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Montag: Brügge - Brielle
Noch vor dem Frühstück wird der kaputte Schlauch repariert. Bei
trübem Wetter mache ich mich auf zur holländischen Grenze, die ist
bald erreicht. Wieder Geld umtauschen, dann komme ich in den Ort
Sluis, der macht schon einen typisch holländischen Eindruck. Durch
die Fußgängerzone und Einbahnstraßen in umgekehrter Richtung darf
man hier mit dem Fahrrad fahren: "Uitgesonderd Fietsers" heißt das
dann am Verbotschild für andere Verkehrsteilnehmer. Mopeds heißen
übrigens "bromfietsen" und Radweg "fietspad". Das kann man sich
schon merken.
Nun folgt eine Strecke ohne viel Abwechslung, der Himmel zieht sich
immer mehr zu, noch vor dem Regen erreiche ich die Fähre über die
Westerschelde von Breskens nach Vlissingen. Kaum auf dem Schiff,
fängt es an zu nieseln, aber zunächst sitze ich hier trocken. In
Vlissingen aber wird abgeheuert, es geht hinaus in den stärker
werdenden Regen. Es gibt einen ausgeschilderten Radweg Richtung Goes,
die Ausschilderung ist für mich aber nicht gut genug, bald habe ich
mich bei strömendem Regen rettungslos verfranzt. D.h. nicht gänzlich
rettungslos, nach einigem Hin und Her gerate ich wieder auf die
richtige Strecke. Es regnet die ganze Zeit in Strömen, und das ist ein
Dauerregen. Einmal stelle ich mich eine Weile an einer Unterführung
unter, aber da friert man bald mehr als auf dem Rad. Auch der Wind
meint es heute nicht gut mit mir, ich fahre Richtung Norden, da bläst
er mir zuweilen ganz schön entgegen. Endlich komme ich an Europas
längste Brücke, wie es heißt, der "Zeelandbrug" über die
Osterschelde. Sie ist mehrere km lang und führt in kühnem Bogen auf
gewaltigen Stelzen über das Meer. Hier kann jedes Schiff unter der
Brücke durchfahren. Auf der anderen Seite liegt Zierikzee, ein sehr
malerischer Ort mit Kanälen, Zugbrücken, Windmühle und allem, was
dazugehört. Endlich hat der Regen aufgehört und ich lege mich, so gut
es geht, trocken.
Auf der Insel Schouwen geht es weiter nach Norden, mit dem Wind von
vorn. Die Landschaft hat wenig Reize zu bieten, alles flach, die
Straße führt schnurgeradeaus. Dann hinter Scharendijke wird es
wieder abwechslungsreicher, es geht über den Brouwersdam. Auch
scheint endlich die Sonne und der Wind weht mehr von der Seite. Der
ist hier so stark, daß er eine Menge Windsurfer, sogar aus dem
Ruhrgebiet, anzieht, die in Campingbussen anreisen. Das sind wohl
alles Profis, wenn sie bei diesen Bedingungen über die rauhen Fluten
zischen und ein malerisches Bild abgeben. Ihnen verdanke ich sicher
die eine oder andere Imbißbude, an der man sich stärken kann. In der
Mitte des Dammes befindet sich eine Gezeitenschleuse, die im Rahmen
der Maßnahmen des Delta-Planes zum Ausbau des Maass/Rhein-Deltas nach
der großen Flut Anfang der 50er Jahre erbaut wurde. Wieder befindet
man sich auf einer Insel zwischen den Armen der Rheinmündung.
Vielleicht liegt es an der Sonne, alles wirkt freundlicher,
Blumenfelder und Heugestelle erfreuen das Auge. Über Ouddorp erreicht
man den Haringvlietdamm über den letzten großen Arm der
Maassmündung. Der Damm wird eigentlich nur durch eine riesige
Gezeitenschleuse gebildet.
Der nächste größere Ort ist Brielle. Dort finde ich ein Hotel, das
für meine Verhältnisse eigentlich eine Nummer zu vornehm ist, auf
dem Parkplatz stehen dicke Autos, fast nur Mercedes. Für 110 Gulden
nimmt man aber auch einen armen Radfahrer auf, der dringend seine
Sachen zum Trocknen ausbreiten muß. Der Komfort ist seinen Preis
wert, die Heizung verbreitet die angenehme Wärme, die ich heute sehr
nötig habe, sogar ein Fernsehapparat steht für die abendliche
Unterhaltung zur Verfügung. Vom Einnehmen des Abenddiners im gleichen
Haus nehme ich angesichts der befrackten Kellner, mehr noch wegen der
rechten Spalte der umfangreichen Speisekarte und nicht zuletzt wegen
der Gesellschaft der Mercedesfahrer mit gewölbten Jackettaschen
Abstand. Stattdessen lasse ich es mir in einer schräg
gegenüberliegenden Imbißstube bei Pommes und Klops gut ergehen.
Anschließend verfalle ich noch eine Weile dem holländischen
Fernsehprogramm, neben einer Schlagersendung gelingt es mir bei einer
urigen Wettkampfsendung mit allerlei ausgefallenen Schlammspielen die
sprachlichen Probleme zu vergessen.
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