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Dienstag
Das Wetter sieht wieder freundlicher aus. Heidi sortiert schon wieder
Badetücher. Beim Frühstück beobachten wir eine neu angekommene
beleibte Dame, wie sie diskret ein paar Brötchen schmiert und in
Servietten verpackt. Beim Weggehen erwischt sie wohl aber eine
Tischkante mit der Hüfte, sodaß ihr die Brötchen entgleiten und
auseinanderdriftend über den Fußboden rollen. Der Kellner steht
feixend daneben. Was mit Heidi und Stefanie passiert, erspare ich mir
zu schildern.
Nun wäge ich vorsichtig ab, wie weit ich mir die
Freiheit erlauben kann, mal für eine Weile auszubüchsen. Da es die
Sonne wirklich gut meint, gibt es keine Probleme, Stefanie will auch
lieber in der Sonne sitzen. So bin ich wenige Minuten später bei
meinem Fahrradfritzen und leihe mir ein schönes Trekkingrad mit 18
Gängen.
Kaum auf dem Rad, stellt sich wieder dieses Freiheitsgefühl
ein. In einer unbekannten Landschaft in jede Richtung fahren zu
können, das ist das Größte. Während ich so vor mich hin philosophiere,
überholt mich tief geduckt der Radrennfahrer vom Hotel, biegt auf die
Hauptstraße ein und steigert zwischen den Abgasschwaden das Tempo.
Ich fahre an der Kreuzung geradeaus weiter, links und rechts meckern
die Ziegen. Mein erstes Ziel ist das Tal der sieben Quellen (Epta
Piges). Auf dem Parkplatz vor demselben steht ein Bus, eine Gruppe
Touristen davor. Steil führt ein betonierter Weg hinauf, da muß man
sich mal wieder anstrengen, bis man aus der Sichtweite der gaffenden
Busgäste ist.
Wenig später eine kleine Restauration, dort sind die
sieben Quellen.
Ich habe sie nicht nachgezählt, an jeder Ecke rinnt da
das Wasser aus den Felsen. Eine mit dünnen Stöckern belegte Brücke und
ein Tunnel zum Sammeln der Wasser sind für Wagemutige als Mutprobe
vorhanden. Ringsum treiben sich frei bewegende Pfauen ihr Unwesen.
Besonders ihre durchdringenden Schreie setzen einen in Erstaunen.
Zurück zur Straße fahre ich auf dem Fußweg, bald muß ich hinter
gemächlich Dahinwandernden hinterherschieben. Weiter geht es das
Lutani-Tal hinauf, Kiefernwälder und Felshänge beidseits der Straße.
Einmal erkennt man am Bach eine brustkastenbreite Schlucht, in die
sich das herabströmende Wasser tief eingegraben hat. Das wirkt sehr
geheimnisvoll und steht in keinem Reiseführer.
Ebensowenig ist die nun
folgende Kapelle irgendwo beschrieben, sodaß ich ihren Namen nun nicht
mehr herausfinden kann. Ein Honigverkäufer wartet unter einer alten
Platane auf Abnehmer.
Die nächsten Orte in dem sich weitenden Tal heißen Arhipoli und
Eleousa, malerisch fügen sie sich in die grüne Landschaft. Hier ist
die Passhöhe erreicht,
man kan schon das Meer auf der anderen Seite
der Insel erkennen. Deutlich sieht man auch die Berge der türkischen
Küste, ist es doch das erste Mal, daß nach meinen 50 Lebensjahren das Auge
auf Bergen des Erdteils Asien ruht (Stefanie behauptet, das sei noch
Europa, wir einigen uns auf Kleinasien).
In Eleousa verzweigt sich die Straße, ich wähle den Weg über den
dritthöchsten Berg auf Rhodos, die Profitis Ilias (ca.800 m).
Vorher
noch eine kleine Rast vor einem verfallenden Kloster, ich setze mich
auf eine Steintreppe und übersehe eine Pfütze. So geht es etwas frisch
am Allerwertesten weiter. Nach beständigem Aufstieg erreicht man
die
Kirche Ajos Nikolaos Fountoukli. Reiseführer: Teil einer Klosteranlage
aus spätbyzantinischer Zeit. Ein kurzer Blick hinein, da hängen
Weihwasserbehälter und niemand klaut sie. In die Eingangstür klemmt
sich diagonal die gutgenährte Tochter eines Leihwagenfahrers und läßt
sich fotografieren.
Nun geht es immer weiter rauf und rauf. Nach jeder Kurve hofft man,
die Höhe erreicht zu haben, aber das läßt sich Zeit. Ein englisches
Touristenpaar robbt auf den Knien mit aufgeklapptem Stativ und
Kamera durch das Unterholz auf der Suche nach botanischen Sensationen.
Die soll es hier zahlreich in Form unterschiedlicher Orchideenarten
usw. geben.
Immerhin begegnen mir vom Fahrrad aus die Zwergiris, die
Berganemone und ein paar Knabenkräuter.
Am Straßenrand sind auch allenthalben Bauarbeiter mit der
Straßenbefestigug beschäftigt, die es freundlich zu grüßen gilt. Den
griechischen Gruß beherrsche ich nicht, als Deutscher möchte man sich
auch nicht offenbaren, so ruft man international "Salus!". oder "Moin,
Moin!". "Guten Morgen" ist meistens die Antwort der griechischen
Bauarbeiter.
Dann ist man doch irgendwann oben, da liegt das Berghotel
Elafos (Hirsch), errichtet im Schweizer Chalet Stil. Ich steige nicht
einmal vom Rad, eine Aussicht gibt es auch nicht zu bewundern, weil
alles bewaldet ist. Dafür geht es an die lange Abfahrt, kalt bläst der
Wind von vorn, fast brauchte man Handschuhe.
Irgendwo zeigt er sich
nun endlich: der Ataviros, mit 1215 m der höchste Berg der Insel. Die
Spitze hüllt sich in Wolken, rings herum dräuen dunkle Wolkenfelder,
während die Küste hell erleuchtet in der Sonne liegt. Da kann man
verstehen, daß sich in grauer Vorzeit allerhand Mythen um solche
Bergwelten woben.
Ich strebe lieber dem Licht zu, die Gegenküste der Insel möchte ich
schon gern erreicht haben. Bergab und mit Rückenwind saust man wie im
Fluge die 10 km über Salakos nach Kalavarda hinunter. Außer dem blauen
Meer gibt es hier allerdings nichts zu sehen. Nochmal 6 km bis Soroni,
dann muß ich mich wieder auf den Rückweg machen. Es geht natürlich
wieder hinauf, durch das Plati-Tal.
Einmal fotografiere ich am Wegesrand ein üppiges Knabenkraut.
Als Rastplatz bietet sich die Ag.
Soulas an, ein merkwürdiges Heiligtum. Eine winzige Kapelle aber
riesige Busparkplätze. Da soll sich einer auskennen. Noch ein
idyllischer Ort, den ich von oben schon kenne:
Dimilia, dann bin ich
wieder in Eleousa und rausche das Loutani-Tal diesmal hinunter. Man
kann höchste Übersetzung fahren, bedauernd erreiche ich wieder
Kolimbia, wo ich den Rest meiner Familie bibbernd im Bett wiederfinde.
Bis eben haben sie sich noch gesonnt, aber nun wird es empfindlich
kalt. Ich zähle auf der Karte die zurückgelegte Strecke zusammen und
komme auf stolze 68 km.
Wie immer machen wir später noch einen
Rundgang, die Gangart ist heute etwas verkrampft vor Kälte. Erst beim
Abendessen und dem Wein Platoni löst sich das etwas auf.
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