5. Tag, Mittwoch, Denizili,
Teppiche, Rückfahrt nach Antalya
Die Provinzstadt Denizili
haben wir an diesem Morgen nur vom Bus aus zu sehen bekommen. Ist
vielleicht auch besser. Da boomt es überall, Neubauten und weitere
Baustellen. Teppichindustrie und Seidengewinnung von jenen Raupen, die
sich in Maulbeerbäumen guttun, ist hier angesagt. Ein paar
Kilometer weiter, Richtung Serinhisar
hat sie uns dann: die Teppichindustrie. Nun muss gesagt sein, dass
diese in Anatolien einen bedeutenden Wirtsschaftszweig darstellt, indem
dieses Gewerbe hauptsächlich handwerklich betrieben wird. So kann
man auch in entlegenen Dörfern Arbeitsplätze schaffen. Es
wird etwas verschwiegen angedeutet, dass schon die Kinder in dieses
Handwerk "hineinwachsen". Die richtigen Könner der
Teppichknüpfkunst sind zumeist Frauen, die auch als
Künstlerinnen gewertet werden.
Nun, angekommen in der Teppichstation, werden wir von einem
charismatisch auftretenden Herrn empfangen. Ja, der kann reden, das
Deutsch beherrscht er perfekt, er habe in Deutschland studiert und habe
in der Türkei das Studium der Teppichkunde und damit diesen, wie
es sich anhört, blühenden Industriezweig eingeführt.
Unsere Busgruppe von Teppichbanausen - zu denen wir selbst uns auch
zählen - wird in einem viereckigen großflächigen
Vorführraum an den Wänden plaziert, damit in der Mitte des
Raumes genügend Platz bleibt. Und da rollt auch schon der erste
Teppich längs durch den Raum heran. Füße hoch, aber
kurz vor den Zehenspitzen kommt die Rolle mit einem Knall zum
Stillstand. Ein echter Vermeer heißt es. Den würden wir
weder in der Wohnung noch im Garten unterbringen können. Und hat
Vermeer denn Teppiche hergestellt? Wohl weniger, aber auf seinen
Bildern hat
er gern Teppichmuster verwendet, und die dienen nun als Vorlage. Andere
Meister desgleichen, Dürer, Holbein d.Ä. und d.J. und so. Wir
Teppichbanausen geraten so langsam ins Grübeln, ob wir im Leben
vielleicht etwas verpasst oder nicht richtig mitgekriegt haben
könnten.
Nun kommt es noch besser. Man habe im Jahr 2007 den Oskar der
Teppichkunst verliehen bekommen. Zuerst ein Poster mit einem
wunderschönen - diesmal modernen - Motiv. Und dann der Teppich
selber - wunderschön, aus Seide gewebt, und alle Teppichbanausen
lassen sich zu einem langgezogenen AaaaH! oder auch OoooH!
hinreißen. Nur bezahlen könnte ihn keiner. Damit nicht
genug, es werden noch zwei Teppiche entrollt, einer schöner als
der andere - und die hätten jene Oskars von 2008 und 2009
gleichermaßen gewonnen. Damit liegen mittlerweile einige
Millionenwerte vor unseren geschwollenen Füßen.
Ganz im Gegensatz dazu wird noch eine anderes Kunstwerk
präsentiert, das auch im Guinessbuch der Rekorde verzeichnet ist.
Es handelt sich um das am feinsten gesponnene Webwerk der Welt in
Briefmarkengröße, aus 0.2 mm feinem Seidenfaden gefertigt.
Wenn ein Faden reißt, könne man von vorne anfangen. Nach 19
Versuchen in drei Jahren Arbeit sei das Werk gelungen und zeigt nun ein
Marienmotiv, wenn ich mich richtig erinnere. Die Künstlerin lebt
und arbeitet immer noch, was erstaunlich ist.
Der Herr Vortragende hat sich inzwischen ziemlich in Ekstase geredet.
Es wird nun ein Büchertisch herangerollt, hektisch Seiten in
Fachbüchern und Bildbänden von unschätzbarem Wert und
Alter umgeblättert, und die staunende Menge schart sich mit langen
Hälsen um das ganze. Wer das nicht mehr schafft, bleibt auf seinem
Stuhl und wartet auf den versprochenen Raki.
Zum Schluss wird wieder Platz geschaffen, um Produkte zu
präsentieren, die anscheinend auch zu vierstelligen
Euro-Beträgen für Teppichbanausen erschwinglich seien. Bald
ist eine meterhohe Schicht von Teppichen übereinandergestapelt.
Den anfänglichen Vermeer könnte man nun nicht mehr heimlich
drunter wegziehen. Will ja auch keiner, wir bitten nach nunmehr fast
zwei Stunden nur um den Weg zur Toilette. Nachdem das erledigt ist,
finden wir uns mit einem beflissenen Begleiter in einem separaten Raum
wieder. Ja, eine Brücke vor dem Bett, gleich neben dem
Hundekörbchen. Drei weitere Mitarbeiter schleppen diesen und jenen
Teppichläufer heran, bis es uns gelingt, angesichts der Preise,
der Gefahr durch Hundekrallen und mit Hinweis auf IKEA das
Verkaufsinteresse der beflissenen Herren soweit abzuschwächen,
dass uns der Ausgang gezeigt wird.
Draußen regnet es heftig, somit hat man wettermäßig
nichts verpasst. Nun ist das alles etwas lapsig geschildert. Doch haben
alle Teppichbanausen bestätigt, dass diese "Show" - anders kann
man sie nicht nennen - ein tolles Erlebnis war und auch viel
Wissenswertes vermittelt hat. Und wer Teppiche mag, der ist hier sicher
bestens aufgehoben. Wir hatten unsere letzten durch jahrelange
Hundehaltung und Aufzucht dreier Kinder verschlissenen Berberteppiche
aus der Erbschaft meiner Mutter vor ein paar Jahren entsorgt, als ein
Nachbar sie zum Abdecken bei Putzarbeiten verwenden konnte. Soviel zu
den Teppichbanausen.
Als man meint, alles überstanden zu haben, und die
tatsächlich Kauffreudigen wieder am Bus eingetroffen sind, wird
noch einmal etwas geboten. Da ist ein Ausstellungsraum, wo das Abspulen
der Seidenfäden von den Kokons demonstriert wird. Für alle,
die es wissen wollen: der Kokon wird erst einmal gekocht, nach dem
Trocknen wird dann der Seidenfaden vom Kokon abgewickelt und über
eine Spindel dreifach verzwirbelt, dann noch mal dreifach, damit schon
9 fach und schließlich noch einmal 7 fach oder so, das wäre
dann ein Faden aus 63 Fasern. Ob diese Zahlen genau stimmen, kann nicht
garantiert werden. Jedenfalls ist das Endprodukt ein sehr belastbarer
Seidenfaden, da könnte man einen Kartoffelsack dranhängen.
Wäre vielleicht aber schade um die Kartoffeln oder den
Seidenfaden, wenn man es darauf ankommen lassen würde.
Schließlich fahren wir Richtung Antalya im wesentlichen auf der
gleichen Strecke der Hinfahrt über das Taurusgebirge zurück.
Es ist ein Jammer, dass man aus dem Bus heraus die Landschaft nicht so
genießen oder fotografieren kann. Es gibt herrliche Ausblicke auf
sog. Erosionslandschaften, wo nach der Abholzung der Wälder schon
in der Antike und später die Natur bizarre Schluchten und tiefe
Wasserauswaschungen geschaffen hat. Mühsam versucht man wieder
aufzuforsten. Uralte Wachholderbäume haben ihren Standort
behauptet und sind unter Schutz gestellt.
Wir fahren über Pässe von über 1000 m und hinunter nach
Antalya durch eine wilde Schlucht. Da sind wohl einige aus der Spur
geraten, ein Auto liegt auf dem Dach, ein anderes lehnt zerbeult an der
Leitplanke. Die Polizei ist auch schon da und die Krankenwagen schon
wieder weg. Unser Busfahrer Schakir meistert alles nach wie vor sehr
besonnen. Vor Antalya macht man noch einmal halt an einem
Panoramaparkplatz wo eine eher weniger schöne Aussicht auf die
Steinwüste der ausufernden Stadt zu bewundern ist. Darüber
befindet sich ein künstlicher Wasserfall und eine
überdimensionale Skulptur des allgegenwärtigen Kemal
Attatürk.
Inzwischen sind wir eher gespannt, in welchem Hotel wir heute abgeladen
werden. Und richtig - wie vermutet - ist es wieder das Hotel Falcon.
Wir bekommen sogar die gleichen Zimmer zugeteilt, und da fühlt man
sich ja fast wie zuhause. Und wo man abends sein Bier trinkt, das
wissen wir nun schon: im Gartenlokal um die Ecke. Heute ohne
lautstarkes Fernsehen, doch schließlich beginnt es zu regnen, und
nach dem langen Tag ist man auch müde.
6. Tag, Donnerstag,
Antalya, Schmuck und Leder, Pegasos Hotel
Der heutige Tag muss verdient sein, weil man an uns verdienen will.
Nach einem kurzen Halt an dem noch nicht von der Zersiedelung
betroffenen Wasserfall werden wir in einem Goldpalast abgeladen. Alles
Gold der Dekoration ist falsch und aus Gips, die Schmuckstücke in
den Vitrinen aber sollen mehr Echtheit vermitteln. Es tut mir leid, ich
sehe nichts, aber auch gar nichts, vielleicht sind die
Schmuckstücke zu klein für mein müdes Auge. Aber auch
Heidi, sie ist vom Fach, sucht nur den Ausgang. Den finden wir
gemeinsam, und genießen noch eine Stunde an den
Küstengefilden von Antalya.
Zurück am Bus erscheinen die Schnäppchenjäger. Für
hundert Euro ein Silberhalsband? Ja, meint meine silbererfahrene
Gattin, bei ihrem früheren Arbeitgeber wurde sowas für 10 Euro eingekauft. Das
wird aber nur getuschelt, denn den stolzen Besitzern will man ja nicht
die Laune verderben.
Die nächste Station ist eine Ledermanufaktur. Da muss man nun
durch, schließlich war die Reise billig, hoffentlich bleibt es
auch so. Zunächst erleben wir eine kleine Modenschau, wo es
für die männlichen Models darum geht, möglichst
schwungvoll das Äußere der Lederjacken mit dem Inneren zu
vertauschen. Man kann sie nämlich beidseitig tragen. Nach der
Modenschau eilen wir möglichst uninteressiert durch die
Verkaufsräume, damit man nicht gleich jemand am Hals hat und nicht
wieder los wird. Uns gelingt das gut, anderen weiniger, und einige
erscheinen am Schluss auch mit prallen Verkaufstaschen.
Als letzten Besichtigungspunkt fahren wir nun noch die Brücke von
Aspendos an. Dort wird Mittag
gegessen, Spezialität: Forelle, doch
ich habe schon bessere Forellen gegessen. Das berühmte Theater
hier bekommen wir nicht zu Gesicht. Auch die Brücke über den
Fluss Köprücay ist antiken Ursprungs. Der Übergang auf
der Brücke ist im Zickzack angelegt - nicht wegen der bösen
Geister, sondern zu Verteidigungszwecken. Einzigartig ist die umgebende Landschaft mit Blick auf das Taurusgebirge.
Am Nachmittag erreichen wir nun endlich das fünf Sterne Hotel
Pegasos Resort in Incekum, schon kurz vor Alanya
gelegen. Wir
verabschieden uns von Aziz und Schakir, es gibt ein Trinkgeld für
sie, auch wenn sich einige wohl darum gedrückt haben, was nicht
gerade anständig ist. Nun liegt diese Anlage leider in Sicht- und
Hörweite der stark befahrenen Küstenstraße. Den
Eintagsgästen, zu denen wir gehören, werden dann auch die
Zimmer zur Straße zugewiesen, wo man sich auf dem Balkon nicht
unterhalten kann und zum Schlafen die Türen schließen muss.
Da empfiehlt es sich, in der gegenüber liegenden Ladenzeile etwas
Trinkbares für den Abend zu besorgen. Ein Geschäft
heißt Ali Baba, "und die anderen 40 Räuber sind drum rum"
(Zitat von Aziz). Es ist aber ganz gemütlich dort und man kann auf
Gartenstühlen ein Bier trinken, wenn einen der Krach von der
Straße nicht stört.
7. Tag, Freitag, Pegasos
Hotel, Samstag, Rückflug
Heute dürfen wir den einzigen "Urlaubstag" der Reise
genießen. Das Wetter spielt mit, nach einem Rundgang durch die
weitläufige und sehr gepflegt Anlage lässt man sich am Pool
nieder, wo auch bald alle Plätze "belegt" sind. Am Strand ist es
zu windig und der Seegang auch ziemlich stark. Bald kehren einige
Gäste durchgefroren vom Strand zurück. So verleben wir einen
geruhsamen Tag mit Lesen und Kreuzworträtseln, worüber weiter
nichts zu berichten ist. Mir hat der Tag in der Sonne einen Sonnenbrand
beschert, der sich aber in der Folgezeit mangels weiterer
Sonnenbäder nicht weiter entwickeln konnte.
Am Abend werden die Koffer gepackt und um 2.30 Uhr in der Nacht werden
wir durch den Weckdienst aus dem Schlaf geholt. Der Rückflug von
Antalya geht pünktlich um 6.30 los und nach 9 Uhr sind wir schon
zurück in Hannover, wo uns der Abholdienst erwartet.
So haben wir in einer Woche viel gesehen und bringen schöne Bilder
mit nach Hause. Ein Mitreisender hat das so formuliert: "Auch wenn es
ein wenig anstrengend ist, zu Hause kann man sich ja immer erholen,
wenn man nicht mehr zur Arbeit muss".
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