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Donnerstag, 1.8.

Heute ist das Wetter zunächst graumeliert, sodaß wir uns an unsere erste Unternehmung machen können. Ziel ist die polnische Grenze vor Swinemünde, da kann man mit dem Auto auf einen Parkplatz fahren und dann einen Billigmarkt auf der polnischen Seite besuchen. Offenbar haben viele Autofahrer heute das gleiche vor, denn von Ückeritz bis Ahlbeck ist die B 111 ein einziger Stau. Mehrmals bin ich versucht, wieder umzukehren, aber nach über einer Stunde für die letzten 15 km stellen wir das Auto hinter Ahlbeck am Straßenrand ab. 20 Minuten müssen wir noch zu Fuß bis zur Grenze zurücklegen. Ein nicht abreißender Auto- und Menschenstrom läßt einen rätseln, woraus die Anziehungskraft dieser Angelegenheit bestehen mag.

An der Grenze muß man nur Personalausweis oder Reisepaß vorzeigen, schon kann man nach Polen hinüberspazieren. Auch hier gibt es einen eingezäunten Grenzstreifen, der sauber planiert ist, um illegale Grenzübertritte zu vereiteln. Nun ist zur Zeit die Deutsch - Polnische Grenze die "Armutsgrenze" in Europa, auf der polnischen Seite sammeln sich viele Menschen, die auf ein Überwinden der Grenze Richtung Westen hoffen. Jetzt wird nur auf der westlichen Seite kontrolliert, bei den Polen läßt sich kein Grenzer blicken.

Hinter der Grenze stehen massenweise Taxis, die einen für DM 4.- nach Swinemünde oder zum Billigmarkt fahren. Wir fahren zum Markt. Der Taxifahrer will uns auf den zwei oder drei Kilometern offenbar nachhaltig von seinen Fahrkünsten überzeugen. So entsteigen wir aufatmend dem Auto Marke Polski Fiat. Der Polenmarkt besteht aus einfachen Marktbuden, wo zumeist Textilien und Musikkassetten angeboten werden. Außerdem gibt es steuerfreie Zigaretten, auch Lebensmittel wie Brot, Butter oder Honig. Die obligate Zigeunerfrau mit Kind zum Anregen der Rührung schleicht auch mit aufgehaltener Hand herum. Wir passen gut auf unsere Taschen auf, so ganz geheuer ist einem das Ganze nicht. So nach und nach entwickeln wir uns als gute Kunden, für Stefanie ein Trainingsanzug, für mich ein Oberhemd, für Heidi ein "Top" (oder wie man sowas nennt), ein paar Mitbringsel für die Kinder usw. An einem Tisch werden preiswert Schmuckstücke aus Bernstein angeboten, die wir sachkundig mustern. Armringe aus dicken, hellgelben Bernsteinen kosten nur DM 5.-. Das kann wohl kaum mit rechten Dingen zugehen, wahrscheinlich handelt es sich um künstlichen Bernstein, manchmal auch Plastik oder "Plaste" genannt.


Polenmarkt

Nachdem wir alle Gänge des Marktlabyrinths durchstreift haben, lassen wir uns wieder von einem Taxi zurück zur Grenze bringen. Der Grenzbeamte drückt uns auf unseren Wunsch einen Stempel in die von früher strapazierten Reisepässe. Leider ist es nur ein deutscher, kein polnischer Eintrag. Die Rückfahrt verläuft zum Glück weniger hindernisreich, inzwischen herrscht wieder Strandwetter, sodaß der Ablauf des restlichen Tages gesichert ist.

Nach dem Abendessen machen wir einen Spaziergang oberhalb der Steilküste. Der Weg führt zunächst über den verwaisten ehemaligen Campingplatz. Dann geht es malerisch durch den Wald weiter, alle Augenblick hat man eine schöne Aussicht hinunter auf den Strand und hinaus auf die See. Nur Heidi hält immer auf Abstand, wenn es irgendwo steil hinunter geht. Die Küste soll hier zuweilen um 2 Meter pro Jahr abgetragen werden. So liegen auch immer wieder herabgestürzte Bäume herum, deren Wurzelwerk unterspült wurde. Roland biegt plötzlich rechts ab in den Wald. Obwohl wir einen Champignon finden, ist der Weg nicht gerade komfortabel. Dann kommen wir wieder auf einen Fahrweg, der zurück nach Stubbenfelde führt. Bei meinen Mutmaßungen, wo wir herauskommen werden und wie der Richtungssinn bei Roland funktioniert, grinst dieser nur. In diesem Sinne erfahren wir auch, daß es in diesem Wald zahlreiche Wildschweine gibt, die sich sogar auf der Suche nach Essensresten bis zu besagtem Biergarten vorwagen. Und tatsächlich, auch wir kommen genau an dessen Eingang heraus. Damit ist Rolands Orientierungssinn rehabilitiert und wir haben uns eine Entschädigung für die Mühe verdient.

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