannt, wie man nachlesen kann. Wir haben aber auch ein Feld mit Mohrrüben gefunden, aus dem Heidi mit einem ordentlichem Rübenbüschel wieder auftaucht. Das kommt einem bei so einer Rast dann zu Gute. Ein freundlicher Schweizer Kanalarbeiter schickt sich an, einen Wasserschacht neben unserer Rastbank auszuspülen, und empfiehlt uns eine nahe gelegene andere Bank, damit wir nicht naß werden.


Ermatingen


Ortsdurchfahrt Berlingen

Ebenso freundlich ist der Ort Ermatingen mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Ab dem Ort Berlingen beginnt der Untere See und das gegenüber liegende Ufer rückt heran.


Blick über den Unteren See

Annäherung an Stein am Rhein

Der letzte Ort am See ist Stein am Rhein. Da fahren wir glatt dran vorbei, bemerken den Irrtum wenig später, wo schon der Radweg nach Singen ausgeschildert ist. Sollen wir nun zurück fahren? Wir hätten etwas verpaßt, wenn wir es nicht getan hätten. Nur dem Wanderweg hätten wir uns nicht anvertrauen sollen. Denn der wird so schmal, daß wir nur noch schieben können, links geht es zwei Meter direkt runter zum Rhein. Nachdem auch noch eine kleine Steigung überwunden werden muß, finden wir den Radweg wieder.


Rheinbrücke


Altstadt
Schon auf der Rheinbrücke wissen wir, daß ein wunderhübscher Ort auf uns wartet. In der Altstadt sind schön bemalte Häuser, da schieben wir staunend hindurch, bis wir durch ein Tor diesen sehenswerten Ort wieder verlassen.

Da wir nun mehr in Richtung Norden fahren, ist uns der Wind freundlicher gesinnt. Dunkle Wolken ziehen auf. In dem Ort Ramsen ist eine Tankstelle, die wir bei einsetzendem Regen gerade so erreichen. Eine Radlerin spricht uns in Original Schwyzerdütsch an, wir verstehen kein Wort. Darauf wechselt sie auf "normales" Deutsch, das klingt für unsere Ohren schon besser. Sie und ihr Partner wollen den kürzesten Weg nach Schaffhausen wissen, sie hätten ihre Gruppe verloren. Das seien so 30 Leute, aber die haben wir auch nicht gesehen. Als der Regen nachläßt, fragt sie noch, ob wir als "versierte Velofahrer" beurteilen könnten, ob man nun losfahren solle. Wir stimmen zu und fahren selber weiter.

Es ist nicht mehr weit bis zur Grenze und dann nach Singen. Am Bahnhof wird gleich das Wochenendticket und die Fahrradkarten für morgen besorgt. Dann schieben wir durch das Gewühl des gerade stattfindenden City-Festes hindurch. Im Verkehrsamt bekommen wir auch gleich ein Quartier zugewiesen: Singener Weinstube heißt es.

Nachdem alles versorgt ist, führt uns der Rundgang hinunter zu einem Flüßchen namens Aach. Als wir von der Brücke so in das Wasser schauen, geht mir plötzlich ein Licht auf. "Weißt du, was das hier für Wasser ist?" frage ich Heidi. "Das ist Wasser von der Donau!" kann ich sie belehren. Ganz in der Nähe liegt nämlich die berühmte Aachquelle, die größte Karstquelle Europas, wo ein Teil des Wassers aus der Donauversickerung zu Tage kommt. Mit jener Donauversickerung haben wir auf unserer Radtour vor zwei Jahren ja ein mittleres Fiasko erlebt. Aber das ist heute schon Geschichte.

Die größte Berühmtheit von Singen ist der Hohentwiel. Das ist der schroffe Rest eines Vulkankegels, der gleich neben der Stadt aufragt. Obendrauf hat man seit Urzeiten eine Festung nach der anderen errichtet, die jeweils als uneinnehmbar galten. Wie man sich denken kann, bringen wir die Energie nicht mehr auf, dort hinauf zu wandeln, sondern wir wenden uns dem City-Fest zu. Später halten wir uns an das Chinarestaurant Fung Wong, wo es mal wieder prächtig schmeckt. Damit ist die Radtour beendet, nach 10 Tagen unterwegs sind wir diesmal auch ganz froh. Die Eindrücke waren gerade auf dieser Strecke so vielfältig, daß man manches nur noch anhand der Aufzeichnungen auf Reihe bekommt.


Zurück in Würzburg
Die Rückfahrt mit der Bahn am nächsten Tag ist dann auch so gut wie streßfrei. Nur ein paar Schlachtenbummler, die zu dem Spiel VFB Stuttgart - Borussia Dortmund anreisen, machen ordentlich Rabatz. Das Siel endet später 0:0, da hätten sie sich den Radau sparen können.

In Würzburg steht unser Auto wohlbehalten unter einem grünen Baum. Wir bedanken uns bei der Chefin des Hotels für den Sonderservice, es kostet nicht mal was. Obwohl oder weil man nach der Autofahrt zurück nach Braunschweig nicht gerade taufrisch ist, versacken wir an diesem Abend beim Waschefest, das ausgerechnet heute in unserem Dorf stattfindet.


Kapitel 1 Würzburg - Rothenburg
Kapitel 2 Rothenburg - Füssen

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