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Kapitel 4: Varberg - Svinesund

Abfahrt Grenaa

Ankunft Varberg

Nachdem die Räder weisungsgemäß verstaut sind, geht man eine Treppe nach der anderen nach oben, am besten lagert sich man auf dem Sonnendeck. Ich weiß gar nicht, wie ich die vier Stunden Seefahrt rumbringen soll. Natürlich ein Rundgang durchs Schiff, erst mal die restlichen dänischen Kronen in schwedische umgetauscht. Man kann nun wählen zwischen Supermarkt (Kaufrausch), Slotmachines (Spielrausch) oder Fast Food Versorgung (Fressrausch). Mich lässt das alles kalt, ich gehe wieder auf das Sonnendeck, packe mir etwas unter das Genick und lege mich in einer windgeschützten Ecke auf das blanke Deck in die Sonne. Und da muss ich wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich sind 1 ½ Stunden auf das Angenehmste vergangen.

Bis man sich die Augen ausgerieben hat, kann man auch schon die schwedische Küste sehen und man ist dann bald in Varberg. Das sieht hier ja fast schon wie Schären aus? Wieder als erste verlassen wir Fahrradfahrer den Laderaum. Es ist kurz nach 17 Uhr, die Sonne scheint und Südwind!!! Da kommt man ja wohl nicht auf die Idee, jetzt schon nach einem Quartier zu gucken, sondern geht erst mal auf Strecke. Ich finde einen Radweg gen Norden, der schon kurz hinter Varberg in die Botanik führt. Beschildert ist das Ganze mit Ginstleden Cyklespåret. Was das wohl heißen mag? Ich bin einigermaßen ahnungslos und habe auch keine Karte. Zur Linken sieht man ab und zu so etwas wie eine Schärenküste, da ist man ja wohl auf dem richtigen Wege. Als Radfahrer entgegen kommen, wird gefragt „Geht’s hier nach Norwegen?“ Ja so ungefähr, jedenfalls ist der Ginstleden ein Radweg an der schwedischen Westküste entlang. Was mich erwarten mag, kann ich schon mal am Campingplatz Kärradal sehen, der ist voll belegt. Hier soll die Schwedische Riviera sein (Halland). Ich kaufe mal zur Sicherheit alles notwendige ein, dass man auch hinter einem Heuballen oder so übernachten könnte. Es geht dann flott weiter nach Norden mit diesem schönen Rückenwind. Aber dann mache ich doch einen Fehler, der alles zunichte macht. Irgendwann folge ich nicht der Beschilderung, sondern meinem Richtungssinn. Es passiert das Unvermeidliche, nach so 7/8 km an Kraftwerken vorbei über eine unattraktive Landstraße landet man in dem Ort Bua, von der See umspült, ein kleiner Hafen. Der einzige Weg der weiter führt, ist der Weg zurück. Das ist ärgerlich. Hätte ich vorhin 20 m weiter nach vorne geschaut, hätte ich die Radwegbeschilderung bemerken müssen. Das Missverständnis hat seinen Grund darin, dass die Route auf eine Schnellstraße führt, die E6 womöglich? Jedenfalls eine Hauptstraße direkt nach Norden. Da rechnet man ja nicht damit.

Irgendwo sehe ich ein Schild: Rum & Frukost – gibt es da Früchte mit Rum oder was? Nach einigem Grübeln komme ich drauf, aber da bin ich schon dran vorbei: Bed and Breakfast. In der Hoffnung, nun alle Augenblick ein solch verheißendes Schild zu sehen, geht es weiter voran. Aber da ist nichts mehr, vielleicht muss man heute noch bis in den nächsten größeren Ort Åsa, da soll ein Hotel sein.


Weggabelung mit Schäre

Irgendwo

Aber dann kommt doch noch das erlösende Schild: Rum. Über einen Schotterweg, ein älterer Herr wird heraus geklingelt und dann hat man sein Zimmer mit 3 Betten zu viel in so was wie einer ausgebauten Garage. Selbstverpflegung, Zahlen im Voraus, da kann ich morgen wieder früh weg. Nebenbei bemerkt ist der Juhe-Schlafsack nun fast schon mein wichtigstes Gepäckstück, denn in diesen einfachen Unterkünften gibt es keine Bettwäsche.

Ich fahre dann noch an den „Strand“, der liegt hinter einer Eisenbahnlinie und es baden da ein paar Jugendliche. Mehr ist da nicht zu sehen. Zurück im Quartier schmökere ich noch in dem ausliegenden Gästebuch, da steht zum Beispiel:

„Danke für alles. Es war eine super Nacht.
Die Betten waren weich und die Kissen waren gemütlich.“

Und man kann lesen:

„Endlich weiß ich, wie man sich im Knast fühlen muss.
Aber die Betten waren wenigstens trocken.
Doch die Luft war etwas modrig.
Wir kamen noch nie so früh weiter wie heute.“

Vielleicht hätte ich doch noch ein wenig weiter fahren sollen?

12 Montag, 29.7. Stravalla - Orust/Hjälmvik, 160 km

Um 5.30 Uhr sthe ich auf, Frühstück mit Tee. Abwasch und los. Ich hätte gestern nicht mehr weiter fahren sollen, denn in Åsa gibt es nur ein steril wirkendes Motell und das nächste B&B wäre 20 km weiter gewesen. Dann kommt man in die Stadt Kungsbacka, da ist noch alles verschlafen. Dieses Mal finde ich den richtigen Weg und es geht weiter über schöne Nebenstrecken. Eine ganze Weile über eine ehemalige Bahntrasse, da ist allerdings eine Sperre nach der anderen, um den Rasern das Handwerk zu legen. Aber so kommt man auch nicht richtig in Schwung. Zeit, auch mal wieder an meine Pedale bzw. Tretlager zu erinnern, wo es weiterhin beharrlich knackt und kratscht. Aber mein Muskelkater ist überwunden. Zwischendurch ist die Strecke dann gesperrt, da will man gerade einen Sattelschlepper aus der Matsche ziehen. Das Seil ist schon gespannt, ich kann gerade noch drunter durch schlüpfen. Die Arbeiter schimpfen, aber wie lange hätte ich an dieser Stelle wohl warten sollen?


Kungsbakka

Anfahrt auf Göteborg

Zur Strafe verliere ich kurz vor Göteborg die Radbeschilderung. Schließlich landet man auf einem Radweg parallel zur E6, der führt dann in das Zentrum. Leider ist nirgendwo ein Stadtplan aufgestellt. So braucht es eine ganze Weile, bis man sich orientieren kann und das Informationsbüro findet. Dort kann man sich nicht sogleich bedienen lassen. „You must take a number“ sagt jemand. Trotzdem komme ich mit meiner Seventy seven dann gleich dran. Ein Stadtplan wird erst mal vom großen Block abgerissen. Dann händigt man mir eine Broschüre aus, die heißt Cykelspåret Bohuslän. Das ist eine Beschreibung des Radweges bis hinauf nach Norwegen, leider nur in Schwedisch und die Routenkarte ist wenig detailliert. Immerhin weiß man nun, wo es lang geht. Man schickt mich noch zum größten Buchladen von Göteborg (Akademiebokhandeln), aber die haben überhaupt nichts.


Chinarestaurant in Göteborg

Damit habe ich in dieser quicklebendigen Stadt – die Häuser kommen mir so groß vor – genug Zeit verbracht und es geht über die Brücke der Göta Älv. Der Radweg Richtung Kungälv ist gut ausgeschildert. Das ist auch nötig, denn es geht ständig zwischen Autobahnen und deren Zubringern hin und her. Endlich lockt eine hohe Brücke, und auf die falle ich glatt rein. Nach deren Überquerung geht es einen steilen Berg hoch, da verweilt man erst einmal und wittert. Schließlich merke ich es, das war die falsche Brücke, hier geht es so Richtung Väner See oder so was. Steht eigentlich nicht auf dem Programm.


Festung Bohus

Über die hohe Brücke zurück und da ist ja auch die Beschilderung in die andere Richtung. Die „richtige“ Brücke über die Nordre Älv ist nun gerade hochgekurbelt und man muss warten, bis ein Segelboot passiert hat. Rechts liegt die Festung Bohus. Wir fahren ein Stück flussaufwärts an der Göta Älv entlang. Und dann wird es bergig, das ist man ja gar nicht mehr gewohnt. Dafür ist die Landschaft sehr schön, Waldteiche und Wiesen, zwischendrin auch mal ein Golfplatz. Am Schluss kommt man wieder an der Küste raus, in Jörlanda.

Brücke bei Stenungsund
Bis zu dem denkwürdigen Ort Stenungsund geht es nun auf der Landstraße dahin, zum Schluss durch eine Baustelle in dichtestem Verkehr. Man sieht schon auftauchen, was den Ort Stenungsund denkwürdig macht: eine große Brücke hinüber auf die Insel Tjörn, Teil des Schärenarchipels.

An der Brücke ist erst mal eine große Tankstelle und viel Verkehr. Für die Radfahrer gibt es eine Unterführung und man gelangt auf den Radweg über die Brücke. Da schwebt man dahin, hoch über dem Wasser.


Ausblick von der Stenungsund-Brücke
Die Route führt wieder auf Nebenstraßen, und die Orte sind so klein, dass es da keine Unterkunft gibt. Ein Damm oder Brücke führt auf die nächste Insel Mjörn und eine weitere Brücke nach Orust. Da ist tatsächlich ein Schild an der Straße: Rum. Ich biege gleich ab und nach wenigen hundert Metern: Full. Von oben gucken Leute schadenfroh, wie ich wieder zurück fahre. Ich bin innerlich schon wieder auf eine Nacht im Freien eingestellt.

Und da ist dann noch ein Schild: B&B. Es geht um ein paar Ecken auf einem Schotterweg, an jeder Kreuzung hat man ordentlich das B&B markiert. Schließlich so ziemlich das letzte Haus, traumhaft gelegen: ich kann allein das ganze Obergeschoss bewohnen. Nach der heutigen Kilometerleistung kann man die wohltuende Regeneration gut brauchen. Vom Balkon hat man einen tollen Ausblick auf die Natur und eine dahinter liegende Bucht. Ich bekomme einen Teller und Besteck und bestreite das Abendessen wieder einmal selber.


Balkonaussicht in Hjälmvik

13 Dienstag, 30.7. Hjälmvik - Grebbestad, 121 km

Heute bekomme ich ein gutes Frühstück und ich freue mich auf den Tag, der einige Genussstrecken durch die Schären bringen wird. Meine Gastgeberin erzählt, dass sie wohl die einzige B&B Station auf der Insel ist. Die meisten Leute mögen wohl keine Gäste von der Straße oder so was. Die Adresse ist:

Lena Hansson, Hjälmvik 3249,
472 97 Varekil
Tel 0304-41060 Fax 0304-4853


Briefkästen, mal so...

...mal so!

Wir tauschen noch die Internetadressen aus, dann starte ich in einen herrlichen Tag. Der erste Ort heißt Nösund. Der ist noch ziemlich verschlafen, die ersten Badegäste stellen sich ein. Man hat einen herrlichen Blick über das Wasser auf die Schären, das muss man sich erst mal so richtig rein ziehen (Panorama).


Panorama in Nösund

Schärenküste mit Tunnel

Fähre nach Malö

Fähre Persäng


Ellös


Panorama von der Skaftö-Brücke


Charterboot Harry
Wenig später hat man eine hübsche Fährfahrt nach Malö. Für die Gegend ist die Strecke recht bergig, bis man den Ort Fiskebäckskil erreicht. Das ist ein Touristenzentrum und es herrscht mal wieder ordentlicher Trubel. Ich warte auf das Schiff hinüber nach Lysekil. Nur mit Mühe kann man mich daran hindern, das Charterboot Harry zu entern, das dann auch gleich ablegt und ganz woanders hin fährt.


Lysekil

Um 12.40 Uhr kommt dann das reguläre Boot und man kann die Überfahrt genießen. Lysekil ist wohl der bekannteste Ort der Gegend, wohl wegen seiner hochgelegenen Kirche, der Rest ist ziemlich verbaut. Ich halte mich hier nicht lange auf, leider endet aber auch der schöne Teil der heutigen Etappe. Man fährt auf der Landstraße 162 und dann um die Stadt Brastad herum auf der alten Straßenführung. Man biegt auf die 171 und fährt über einen Berg hinunter zum Åbyfjorden. Man kann hier eine Abkürzung fahren und vermeidet den Schlenker über Bovallstrand. Allerdings ist die Sache wieder recht bergig. (Mein Tretlager quietscht immer noch, wohlgemerkt).


Svenneby: Malerei

Glockenturm

Dann geht es immer an der Küste lang, wenn man die See erreicht, geht es bergab, anschließend ordentlich wieder rauf. Ich passiere Hamburgsund, ein größerer Ort. In der Touristeninformation wird mir gesagt, dass so ziemlich alles ausgebucht sei. Also fange ich von jetzt an, mir etwas zum Übernachten zu suchen. Der erste Campingplatz in Långesjö ist voll. Ein Anwesen mit angezeigten Zimmern ist verlassen, da zeigt sich kein Mensch. Die restlichen Hinweisschilder sind zugehängt weil belegt. Was ist bloß hier los, es ist doch mitten in der Woche? Kurz vor Grebbestad folge ich noch mal einem Hinweisschild „Stuga“. Dort werkelt ein Mann im Garten, der spricht gut Englisch. Auch da ist alles voll. Wir unterhalten uns eine Weile, man versucht sogar, mir zu helfen und im Touristenbüro anzurufen. Aber da ist zu viel Trubel. Ich solle man weiter suchen, wenn sich nichts findet, dann könnte ich hier in der Scheune schlafen. „Da bleibe ich doch gleich da“ – was soll man noch lange in der Gegend rum suchen. „I am a romanticist, I love the private atmosphere“ sage ich noch.

Domizil in der Scheune
Erst muss die Frau gefragt werden, dann werden wir uns schnell einig und ich werde eingewiesen. Da gibt es einen Wasserschlauch und einen Blecheimer zum Waschen. Die Toilette ist ein herkömmliches Plumpsklo, gespült wird mit Sägespänen. In der Scheune stellen wir ein Feldbett auf. Tische und Bänke sind auch da, hier wird manchmal gefeiert. In einer Truhe finden sich Pappteller und Einwegbestecke. Als Tisch dient ein Ackerwagen mit aufgelegten rohen Brettern.

Bei meinem einsamen Abendessen (Krabbentopf – wie gehabt) unterhalten mich ein paar Schwalben, die hier unter dem Dach nisten und etwas aufgeregt sind. Irgendwo kratzt noch etwas im Gebälk, ich kriege aber nicht heraus, was es ist. Jedenfalls hängt man die Lebensmittel nach Trapperart (wegen der Bären) lieber an einen Nagel. Als es mir an nichts mehr fehlt krieche ich in mein Feldbett, es ist so warm, dass ich die Zudecken nicht einmal vermisse. Wieder bewährt sich der Juhe-Schlafsack.

14 Mittwoch, 31.7. Grebbestad - Frederikstad, 134 km

In der Frühe vor 5 Uhr beginnt das Schwalbenkonzert. Da ist an Schlaf nicht mehr zu denken. So kann ich wieder sehr früh aufbrechen. Um nicht so anonym zu verschwinden, hinterlege ich meine Visitenkarte mit einem Gruß nebst 100 SKr. Vielleicht nehmen sie dann gern auch den nächsten Gast auf. Um den Namen meiner Gastgeber zu erfahren, gucke ich noch an der Tür nach, aber da steht nur Turi & Hans Martin.


Kirche in Lur

Erst mal nach Tanumshede, da trifft man wieder auf den Cykelspåret Bohuslän. Die Schilder am Straßenrand mit Rum oder Stuga sind allesamt verhängt. Ob das Hotel in Tanumshede auch besetzt ist, weiß ich nicht. Nach einigem Rumgesuche finde ich den Radweg wieder und mache die erste Rast an der Kirche in Lur. Die Strecke führt ausnahmslos über Land durch Wälder, Heide und Felder. Man landet in dem Ort Skee direkt an der E6. Ein Stück auf dieser Art Autobahn bleibt einem nicht erspart, dann geht es wieder durch die Botanik Richtung Strömstad. Ich treffe auf zwei rastende Damen aus Münster, die fahren von Göteborg nach Oslo. Ich kriege auch einen Keks ab. Die beiden Damen haben eine tolle Broschüre über die Nordseeroute in Norwegen, da kann ich nur staunen. Ich besorge mir so was immer nicht gern vorher, weil man dann so viel Gewicht mitschleppt. Vielleicht bekommt man das an der Grenze.


Bei Strömstad

Strömstad

Vor Strömstadt fährt man noch einmal an einer schönen Schärenküste entlang (sofern sie nicht von einem Riesencampingplatz verschandelt ist). Strömstad selbst gibt mir nichts – wie immer zu viel Hektik. Bald ist man wieder draußen und fährt auf schöner Strecke aber anhaltend bergig bis Svinesund, wo man von dem brausenden Verkehr aufgenommen wird und augenreibend an der Svinesundbrücke endet. Ich darf noch vermelden, dass mit dem Verlassen von Schweden mein Tretlager das Knacken einstellt. Nun schwebe ich wieder lautlos dahin.


Svinesundbrücke

Kapitel 5. Svinesund - Kristiansand
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