Fernradwanderweg 1 von Holland nach Höxter 
20.5-23.5.93

Planung

Der Radwanderweg R1 besteht seit einigen Jahren, er führt durch reizvolle Landschaften von der holländischen Grenze bei Zwillbrock durch das Münsterland, den Teutoburger Wald und das Weserbergland nach Höxter. Inzwischen sind eine Vielzahl von weiteren Radwanderwegen geschaffen worden, das sieht man schon an der Numerierung, R 99 etwa. Die derzeit bekanntesten Radwege sind: Rund um den Bodensee, Main-, Altmühl-, Weser- oder Donauradweg. Der R1 aber trägt die stolze Eins und liegt ganz in unserer Nähe. Klar, dass er einem seit seinem Bestehen ins Auge sticht.

Im Anschluß an unsere Tour habe ich nachgelesen, dass der R1 in Holland als LF4 bis Den Haag weitergeführt wird, ab dort geht er als LF1 bis Calais weiter. Ostwärts ist der R1 inzwischen bis Staßfurt trassiert, über Berlin soll er dann bis Polen führen. Wenn noch weiter im Osten dann irgendwann mal Ruhe eingekehrt ist, kann der R1 vielleicht mal die transsibirische Eisenbahn ersetzen.

Der R1 ist natürlich wie geschaffen für eine Familientour. Von Holland bis Höxter sind es ca. 270 km, die lassen sich auch mal zwischendurch erledigen. Um der traditionellen dörflichen Grillparty am Himmelfahrtstag zu entgehen, ist es kaum weniger traditionell, an diesem Tag und dem damit verbundenen Wochenende per Rad auszureißen. Doch leider muß Heidi an den Tagen nach Himmelfahrt arbeiten, die Kinder haben sowieso immer etwas anderes vor, als Rad zu fahren.

Anders Kollege Rainer B., der brennt geradezu auf eine Unternehmung dieser Art. Seinen Plan, mit Freundin den Weserradweg zu fahren, gibt er sogar zugunsten der R1 - Tour auf. So steht der Herrenpartie nichts im Wege, selbst mein Friseur, den ich einen Tag vorher aufzusuchen genötigt bin, ist ganz interessiert. Den nehmen wir aber nicht mit!

Nachdem mein Kopf sich so kurzgeschoren präsentiert, stellt sich trotzdem das Problem der Windrichtung. Ich verweise mal auf das Werk "1000 km gegen den Wind", Braunschweig - Danzig (in gleicher Besetzung). Damals fiel bei verstärktem Ostwind schon am Stadtrand von Braunschweig der Spruch: "Wollen wir nicht lieber nach Holland fahren...?"

Den ganzen Mai hindurch haben wir wieder eine Wetterlage wie im Vorjahr: ein Hochdruckgebiet über der Ostsee, schönes Wetter und Ostwind. Da ist die Sache eigentlich klar: Haustürstart in Richtung Höxter, von dort Weiterfahrt auf dem R1 immer Richtung Westen, den Wind im Rücken, nach Holland! Die Uhrzeit für die Abfahrt am nächsten Morgen ist schon vereinbart, es muß nur noch gepackt werden.

Als ich aber am Mittwoch nach besagtem Friseurbesuch nach Hause fahre, muß ich mit meinen sensibilisierten Haarspitzen auf dem Kopf einen ausgewachsenen Westwind konstatieren. Und dieser käme uns ja dann auch auf dem Weg nach Holland ständig entgegen.

Also schaut man auf dem Weg mal schnell beim Bahnhof vorbei. Da gibt es den berühmten Warschau - Hoek van Holland Expreß, mit dem könnte man direkt nach Hengelo gelangen. Aber der fährt nachts um vier Uhr, das ist doch ein wenig lästig. Außerdem hat der meistens Verspätung, da stände man dann verschlafen und verfroren ganz schön dumm auf dem Bahnsteig herum.

Glücklicherweise gibt es eine viel bessere Verbindung: ein D-Zug um 7.49 von Braunschweig nach Hengelo, aber ohne Fahrradtransport. Gleich wie ich zu Hause bin, rufe ich Rainer an, ob wir nun umdisponieren wollen. Nach den Wetterberichten im Fernsehen, die sich zwischen einer Schlechtwetterfront über Frankreich und der östlichen Wetterlage nicht entscheiden können, nehmen wir das Wahrscheinlichere an, dass der Wind sich auf Westen einstellt. Dann müsssen wir mit der Bahn fahren.

Himmelfahrt

Nach einem einsamen Frühstück - alles schläft noch - mache ich mich auf die "Socken" - besser "Reifen" - zum Bahnhof, ein paar selbstgeschmierte Brote im Gepäck. Als Rainer später seine Provianttasche auspackt, kommen schön mit Bändchen verzierte Imbißpäckchen zum Vorschein. Junggesellen wissen manchmal gar nicht, wie sie verwöhnt werden...

Auf dem Bahnhof lösen wir die Fahrkarten nach Bad Bentheim, da ersparen wir uns den Ärger mit der holländischen Grenze, Zoll usw. "Die Räder können Sie aber nicht mitnehmen, das ist ein D-Zug" meint die Schalterbeamtin. "Das woll'n wir doch mal sehn, wir haben da schon Übung". Als der Zug ankommt, entsteigt dem letzten Wagen ein junger Mann mit geschultertem Mountainbike. Sogleich haben wir den Wagen geentert und die Räder im Einstiegsraum am Zugende vorbildlich postiert. Der Schaffner aber, der hat auf dem ganzen langen Bahnsteig nichts anderes zu tun, als den langen Weg zu uns zu machen und sich argwöhnisch die Räder zu betrachten. Mißmutig meint er, wir müßten dann aber immer bei den Rädern bleiben. "Machen wir" versichern wir. Machen wir natürlich nicht, sondern setzen uns gemütlich zwei Abteile weiter.

Nach 2 1/2 Stunden sind wir in Bad Bentheim, auf dem Bahnsteig werden die Gepäcktaschen montiert, die Fahrt kann beginnen. Vom Bahnhof gelangt man sogleich auf eine Umgehungsstraße, da lockt aber ein Schild: Zur Burg geht ein kurzes Stück steil hinauf, die Burg thront auf einigen Felsen, eigentlich ungewöhnlich für diese Gegend, wo man es mehr mit Windmühlen zu tun hat.

Nach diesem ersten Leckerbissen, wuseln wir durch Bad Bentheim und schlagen uns dann von der Fernstraße weg links in die Büsche. Dort soll laut Karte ein Wanderweg durch ein Naturschutzgebiet führen. Dem ist auch so. Nach Befragen einer Frau, die die Garageneinfahrt fegt, werden wir auf den richtigen Weg geschickt. Das Gebiet heißt Venn es handelt sich um Moor- und Waldflächen, auch ein See kommt vor. An einem Punkt hat man eine Aussichtsplattform zum Betrachten der Naturschönheiten errichtet. Hier ballen sich die Menschen, die uns zahlreich auf dem oft schmalen Weg entgegenkommen, alle per Rad. Soviel Radfahrer haben wir noch selten auf einmal gesehen. Bald sind wir kundig, erstens fahren fast alle auf Hollandrädern, zweitens hört man an der Sprache, dass sie auch aus dem oft das "Paradies für Radfahrer" genannten Nachbarländchen kommen.

Vielleicht sind unsere Landesgenosssen alle entsprechend jenseits der Grenze aktiv, wahrscheinlich aber nicht, denn die Bundesdeutschen fahren nicht so begeistert Fahrrad. Wir bilden da eher die Ausnahme.

Vor Gronau stoßen wir auf die breit ausgebaute B 54. Auf freier Strecke kommen wir erstmals dazu, uns über die Windrichtung Gedanken zu machen. Der Wind weht stramm aus Südosten. Dabei kommt uns die Ostkomponente auf dem Weg zum Startpunkt des R1 zunächst gut zupaß, die südliche Komponente weniger.

Wir umfahren Gronau und ziehen unsere Bahn über Orte wie Epe, Alstätte Ammeloe Richtung Zwillbrock. Die Sonne scheint zuweilen, man kommt auf diesen ersten 50 km schon ins Schwitzen.

In Zwillbrock beginnt nun der R1. Außerdem ist dort ein Grenzübergang und eine bemerkenswerte barocke Kirche. Ein paar Ausflugslokale gibt es auch. Und es herrscht geradezu ein Gedränge, alles Radfahrer. In einem Gartenlokal suchen wir uns einen Platz für einen Kaffee. Rainer übernimmt dankenswerterweise den Bestelldienst und kehrt nach einer Weile mit einer netten Bedienerin zurück, die uns die Kaffeekännchen und Kuchenstücke auf den Tisch balanciert. "Sie sind ein Schatz" sagt einer von uns zu ihr. "So bin ich heute, morgen bin ich wieder anders" ist die seltsame Antwort. So grübeln wir erstmal ein wenig. Woher kommen die vielen Leute bloß? Wollen die alle den R1 fahren? Gibt es dann auch genug Quartier unterwegs?

Es sind aber wieder meistens alles holländische Tagesausflügler, die hier in Grenznähe wie die Ameisen hin und her huschen. In unserem Cafegarten ist auch was los: eine Frau sitzt auf der Schaukel, was diese gerade so aushält. In einem Käfig unterhält ein Beo mit melodischen Pfiffen die Leute. Ab und zu mischt er auch mal ein dreckiges Lachen ein, das erheitert besonders.

Nun machen wir uns erwartungsvoll an den R1. Es gibt ein Kartenwerk darüber, dem kann man alles Wissenswerte entnehmen. Als erstes erwartet uns die größte Binnenkolonie von Lachmöven im Zwillbrocker Venn. Wir machen eigens einen Abstecher bis zu dem Aussichtspunkt, von wo aus man den Möven beim Brüten zuschauen kann. Das wird aber bald langweilig. Es soll hier laut Schautafel noch 150 weitere Vogelarten geben, von denen wir aber nicht alle zu Gesicht bekommen.

Es geht auf die Strecke, stramm weht der Wind von vorn. Wir finden das erstmal ganz lustig und kommen trotzdem flott vorwärts. Oft fährt man ja an Hecken entlang oder durch Wälder, da merkt man den Wind weniger. Aber ärgern tut es einen doch irgendwie ...

Rechts von uns verläuft in unmittelbarer Nähe die holländische Grenze, erkennbar an Gräben, Baumreihen oder Hecken: eine grüne Grenze. Nach Kilometer 10 unseres Weges erreichen wir den Grenzübergang Terpelle. Ich fahre 5 Meter über die Grenze, damit ich wenigstens sagen kann, ich sei in Holland gewesen.

Zwischen Vreden und Stadtlohn umfahren wir einen Flugplatz. Als ich an einem Waldrand gerade meine klappernde Lampe festschraube, tauchen über den Baumwipfeln Flugdrachen auf, einer hinter dem anderen, die sehen aus wie fliegende Motorräder. An der Menschenmenge auf dem Flugplatz erkennt man auch, dass dort eine besondere Veranstaltung abgehalten wird.

Wir arbeiten uns ganz bodenständig weiter Richtung Coesfeld vor. Bis dahin sind etwa 50 km auf dem R1 zurückgelegt. Es wird Zeit für die Quartiersuche. In dem winzigen Ort Höven, dafür direkt am R1 gelegen, gibt es die Gaststätte An der Holzbrücke. Dort bekommen wir auf Anhieb ein Zimmer. Obwohl wir unterwegs nicht mehr so viele Radfahrer angetroffen haben, ist dieses Restaurant fast ausgebucht. Eine 10-köpfige Gruppe aus Bremen hat für dieses verlängerte Wochenende hier ihren Stützpunkt aufgeschlagen. In Coesfeld sei auch alles besetzt, meint der Wirt. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt!

Das Essen nehmen wir im Garten ein, dann folgt ein kurzer Rundgang. Er führt uns direkt vor eine Schweinekoppel. Die Schweine liegen dick und träge im Gras, nur die Ohren sind hochgestellt, um den Kontakt zur Außenwelt zu halten. Ein dicker Eber beherrscht die ganze Szene. Wenn es not tut, drückt er eine seiner quiekenden Sauen maßregelnd an den Stacheldraht. Als Krönung wird das Ganze von einem kleinen aber bunten Vogel umflattert, der sich als Wellensittich entpuppt. Ob dieser entflogen ist oder ob er seinen Heimweg kennt, erzählt er uns leider nicht.

Kopfschüttelnd gehen wir einen kleinen Trampelpfad entlang auf einen Teich zu. Hier war wohl mal eine Ziegelei oder Kieskuhle, heute ist es eine Müllkippe, oder vornehmer: Wiederaufarbeitung und Recycling. Entsprechend sieht der Teich aus. Ein Schwan steht dort herum, es sieht aus, als sei er bis zum Anschlag im Schlamm versunken.

Bald sitzen wir lieber wieder in der Gaststube beim Bier. Inzwischen ist die 10-köpfige Gruppe auch beim Essen. Die haben heute eine 60 km Tour gemacht, nun werden die Tageslorbeeren verlesen: "Der Karl war immer zu weit vorne", "Der Walter, der war plötzlich weg" usw.

Spät wird es nicht, ein Gewitter zieht auf und der Regen rauscht hernieder, auch während der Nacht.

Freitag

Kühl, grau und dunstig beginnt der Tag. Gegen 9 Uhr starten wir, schön in langen Hosen und mit Jacke, es hat sich abgekühlt. Solange es nicht regnet, macht das nichts. Und der Wind? -- Der hat nun seine Westkomponente, wie gewünscht. Dennoch kommt es uns immer wieder so vor, als käme er von vorn, aber das denkt man ja immer.

Nach Durchfahren eines großen Waldes erreichen wir Schloß Valar, Zugang vergittert. Von dort wählen wir auf mein Zureden eine zweifelhafte Abzweigung und fahren auf einem schnurgeraden Schotterweg etwas mühsam kilometerweit durch den Wald. Als es uns dann gar nicht gelingt, eine der vertrauten Wegmarkierungen "R1" ausfindig zu machen, wissen wir, dass da was nicht stimmt. Mit Mühe können wir unseren Standpunkt auf der Karte rekonstruieren. Aber es gelingt. Wenig später rollen wir wieder gut gelaunt auf dem regulären Kurs.

Der Radwanderweg führt, wie man sich denken kann, abseits der Landstraßen fast ausschließlich über gut ausgebaute Feld-, Wald- und Wirtschaftswege. Selbst Ortschaften durchfährt man nur selten. So sind die Sehenswürdigkeiten gar nicht so zahlreich, man müsste Abstecher in die Orte machen, die an der Strecke liegen. Die Attraktionen dieser Orte sind in dem Kartenwerk aufgezählt. Von der Landschaft kann man nur Gutes sagen, wenn auch immer wieder dasselbe: Wiesen und Wälder, Hecken und Felder. Die Gerste steht schon recht hoch, die Ähren schaukeln im Wind (von Westen).

Unsere nächste Sehenswürdigkeit ist Schloß Darfeld "ein einzigartiges Beispiel südländischer Baukunst im Norden Deutschlands", wie zu lesen ist. Auch hier ist der Zugang verwehrt, weil es privat genutzt wird. Ein älteres Ehepaar diskutiert mit einem Hofdrachen (Frau) und darf wenigstens einen Nebenhof betreten. Wir steigen gar nicht erst richtig ab und schauen uns das Ganze von weitem an. Das Gebäude sieht wirklich romantisch aus, alles von Wasser umgeben, ein großer Park schließt sich an.

Wir befinden uns nördlich des bekannten Erholungsgebietes Baumberge. Auch unser Weg wird ein wenig bergiger. Einmal begegnet uns ein rasender Mountainbiker, durchgestylt vom Helm bis zur Pedale. Der kann nicht mal grüßen, weil er dann den Kopf heben müsste. Auch wir haben gut zu tun, den Pfützen und Schlammlöchern auszuweichen, die sich doch dann und wann nach der Regennacht gebildet haben.

Kurz vor Havixbeck passiert man Haus Stapel, das ist ein klassizistisches Herrenhaus mit den Füßen im Wasser (von einem Teich umgeben). Hier ist das Tor offen, sodass man einen Blick hinein werfen kann. Viele Autos stehen dort, wahrscheinlich ist hier irgend ein Amt untergebracht (ist nicht so, s. Referenz auf Haus Stapel). Des weiteren diskutieren wir, wie man zu früheren Zeiten die Fundamente dieser Wasserschlösser wohl gegen die Feuchtigkeit abgedichtet hat. Ob mit Pech, oder Lehm?

Ein anderes Thema: nehmen wir einmal den nächsten Ort Havixbeck als Beispiel für einen "Verkehrsrückbau", wie wir ihn vielerorts angetroffen haben. Da hat man in Siedlungsgebieten die ehemals breit angelegten Rennstrecken durch Bordsteinnasen, Pflanzenbeete und Bäume in einen Zickzack-Kurs verwandelt. In einem Fall sind regelrechte Inseln entstanden. Manche Autofahrer durchfahren dennoch diese Slalomstrecken mit quietschenden Reifen, was aber wohl sehr das Missvergnügen der Anwohner auslöst, sodass sich das schnell geben mag.

Denkt man nun an unsere Situation in Braunschweig, da geht es einem schon wieder auf die Galle. Da wird jedes Verengen einer Fahrbahn oder Beseitigen von unnützem Parkraum als Verteufelung des Autos und Beeinträchtigung der Freiheit des Autofahrers dargestellt.

Was sind die Verantwortlichen in Havixbeck doch fortschrittlich, neidisch könnte man werden.

Wir erreichen Hohenholte, ein hübscher Ort. Eine Bank vor der Kirche läd zu einer Rast ein. Eine Gruppe Jugendlicher ist auch mit dem Rad unterwegs, ein Begleitfahrzeug transportiert das Gepäck. Wenig später tackelt eine hyperelegante Dame mit Aktenkoffer an uns mit den selbstgeschmierten Butterbroten vorbei und besteigt einen nicht minder eleganten BMW, Kennzeichen München. So geraten wir in eine weitere Diskussion über die Rolle der erfolgreichen Powerfrau und deren Wege zur Karriere...

Von Hohenholte zur Klostermühle hat man neben dem Mühlbach ein ganz wunderhübsches Stück Weg angelegt, so etwas würde man auf eigene Faust weder finden noch sich trauen, da lang zu fahren. Immer begeisterter werden wir von der Idee der Radwanderwege.

Nun geraten wir an das Schloß derer von Droste Hülshoff. Durch 4.50 DM Eintritt werden ungebetene Gäste abgehalten, zu denen wir auch gehören. Das Gelände ist palisadenartig abgeschottet, weder Park noch Schloß lassen sich erspähen. Die herumstehenden Busse, ob Seniorenfahrt oder Kegelclub, sorgen für Belebung der Szenerie.

Auf geradem Weg geht es Richtung Münster. Wieder steht ein Haus im Wasser: Haus Vögeding, das ist nicht im Führer verzeichnet. Quer über die Autobahn und direkt in die Innenstadt von Münster, so geht es nun weiter. D.h. erst machen wir einen (unfreiwilligen) Abstecher in das Gelände der Universität und bis zum Zentralfriedhof. Aber dann finden wir doch die Innenstadt über die Bäckergasse, dort ist das ältere Universitätsviertel. Sogar an der Mensa kommen wir vorbei. In dem Menschengewusel und Verkehrsgetümmel merkt man erst, wo man herkommt, aus Wald und Flur nämlich, wo das Auge eher auf ruhenden Szenen zu ruhen pflegt. Die viele Bewegung um einen herum macht einen jetzt ganz dusselig.

Wir gehen über einen Platz mit dem lustigen Namen Überwasser-Kirchplatz. "Lieber über Wasser als unter der Erde..." Dann betritt man das eigentliche Zentrum, den Domplatz. Weil wir immer etwas zu nörgeln finden: hier fehlen Bänke, und die Domfassade hat man durch heranwachsende Lindenbäume verstellt. Aber sonst ist das schon beeindruckend, das finden auch einige asiatische Touristen mit umgehängten Kameras.

In der Fußgängerzone herrscht reges Treiben. Es sind viele Buden aufgebaut, anscheinend läuft irgend eine Sonderaktion "Lebendiges Münster" oder sowas. Auch eine Maschine gibt es, wo man sich das Fliegen vorgaukeln lassen kann. Aber die brauchen wir nicht, wir haben ja die Fahrräder.

An der Servatii-Kirche finden wir endlich unsere Ruhe in dem Lokal Stadt New York. Wenigstens kann man draußen sitzen. Eigentlich sollte man diese Art von Fast Food Schuppen nicht unterstützen. Rainer läßt dann auch einen halben Klops über, es ist ihm im Magen nicht so wohl. Ich esse eine Pizza von der Faust, die hat man diagonal abgeteilt, damit die knapp zugemessene Menge der wirtschaftlichen Kalkulation entspricht.

Ein "Kop" (Kontakt-Polizist) schlendert vorbei. Ein Bekannter ruft ihm zu "Hallo, Korl, hasse veel to dohn?" "Komme kaum nach" antwortet der Polizist und bummelt weiter. Dann aber entdeckt er einen falsch geparkten Wagen, und schon zückt er seinen Datenrekorder zur augenblicklichen Vollstreckung.

Nach dem Festgelage in diesem schönen Restaurant geht es weiter. Vorbei an Telgte, von dieser Stadt sieht man den Kirchturm in der Ferne. Es gibt ein Buch von Günther Grass: "Das Treffen in Telgte", das habe ich sogar gelesen. Da wird eine fiktive Konferenz zwischen Dichtern und Literaten zur Zeit des dreißigjährigen Krieges beschrieben. Auch Grimmelshausen im "Simplizius Simplizissimus" (der Jäger von Soest) hat viele Handlungen in dieser Gegend beschrieben. So mustert man aufmerksam die sonderbaren Wälle in den Wäldern, ob die aus dieser Zeit stammen?

Der Weg führt nun entlang der Ems, die man weitgehend kanalisiert und eingedeicht hat. Wir erreichen Warendorf, die Pferdestadt. Hans Günther Winkler Reithalle, damit hat die Stadt ihren berühmten Bürger geehrt. Das zugehörige Pferd hieß bekanntlich Halla, sicher wird das auch irgendwo geehrt.

Wir interessieren uns für das altertümliche Stadtbild, verwinkelte Gassen, Fachwerkhäuser, das sieht gut aus. Bald geraten wir in die Grünanlagen und überqueren die Ems. Es gibt einen See, den Emssee, leider wird der Radweg nicht an diesem See enlang, sondern auf einer weniger reizvollen Straße geführt.

Unsere Tagesleistung nähert sich der 100 km Grenze, wir schauen schon mal voraus, wie es mit der Quartiersuche aussieht. Auch das ist im R1-Führer vorbildlich berücksichtigt. Es sind alle in Frage kommenden Hotels, Gasthäuser und Pensionen mit Telefonnummer, Anzahl der Zimmer und Übernachtungspreise aufgeführt.

Wir entscheiden uns für Harsewinkel, ein Ort vor Gütersloh. Im Hotel Dom Gastätte bekomen wir zwei Einzelzimmer. Da ein Oldtimer-Treffen angemeldet ist, sind auch mal wieder die Quartiere knapp. Ich bin gerade mit dem Duschen fertig, da erklingt unter dem Fenster ein melodischer Männerchor: "Oh Du mein liebes Bächlein Du" oder so ähnlich. Ob das die Oldtimer sind, doch wohl nicht! Im übrigen erscheinen diese überhaupt nicht, jedenfalls nicht, solange wir im Ort sind.

Beim Abendessen steckt Rainer heute zurück, spendiert sich lieber zwei Magenbitter. Der Klops aus Münster wirkt noch nach. Die anschließende Ortsbegehung bietet nicht allzu viel, man hat es mit einer typisch westfälischen Kleinstadt zu tun. Eines aber hebt Harsewinkel aus dem Einerlei: ein Klettergerüst für Rankengewächse in der Ladenzeile. Hier haben die Stadtplaner ein besonderes Tor geschossen. Wir befragen nachher die Wirtin: ob seiner Hässlickeit hat es wegen des Gerüstes entschiedenen Protest gegeben, selbst die Bild Zeitung habe sich eingeschaltet. Als Kompromiss hat man nun die Metallkonstruktion durch kurze Enden von Holzlatten "verschönt".

Der Abend in unserem Gasthof wird harmonisch dadurch beschlossen, dass eine Meute Jugendlicher auf die Übertragung der Ergebnisse der Bundesliga besteht. Dazu muss eine Lampe abgebaut werden, der Fernseher an eine Steckdose angeschlossen werden, die nur über den Tisch zu erreichen ist, an dem wir sitzen. Neues Bier wird bestellt und wir setzen uns an den Nebentisch. Dann wird lauthals kommentiert, was sich da auf dem Fußballrasen Weltbewegendes tut. Werder scheint jedenfalls gewonnen zu haben...

Sonnabend

Beim Frühstück sind wir eingerahmt von Trophäenschränken des Schützenvereins.

Der heutige Morgen führt uns auf einer 25 km lange Schleife um Gütersloh, das in einem großen Bogen südlich umfahren wird. Auch ein Stück längs der Autobahn ist dabei, da sind Krach und Gestank weniger angenehm. Auf einer Brücke über den Ölbach halten wir eine Rast ab, Rainer stellt seinen Sattel neu ein, um den Komfort für einen nicht wenig beanspruchten Körperteil zu steigern.

Hinter der Ortschaft Verl geht es in den großen Wald von Schloß Holte. Ein munteres Bächlein begleitet uns durch den Wald. Vielleicht kannte die Sangesgruppe - die mit dem Bächlein, du... - von gestern diese Wegpassage... Dann bietet sich mit Schloss Holte wieder ein kleiner Höhepunkt. Gelb angestrichen mit drei Türmen liegt es wehrhaft, umgeben von der üblichen Wasserfläche. Eine Brücke führt in einen gepflegten Innenhof. Alle Gebäude sind privat bewohnt.

Während wir auf unseren Restlebensmitteln kauen, rauscht eine Meute Mountainbiker auf die Brücke und umringt uns. Weil wir gerade kauen, sind wir nicht so gesprächig. Da erscheint ein Auto eines Anwohners, alle Räder müssen beiseite geräumt werden. "Ne hübsche Hütte haben sie hier als Wohnung" meint einer der Witzbolde.

Bei der Ortschaft Schloß Holte - Stukenbrock ist der Verlauf des Radweges inzwischen abgeändert worden, sodass unsere Kilometrierung wieder etwas durcheinander kommt. Nach Augustdorf am Rande des Teutoburger Waldes fährt man entlang des Furlbaches leider immer auf der Landstraße.

Nun grüßt der Teutoburger Wald voraus, es beginnt die Teilstrecke, die man sich am schönsten vorgestellt hat. Leider werden wir enttäuscht, die Überquerung des Teutoburger Waldes findet auf einer stark befahrenen Straße statt. Dafür sind die Steigungen nur mäßig und man braucht keine großen Anstrengungen. Vor Detmold gibt es dann auch mal einen geschotterten Weg parallel zur Straße. Dort stehen uralte Eichen, aber die meisten sind ziemlich vergammelt, die machen's wohl nicht mehr lange. Man wird an die Schlacht am Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. erinnert. Diese hat nach neueren Erkenntnissen mit ziemlicher Sicherheit ganz woanders stattgefunden, nämlich am Rand des Wiehengebirges bei Osnabrück. Trotzdem steht Hermann der Cherusker auf der Grotenburg über Detmold trutzig seinen Mann. dass ihm der Arm mit dem erhobenen Schwert nur nicht irgendwann einschläft...

Wir werden auch einige Kräfte benötigen, um die sich nun ereignende Situation zu meistern.

Wir sind in Detmold Hiddesen, da geht es munter auf und ab. Kurz zuvor ist mir durch den Kopf gegangen, dass im vergangenen und in diesem Jahr bei all den z.T. ausgedehnten Radtouren keine Panne passiert ist. Nach einer steilen Abfahrt geht es genauso steil wieder hinauf, ich verschalte mich und die Kette springt ab. Rainer fährt fast auf mich auf, will dann vorbei und tritt mit einem Ruck in die Pedale. Plötzlich schleift sein Hinterrad am Rahmen, das kann ja passieren. Werkzeug haben wir natürlich dabei, besonders einen schweren Schraubenschlüssel mit Griff für meine Pedale, falls die sich mal lockert. Der eignet sich nun gut für die Nabenschrauben. Pingelig, wie immer wird das Rad genauestens justiert, erst rechts, dann links und dann noch einmal umgekehrt.

Weiterfahren geht trotzdem nicht, das Rad sitzt sofort wieder schief. Nun sehen wir beide gleichzeitig, was los ist: die Nabe wackelt auf der einen Seite, auf der anderen nicht. Man mag es ja nicht gleich glauben, um sich die Laune nicht zu verderben, aber es ist so: Achsenbruch. Es ist Sonnabend, Uhrzeit viertel vor zwei. Bei einem Taxifahrer holen wir uns Informationen: die Geschäfte in Detmold schließen um 13 Uhr, aber vielleicht haben wir Glück, dass man in einem Reparaturgeschäft noch jemand antrifft.

Vorsichtig geht es nach Detmold hinunter und wir fragen uns zu dem ersten Fahrradgeschäft durch. Da stehen die blitzenden Boliden hinter den Schaufenstern, Ersatzteile aller Art dienen als Dekoration. Aber kein Mensch weit und breit. Der Inhaber des Ladens wohnt oben im Haus, teilt man uns aus einem angrenzenden Fenster mit. Auf das Klingeln meldet sich immerhin ein Hund, sonst geschieht nichts. Allmählich werden unsere Gesichter länger. "Hier gibt es zum Glück einen Bahnhof" werfe ich ein. "So schnell gebe ich nicht auf" wird gekontert. Man erwägt sogar die Lösung, sich eine Achse aus einem anderen Rad auszubauen, sofern man einen willigen Besitzer findet.

Hinter dem Haus mit dem Fahrradgeschäft befindet sich eine kleine Gasse, das war mal hinter der Stadtmauer und ist ganz romantisch. So lernt man Detmold kennen, für dessen Schönheiten wir bislang noch nicht viel übrig gehabt haben. Ich hoffe, in dieser Gasse einen Hintereingang zu dem Haus mit dem Laden zu finden. Dort ist aber nur eine Frau anzutreffen, die einen Marktwagen zum Verkauf von Matjes schrubbt. Die ist sehr freundlich. Unsere Situation wird geschildert. "Eigentlich brauchen wir nur ein altes Rad, die Achsen sind alle gleich" sage ich. Da steht auch ein Rad in einem Verschlag, auf das zeige ich. "Das ist mein Rad" sagt die Frau erschrocken. Wir würden auch zwanzig Mark da lassen, zum Wiederherstellen der Angelegenheit. Aber das ist dann doch zuviel verlangt. Das koste ja allein der Stundenlohn, meint die Frau. Abschließend versuchen wir den Ladenbesitzer noch telefonisch aufzustöbern, auch das scheitert.

Nun noch der zweite Fahrradladen, der liegt hinter einer Bahnüberführung. Schon in Sichtweite sehen wir: da sind noch welche da!! Kaum können wir die Verkehrsampel abwarten, dass uns die nur nicht weglaufen. Doch dann wird uns sehr hilfsbereit ausgeholfen. Eine Ersatzachse findet sich an einem Rad im Keller, triumphierend ziehen wir ab auf einen nahen Parkplatz. Die Montage können wir schließlich selber, wäre ja gelacht. Der Ausbau der defekten Achse ist nun auch kein Kunststück, denn diese fällt einem in zwei Teilen entgegen. Mit ihr die Kugeln der Kugellager, wir haben schließlich alle 16 aus dem Gras geklaubt.

Zum Einbau der Kugeln braucht man Fett, da laufe ich schnell noch mal zu den Jungs und lasse mir auf einer Pappe etwas Schmierfett geben. Ob wir klar kämen - na logisch!

Inzwischen sitzt Rainer grübelnd vor der Achse und es zeigt sich, wir haben gar keinen passenden Schraubenschlüssel für die Montage dabei. Jetzt heißt es aber schnell zu reagieren: das Hinterrad unter den Arm geklemmt, alte und neue Achse in der Hand, die 16 Kugeln in einem Tempotaschentuch und das Schmierfett auf der Pappe und ab zu den Jungs. Ich bleibe bei den Rädern und dem Gepäck, das ist mir auch lieber.

Nun vergeht eine halbe Stunde. Erst gehe ich auf und ab. Dann setze ich mich auf das Pflaster. Anschließend lege ich mich in das ungemähte Gras neben dem Parkplatz. Es ist aber noch etwas feucht. Also hole ich meinen Regenumhang als Unterlage hervor. Nun ist es schön, die Sonne scheint und ich schlummere fast ein. Da ist Rainer wieder da, das fertig montierte Hinterrad in der Hand. Er war auch nicht pingelig mit einer Spende für die Kaffeekasse, ansonsten sind wir den Jungs unendlich dankbar für die Hilfe.

Nun können wir endlich weiterfahren, aber erst steht der Sinn nach Kaffee und Kuchen. In der Fußgängerzone sitzen wir dann nach überstandener Strapaze und lassen es uns schmecken, verdient hat man's ja. Im Norden sowie im Süden hängen schwarze Wolken, das senkt die Stimmung wieder etwas. Auf einmal tauchen die Mountainbiker von Schloß Holte auf. "Wenn ihr bis Höxter wollt, da seid ihr aber noch nicht weit gekommen!" sagt einer. "Achsenbruch!!" - das imponiert!

Es ist inzwischen nach vier Uhr, gute zwei Stunden haben wir also verloren. Aber verloren ist gar nichts, denn der Himmel klart auf und die Strecke wird nun sehr schön. Leichte Steigungen salzen das ganze. Immer am Rand des Teutoburger Waldes erreichen wir Holzhausen und die Externsteine.

Am Hang entlang geht es zur Silbermühle, einem Restaurant. Dort habe ich vor Jahrzehnten anläßlich der Absolvierung des Kammweges auf dem Teutoburger Wald mal eine Forelle verspeist.

Schließlich führt der Weg hinunter, im romantischen Tal des Mühlenbachs geht es weiter. In Vinsebeck befindet sich wieder ein Schloß, eine "einzigartige Barockschöpfung". Jedenfalls ist es blendend weiß angestrichen. Nun geht es am Heubach weiter. Wunderschön ist der Weg hier.

Da knackt es in meiner rechten Pedale und nichts geht mehr! Mühsam nur kann der Fuß aus dem Gewirr von Pedalgurt und Metallteilen befreit werden, die ganze Pedale fällt auseinander. In Erwartung von irgendwelchen Kugellagern wird der Erdboden sorgfältig sondiert. Die Teile der Pedale werden neu sortiert, dann zeigt sich, dass eine Querverstrebung aus ihrer Vernietung gesprungen ist.

"Na, eine Panne?" ertönt eine Stimme hinter uns. Als wir aufsehen, steht ein bärtiger Mann vor uns. Er sei gerade von Königsberg nach Berlin mit dem Rad gefahren, Reichsstraße 1, das sei sein Brevier. Dann guckt er sich die bereits wieder sortierte Pedale an. "Ist nicht kriegsentscheidend" befindet er. So nimmt er uns mit zu einer nahen Scheune, holt einen Hammer, und dann klopfen wir abwechselnd auf die Pedale ein. Schließlich scheint die Vernietung wieder in Ordnung zu sein. "Wir sind ja hier nicht in Rußland" bemerkt unser Freund erleichtert. Ob wir schon Quartier hätten, will er auch noch wissen. Da aber lassen wir uns nicht darauf ein, wir wollen noch weiter.

Bei der Weiterfahrt überholen wir eine Gruppe. Wie es so seine Art ist, neigt Rainer bei solchen Gelegenheiten zu einer entschiedenen Tempoverschärfung. So auch jetzt, schon fliegen wir dahin. Ich kann mich gerade im Windschatten halten. Im Augenwinkel erkenne ich einen Verfolger. "Ich bin's nur," sagt der, "ihr habt mein Tempo". Na dann... Nach wenigen hundert Metern aber ist der Sportsmann doch schon weit zurückgefallen und wir sind zufrieden.

Zum Übernachten wollen wir nicht bis Höxter fahren. Es ist Wochenende und dort unten kommt auch noch der Querverkehr vom Weser-Radweg hinzu. Da kann man vielleicht Pech mit dem Quartier haben. Wie wir am nächsten Tag sehen, findet dort auch überdies ein vielbesuchtes Reitturnier statt. Zur Linken schauen die Türme der Abteikirche Marienmünster über die Bäume, vor uns liegt der Ortsteil Vörden. Im Gasthaus Zum Krug werden wir abgeblitzt, es ist gerade Schützenfest in Marienmünster. In der Pension Gründer jedoch ist Platz, eine ältere Dame nimmt uns freundlich auf.

Gegessen wird in einer Pizzeria. Im Anschluß daran wechseln wir die Straßenseite und beschließen den Abend an der Theke des Gasthauses Zum Krug.

Sonntag

Der letzte Tag dieser kleinen Radreise beginnt mit der rauschenden Abfahrt nach Höxter, der Endstation des R1. Es geht nur bergab, da ist man schnell unten. Nur kurz schauen wir uns in Höxter um, wir müssen heute noch bis Braunschweig. Über die Weserbrücke, dann fahren wir ein ganz kleines Stück den Weserradweg entlang bis Boffzen. Auf dem Weserradweg soll es zeitweise zugehen wie auf der Autobahn, mit Staus und so....

Eine letzte Rast in Boffzen, dann wartet der Solling auf uns, und damit erstmal kräftiges Klettern. Wir passieren einen Parkplatz, da sind viele Blumen abgelegt, Leute fotografieren. Gleich fällt es einem ein, dort wurden vor nicht allzu langer Zeit zwei Polizisten von drei Brüdern brutal umgebracht. Nun scheint es Menschen zu geben, die extra an diesen Ort fahren, herum fotografieren und sich einen Schauer über den Rücken rieseln lassen.

Über Neuhaus und Silberborn erreichen wir die Große Blöße, die höchste Erhebung des Sollings bei etwas über 500 Meter. Von da geht es in rauschender Fahrt nach Dassel, meine Höchstgeschwindigkeit ist 53 km/h. Die Sonne wärmt einen wieder auf, dann drehen wir eine Ehrenrunde. Schließlich habe ich einen Teil meiner frühen Kindheit hier verlebt und bin hier eingeschult worden. Die Schule gibt es nicht mehr, vieles hat sich verändert. Die Häuser hat man unschön modernisiert, den Hausberg von Dassel, den Bierberg zur Hälfte bebaut. In der Nachkriegszeit haben wir dort Schlehen und Hagebutten gesammelt.

Die folgende Route führt uns geradezu diagonal über die Berge. Erstmal nach Lüthorst, auch diesen Ort kenne ich noch von früher. Wenig später wird zum ersten Mal auf dieser Fahrt geschoben, als es hinauf auf den Hils geht. Von der Straße zweigt oben ein Waldweg ab, den fahren wir entlang. An einer Kreuzung wählen wir dann prompt mal wieder den falschen Weg. Angestrengt bremsend fahren wir wieder hinunter und kommen nicht weit vom Ausgangspunkt unseres Aufstiegs heraus.

Auf der Strecke nach Freden an der Leine ist noch der Selter zu überqueren, wieder eine schweißtreibende Angelegenheit. Oberhalb von Freden gibt es aber erstmal Kaffee und zwei Stück Kuchen in einem Cafe. Noch scheint die Sonne, aber sie sticht. Wir wissen nicht wie sich das Wetter entwickeln wird. Noch ist der Bahnhof Kreiensen nicht weit. Schließlich trübt es sich ein, aber es bleibt trocken.

Der Rest des Heimweges verläuft ohne besondere Ereignisse über Lamspringe, Bockenem und Salzgitter-Ringelheim. Daselbst verfahren wir uns nochmal kräftig und landen zunächst im Hinterhof der Ringelheimer Mühle und dann in Sehlde, wo wir gar nicht hin wollen. Gleiches passiert kurz vor zu Hause in Gebhardshagen, aber das kenne ich schon, es geht mir an dieser Stelle jedesmal so.

Das letzte Stück am Industriegebiet von Salzgitter vorbei macht uns den Kontrast von Natur und menschlicher Dreckerei bewußt. Der Himmel ist schwarz verhüllt, wo die Schornsteine ihre unseligen Dreckschwaden rausblasen.

Nach 20 Uhr erreichen wir Geitelde, 150 km für heute, das reicht. Wir werden sehen, welcher Radwanderweg uns als nächstes erwartet.


Auf den Spuren des R1 von Hoexter bis Stassfurth
Der R1 am nördlichen Harzrand
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