Venedig
14.5.-20.5.2011

Vorgeschichte, Planung und Anreise

Seit wir verheiratet sind, wollten wir unsere Hochzeitsreise nach Venedig machen. Womöglich auch nachträglich. Daraus ist dann nie etwas geworden. Inzwischen haben wir trotzdem Kinder bekommen und die sind inzwischen längst erwachsen. Irgendwann haben die das mitbekommen - mit unserem Venedig-Gerede. Kurzerhand schenken sie also gemeinsam ihrer Mama zu einem runden Geburtstag eine Reise nach Venedig. Der Papa darf auch mitfahren, denn der bezahlt das Hotel. Dieses haben die Kinder samt Hin- und Rückflug im Internet ausgesucht und gebucht. Das Hotel heißt Ca' Vendramin und liegt nicht weit von der Rialto-Brücke im Bezirk Cannaregio. Wenn man den verfügbaren Bildern Glauben schenkt, handelt es sich um einen regelrechten Palazzo. Zum Geburtstag wird in einer Mappe die liebevolle Präsentation der Reise überreicht, und wie erwartet, fließen die Tränen (vor Freude).

Für mich (den Papa) gibt es eine Vorgeschichte aus der Studentenzeit Anfang der 70er Jahre. Die Fachschaft Mathematik der TU Stuttgart hatte eine Exkursionsreise angeboten. Wohin machen nun Mathematiker eine Exkursion? Man hatte sich die Grabstelle des berühmten Mathematikers Bernhard Riemann am Lago Maggiore ausgesucht, der u.a. das Integral und andere schwer verständliche Zusammenhänge in der Funktionentheorie gefunden hat (wo die imaginäre Wurzel aus minus 1, genannt i, die Hauptrolle spielt). Da ich wenig Kontakt zu meinen Kommilitonen hatte, war es angezeigt, das zu ändern, um für die Prüfungsvorbereitungen der bald anstehenden Diplomprüfung vielleicht Mitstreiter zu finden. Das hat bei der Gelegenheit auch geklappt, und so verdanke ich jener Reise letztendlich das Gelingen des Studiums. Nur das Grab des Riemann haben wir nie gesehen, weil der Bus nicht auf die Fähre über den Lago Maggiore passte. Aber es war auch ein Besuch der Lagunenstadt eingeplant, und so habe ich damals Venedig schon einmal gesehen. Bei strömendem Regen! Daher sind die Erinnerungen an die Eindrücke jener Zeit etwas verwaschen.

Sonntag, 15.5.

Der Flug nach Venedig mit Air Berlin soll nun am Sonntagvormittag von Hamburg aus starten. Um rechtzeitig dort zu sein, müssen wir schon einen Tag früher mit Bahn und Niedersachsenticket nach Hamburg anreisen und eine Übernachtung im Radisson Hotel am Flughafen in Kauf nehmen. Man gönnt sich ja sonst nichts - diesen Spruch können wir des weiteren noch gut gebrauchen. Aber so können wir uns auch mit unserer Tochter Stefanie verabreden, die in Hamburg beim Jumbo Verlag (Hörbücher) tätig ist. Wir treffen uns am Bahnhof Altona, und suchen uns aus dem reichhaltigen Programm, das unsere Tochter sich ausgedacht hat, den Besuch des Botanischen Gartens in Klein Flottbek aus. Anschließend besichtigen wir noch ihre jetzige und nebenan vielleicht zukünftige Wohnung und landen schließlich in einem italienischen Restaurant, um eine Pizza zu uns zu nehmen, sozusagen als Vorgeschmack auf die kommenden Tage. Am Ende verabschieden wir uns an der S-Bahn Linie 1, indem wir uns zwischen schließenden Abteiltüren in den fast schon abfahrenden Zug zwängen. Beinahe wären unsere ehelichen Bande bei diesem Manöver zumindest örtlich getrennt worden, und dann wäre guter Rat teuer gewesen. Das nächste Mal warten wir lieber die 10 Minuten auf die nächste Bahn. Bei der Ankunft am Flughafen herrscht strömender Regen, aber der Weg von der S-Bahnstation zum Hotel lässt sich unterirdisch durch die Parkdecks zurücklegen. Der vorsorglich mitgeführte Regenschirm erweist sich als defekt, der kann gleich entsorgt werden. Auch auf dieses Thema werden wir zurückkommen.

Nach einem Frühstück, das jenem im Kempinski auf Gozo, wo wir im letzten Jahr kostenfrei (s. dort) hinein gestolpert sind, nur wenig nachsteht - es gibt auch Lachs - finden wir uns rechtzeitig an den Flugschaltern ein. Bei der Sicherheitskontrolle kann man wählen, ob man durch den Körperscanner geht - oder nicht. Ist das der berühmte Nacktscanner? Keine Ahnung, uns macht das nichts aus, sofern das nicht gleich auf einer Großleinwand übertragen wird. In meinem Fall wird moniert, dass ich das Taschentuch aus der Hosentasche nicht herausgenommen hätte, als ob das explodieren könnte, oder was? Nun aber geht der Flug regulär vonstatten, am Ende sieht man die Lagune von Venedig unter sich mit bizarren Mustern der Land-Wasserstrukturen und im Dunst die Stadt selbst - die Serenissima. Wir hatten noch zu Hause die Wettervoraussage bemüht: sie stimmt, es herrscht strömender Regen und ein kalter heftiger Wind.

Leider hatten wir uns nicht darauf vorbereitet, was nun zu tun ist, wenn man nicht von einer Empfangsdame mit kennzeichnendem Plakat, passend zu den Kofferanhängern, begrüßt wird. Inzwischen haben wir es gelernt, und vorgreifend sei es mitgeteilt. Man begibt sich zuerst zu den Schaltern der Nahverkehrsbetriebe ACTV und kauft sich eine Dauerkarte für die Zeit des Aufenthalts. Dann kann man alle Busse und Transportboote - die Vaporettos - ungeniert benutzen. Vom Flughafen nimmt man zunächst einen Bus zum Piazzale Roma in der Nähe der Bahnstation Ferrovia. Eine Bootsverbindung auf die Dauerkarte gibt es in beiden Richtungen nicht. Wir haben nun erstmal ohne Dauerkarte 10 EURo p.P. aufzuwenden um mit einem sog. Expressbus nach Venedig zu gelangen.

An jenem besagten Piazzale Roma pfeift der Wind und Regen, und in einem Wartehäuschen suchen wir Schutz. Nahebei finden wir dann so etwas wie einen Kanal. Da kommt auch schon ein Boot heran gebraust. Und ehe wir uns zu versehen sind wir selbst und die Koffer an Bord verladen und man braust los in Richtung Ca' Vendramin, dem Hotel. Der Bootsfahrer gibt Vollgas, unsere geografischen Kenntnisse sind auch gleich Null, und so geht es über die offene Lagune bei  rauer See in voller Fahrt dahin. Derweil sitzen wir in der gemütlich geheizten Kabine und beglückwünschen uns, dass das so gut geklappt hat. Nur die Koffer auf dem Vorderdeck kriegen so manche Gischt und überschwappende Wogen zu spüren. Hoffentlich sind sie wasserdicht! Schon sind wir am Anleger des Hotels angekommen, lassen uns und die nassen Koffer ausladen. "Quanta Costa?" "Sixtie" "Sixteen?" "No, Six and Zero!"  Schluck, aber man gönnt sich ja sonst nichts. Da muss man durch, obwohl man im Reiseführer Marco Polo nachlesen kann, dass man sich vor den Wassertaxis in Acht nehmen sollte. Sie sind das teuerste Verkehrsmittel überhaupt. Ein Trinkgeld muss man in diesem Fall wirklich nicht zahlen. Auf dem Stadtplan kann man später feststellen, dass unser Bootsführer wahrlich nicht den kürzesten Weg genommen hat.

Immerhin sind wir nun in unserem Hotel ohne Schirm und Fußmärsche einigermaßen trocken angelangt und werden herzlich empfangen. Nach dem Einchecken werden uns die Koffer nach oben in unser Zimmer gebracht, da ist natürlich dann doch ein Trinkgeld fällig. Unser Zimmer ist zweigeschossig. Unten ist das Badezimmer, und eine Treppe höher der Wohnbereich. Der besteht aus einem Doppelbett, einem Stuhl und einem Fernsehgerät, auf dem man neben den landesüblichen Sendern nur das ZDF empfangen kann. Bei einem Stuhl kann sich einer setzen und der andere muss sich auf das Bett legen, und das bin meistens ich. Bei nur einem für uns verständlichen Fernsehsender ist auch die Möglichkeit gegeben, ein Buch zu lesen z.B. "Die Liebenden von San Marco" (Charlotte Thomas).

Nachdem wir die Koffer ausgepackt haben - es sind keine Wasserschäden festzustellen - treibt es einen nun doch nach draußen. Zuerst wird am nächstbesten Straßenkiosk ein Schirm für 5 EURo erstanden, damit man sich in diesem Regen bewegen kann. Später werden wir feststellen, dass im Hotel ein Schirmständer mit so um die 10 Schirmen herumsteht, wo man sich wohlgefälligst hätte bedienen können. Stattdessen wird schließlich unser Schirm in besagtem Sammelbehälter landen, weil wir ihn nach dem einen Regentag weder in einem Koffer verstauen noch beim Rückflug durch die Sicherheitskontrollen schleusen könnten (Bajonettverdacht).

Nun erleben wir Venedig im Regen, wie alle anderen Touristen auch. An allen Ecken sieht man kleine Elendshäufchen von verkrüppelten Regenschirmen, die den Unbilden der Natur nicht stand gehalten haben. Nun hat Venedig sicher größere Umweltprobleme als entsorgte Regenschirmwracks, so kann man das eher lustig sehen. An der Rezeption unseres Hotels haben wir auch einen Stadtplan überreicht bekommen, sodass man sich in den verwinkelten Gassen einigermaßen orientieren kann. Im übrigen sind die Wege zu den Hauptattraktionen wie der Rialtobrücke oder dem Markus Platz gut ausgeschildert. An der Rialtobrücke erreichen wir zum ersten mal den Canale Grande. Ja, so stellt man sich Venedig vor! Sogar bei Regen macht das schon was her. Wir schlagen uns weiter bis zum Markus Platz durch. Heidi war nur schwer davon abzubringen, ihre Gummistiefel mitzunehmen. Zwar steht der Markus Platz heute nicht unter Wasser, aber nasse Füße haben wir auch so.

Ab und zu stolpern wir in eine Kirche, von denen es wohl etliche gibt. Ausgestattet mit einer neuen Kamera (Nikon  Coolpix  S9100), die es zu meinem letzten Geburtstag gab, ist man nun auch in der Lage, anständige Innenaufnahmen anzufertigen. Zuvor hatte ich immer neidisch auf die Displays fotografierender Touristen geschielt, die gestochen scharfe Ansichten im Visier hatten, während meine Kamera nur das rote Alarmlicht wegen unzulänglicher Lichtverhältnisse meldete. Irgendwann haben wir schließlich gemerkt, dass das Fotografieren und Filmen in den Kirchen meistens untersagt ist, danach war es dann aus mit dem Vergnügen. Ein paar Bilder hat man immerhin stibitzt.

Mit unseren nassen Füßen machen wir uns an den Rückmarsch. Gleich zu Beginn unseres Spaziergangs hatten wir vorhin den Supermarkt Billa gleich um die Ecke bei unserem Hotel entdeckt. Dort gibt es sogar das gleiche Bier wie bei unserem letzten Urlaub auf Madeira: Bavaria 89 sowie eine ansprechende Auswahl an Weinen. So versorgt man sich für den Abend und dann begeben wir uns in die nahegelegene Pizzeria Pasqualigo zum Abendessen. Heute kann man nicht draußen sitzen, doch drinnen tagt eine muntere Gesellschaft, zusammengesetzt aus drei Generationen und an die 20 Personen und ein paar Hunden. Man kann sich vorstellen, dass es da sehr lebhaft zugeht. Doch bald bricht die Corona auf und es wird ruhiger. Der Kellner verdreht die Augen. "Acht Stunden!" stöhnt er, sichtlich geschafft.

Wir bestellen erst einmal wie wir es gewohnt sind, ein großes Bier. Und schon kommen zwei Maßkrüge mit wohl einem Liter Bier darin. Kostenpunkt 12 Euro pro Humpen. Und bei der reichhaltigen Pizzamahlzeit fällt es einem am Schluss schwer, das alles in seinem Inneren unterzubringen. Da sind wir froh, dass wir nur um zwei Ecken und über eine Brücke zurück zu unserem Hotel zu bewältigen haben. Nun hat auch schließlich der Himmel ein Einsehen und belohnt uns nach all dem Regen mit einem Ausblick auf ein sonnenbeschienenes Türmchen aus unserem Zimmerfenster.


Fortsetzung Reisebericht
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