Pappkamerad |
Feld mit Baum |
Niederschlesische Landschaft |
Aber die Landschaft ist herrlich in der Nachmittagssonne, zur Rechten das Riesengebirge, z.T. noch mit Schneeresten. Leuchtend gelbe Rapsfelder erfreuen das Auge. In dem kleinen Ort Olszyna erfreut mein Auge der Hinweis auf ein Hotel. Nach Bunzlau kann ich heute nicht mehr fahren, nach bereits 37 km ist das zu weit. Damit ist mir die erste "Perle" leider unter den Tisch gefallen. In Hotel ZAULEK darf ich mit Euro bezahlen, denn ich habe noch keine Zlotys. Und zu essen gibt es Schweineroulade mit geriffelten Pommes. Zwei Bier dazu, alles zusammen incl. Zimmer kostet 20 EUR, ich bin begeistert. Der Ort ist ganz niedlich, ein Flüsschen windet sich zwischen den Häusern. Und aus der Kirche ertönt choraler Gesang. Da übt einer, wohl wegen der Akustik. Die Holzdecke ist bunt bemalt, sicherlich künstlerisch wertvoll.
Man kann zufrieden sein mit dem ersten Tag der Reise.
Hotel ZAULEK |
Olszyna |
2 Freitag, 20.5., Liegnitz, 100 km
Wir haben Kaiserwetter, d.h. keine Wolke am Himmel, nur ein leichter
Ostwind. Heute fahre ich ziemlich im Zickzack, um auf Nebenstraßen dem
Verkehr auszuweichen. Da geht es ganz schön auf und ab, mit immer
wieder schönen Ausblicken auf das Riesengebirge. Es geht nacheinander
durch die Städte Gryfow Slaski
(Greiffenberg), Lwowek Slaski
(Löwenberg), Zlotoryja (Goldberg). In der letztgenannten Stadt
hole ich
mir tatsächlich die benötigten Zlotys am Bankomat. Um nicht auf der
lebhaften Straße 364 nach Liegnitz zu fahren, biege ich in ein
Seitental Richtung Jawor (Jauer)
ab, da ist es ruhig.
Gryfow Slaski |
Lwowek Slaski(?) |
Bei Jawor |
Liegnitz |
Man kommt an
einem Stausee raus. Den umfahre ich wohl in der falschen Richtung und
lande in Swary Jawor (Alt Jauer)
und das ist ein Umweg, noch dazu auf
einer holperigen Betonpiste. Und die letzten Kilometer dann doch mit
Schwerlastverkehr auf der E 65. Vor Liegnitz eine elende Baustelle, und
bis man dann die Innenstadt erreicht, ist man etwas genervt. Auch das
Zentrum von Liegnitz ist eine einzige Baustelle, verleihen wir mal das
Prädikat "Perle in Arbeit" Ich quartiere mich im Hotel Qubus ein, ein
großer Kasten, nicht ganz so billig, aber von innen schön. Es gibt auch
einen Wochenendrabatt.
Zum Essen geht es nach einigem Suchen in das Lokal Antica Roma und
es gibt eine Pizza frutti de mare, wie man das von mir kennt. Das Bier
WARKA strong vom Fass kostet 5 Zl (1.30 EUR). Da schmeckt es einem. Das
Lokal ist etwas geräuschvoll, weil sich viel Jungvolk eingefunden hat.
Das hindert einen Tischgenossen nicht daran, konzentriert in einem Buch
über Einstein zu lesen, "E=mc2 leicht gemacht" oder so.
Danach ein Blick in die Kirche, da ist gerade eine Messe und man darf
die in sich oder sonstwen versunkenen Beter nicht stören. Danach der
Anruf zu
Hause mit der Bemerkung "Wir kommen gut voran". Böse Reaktion: das Wort
"Wir" will man nicht hören. Als ob ich heimlich mit irgendeiner Tusse
unterwegs wäre. Schön wär's ja (?).
3 Samstag, 21.5., Breslau, 100 km
Das Frühstücksbuffet bietet genau das, was ich mir immer wünsche, und
das ist Lachs. Und was es sonst alles gibt! Da kann man gut gestärkt
ans Werk gehen. Es soll über die Dörfer gehen, z. B. Rogocnik. Da
finde ich aber nicht hin. Das liegt daran, dass ich mir eine Karte aus
dem Internet ausgedruckt hatte, auf der die kleineren Orte überhaupt
nicht
eingezeichnet sind. Außerdem sind die Straßen nicht gerade Rollbahnen,
besonders in den Dörfern geht es meistens über Kopfsteinpflaster. Und
die Route biegt zweimal um 90° nach rechts, das kann doch wohl nicht
sein, da
fährt man doch wieder zurück? Also lieber umkehren und 10 km
verballert! An der Landstraße 94 weiß ich wieder, wo ich bin. Das GPS
ist bei mir noch nicht erfunden.
Bei dem Ort Malczyce (Maltsch)
gibt es eine schaurige Fabrikruine. Wenn
man sich durch die Mauerreste zwängt, kann man ein Panoramafoto vom
Inneren machen. Die nächste Stadt ist Sroda
Slaska (Neumarkt). Da gibt es
eine Gedenktafel wo das Wort hitlerowskim
vorkommt, man muss mal sehen, ob sich der Sinn der Inschrift irgendwie
entschlüsseln lässt.
Mein (Ex)Kollege Pawel K. hat das freundlicherweise perfekt übersetzt:
*"Zum 35sten Jahrestag *
*der Rückkehr Niederschlesiens zu Polen in Ehre denen,*
*die mit dem hitlerschen Angreifer kämpften*
*und die wiedergewonnene Heimat der Piasten aus den Ruinen hoben.*
*12 X 1980
Die Bevölkerung von (Ortschaft) Malczyc"*
Ich mache daneben Rast und schaue zwei
Zeitgenossen zu, die auf ihre Weise auf dem Bordstein sitzend die Zeit
totschlagen. Ein Foto aus der Hüfte: so, die habe ich im Kasten.
Zwei Zeitgenossen |
|
Vor Breslau |
Die Landschaft ist nun flach und auf weiteren Nebenstraßen, die in die gewünschte Richtung führen, nähert man sich Breslau in Erwartung einer Stadtsilhouette voraus. Stattdessen ein Schild: Powiat Wroclawsk direkt an einem Rapsfeld. Dann kann es wohl nicht mehr so weit sein. Wenn man in eine größere Stadt hinein fährt, passiert man immer, und das ist überall so, hässliche Außenbezirke. Immer dem Hinweis "Centrum" nach oder in Richtung Kirchturm. Aber den Marktplatz (Rynek oder Ring) dieser Stadt kann man nicht verfehlen. Staunen! Da ist was los, es wimmelt vor Menschen.
Breslau |
Rathaus |
Fassaden |
Auf meinem Panoramabild finden
sich einige
Schattenkreaturen, die eilig des Weges ziehen. In der
Touristeninformation erkundige ich mich nach einem Quartier. Die lachen
mich aus. "Hier gibt es doch auch ein Hotel Qubus" sage ich.
Freundlicherweise ruft die zuständige Dame mal dort an und es ist
natürlich ein Zimmer frei. Das Hotel ist gleich um die Ecke und jeder
Radfahrer weiß, das hebt die Stimmung. Das Fahrrad kommt mit aufs
Zimmer, weil es gut in den Fahrstuhl passt.
Wenn man anschließend das berühmt Rathaus umrundet, muss man darauf
achten, nicht zu sehr mit offenem Mund vor Staunen herumzulaufen.
Deshalb begebe ich mich in das Restaurant Peking. Wer mich kennt, weiß:
ich liebe die regionale Küche. Danach finde ich einen Buchladen, da
kann man nun endlich die notwendigen Straßenkarten erstehen. Die werden
dann später mit der
Schere von allen Regionen befreit, in die man sowieso nicht zu kommen
gedenkt. So
lassen sie sich leichter falten und man spart Gewicht, das auf einer
solchen Reise stetig zunimmt, wenn man alle Straßenkarten, Stadtpläne,
Prospekte, Flyer oder Eintrittskarten, Rechnungen und Quittungen mit
sich führt. Noch eine unschöne Beobachtung, die nicht kennzeichnend für die
Stadt Breslau sein soll, aber die Begebenheit hat sich nun einmal so
zugetragen.
Da sind sich zwei ins Gehege gekommen, mitten auf dem Platz. Der eine
eher schmächtig mit offenem Hemd und Goldkettchen. Der andere mit
Muskeln bepackt, T-Shirt und Stiefeln. Ehe man sich versieht, klatscht
es kurz und letzterer geht zu Boden. "Das kann nicht angehen" denkt der
wohl, erhebt sich und geht erneut zum Angriff über. Und da kann man
einen sehen, der seine Kampfsporteinheiten wohl erfolgreich gelernt
hat: erneut zwei drei gezielte Schläge und der Muskelprotz wälzt sich
schon wieder auf dem erlesenen Pflaster. "Das geht nun wohl doch an's
Limit" mag er denken und zieht sich schmollend zu einem seiner Kumpels
zurück. Der Sieger schüttelt sich nur kurz die Hände, leider ist aber
sein Goldkettchen gerissen. Dann treffe ich noch auf eine Gruppe Biker
(Motorradfahrer), die haben Schilder an ihren Fahrzeugen: Polen -
Ungarn - Ukraine. Da mögen sie stolz drauf sein, aber ich bin
stolzer.
Zurück im Quartier gibt es gut zu tun mit dem neuen Kartenmaterial
(s.o.). Dann entdecke ich eine Perspektive, die vermitteln mag, meine
Lenkertasche sei ans Internet
angeschlossen. Je später der Abend, desto
alberner die Gäste. Im übrigen ist mir klar, dass die "Perle" Breslau
einen gewissenhafteren Aufenthalt verdient hätte, Dominsel und so. In
meiner Unruhe scharre ich zuviel mit den Füßen und so wird es am
nächsten Morgen gleich wieder weiter gehen.
4 Sonntag, 22.5., Kluczbork
(Kreuzburg),
118 km
Um aus Breslau heraus zu finden, vertraut man sich am besten den
Uferpromenaden der Oder an. Da lässt sich herrlich radfahren. Heute am
Sonntagmorgen bei schönem Wetter finden dort allerlei Aktivitäten
statt. Radler, Jogger, Skater, Hundeausführer, Angler und Kanuten
rüsten sich. Am Himmel hängen sogar ein paar Fallschirmspringer. So
geht es den Schleifen der Oder folgend in wechselnde Richtungen dahin,
bis ich wieder mal nicht weiß, wo ich bin. Ich suche mir eine
Landstraße, um ein Ortsschild auszumachen. Nach bereits 25 km verkündet
das erste Hinweisschild jedoch, dass man nun gerade die Stadt Breslau
hinter sich lässt. Da bin ich ja noch nicht weit gekommen, trotzdem war
diese Oderpartie sehr schön.
Jetzt haben wir es mit den Maikäfern. Die meisten liegen zermatscht auf
der Straße (Akazienallee). Aber einer fliegt auch schon mal ein
Stückchen neben mir her. Hier gibt es auch viele bewohnte
Storchennester. Ob die Störche auch Maikäfer fressen? Die Hühner mögen
die Maikäfer wie nichts anderes, das weiß ich aus meiner Kinderzeit
(dem "ersten Leben"). Aber Störche sind keine Hühner und klettern nicht
auf Bäumen rum. Hühner allerdings auch nicht. Was einem Solofahrer eben
so alles durch den Kopf geht!
An der Oder |
Laskowice |
Strobrawski Park |
Kluczbork |
In dem Ort Laskowice (Markstädt)
ist gerade der Gottesdienst zu Ende
und die festlich gekleideten Kirchenbesucher strömen ins Freie oder dem
Frühschoppen entgegen? Ich sitze wohl mit meiner Fantaflasche hinter
irgendeinem Busch. Nun geht es auf einsamen Straßen weiter, durch
Wälder und Auen. Einmal gilt es eine Abkürzung auf unbefestigter Piste
zu erproben, und das ist hinter dem Ort Rogalice (Rogelwitz). Wenn ihr mich
fragt,
wo ich die ehemaligen deutschen Namen her habe: vor vielen Jahren hat
uns unser Neffe Henning mal die alten Vorkriegskarten der ehemaligen
Ostgebiete besorgt, und da findet man alles wieder. An meiner Abkürzung
finde ich in einem schilfbestanden Teich einen
Sessel im Sumpf. Ob da
ein Angler es sich gelegentlich gemütlich macht? Wasserdichte Hosen
sind empfohlen.
Zum Abschluss für heute geht es durch ein Naturschutzgebiet mit dem
Namen Stobrawsky Park Krajobrazowy, und da hieß es
früher, glaubt es
mir oder nicht: Forst Peisterwitz,
Forst Bogelwitz oder Forst
Poppelau.
Der Fluss der Gegend heißt Strobrawa
(Stober), und ein Ort hieß früher
Carlsruhe, heute Pokoj. Und ein kleiner Ort heißt
Paryz, und wenn man
den mit Google recherchiert, kann man sich vor Eiffeltürmen gar nicht
retten. Genug der Namen - es kommen noch genug -, die Landschaft ähnelt
unserer Lüneburger Heide, da wo sie nicht Heide (wie z.B. am Totengrund
oder Wilseder Berg) ist. Und nun sind wir unversehens in Kluczbork.
Gleich passiert man einen Sozialistenkasten, der einmal ein Hotel war.
Mit angebautem Kongresspavillon. Deren Zeiten sind vorbei. Ein paar
Passanten geben mir den Hinweis auf das Hotel am Rynek. Der Eingang ist
allerdings auf der Rückseite. Da muss man erst mal drauf kommen. Vorne
steht OTEL und hinten HOTE. Hier klaut wohl einer Buchstaben? Ein
freundlicher junger Mann weist mich in ein nettes Zimmer ein. Speisen
kann man gleich gegenüber auf dem Rynek, heute gibt es - oh wie
überraschend - Pizza Mariana. Die ist mit Käse überbacken, zudem wird
noch ein Topf Ketchup (man teilt mir mit: "Tomatensoße" - danke)
gereicht, der wird da noch drüber gekippt. Danach hat man irgendwie
einen dicken Bauch, das zweite Bier ist nur schwer zu schaffen. Also
ein Rundgang danach.
Ach Anneliese... |
Kunstfiguren |
Na, hier ist ja ordentlich was los. In den Wallanlagen findet ein Fest
statt. Es singt gerade ein Kinderchor in Trachtenkostümen. Den Text
verstehe ich nicht, aber die Melodie: "Ach Anneliese..". Da kann man
mitsummen. Auch das nächste Lied kenne ich aus meiner Studentenzeit in
Stuttgart (übrigens dem "zweiten Leben"). Das fängt an: "Droba auf dr
rauhe Alb, juppheidi, juppheida...". Auch hier wird sich der Text auf
polnische Weise anders darstellen. Meine Erinnerungen an dieses nicht
ganz stubenreines Lied funktionieren noch, und wenn ich einen Vers
zitieren darf, dann nur in Kleinschrift:
Droba auf dr rauhe Alb, jubheidi, jubeida,
was machet da die Gipser all, jubheidi heida
Hier a Spritzer, da a Spritzer, gibt all wieder a neue Gipser,
jubheidi und jubeida, Schnaps ist gut für Cholera ...
usw. (findet man auch mit Google unter "Rauhe Alb", diesen Vers
allerdings nicht...)
Die weiteren Lieder - wahrscheinlich Volkslieder - sind mir nicht
bekannt, doch es kann einen womöglich zu Tränen rühren. Wie bei allen
Festen auf
der Welt stehen auch ein paar Figuren herum, die haben sich an anderen
flüssigen Nährmitteln orientiert, aber das kennen wir auch von zu
Hause, da heißt sowas z.B. "Waschefest". Dann wandelt man noch an einer
Galerie von überlebensgroßen Holzfiguren vorbei, gnomhafte Gestalten
von einem wahrscheinlich ansässigen Künstler geschaffen.
5 Montag, 23.5., Czestochowa, 75 km
Weiter geht's - soll ich mal was über das Wetter sagen?
Sagenhaft! Und den Wind? Den gibt es gar nicht, die Nationalflaggen an
den örtlichen Gemeindeverwaltungen hängen schlaff herum und
gelegentliche Rauchsäulen steigen senkrecht auf. Das ist nun nicht mein
Verdienst, aber man kann es genießen und kommt flott voran. Nur die
Straßenverhältnisse sind nicht ganz optimal, es gibt schon etliche
Schlaglöcher, in die man besser nicht hinein fällt. Der einzige größere
Ort auf der heutigen Strecke heißt Olesno
(Rosenberg).
Olesno |
Arbeitende Bevölkerung |
Grenzfluss |
Ein Foto von der
Kirche und eines von der arbeitenden Bevölkerung, der ich nun nicht
mehr so richtig angehöre. Gemein ist das ja irgendwie. Die weitere
Strecke auf der Landstraße 494 ist landschaftlich weniger reizvoll. Auf
der Route wird nun irgendwann (noch ein paar weitere Namen) die ehemals
existierende Grenze zwischen Schlesien und Polen, heute Woj. Opolske
und Woj. Slaskie passiert.
Die Grenzorte heißen Bodzanowice
(Grunsruh)
und Podleze Szlacheckie. Und
für diesen Ort gibt es keinen ehemaligen
deutschen Namen mehr.
Da kann man ja mal seine Sprechwerkzeuge strapazieren, um die
Aussprache zu üben. Ich komme nicht einmal mit dem üblichen Gruß
zurecht, der heißt "Dobre". Was immer das heißen mag. Irgendwann wird
mir auch das erklärt, es heißt "Gut". Aus meinem zweiten Leben in
Stuttgart kenne ich den Ausspruch "A Guate!", aber der bezieht sich
mehr auf das Essen (Guten Appetit). Dermaßen verunsichert begnüge ich
mich beim Grüßen (wenn es schon dazu kommt) auf Hello! oder Hei! oder
Winken, das wirkt am besten.
So radelt man vor sich hin, die heutige Etappe ist kurz, und gegen
Mittag taucht ein hoher Kirchturm voraus auf. Man rollt hinein in die
heilige Stadt Polens, wo der gerade verstorbene Woytila allgegenwärtig
ist, die schwarze Madonna Millionen von Pilgern auf mühseligen Wegen
anreisen lässt. Ich begebe mich in die Touristen Information und
bekomme - oh Wunder - ein Quartier in der Pilgerherberge vermittelt.
Die nennt sich Dom Pielgrzyma.
Aber bis ich dahin finde, stolpere ich
wohl durch etliche Klosteretablissements, bis mir einer den richtigen
Weg weist. Ich bezahle gleich mit meiner Visa Card von der VW-Bank (70
Zl) und finde mich dann in einem Zimmer wieder, da könnte ja gleich der
leibhaftige Papst (Stefan Raab: "Ratze") einziehen.
"Papstzimmer" |
Czestochowa |
Die Schwarze Madonna |
Die Bettdecke ist in der
ansprechenden Purpurfarbe gehalten, über dem Kopfende des Bettes prangt
ein Konterfei der Schwarzen Madonna. Nehmt es mir nicht übel, aber nun
muss ich mich doch erst mal legen und alles überdenken. In der Touristeninformation habe
ich noch etwas wertvolles erstanden, das ist eine detaillierte Karte
1:95000, in der ist eine Radroute Czestochowa - Krakow
eingezeichnet. Der Titel ist "JURA
Krakowsko Czestochowska". Nun
herrscht über den Weiterverlauf der Tour kein Zweifel.
Auch das eher profane Hemden- und Sockenwaschen ist angesagt. Es war
heiß heute.
Irgendwann komme ich wieder zu mir. Die örtlichen Verhältnisse sind so:
die Wallfahrtsanlage Jasna Gora
liegt auf einem Berg über der Stadt.
Eine
schnurgerade Straße zieht sich dort hinunter, an deren Ende ein
rot-weiß geringelter Schornstein die geheiligte Szenerie weniger
sakral
abschließt. Will man von der Pilgerherberge dort hinunter wandeln,
kommt man notgedrungen an der Kirche mit der Schwarzen Madonna vorbei
und kann sich nicht enthalten, dort auch hinein zu schauen, wozu ist
man schließlich hier. Wenn man die heilige Stätte betritt
(Fotografieren verboten), muss man sich unbedingt dem Verhalten der
anwesenden Pilger anpassen. Ich befinde mich gerade inmitten einer
ehrfürchtigen Gruppe, die unversehens auf ein geheimes Kommando von
oben oder sonstwo her auf die Knie fällt. Da kann man schlecht als
Antichrist wie ein Turm in
der Brandung stehen bleiben. Und so falle auch ich auf die Knie, hocke
vor der Schwarzen Madonna wie ein Pilger, wer hätte das gedacht? Dafür
werden wir in zwei
Tagen in Krakau die Engel singen hören - da freut euch schon mal drauf!
An den Wänden der Kathedrale
befinden sich unzählige silberne Plaketten mit Pilgerwidmungen,
Vorhänge von Bernsteinketten und - wie in Lourdes, der Partnerstadt
dieses Ortes - Krücken von anscheinend wundersam geheilten Lahmen und
Siechenden. Die schwarze Madonna selbst ist nichts weiter als eine
Ikone, uralt anscheinend, Wahrzeichen sind ein paar Narben auf der
Wange der Madonna, das kleine Jesuskind unter den Arm geklemmt,
Heiligenschein
inbegriffen. Gerade robbt einer auf Knien um das Allerheiligste herum,
was mag der sich davon versprechen? Es sind auch viele Familien mit
einem Kommunionskind da, die kleinen Mädchen sind hübsch weiß gekleidet
und tragen Blumen in den Händen.
Als erstes begebe ich mich in ein Internetcafe, das erste Mal und etwas
aufgeregt. Die halbe Stunde in dem schummrigen Etablissement kostet nur
wenige Cent (umgerechnet). Und es klappt, ich kann eine Email nach
Hause absetzen, dass es mir gut geht in der Pilgerherberge usw. So
spart man einen Anruf. Im übrigen hat die Stadt nicht viel zu bieten.
Längs der Magistrale mit dem Namen Aleja
Najswietszej Panny ist
ordentlich was los, in den Seitenstraßen wird es schnell ruhiger. Am
Ende gerate ich noch in einen ausgedehnten Trödelmarkt mit einem bunten
Treiben. Was ich eigentlich suche: ein schönes Restaurant, das bleibt
mir verborgen. Nur Pizza essen, das kann man überall - aber ich denke:
nicht schon wieder!
So erkunde ich die Angelegenheit, ausgehend von der Jasna Gora, und
lande
dann in einem vornehmen französisch/russischen Restaurant, alle Tische
festlich eingedeckt. Hier kann man Kaviar bestellen oder auch Haisteak.
Ich bin der einzige Gast, also bemüht man sich geflissentlich. Erst mal
ein Bier, und das heißt "La Reserve
Maitre Kanter", 6.1% und
wird in einer dickbäuchigen verzierten Flasche gereicht. Als ich
nachher die Zeche bezahle, stellt sich heraus, dass das Bier allein mit
20 Zl (6 EUR) zu Buche schlägt. Zum Glück habe ich es heute bei einem
Bier belassen. Leider habe ich nicht notiert, was ich gegessen habe und
jetzt fällt es mir nicht mehr ein. Lag wohl an dem Bier, aber das war
lecker.
Am Abend gibt es ein starkes Gewitter, aber da sitze ich schon sicher
in meinem Heiligtum und schaue dem herabprasselnden Regen aus dem
Fenster zu. In den Gängen der Herberge laufen immer wieder Gruppen hin
und her, und einmal vermeine ich vor meiner Zimmertür den Satz zu
vernehmen: "Da schläft Volkswagen". Vielleicht wegen meiner Visakarte
von der Volkswagenbank? Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet.