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6. Tag, Mittwoch

Heute geht es wieder ran, wir wollen nach Palma. Mit dem Bus, Linie 4 ist das kein Problem, die fahren alle Augenblicke. In 45 Minuten ist man in Palma, dort herrscht Verkehr wie in einer Großstadt. Im Sommer soll die Verkehrsdichte hier größer sein als in Spaniens Hauptstadt Madrid. An der Endstation in Palma gibt es einen Informationsstand, wo man gleich einen kostenlosen Stadtplan bekommt, um sich in der verwinkelten Altstadt zurechtzufinden. Diese ist wohl auch das einzig Sehenswerte der Stadt, denn weiter draußen findet man nur noch Hotels und Freizeiteinrichtungen.


Bilder aus Palma

Die Altstadt aber ist romantisch, die Häuser sind wohl unverändert aus vergangenen Zeiten erhalten. Kleine Geschäfte finden sich in allen Gassen, eines fällt besonders auf: das hängt voll mit Schinken und Würsten. Nach kurzer Zeit erreicht man den Pl. Major, dort bieten allerhand Lebenskünstler Selbstgebasteltes an.

Das nächste Ziel ist natürlich die Kathedrale, Pflicht für jeden Mallorcabesucher. Unterhalb der Kathedrale, an den Resten der alten Befestigungsanlagen, liegt ein Stückchen Park, das durchqueren wir zunächst. Da erweckt ein kleiner Tumult vor uns unsere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um die Nelkenmädchen, von denen wir schon gelesen haben. Diese sind meist hübsche Zigeunermädchen, die dem als solchen eindeutig erkennbaren Tourist freundlich eine Nelke an der Heldenbrust feststecken mit der Bitte um eine kleine Gabe. Zückt man dann sein Geldbörse, so beweisen die Damen oft eine bessere Kenntnis der Geldtasche als man selber. Das merkt man dann meistens auch erst später beim Nachzählen des Geldes. So wie wir sind wohl auch jene Touristen vor uns gewarnt. Es entsteht ein kleines Gerangel um die Nelke, deren Blüte eine der Matronen der Ablehnung demonstrierenden Touristin wieder entreißt. Der zugehörige Familienvater bringt eilends die Geldbörse in der Gesäßtasche seiner Leinenhose in Sicherheit. Schon laufen die in diesem Fall weder hübschen noch schlanken Damen nelkenschwingend auf uns zu. Ein energisches Abwinken genügt aber, um unbehelligt zu bleiben. So haben wir das auch erlebt!

Die Kathedrale

Nun in die Kathedrale, es kostet Eintritt. Dafür findet gerade eine Führung statt, die zwar nicht für die Allgemeinheit gedacht ist, aber dennoch auf gute Resonanz stößt. Mit wachsendem Vergnügen sind wir auch dabei. Wenn mal eine Bemerkung über das Mittagessen und die Weiterfahrt der Gruppe gemacht wird, nicken wir mit dem Kopf. Die Führung wird von einer netten Spanierin in deutscher Sprache durchgeführt, es sind drollige Sprachhüpfer dabei: "Dies ist heiliges Josef, hier liegt letztes Gegenpapst, hatte schlechtes Charakter, hat man Hut für Seele aufgehängt". Tatsächlich schwebt über dem Sarkophag eine ausgeblichene Kopfbedeckung, soweit sie noch als solche erkennbar ist. Bemerkenswert sind zwei riesige Kerzenleuchter aus Silber, "die reiche Besucher wie Aga Khan oder Onassis wollen immer kaufen". Daneben ist in einem Schrein hinter Glas ein ordentlicher Knochen zu sehen, der ist sicher einem Heiligen entnommen, das nennt sich dann Reliquie. Es gibt auch ein Vera Cruz (wahres Kreuz), das ist angeblich ein Holzsplitter des echten Kreuzes auf Golgatha. Davon soll es 40 Güterzüge von geben, habe ich mal gehört. Schwer nachprüfbar!

In der Halle der Kathedrale wird sehr schön deren Architektur erklärt. Das Hauptschiff ist höher als das im Kölner Dom, die tragenden Säulen dagegen um einiges schlanker als dort. Das gibt dem Raum etwas Graziles, man kann das Auge schweifen lassen, ohne ständig gegen die alles verstellenden Säulen zu schauen. Farbenprächtig sind die Fenster, am Giebel befindet sich eine riesige Rosette, die zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten bezaubernde Lichtspiele hervorrufen soll. Als die spanische Dame allmählich doch etwas ungehalten wird: "Gruppe wird immer größer", trollen wir uns und sind wieder privat.

Von der Kathedrale aus gehen wir ein Stück die D'Antoni Maura und den Passeig des Born entlang. Diese gehören zu den repräsentativsten Straßen von Palma, sie sind vornehm und von gepflegten Palmen gesäumt. Ich lege Wert auf diese Feststellung im Hinblick auf ein Erlebnis, daß uns wenige Minuten später bevorsteht. Erstmal aber zeigt sich auf der Straße ein größeres Polizeiaufgebot, die rauschen um die Ecke, ein paar Lieferfahrzeuge folgen, und dann eine Meute Radrennfahrer. Die ersten aber lassen sich höchst unsportlich von den Begleitfahrzeugen ziehen. Was das wohl für eine Art von Radrennen sein soll?

Nun geht rechts eine schmale Straße mit Stufen hinauf, wieder in Richtung Altstadt. Wir biegen in die Häuserschlucht ein, da kommt uns von oben ein seltsamer Mensch entgegen und fingert in einer Fensternische herum. Als er weg ist, gucke ich mal nach, da liegen so ein paar Scherben wie von Ampullen. Heidi zischt mich an, "Laß das nach". Jetzt sitzt vor uns plötzlich ein Pärchen auf der Erde, das Mädchen beugt sich über den Arm seines Partners, der ist kunstgerecht abgebunden. Die Injektion ist offensichtlich eben gesetzt worden, das Blut wird gerade abgewischt. Wie ich wieder aufschaue, ist Heidi plötzlich 50 m vor mir, so hat sich ihr Gang unversehens beschleunigt. Ich hopple hinterher, ganz aufgeregt, sowas habe ich ja noch nie gesehen. Heidi ist noch aufgeregter," wenn wir nun eins über den Dätz gekriegt hätten...". Wir sind aber schon wieder in einer Geschäftsstraße, so nah liegen die Dinge nebeneinander.

Die restliche Zeit verbringen wir nun in einem Cafe, bevor wir uns zum Bus aufmachen. Dieser kommt über eine halbe Stunde zu spät, vielleicht wegen des Radrennens. Als wir später in Paguera noch herumbummeln, kommen wir nochmal in den Genuß dieses Rennens. Das ist inzwischen wohl in vollen Gang gekommen. Wie die Rennfahrer sich verwegen beim Abbiegen von der Hauptstraße in die Abzweigung nach Calvia legen, kann man das Weiße in ihren Augen sehen. Am meisten Applaus bekommen die Nachzügler.

Am Abend erhalten wir eine unverhoffte Einladung. Das Ehepaar, das wir auf der Einkaufsfahrt am Ostermontag kennengelernt hatten, sitzt in der Bar hinter einem Sektkübel. Ob wir uns nicht dazusetzen wollten? Aber gern! Bald wird uns ein Glas Sekt angeboten, heute ist ein Festtag, das Ehepaar R. feiert den 25-jährigen Hochzeitstag. Na dann prost, wir können nur 20 Jahre plus 1 Monat entgegenhalten, aber immerhin ebenso ein Anlaß für eine Traumreise nach Mallorca.

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