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Hic Rhodos, hic salta!

Kolimbia auf Rhodos, 24.-31.3.94

Im letzten Jahr hieß es für uns "Auch mal nach Mallorca". Nun nahen die Osterferien und das Motto wandelt sich ab in "Wieder nach Mallorca". Hintergrund ist nach Schmuddelherbst und -winter die Sehnsucht nach Blumen, blauem Meer und Sonnenschein.


Blumen

Blaues Meer
und

Sonnenschein

Annika hatte schon im März das Vergnügen, nach arbeitsreichen Monaten eine Woche daselbst zuzubringen. Die Mandelblüte hat sie gerade noch mitbekommen, mit dem Sonnenschein hat es wohl noch etwas gehapert. Jedenfalls haben wir uns für die Osterferien innerlich auch schon darauf eingestellt, dem grausigen Frühling in unseren nördlichen Gefilden zu entfliehen. Auf der Reiseliste stehen Stefanie und die zahlenden Eltern.

Nach mehreren anstrengenden Besuchen diverser Reisebüros müssen wir leider feststellen, daß wir die Rechnung ohne die reisewütigen Massentouristen und den davon profitierenden Wirtschaftszweigen gemacht haben. Alle Flüge sind ausgebucht, besonders die von Hannover aus. Berlin, Düsseldorf, Dresden oder Paderborn sind uns dann doch als Startrampen zu umständlich. Eine Stunde lang lassen wir uns über tunesische Reiseziele beraten - aber auch da wirft der Computer auf dem Tresen des Reisebüros (Karstadt) nichts Begeisterndes aus. Resigniert finden wir uns in der Braunschweiger Fußgängerzone wieder, ohne Aussicht auf den ersehnten Sonnenschein.

Geduckt hasten wir durch Regen und Windböen zum "Last Minute"-Büro am Hagenmarkt, da stehen die Leute bis auf die Straße und hoffen auf Teneriffa und Grand Canaria. So landen wir unverrichteter Dinge wieder zu Hause vor dem heimischen Fernseher. Es vergehen die zwei Wochen bis zu den Osterferien ohne weitere bemerkenswerte Ereignisse, ich habe den Urlaub schon in den Schornstein geschrieben und heize lieber den Kamin an, wenn draußen die Windböen toben und der Regen an die Fenster prasselt.

Heidi - wie es ihre Art ist -, läßt nicht locker. An einem Freitag, nachmittags gegen 16 Uhr, wo ein normaler Arbeitnehmer sich schon längst um seinen Schrebergarten kümmert, ich aber noch im Rechenzentrum für einen Benutzer aus Schwarzafrika eine Flußbegradigung graphisch aufarbeite, ruft Heidi an, ich müßte auf der Stelle in's Karstadt-Reisebüro eilen und eine Reise nach Rhodos buchen. Wie immer gehorche ich, eine halbe Stunde später schon sind die Formalitäten erledigt, namentlich die finanzielle Angelegenheit. Eine Woche Rhodos für drei Personen, der Ort heißt Kolimbia, das Hotel Dounavis, Flug von Hannover am drauffolgenden Donnerstag, 24.3. Stefanie, Heidi und ich reisen mit Neckermann (NUR).

Als ich mich verpustet habe, kaufe ich ein erstmal ein Merianheft und eine Landkarte von Rhodos. Wo liegt das überhaupt, was gibt es dort zu sehen. Bekannt ist Rhodos nur durch zwei Dinge: den Koloß von Rhodos, eines der sieben Weltwunder, inzwischen einem Erdbeben zum Opfer gefallen, sowie dem lateinischen Ausspruch "Hic Rhodos, hic salta!" Mir ist entfallen, von wem und zu welchem Anlaß dieser Spruch geprägt wurde. Seine Übersetzung: "Hier ist Rhodos, hier tanze!" soll doch wohl vermitteln, daß es auf Rhodos so schön ist, daß einen der Zwang zu tanzen geradezu überwältigt.

Ergänzung (es klärt sich alles auf):

In Äsops Fabel "Der Prahler" ... rühmt sich jemand, daß er in Rhodos einst einen gewaltigen Sprung getan, was Zeugen bestätigen könnten. Von den ungläubigen Zuhörern bekommt er zur Antwort: "Wenn's wahr ist, brauchst Du keine Zeugen. Hier ist Rhodos, hier springe".

Abends natürlich Hochstimmung, in weniger als einer Woche fliegen wir nach Griechenland - ist es denn die Möglichkeit. Sogar Ajax freut sich und bellt, weil er nicht weiß, worum es geht. Stattdessen büchst er am Sonntag in den Wald aus, hinter Hasen und Rehen her, was wir zwar mißbilligen, dem Hund aber bislang nicht verständlich machen konnten.

Mit dem Auto gibt es auch noch Probleme, das linke Vorderrad gibt sonderbare Geräusche von sich, der Befund der Reperataurwerkstatt ist niederschmetternd, da hat einer die Schrauben nicht richtig angezogen, hätte einiges schiefgehen können. Der Auspuff ist auch noch kaputt, schon kostet diese Kleinigkeit genausoviel wie eine Woche Mallorca. Aber wir fahren ja nach Rhodos. Das ist noch teurer!

Endlich ist der ersehnte Donnerstag gekommen und wir fahren um die Mittagszeit los zum Flughafen Hannover-Langenhagen. Auf dem Touristikparkplatz ergattern wir den letzten freien Platz. Vor Verlassen des Geländes studiere ich den Parkscheinautomaten, da kann man auch mit der Visakarte bezahlen, in deren Besitz ich seit einigen Wochen bin, um auch als vollwertiger Mensch zu gelten. Die Zeit bis zum Abflug vergeht schnell, in der Halle des Flughafens gibt es viel zu sehen. Nach einem Kaffee in einer der allgegenwärtigen Mövenpick-Restaurants klettern wir auf das Aussichtsdach, wo der Wind uns tüchtig zerzaust. Ein Jumbo (Boeing 747) der Lufthansa ist gerade gelandet, aber der kommt nur aus Frankfurt.

Dann klettern wir wieder runter, mit Routine erledigen wir das Entrichten der Sicherheitsgebühr und das Einchecken. Einer ist mit dem Fahrrad da, der stellt sich erst in der Warteschlange zum falschen Flug an, wie wir schadenfroh vermerken. Dann aber ist man neidisch, wie problemlos das Fahrrad aufgegeben wird, das kostet nicht einmal extra Gebühren.

Eine halbe Stunde vor dem Abflug müssen wir durch die Sicherheitskontrolle, Heidi muß ihre Ohrclips aus einer ihrer Taschen hervorholen, um einer Flugzeugentführung vorzubeugen. Am längsten dauert die Kontrolle bei Stefanie, die mit ihrem Krimskrams in den Taschen das piepende Kontrollgerät schier aus dem Häuschen bringt. Schließlich werden wir als Nicht-Sicherheitsrisiko eingestuft, Heidi stürzt auf den Duty-Free Shop los und ersteht eine Stange Zigaretten und eine Rolle mit Schokoriegeln. Endlich dürfen wir das Flugzeug betreten, wir haben unsere Plätze in der letzten Reihe, Stefanie bekommt den Fensterplatz.

Das Flugzeug rollt zur Startposition, dann brüllen die Triebwerke auf und immer schneller geht es dahin. Plötzlich drückt es uns in die Sitze, wie der Flieger seine Nase emporstreckt und abhebt. Nun herrscht heute ein böiger Wind, sodaß die ganze Sache etwas holperig gerät. Stefanie auf ihrem ersten Flug wird leicht weiß um die Nase, aber Aussteigen geht nun nicht mehr. Immer tiefer versinkt die Stadt Hannover zur Rechten, dann geht das Flugzeug auf Kurs und hat dann so in der Gegend von Kassel die Reiseflughöhe von etwa 11000 m bei einer Geschwindigkeit von über 800 km/h erreicht.

Die Reiseroute führt über Nürnberg, die östlichen Alpen bei Graz, dann über Jugoslawien. Dort herrscht immer noch der unsinnige Krieg, es kommen einem sonderbare Gedanken. Wir fliegen in ein Drei-Sterne-Hotel auf Rhodos, unter uns leiden Menschen unter Hunger und Kälte. In der Abenddämmerung überfliegen wir Griechenland und die Ägäis. Hin und wieder eine Insel, deren Namen allesamt stark nach Reiseprospekt klingen. Als wir Rhodos erreichen, ist es fast dunkel, außerdem müssen wir die Uhr wegen der osteuropäischen Zeit um eine Stunde vorstellen . Nach der geglücktenLandung klatschen alle Passagiere erleichtert, Stefanie auch.

Auf dem rhodischen Flughafen ist es weniger luxuriös als in Hannover. Am Gepäckfließband warten wir auf unsere sieben Sachen, dann lassen wir uns von einer Neckerfrau zu unserem Transferbus geleiten. Wir erfahren zur Begrüßung, daß unser gebuchtes Hotel Dounavis (mühsam hat man sich den Namen mit der Eselsbrücke Du-Naseweis eingeprägt) geschlossen ist, wir stattdessen in das Hotel RELAX umgebettet werden. Nach einer Stunde Fahrt - wir sind die letzten Gäste - kommen wir um 22.15 Uhr dort an. Da es inzwischen schon lange stockdunkel ist, haben wir weder auf der Fahrt noch bei der Ankunft irgend etwas gesehen, schon gar nicht das Meer. Im Hotel werden wir freundlich empfangen, schnell die Koffer auf das Zimmer, dann kriegen wir gerade noch etwas zu essen. Salat und Klops, das muß für heute reichen. Wieder in unserem Zimmer, räumen wir sorgfältig das Gepäck in die Schränke ein. Stefanie hat nur ein Beistellbett mit eingebautem Kreuzbrecher. Nur die Müdigkeit läßt sie einigermaßen in Schlaf versinken.


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