Heute ist das Wetter zunächst graumeliert, sodaß wir
uns an unsere erste Unternehmung machen können. Ziel ist die polnische
Grenze vor Swinemünde, da kann man mit dem Auto auf einen
Parkplatz fahren und dann einen Billigmarkt auf der polnischen Seite
besuchen. Offenbar haben viele Autofahrer heute das gleiche vor, denn
von Ückeritz bis Ahlbeck ist die B 111 ein einziger Stau. Mehrmals
bin ich versucht, wieder umzukehren, aber nach über einer Stunde für
die letzten 15 km stellen wir das Auto hinter Ahlbeck am Straßenrand
ab. 20 Minuten müssen wir noch zu Fuß bis zur Grenze zurücklegen.
Ein nicht abreißender Auto- und Menschenstrom läßt einen rätseln,
woraus die Anziehungskraft dieser Angelegenheit bestehen mag.
An der Grenze muß man nur Personalausweis oder Reisepaß vorzeigen,
schon kann man nach Polen hinüberspazieren. Auch hier gibt es
einen eingezäunten Grenzstreifen, der sauber planiert ist, um illegale
Grenzübertritte zu vereiteln. Nun ist zur Zeit die Deutsch -
Polnische Grenze die "Armutsgrenze" in Europa, auf der polnischen
Seite sammeln sich viele Menschen, die auf ein Überwinden der Grenze
Richtung Westen hoffen. Jetzt wird nur auf der westlichen Seite
kontrolliert, bei den Polen läßt sich kein Grenzer blicken.
Hinter der Grenze stehen massenweise Taxis, die einen für DM 4.-
nach Swinemünde oder zum Billigmarkt fahren. Wir fahren zum Markt.
Der Taxifahrer will uns auf den zwei oder drei Kilometern offenbar
nachhaltig von seinen Fahrkünsten überzeugen.
So entsteigen wir aufatmend
dem Auto Marke Polski Fiat. Der Polenmarkt besteht aus einfachen
Marktbuden, wo zumeist Textilien und Musikkassetten angeboten werden.
Außerdem gibt es
steuerfreie Zigaretten, auch Lebensmittel wie Brot, Butter oder Honig.
Die obligate Zigeunerfrau mit Kind zum Anregen der Rührung schleicht
auch mit aufgehaltener Hand herum. Wir passen gut auf unsere Taschen
auf, so ganz geheuer ist einem das Ganze nicht. So nach und nach
entwickeln wir uns als gute Kunden, für Stefanie ein Trainingsanzug,
für mich ein Oberhemd, für Heidi ein "Top" (oder wie man sowas nennt),
ein paar Mitbringsel für die Kinder usw. An einem Tisch werden
preiswert Schmuckstücke aus Bernstein angeboten, die wir sachkundig
mustern. Armringe aus dicken, hellgelben Bernsteinen kosten nur
DM 5.-. Das kann wohl kaum mit rechten Dingen zugehen, wahrscheinlich
handelt es sich um künstlichen Bernstein, manchmal auch Plastik oder
"Plaste" genannt.
Nachdem wir alle Gänge des Marktlabyrinths durchstreift haben, lassen
wir uns wieder von einem Taxi zurück zur Grenze bringen. Der
Grenzbeamte drückt uns auf unseren Wunsch einen Stempel in die
von früher strapazierten Reisepässe. Leider ist es nur ein deutscher,
kein polnischer Eintrag. Die Rückfahrt verläuft zum Glück weniger
hindernisreich, inzwischen herrscht wieder Strandwetter, sodaß der
Ablauf des restlichen Tages gesichert ist.
Nach dem Abendessen machen wir einen Spaziergang oberhalb
der Steilküste. Der Weg führt zunächst über den verwaisten ehemaligen
Campingplatz. Dann geht es malerisch durch den Wald weiter, alle
Augenblick hat man eine schöne Aussicht hinunter auf den Strand und
hinaus auf die See. Nur Heidi hält immer auf Abstand, wenn es irgendwo
steil hinunter geht. Die Küste soll hier zuweilen um 2 Meter pro Jahr
abgetragen werden. So liegen auch immer wieder herabgestürzte
Bäume herum, deren Wurzelwerk unterspült wurde. Roland biegt plötzlich
rechts ab in den Wald. Obwohl wir einen Champignon finden, ist der
Weg nicht gerade komfortabel. Dann kommen wir wieder auf einen
Fahrweg, der zurück nach Stubbenfelde führt. Bei meinen Mutmaßungen,
wo wir herauskommen werden und wie der Richtungssinn bei Roland
funktioniert, grinst dieser nur. In diesem Sinne erfahren wir auch,
daß es in diesem Wald zahlreiche Wildschweine gibt, die sich sogar
auf der Suche nach Essensresten bis zu besagtem Biergarten vorwagen.
Und tatsächlich, auch wir kommen genau an dessen Eingang heraus.
Damit ist Rolands Orientierungssinn rehabilitiert und
wir haben uns eine Entschädigung für die Mühe verdient.
Donnerstag, 1.8.
Polenmarkt