Es herrscht schönstes Wetter, noch ist es ein bißchen diesig, aber es wird einen sonnigen Tag geben. Wir sind gespannt, was dieser Tag bringen wird, wir wissen selber noch gar nichts. Beim Frühstück fragen wir Frau Hillmer nach einem attraktiven Ort im Thüringer Wald, wo man sich für ein paar Tage aufhalten könnte. Es kommt nur Friedrichroda als Vorschlag, und das ist gleich bei Eisenach. Wir legen uns jedenfalls noch nicht fest und fahren erstmal los. Es ist wenig Verkehr, da macht das schon Spaß. Das erste Ziel ist die "Hohe Sonne", heute ein Gasthaus oder Hotel - momentan gerade im Umbau - früher ein Lustschloß, das inzwischen nicht mehr existiert. Berühmt laut Reiseführer ist der Ausblick zur Wartburg, die sieht man tatsächlich. Wenn man das Ganze fotografiert, gerät das allerdings zu einem Suchbild.
Hohe Sonne |
Mich interessiert eher die "Drachenschlucht", die sich unterhalb der Hohen Sonne befindet. Wir marschieren bergab durch ein enges Tälchen, das zunächst wenig Schluchtartiges an sich hat. Schließlich klettert man aber doch zwischen ein paar Felsen hindurch. Endlich folgen dann doch ein paar Passagen, in denen man schulterbreit zwischen etwa 10 m hohen Felswänden sich hindurchzwängen muß. Leider ist der Bach, der diese Schlucht geschaffen hat, größtenteils durch einen Brettersteg überbaut. Dafür kann man an einer Seitenschlucht studieren, wie diese Sache in ihrem natürlichen Zustand sich darbieten würde: sie wäre mit Baumresten verstopft und gänzlich unzugänglich. Ein Eintrittshäuschen am unteren Ende der Schlucht ist heute nicht besetzt.
Für den Rückweg schlage ich eine Schleife über den "Revolutionsweg" vor, der auf der Wanderkarte eingezeichnet, per Wegweiser aber nicht ausgeschildert ist. Da habe ich schlechte Karten, so gehen wir brav auf dem direkten Weg neben der Straße zurück. Wieder am Parkplatz waren wir über zwei Stunden unterwegs, das merkt man schon in den Beinen. Bei einem Kaffee vor der Imbißbude studieren wir die Weiterfahrt. Auf kleinen Nebenstraßen geht es weiter nach Ruhla, dann zur Kreuzung Schillerbuche. Da liegt ein riesiger Granitblock, von dem in einem Bericht über den Rennsteig die Rede ist. Der Rennsteig geht hier auch durch, deshalb hat sich wohl auch gleich eine Imbißbude angesiedelt. Wir fahren weiter nach Brotterode zu Füßen des Großen Inselsberges. Von oben bietet dieser Ort einen malerischen Anblick.
Brotterode |
Inzwischen hat Heidi aus dem Reiseführer einen Ort ausgeguckt, wo es ordentlich was zu sehen geben soll. Er heißt "Schmalkalden", da war doch was mit dem Mittelalter: "Schmalkaldischer Bund" womöglich (1531, Bund von protestantischen Reichsständen gegen den Habsburger Kaiser Karl V). "Gaisr Garl gonnte geine Gümmlgrnr gauen" fällt einem da natürlich gleich ein. Also auf nach Schmalkalden, vorher passiert man den Ort Pappenheim, ob da "meine Pappenheimer" herstammen?(Nein, das Pappenheimer Regiment in Schillers Wallenstein trug seinen Namen nach dem General Graf Gottfried Heinrich zu Pappenheim).
In Schmalkalden müssen wir erstmal wieder kreuz und quer herumkutschieren, bevor wir einen Parkplatz ergattern. Gespannt machen wir uns auf die Suche nach dem Ortsmittelpunkt. Der ist dann auch gleich um die Ecke: schön restaurierte Fachwerkhäuser, eine ausgedehnte Fußgängerzone, hübsche Geschäfte, eine der "bedeutendsten Hallenkirchen Thüringens", eine Imbißbude, eine öffentliche Bedürfnisanstalt, - hier kann man es aushalten.
Schmalkalden |
Wir begeben uns auch gleich zur "Info" (ich sage immer "Rügeninfo" in Erinnerung an unsere Rügenreise). Ein Quartier wird uns sicher zugesagt, nur sind jetzt über Mittag die Leute schlecht erreichbar, weil sie "auf Arbeit" sind. Also können wir uns erstmal weiter umsehen, und dann später wieder hereinschauen.
Der nächste Weg führt notgedrungen hinauf auf das Schloß, das sich über der Stadt erhebt. Man hat einen schönen Ausblick über die Dächer. Natürlich gibt es auch hier allerhand brüchige Häuser, wenn man das im Lauf der nächsten Jahre in den Griff bekommt, kann man hier ein Kleinod schaffen.
Schloß in Schmalkalden |
Anschließend begeben wir uns auf den Weg zum Bahnhof, ich möchte die Rückverbindung für eine Radtour erkunden. Wir kommen an einer kleinen Kirche vorbei, die heißt "Totenkirche". Ein Mann und eine Frau pulen gerade Reißzwecken aus der Kirchentür, da fragen wir gleich einmal nach einer Besichtigungsmöglichkeit. "Da würden Sie nicht viel Freude haben, es ist alles voller Gerümpel". Man ist aber dabei, die Kirche instandzusetzen. Im Moment sind noch alle Fenster blind oder zerbrochen. Wir kommen in ein interessantes Gespräch mit den beiden, die sich freuen daß uns ihre Stadt gefällt. Sie erzählen aber auch, was man auch hier an Fehlern gemacht hat, sodaß viel verkommen mußte.
Überall, wo im Ortszentrum Neubauten errichtet wurden, mußten dafür alte Häuser abgerissen werden. Wir werden noch auf drei Häuser an der Marktkirche aufmerksam gemacht, die sehr hübsch sind und kurz vor dem Verfall stehen.
Endlich kommen wir auf den Bahnhof und schreiben uns zwei Züge von Zella-Mehlis nach Schmalkalden auf. Dann geht es zurück zum Auto. Auf der Straße liegt ein großer Haufen Briketts, einen Teil davon zerfahren die Autos zu Mus. Der zugehörige Schaufler trinkt gerade gemütlich einen Saft in der Sonne. Nun suchen wir unsere Bleibe, das gestaltet sich nicht ganz einfach. Wir irren auf steilen und unwegsamen Wegen zwischen Gartengrundstücken umher. Ein Mann, den wir um Hilfe fragen, kann sich nur mithilfe eines Mikrofons verständlich machen, das er sich an den Kehlkopf drückt. Nach einem abenteuerlichen Wendemanöver in einer steilen und engen Einfahrt erreichen wir endlich unser Ziel. 5 kleine Welpen, die dackelähnliche zugehörige Mutter und eine Katze bilden das Empfangskommite. Der Hausherr, der wohl in seiner Freizeit alte Autos wieder aufmöbelt, zeigt uns das hübsche Gartenhäuschen. Wir beschließen auch sogleich, bis Sonnabend bleiben zu wollen und richten uns ein.
Welpennest Gartennest |
Nun marschieren wir wieder zurück in den Ort und zur Post, wo wir vergeblich versuchen, zu Hause anzurufen. Nach wenigen Ziffern ertönt sogleich das Besetztzeichen. Da fahren wir schon das erste Mal ohne die Kinder in die Welt, und schon bestehen in beide Richtungen keine Kommunikationsmöglichkeiten, die Kinder wissen nicht einmal, wo wir uns überhaupt aufhalten, wir wissen nicht, wie das so zu Hause läuft. Heidi ist etwas unruhig deswegen, ich bin da wurschtiger. Dann gehen wir in den Ratskeller zum Essen. Die Einrichtung ist tip-top und - auf Anfrage - die sei schon seit über zwei Jahren drin, also noch kein Einfluß von westlichen Investoren. Noch ist die Gaststätte ein HO-Betrieb, es liegt aber eine lange Liste von Pachtanträgen vor. Das geht alles nicht so schnell, ist sicher auch besser so.
Im Stockdunklen müssen wir den Weg zurück tappen. Einmal kommt ein Trabi von vorn und man muß an die Seite treten. Danach klebt merkwürdig viel Laub unter meinem Schuh - bringt womöglich Glück. An dem klaren Himmel sehen wir ungleich viel mehr Sterne als zu Hause, sicher wegen der sparsameren Beleuchtung ringsherum.