4. Tag, Dienstag, Fahrt nach Ephesus -
Denizili/Pamukale
Heute ist die Abfahrt auf 8 Uhr angesetzt. Es wird zunächst eine
Rundfahrt durch die Hafenstadt Kusadasi
unternommen. Dort liegen drei
Kreuzfahrtschiffe am Kai. Wo deren Passagiere alle hinwollen, werden
wir später erleben. Was einen immer erschüttert, ist der
ungebremste Bauboom in diesen touristisch geprägten Orten.
Irgendwie graben die sich selbst das Wasser ab, weil man es dort eines
Tages nicht mehr schön finden kann.
Zwei und mehr Jahrtausende zuvor hat es einen anderen Bauboom gegeben.
Die Überreste davon hat man teilweise ausgegraben, und damit sind
wir in der antiken Stadt Ephesos, heute Efe - wie die Biermarke - also
leicht zu merken. Wenn man die historischen Ereignisse aufarbeiten
wollte, müsste man an dieser Stelle ein ganzes Buch schreiben. Das
haben andere schon getan, so auch ein gewisser Herodot im 5. Jahr. v.
Chr. mit seinen Historien über
die Geschehnisse in Kleinasien. Was uns Aziz alles erzählt
schwirrt einem bald im Kopf durcheinander. Da gab es mancherlei
Feldzüge, von Alexander d. Gr.
bis Lukullus, Schlacht bei Issus
usw. Unsereiner, der sich mit der kleinasiatischen Geschichte nicht
sonderlich beschäftigt hat, ist schon mal neu, dass hier in
Ephesus so eine bedeutende Stadt bestanden hat und so spektakuläre
Überbleibsel unter einer 3 m dicken Bedeckung zu Tage
gefördert worden sind. Viele Flächen sind noch gar nicht in
Angriff genommen worden, dazu fehlen die Mittel. Wir wandeln also auf
der ehemaligen Prachtstraße mit Originalpflasterung aus
Marmorplatten.
Zwischendurch wird eine antike Gemeinschaftstoilette besichtigt. Das
war alles vom sanitären Standpunkt schon weit entwickelt,
Ablaufrinne mit Wasserspülung und so. An diesem Ort sei sicher
manche Vereinbarung getroffen worden, außerhalb von Rat, Senat
und anderen Gremien. Heute sagt einer zum anderen: "Setz dir mal druff,
ick machen Foto". Das markanteste Gebäude bzw. dessen Reste ist
neben dem Theater die Celsus Bibliothek. Wenn man weiter hinabwandert,
kommt man in die Gegend des ehemaligen Hafens. Dort gab es auch
Badeanlagen, wo die verschwitzten Seefahrer sich erst mal reinigen
konnten. Heute ist das alles verlandet, wie bereits erwähnt.
Auf den freien Flächen gedeiht eine üppige Vegetation. Hohe
gelb blühende Fenchelpflanzen, Malven und eine gelbe Blume, die
wir zunächst nicht bestimmen können. Es handelt sich um den
gelben Affodil (Asphodeline lutea).
Den Weg zurück müssen wir uns durch eine immer dichter
werdende Menschenmenge bahnen. Vielleicht sind das alles Gäste der
Kreuzfahrtschiffe. Wir fahren nun nach Selcuk und besichtigen die Isa Bey Moschee, erbaut um 1375.
Die ist fast komplett mit Teppichen ausgelegt, wo die Gläubigen
gen Mekka gewandt ihre Gebete zu verrichten pflegen. Aziz erzählt
einiges über den Islam, die Rolle der Frauen, ob Kopftuch oder
nicht und den Pilgerfahrten nach Mekka. Wieder draußen im
Innenhof herrscht hin und wieder ein durchdringendes Geschrei. Das
rührt von einer Schar Dohlen her, die mit dem Nestbau
beschäftigt sind. Nun thront oben auf den Resten des Minaretts ein
Storchennest samt Bewohnern. Dort klauen sich die Dohlen klammheimlich
den einen oder anderen Zweig und verschwinden damit entweder in einer
Palme oder in Mauernischen.
Es liegt nun noch eine lange Fahrt vor uns, allerdings mit einigen
Überraschungen zum Schluss. Zunächst geht es wieder das Tal
des Flusses Menderes entlang, wo wir gestern schon gefahren sind.
Für diese Reise habe ich leider versäumt, eine geeignete
Landkarte mitzunehmen. An der Moschee in Selcuk gab es aber eine Karte
der West-Türkei für 2 € zu kaufen. Nun bin ich
glücklich, es geht nicht mehr im Blindflug dahin, sondern man hat
sein "Cockpit". Das Ziel für heute soll die Stadt Denizili sein. So langsam sickert
durch, dass eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten an der
Strecke liegt. Man kann die Angelegenheit dann irgendwann von weitem
sehen: weiße Hangformationen, dieses mal nicht Marmor sondern
Kalkablagerungen. Nun weiß jeder, was gemeint ist: Pamukkale, was so ähnlich
ausgesprochen wird wie Pomuckel mit angehängtem e.
Unser Fahrer Schakir kennt einen Schleichweg dorthin und wir sind
begeistert, denn diese Sache stand gar nicht auf dem Programm. Aus
Zeitgründen können wir dann nicht zu den Sinterterrassen
aufsteigen, was auch noch einen saftigen Eintritt gekostet hätte.
Von unten sieht diese Geschichte eher wie ein Gletscher aus, mit dem
Unterschied, dass diese Formation ständig zunimmt und wächst,
laut Wikipedia werden täglich 48 Tonnen (!) abgelagert. Nachdem
man die unsinnigerweise an den Thermalquellen erbauten Hotels in den
Jahren nach 1998 abgerissen hat, sollen sich die Verhältnisse
wieder bessern. Die Hotels hatten auch das Problem, dass die
Wasserrohre immer nach kurzer Zeit durch die Kalkablagerungen zugesetzt
waren.
Ich klettere mal kurz ein paar Meter einen Hang hoch, um ein Foto zu
machen. Da ertönt ein scharfer Pfiff, ein Wärter ist auf der
Hut. Vielleicht meint er aber auch eine Dame, die sich noch viel weiter
den Kalkterrassen genähert hat. Oder er wollte verhindern, dass
man auf einem Umweg die Eintrittskasse umgeht.
Auf der letzten Etappe zum Hotel "Irgendwo" werden wir noch über
die benachbarte antike Stätte Hierapolis
informiert. Auch hier befand sich so um 3 Jahrhunderte v. Chr. eine
blühende Stadt mit Tempel, Theater und Bädern. Es gab auch
eine sog. Nekropole, mit Gräbern und Sakophargen. "Dort lebten die
Toten" erzählt Aziz. Um Grabräuber abzuschrecken, hatte man
die Gräber mit Fluchsprüchen versehen, die den
Plünderern allerhand Böses an den Hals und anderswohin
wünschten. Hat aber alles nichts genutzt, die Gräber sind
komplett ausgeraubt worden.
Nun hat die Fahrt ein Ende und wir werden vor dem Lycus River Thermal Hotel ausgeladen.
Das sieht ja alles sehr schnieke aus. Eine Menge Pools gibt es hier, ob
warm oder kalt, und auch in den Gebäuden befinden sich diverse
Bäder. Wir merken bald, dass wir nur "Durchgangstouristen" sind,
denn nach einem langen Gang durch die Gemeinde landen wir in einem
finsteren Kellerverschlag. Ein Aggregat - unsere Lieblingsmaschine -
steht
laut brummend dort, wo sonst ein Balkon wäre, aber hier nur ein
Kellerloch mit Sehschlitz darstellt. Den Koffer packen wir wie immer
gar nicht aus, sondern begeben uns sogleich in das Thermalbad um die
Ecke. Das Wasser ist warm wie in der Badewanne, tiefbraun dazu, also
bildet man sich ein, dass das durch die heilsamen Mineralien verursacht
wird. So nach 10 Minuten wird einem schwummerig, da geht man dann
wieder lieber raus. Zum Abschlaffen danach ist das Bett immer noch gut
genug.
Da wir mit unserem Zimmer nicht gerade das Paradies angetroffen haben,
machen wir uns bald auf zum Abendbuffet. Da herrscht schon ein
ziemliches und sogar internationales Gedränge. Man hat für
unsere Gruppe "Aziz Bey"
Tische reserviert, sodass wir mit den bekannten Mitreisenden speisen
können. Dem einen klappt aber alsbald beim Käseschneiden der
Teller aufs Oberhemd, der muss erstmal das Hemd wechseln gehen. Bevor
er wieder kommt, sitzen wir schon in einer Glasveranda beim Bier und
beschließen damit den Abend. Das geräuschvolle Aggregat, mit
dem wir kaum Schlaf gefunden hätten, schaltet sich
glücklicherweise nach 22 Uhr ab, und nun hat man eine himmlische
Ruhe im Kellerloch.