Wir fahren die "Güstrower Straße" hinaus, Felder und Wälder, dann
geht es rechts ab, endlich Rückenwind, kein Gepäck. "Mopedfahren"
sage ich, immer wenn man nicht treten muß, und das ist oft der Fall.
Nossentin am Fleesensee. Die ganze Dorfgemeinschaft bosselt am
zentralen Dorfplatz herum und legt Rasenflächen an. Ein
Trainingsanzug ist uns bekannt, darin steckt ein Einwohner, der
gestern noch im Deutschen Haus einen Anteil der einheimischen Gäste
ausmachte. Die Kirche von Nossentin sieht aus wie ein Schulgebäude,
das ist dann auch schon alles.
Freitag, 2.7.
Wie es so schön heißt, wenn man auf einer Radtour ist, macht man an
einem Ruhetag eine Radtour. Das sieht auch Heidi ein. Unsere Radtour
aber ist ganz bescheiden, wir wollen nach Waren an der Müritz fahren,
das sind so an die 30 km. Nach Frau Müllers kräftigem Frühstück
fahren wir los, zwei Äpfel im Gepäck.
Wir fahren eine zweispurige Straße entlang. Die eine Spur ist asphaltiert und gehört den Autos. Die andere ist unbefestigt, da hat sich der Radfahrer abzuplagen, wenn von hinten oder von vorn ein motorisiertes Gefährt auftaucht. Aber die Blumen am Wegesrand, die gehören dem Genießer.
Wir durchfahren Jabel am Jabelschen See, hier werden wir noch einmal hinkommen, aber das wissen wir heute noch nicht. Von Jabel führt so eine Art Trampelpfad nach Waren, "Das muß aber nicht sein" meint Heidi. So fahren wir die Landstraße, immerhin mit blühenden Brachflächen gesäumt. Die Außenbezirke von Waren sind wie immer scheußlich, reine Industriegegenden. Wir stoßen auf die B 192, mit untrüglichem Sinn finden wir aber auch die Badebucht von Waren, "Am Kietz" nennt sich die Gegend.
Waren an der Müritz
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Vom eigentlichen Müritzsee ist von Waren aus nichts zu sehen. Waren liegt an einer Bucht, der "Binnenmüritz". Hier ist komischerweise die tiefste Stelle der Müritz mit 33 m. Sonst ist sie weniger als 10 m tief. Aber bei unsicherem Wetter kann sie gefährlich sein, vor einigen Wochen sind erst ein paar Segler ertrunken. Das haben uns Müllers erzählt.
Beizeiten machen wir uns wieder zur Kietzbrücke auf, wo das Schiff ablegen soll. Kurz vor zwei ist davon noch nichts zu bemerken, wir rennen mal wieder im Zickzack durch die Gegend und fragen alle möglichen Leute, die auch nicht Bescheid wissen. Schließlich erwischen wir das Schiff selbst, das hat es sich solange an einem anderen Anleger an der Steinmole gemütlich gemacht.
Doch dann geht alles nach Plan, bei strahlendem Sonnenschein stechen wir in See. Ich muß mich mit dem Rücken in Sonnen- und Fahrtrichtung setzen, mein Gesicht ist wieder rubinrot. Ein älterer Herr neben uns sieht noch schlimmer aus, seine Nase wirft schon Blasen. Auf der Rückbank im Heck des Schiffes hat sich eine Frohnatur lang gemacht, der hat Stöpsel in den Ohren und singt dazu. Auch teilt er mit, daß Boris Becker im Halbfinale von Wimbledon verloren hat.
Um uns reine Natur, Haubentaucher mit Jungvolk, Blesshuhnfamilien, Graugänse. Am schönsten sind die Passagen von einem See in den nächsten, das sieht aus wie im Spreewald, obwohl wir den noch nicht kennen. Die Segler haben schlechte Karten heute, es ist praktisch windstill. Manch sonderbares Gefährt schippert herum. Ein Schiff sieht aus wie ein alter Schlepper aus Hamburg. Ärgerlich sind nur die rasenden Schnellboote, die richten an den Uferzonen durch die Wasserbewegung großen Schaden an. Außerdem machen sie einen erheblichen Krach. Das kriegt man wohl nie in den Griff, daß einige wenige mit ihrem Vergnügen der übrigen Umwelt auf den Wecker fallen, und sich darauf auch noch etwas einbilden.
Die Fahrt von der Binnenmüritz durch den Reek-Kanal in den Kölpinsee, dann in den Fleesensee und schließlich in den Malchower See dauert genau zwei Stunden. Solange haben wir mit dem Fahrrad auf dem Landweg auch gebraucht.
Pünktlich sind wir wieder in unserem Quartier, denn um 5 Uhr wollen Müllers mit dem Grillen der Lachsforellen beginnen. Ein Ehepaar mit Sohn aus Bremen nimmt außerdem noch teil. Frau Müller hat die Lachsforellen entschuppt, mit Butter bestrichen, mit Kräutern und Zwiebeln gefüllt. Das ganze wird in Folie verpackt und auf dem Grill gegart. Schon vorher läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Beim Verzehr ist alles mucksmäuschenstill, nur ab und zu seufzt einer auf "Herrlich!". Das Fleisch der Lachsforelle ist rot, der Fisch ist fast unterarmlang. Da wird man schon satt davon, aber übrig bleibt auch nichts, das wäre ja ein Jammer!
Schließlich lehnen sich alle zufrieden zurück, die Damen bekommen einen Sekt spendiert. Man fühlt sich wie Gott in Frankreich.
Für Müllers wird es Zeit für das nächste Spektakel. Sie werden ab 20 Uhr mit ihrem geschmückten Boot auf dem See herumschippern. Da ist anläßlich des Malchower Seefestes ein Bootskorso mit Prämierung der bestgeschmückten Boote angesagt. Herr Müller ist schon seit Tagen im Gange, zuguterletzt hat er noch eine Bootstheke für die Getränke gezimmert. Das befreundete Ehepaar fährt auch mit, die haben aber auch geholfen. Für uns "junge Leute" ist leider kein Platz. Das macht aber nichts, wir werden den Part des anfeuernden Publikums spielen. Außerdem übernehmen wir freiwillig den Abwasch.
MS Bochum |
Bis zur Siegerehrung ist noch einige Zeit totzuschlagen. Dazu bummeln wir zum Erddamm, wo ein Platzkonzert stattfindet. Vielleicht 20 Zuschauer haben sich dort nur eingefunden, so fällt das ganze etwas armselig aus. Eines der Mädchen aus dem Spielmannszug hat ein Gipsbein.
Zurück auf der Brücke hat sich die Konkurenz nun doch verbessert. Den ersten Preis macht ein Boot mit einer Bajazzofamilie, den zweiten ein Faltboot, das zwei Mädchen steuern und auf Südsee getrimmt haben. Den dritten Preis erringt ein Tretbootfahrer, der führt eine Palme mit an Bord. Bei der Siegerehrung ist er aber unauffindbar. Müllers gehen leer aus, aber das ist ja nicht die Hauptsache.
Es ist spät geworden, wir gehen zur Ruhe.
Gegen Mitternacht erscheint die ganze Corona, ob die "jungen Leute noch wach sind" erkundigt sich Frau Müller. Aber wir sind schon im Schlafdress.