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Sonnabend 27.7. Hinfahrt

Um drei Uhr in der Nacht hält es mich nicht mehr im Bett, Kaffeekochen, zum Glück ist Heidi auch von leichtem Schlaf gesegnet und nimmt die weitere Versorgung in die Hand. Eierkochen, Brote schmieren, die letzten Kosmetikartikel in das am Vorabend fertig gepackte Auto verstauen - Stefanie nicht vergessen, die noch selig schläft. So sitzen wir pünktlich um vier Uhr in der Frühe auf unseren Sitzen, noch ist es dunkel, Lichter an, und auf geht's.

Wir wollen nur auf Landstraßen fahren, um Stausituationen aus dem Wege zu gehen. Das klappt auch gut, bei Sonnenaufgang sind wir bereits hinter Wolfsburg, dann Brome: "Muttu so rasen" das Schild steht immer noch am Ortseingang. Salzwedel, wir fahren durch den Ort, dessen enge Straßen sehr malerisch sind. Bis wir die Straße nach Arendsee - Wittenberge finden, probieren wir wieder mal alle erdenkliche Richtungen und Straßen aus. Aber es geht voran, endlich fahren wir über die Elbe, dann Mecklenburg, Seen blinken durch den Morgennebel. Als gestreßte Urlaubsautofahrer können wir nur wenig davon genießen - mit dem Fahrrad muß man hier die Landschaft erobern - und Zeit dazu haben. Immerhin führt uns unsere Strecke am Müritzsee vorbei - durch den morgendlichen Dunst sieht man nicht einmal bis auf die andere Seite dieses größten Sees der mecklenburgischen Seenplatte. Heidi und Stefanie sehen noch viel weniger, weil sie vor sich hin dösen. Ab und zu werde ich aber mit einem Kaffee oder einer Banane gefüttert.

Als wir Anklam erreichen, scheint die Sonne. In Anklam beeindrucken die Stadttore, vom Auto aus ist das alles nicht gebührend zu bewundern. Dann vor uns ein Stau, die Menschen stehen auf der Straße. Ein Blick auf die Karte, da kann nur eine Brücke schuld sein, und zwar die über den Peenestrom. Endlich geht es weiter. Nachdem die Brücke überquert ist, bringen wir Stefanie auf Tour, die immer noch zum Dösen neigt: achte mal auf das nächste Ortsschild. Und das heißt: "Usedom". Sind wir jetzt da? So ist es, nun geht alles ganz schnell. Kurz vor dem Ziel ist die Landschaft das, worauf man gewartet hat, blaue Wasserflächen, grüne Wiesen, ein strahlend blauer Himmel, ein Storchenpaar stelzt in den Wiesen. " Ich seh die See" - unser alter Spruch, wenn wir in Küstennähe kommen. Hier ist zunächst nur das "Achterwasser" zu sehen. Nun geht alles ganz schnell, hinter dem Ort Pudagla biegen wir auf die Haupstraße B 111, erreichen Stubbenfelde, dann Kölpinsee.

Erstmal wie immer aufs Geratewohl, fast landen wir am Achterwasser. Vor einem Supermarkt ist ein Parkplatz, daneben ein Rummelplatz mit Karussell. Eine Post, da kann man uns den Weg zu unserer Adresse: "Familie W., Teufelsberg" genau erklären. Zurück nach Stubbenfelde, dann einen etwas abenteuerlichen Plattenweg entlang, genervt stellen wir das Auto am vermeintlichen Ende des befestigten Weges ab. Rechts liegt ein freistehendes Haus, links ein Haus am See, da wuselt jemand herum, den wir nach der Familie W. fragen können. Das freistehende Haus ist das richtige, es liegt am Hang zwischen Kölpinsee und Steilküste, hinter den Bäumen hört man schon die See rauschen.

Steilufer

Wir werden von Sohn Andreas in Empfang genommen, der aber mit seinen 5 Jahren noch nicht voll geschäftsfähig ist und mit "Mutti, wir kriegen Besuch" die zuständige Hausherrin herbeiruft. Wir werden herzlich begrüßt und in unser Zimmer eingewiesen. In dem anderen Zimmer ist ein Ehepaar aus Bielefeld zu Gast, eine schöne Küche läßt auch auf das Gelingen der Kochkünste hoffen. Da strahlend schönes Sommerwetter herrscht, beeilen wir uns mit dem Auspacken und sind nach einer halben Stunde "strandfertig". Voller Spannung geht es den Hang hinauf und oben an der Kante der erste Blick auf die Ostsee. Das Steilufer ist hier knapp 50 m hoch und von Wald bestanden, der sich 15 km bis Bansin hinzieht. Eine Treppe führt schräg hinunter, dann spüren wir den warmen Sand unter den Füßen. Die Ostsee liegt blau vor uns, zur Rechten kann man den Hafen von Swinemünde erahnen, dahinter zieht sich die pommersche Ostseeküste hin. Links reicht der Blick zum Streckelberg, mit ca. 60 m die höchste Erhebung der Insel.

Wir suchen uns ein Plätzchen im Sand. Um uns sind die Badegäste recht luftig angezogen, ein Kettchen oder Armband vielleicht, die Bademode spielt eine untergeordnetere Rolle. Stefanie und ich gehen gleich auf Erkundungstour, wenig weiter stehen Strandkörbe und wir finden auch einen Kiosk, wo man essen und Kaffee trinken kann. Als wir zurückkehren, hat sich unsere Mama bereits der vorherrschenden Bademode angeschlossen, auch ich tue gleiches und lege damit den Grundstein für ein pavianmäßiges Outfit in den nächsten Tagen. Man ist eben nicht an allen Stellen des Körpers vor Sonnenbrand gefeit.

Bei einem weiteren Ausflug in die andere Richtung machen wir eine Entdeckung. Ein paar Leute suchen eifrig in dem angespülten Muschelsaum herum und klauben winzige gelbe Splitter zusammen. Ob die hier die Scherben einsammeln? Wir sind an der Ostsee - da kann es sich nur um Bernstein handeln. Wenig später suchen wir auch, im Laufe der Zeit kommen schon drei oder vier stecknadelkopfgroße Splitter zusammen. Gegen Abend begrüßen wir am Strand unsere Zimmernachbarn aus Bielefeld, wir sind alle im Adamskostüm - außer Stefanie - das ist schon kurios, doch nur für uns frisch Angereiste, als solche sind wir unschwer zu erkennen. In den weiteren Tagen wird die Badehose nur noch zu Landgängen benutzt. Das Wasser der Ostsee ist sauber, obwohl man so seine Bedenken wegen der nahegelegenen Mündungsarme der Oder hat. Eine Probe der Wasserqualität für diesen Küstenstreifen war aber einwandfrei (im Gegensatz z.B. zum Strand von Binz auf Rügen).

Am Abend sind wir hungrig. Der Badebetrieb endet so gegen 17 Uhr, da die Sonne sich dann hinter dem Steilufer verzieht. Es ist auch günstig, zeitig in einem Lokal zu erscheinen, da später der Ansturm größer wird. So sitzen wir gegen 18 Uhr im Hotel "Ostsee". Ich bestelle Matjes, um erstmal an Fisch zu kommen. Heidi wählt mit Hacksteak und Gemüse ein eher binnenländisches Gericht. Vorneweg aber eine "Soljanka", das gehört schon dazu. Mein Matjes ist mittelmäßig, wir werden noch bessere Fischgerichte zu kosten bekommen. Aber unser Fischer soll erst am folgenden Tag zum Fang auslaufen, solange müssen wir uns noch gedulden.

Der laue Sommerabend wird auf unserer Kellerterrasse mit Ulla und Roland, so heißen unsere Mitstreiter, beschlossen. Man hat von unserem Sitz einen herrlichen Blick zwischen Birken hindurch auf den Kölpinsee. Auch der Sonnenuntergang entgeht einem nicht.


Sonnenuntergang am Koelpinsee

Einige Mücken muß man in Kauf nehmen. Heidi verfällt auf die Idee, zur Vorbeuge gegen Mückenstiche sich die Füsse mit Zwiebeln einzureiben. Das gibt eine delikate Mischung.

Ulla und Roland sind mit Tochter Ulrike, Schwiegersohn Richie, der ist Engländer, und dem 2-jährigen Enkelsohn Danny angereist. Sie sind schon eine Woche länger da, außerdem schon öfter auf Usedom gewesen, sodaß wir uns gute Ratschläge über Einkaufsmöglichkeiten usw. geben lassen können. Richie und Ulrike müssen erstmal in einem Zelt hausen, weil sie unser Zimmer räumen mußten. Danny schläft in einem Kinderbett bei den Großeltern, nachdem er mit allerlei Späßen das Zubettgehen noch hinauszuzögern pflegt. In einem anderen Zelt hausen Freunde der Fischersleute aus Zwickau, das sind Bärbel, Christian und Tochter Annika. Allesamt sind mit meinem Kollegen B. befreundet oder bekannt, deshalb grüße ich alle von ihm, ich hoffe mit seiner Einwilligung.

Die jüngeren Bielefelder haben an diesem Tag im Achterwasser eine größere Menge Barsche geangelt, die werden nun gebraten und wer will, kann kosten. Ich habe noch genug von meinem Matjes, Heidi probiert ein Stück. So erweitern sich unsere Fischerfahrungen nach und nach.

Als es gebührend dunkel ist, gehen wir noch einmal an den Strand. Dort unterhalten die Fischersleute und ihre Zwickauer Freunde heute ein Lagerfeuer. Wie wir den noch warmen Strand betreten, verschlägt es einem die Sprache. Es ist windstill, die Ostseewellen rauschen verhalten, der Vollmond hängt wie ein Lampion am Himmel. Als dunkler Schatten bildet die Steilküste den Hintergrund. Das Feuer prasselt und man läßt es sich bei Appelkorn wohlsein. Wir sind den ersten Tag da und wollen uns nicht aufdrängen, so bleiben wir nur kurz. Mit Christian komme ich gleich ins Gespräch - man merkt, daß man sich versteht. Bärbel und Christian sprechen ein herrliches Sächsisch.

So endet dieser Tag, der um vier Uhr früh in Braunschweig begann, in einem Paradies auf Usedom.

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