Radtour auf der Romantischen Straße und am Bodensee
20.-31.8.97
Romantische Straße ab Wallerstein
Romantische
Straße Touristik AG
Planung
Angefangen hat alles mit Sarah aus Cincinatti. Von dort kam nämlich eine Anfrage, was es mit der Radroute "Romantische Straße" auf sich hätte, das klang so:
Hallo, ich bin eine amerikanische Studentin und ich
werde im April
nach Deutschland fliegen.
Ich moechte am Romantische Strasse
radfahren aber es gibt nicht viele Informationnen/Vorschlaege über
Fahrradwege des Romantische Strasse am Internet...
Da wir bislang nichts über die Existenz dieser Route wußten bzw. sie uns noch nicht besonders aufgefallen war, war es um so erstaunlicher, was für kulturelle Kleinode von dieser Strecke berührt werden. Fast ist zu befürchten, auf einer "Tour de Kitsch" zu landen, so spektakulär sind die Sensationen aufgereiht. Darauf werden wir im folgenden nun genauer kommen, denn kurzum haben wir die für diesen Sommer geplante Radtour um den Bodensee um die Romantische Straße aufgerundet.
Würzburg |
Da wir mit den Urlaubsterminen ein paar Probleme haben, müssen wir die Tour mitten in der Woche beginnen. Wir beschließen daher, noch am Abend des letzten Arbeitstages (Mittwoch) mit dem Auto nach Würzburg zu fahren, dort zu übernachten und das Auto dort irgendwo für die Dauer der Tour zu deponieren. Um dieses Vorhaben vorzubereiten wählen wir die bequemste Variante, indem wir telefonisch im Hotel Grüner Baum, wenige hundert Meter vom Beginn der Radroute entfernt, die Übernachtung vorbestellen. Daß wir nicht vor 22 Uhr ankommen würden, und ob wir das Auto da so lange stehen lassen könnten? "Das geht alles in Ordnung" versichert uns die freundliche Dame am Telefon. Nur den Schlüssel müßten wir dann bei der nahegelegenen Pizzeria abholen, die hätten lange geöffnet. Wie lange, vergessen wir zum Glück zu fragen.
An besagtem Mittwoch hole ich Heidi direkt um 19.30 Uhr am Geschäft ab, das Fahrrad wird auf geschnallt, und los geht es der untergehenden Sonne nach. Ab dem Autobahndreieck Salzgitter geht es dann wie immer gen Süden, da kann man die geblendeten Augen wieder aufmachen. Für die Anfahrt nach Würzburg haben wir 3 Stunden einkalkuliert. Da die Autobahnen unserer Tage von einem fast durchgehenden Konvoi von Schwerlasttransportern belagert sind, geht diese Rechnung nicht ganz auf. Gegen 20 Uhr in Kassel lesen wir erschreckt: noch 202 km bis Würzburg. Und die ziehen sich durch die Kasseler Berge und über die Rhön ganz schön in die Länge.
Natürlich ist es längst dunkel, als wir endlich in Würzburg unsere Ehrenrunden drehen, einem um diese Tageszeit schlecht funktionierenden Richtungssinn folgend. Wie ein Leuchtturm aber geleitet uns endlich die angestrahlte Festung Marienberg auf den richtigen Weg. Aufatmend nehmen wir einen Briefumschlag in der Pizzeria in Empfang, wo man sich gerade anschickt, das Lokal zu schließen (22.30). Was hätten wir dann gemacht? Und was hätten wir unterwegs für Rechenkunststücke angestellt, wenn wir das gewußt hätten?
Nun hat aber alles geklappt. In dem Briefumschlag befindet sich eine Magnetkarte, daran ist ein Text angeklebt, den ich zitieren muß:
"Diese Seite (Pfeil) vor das rote Licht rechts von der Haustür halten, es leuchtet grün, die Haustüre läßt sich öffnen. Diese oder diese Ecke (zwei weitere Pfeile) bei der Zimmertüre auf den roten Punkt drücken, Türe läßt sich bei grünem Punkt öffnen."
Und tatsächlich, dieses Sesam-öffne-dich-Spielchen funktioniert! Früher nannte man das: Nippel durch die Lasche ziehen. Heute geht das alles elektronisch.
Donnerstag, Würzburg - Waikersheim, 75 km, Grüner Baum
Begierig, die Nase in den Wind zu stecken, brechen wir zeitig auf, nachdem der Autoschlüssel für die nächsten 10 Tage bei der Rezeption deponiert wurde. Zum Glück wird das Auto nicht vorher inspiziert, denn es steht sozusagen im Gnadenbrot und so sieht es auch aus. Außerdem schnasselt der Auspuff vernehmlich.
Würzburgkulisse von der Alten Brücke |
Ein Mann, der zur frühen Morgenstunde vor seinem Haus kehrt, schickt uns auf den richtigen Weg nach Eisingen. Auf dem Weg dorthin - wir schieben gerade wieder - spricht uns ein morgendlicher Spaziergänger an. Unversehens sind wir in eine kleine historische Unterrichtsstunde verwickelt, vielleicht ein pensionierter Lehrer? Wir erfahren, daß wir uns auf dem "Judenweg" befinden, einer alten Verbindungsstraße jüdischer Händler. Nur mühsam können wir uns weiteren Lektionen entziehen und brausen dann alsbald bergab, um dann wieder zu schieben usw.
Vor einem lieblichen Wiesental, unten braust die Autobahn, machen wir unter einem Birnbaum die erste Rast. Nach dem Motto Grüner Baum, wie unser Hotel heißt, werden wir auf dieser Tour noch so unter manchem Baum rasten. Gegenüber von dem Wiesental droht schon ein bewaldeter Höhenzug, den wir zu überqueren haben. Vorher überqueren wir die Autobahn, wo ein Radarwagen der Polizei auf der Brücke lauert. Wir kommen aber ohne Knöllchen davon.
Der Anstieg, der dann folgt, ist brutal, grober Schotter, 10-15% Steigung. Zum Glück findet das alles im Wald statt, sonst wären wir wohl schon jetzt einem Sonnenstich oder Hitzschlag erlegen.
Auf freier Strecke |
Die erste Attraktion aber ist die Pilgerkapelle Liebfrauenbrunn. Da befindet sich in einem Keller eine Quelle, wo die Frauen aus der Gegend flaschenweise das Wasser abfüllen. Das sei so frisch und wohlschmeckend, behaupten sie, doch wir argwöhnen, daß sie sich auch für ihr Seelenheil einiges davon versprechen.
Die Tauber erreicht man dann in Werbach, wenig später ist man in Tauberbischofsheim. Hier muß man aufpassen, ist das doch die Stadt der Säbel- und Degenfechter. Während wir auf einer Bank am Marktplatz in die Runde schauen, geschieht uns aber nichts.
Wenig später geraten wir in die erste Barockkirche, war es in Lauda? Und in Bad Mergentheim sitzen wir dann schon wieder auf einer Bank und verzehren eine Bratwurst (die Rote Wurst ist leider ausgegangen). Nebenan findet zwischen ein paar Frauen eine aufgeregte Diskussion über Grabpflege und Blumen statt. "Da verstehe ich kein Wort" sagt Heidi. Ich habe mir aber einen Ausspruch gemerkt, der etwa so klang: "Am liebschte hätt ich ihr die Blume in’d Gosch nei schlage, da hätt se vielleicht anderscht guckt".
Tauberbischofsheim |
Auf dem weiteren Weg treffen wir nun viele Radfahrer, die leider aber auch die schönsten und schattigen Rastplätze besetzt halten. Wir nähern uns Weikersheim, wo wir Quartier nehmen wollen. Im Touristenbüro kann uns alsbald ein Hotelzimmer bestellt werden, es ist gleich gegenüber im Gasthaus Grüner Hof. Dort ist eigentlich geschlossen, aber der Sohn des Hauses nimmt sich unserer an.
Weikersheim |
Wie wir aus den uns vorliegenden Unterlagen entnehmen, hat Waikersheim einiges zu bieten. Der Ort nennt sich Stadt der Musikjugend. Das bestätigt sich, indem eine Menge Leute mit Gitarrenkasten oder ähnlichem hin und her eilen. Auch aus manchen Häusern singt und klingt es. Im Lidl-Markt, wo wir unseren Getränkevorrat ergänzen, diskutieren dann auch zwei junge Leute über Zupftechniken von Saiteninstrumenten.
Schloß in Waikersheim |
Zum Abendessen haben wir uns nun kein ortstypisches Lokal erwählt (Tauber-Forelle usw.), sondern den Griechen Pegasos in der Bahnhofsstraße. Im wunderschönen Biergarten lassen wir uns unter einem weit ausladenden Baum nieder, dessen Art wir nicht bestimmen können. Es ist jedenfalls keine Linde. Als das Lokal sich mehr und mehr füllt und wir mit Bifteki, Gyros und dergleichen nebst einigen Bieren unsere Lebensgeister wieder belebt haben, können wir bestätigen, daß wir das richtige Lokal erwählt haben. Schließlich fragen wir den Wirt nach dem Baum. Das sei eine alte Ulme, eine der wenigen in ganz Nordbayern überhaupt. Über das Ulmensterben, das vor einigen Jahrzehnten in Deutschland die meisten dieser Bäume dahin gerafft hat, weiß unser Wirt nichts, er sei erst seit drei Jahren hier.
|
|
|
Freitag, Waikersheim - Feuchtwangen, 72 km, Die Rothenburger Puppenstube
Tauberwehr |
An einem schönen Rastplatz lassen wir uns nieder. Da biegt mit knatternden Rädern ein älteres Ehepaar um die Ecke und gesellt sich zu uns. "Sie haben ihren Helfer wohl immer dabei" begrüßen wir sie. Ja, da käme man überall mit hin, die Frau habe es mit dem Knie, aber so könne man immer noch radfahren. Die beiden Räder sind imposant, wiegen 36 Kilo und haben am Hinterrad einen kleinen Hilfsmotor. Wir sind alsbald in eine technische Diskussion verwickelt. Am Auto habe man einen eigens konstruierten Anhänger zum Transport der Räder. Gerade erst sei man in den Alpen gewesen, da seien die Radtouren leichter als hier. Eine Liege und Decken führe man auch mit sich, falls man sich mal legen müsse. Und dann sind sie – weg wie Meiers Hund – um die nächste Kurve verschwunden, während wir die leichten Hangsteigungen hinauf kurbeln.
Creglingen |
Man nähert sich nun der wohl größten Sehenswürdigkeit dieser Tour: dem Städtchen Rothenburg ob der Tauber. Wieder einmal muß ich Heidi vorwarnen, die beiden kleinen Buchstaben "ob" bedeuten oberhalb, das heißt man muß aus dem Tal der Tauber hinauf auf die Höhe. Vorher treffen wir unser Ehepaar mit Hilfsmotor wieder, die haben einen Platten. Man müsse nun das Rad mit einem Abschleppseil, das man bei sich habe, an einer Astgabel in einem Baum aufhängen, worauf man das defekte Hinterrad seitlich ausbauen könne. Das warten wir nicht ab, sondern schieben hinauf auf der Straße, es sind einige Serpentinen zu bewältigen.
Klingengasse in Rothenburg |
DAS Foto von Rothenburg ob der Tauber |
Wir suchen ein ruhiges Plätzchen, das ist in dieser Stadt gar nicht so einfach zu finden. Heidi übernimmt die Erkundung und lotst mich freudestrahlend in den Spitalhof, wo wir ganz allein unter einer Linde auf einer Rundbank unsere Rast genießen können. Da ist das Hegereiter Haus zu bestaunen, heute eine Altenbegegnungsstätte. Eine Scheune entpuppt sich als Reichsstadthalle und ehemalige Zehntscheune. Ein Touristenpaar betritt nun den Spitalhof, die benehmen sich ganz anders, als man es gewohnt ist. Sie fotografieren sozusagen ohne Fotoapparat, legen den Kopf in den Nacken, lassen die Atmosphäre auf sich wirken. So muß man es wohl machen, wir werden ganz andächtig dabei. "Die paaren sich gleich" sage ich zu Heidi, man entschuldige diese respektlose Bemerkung.
An der Spitalbastei verlassen wir Rothenburg, wohl wissend, daß wir es nicht so gewürdigt haben, wie die Stadt es verdient hat. Sicher kommen wir einmal wieder.
Das Hegereiter Haus im Spitalhof |
Siebersturm |