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Hinfahrt, Karfreitag

Zugegeben, unsere Art Urlaub zu machen war das bisher nicht. Man geht ins Reisebüro - was ist im Angebot - aha - ein Formular ausfüllen - Reiserücktrittsversicherung abschließen, schließlich einen gewissen Geldbetrag an das zuständige Reiseunternehmen überweisen - schon hat man zwei Wochen Mallorca in der Tasche, mit Flug und Halbpension. "Preisvergleiche lohnen sich", so hört man immer. In unserem Fall lag die Insel Sylt mit der geografisch doch etwas anders gearteten Insel Mallorca im Wettbewerb. Keine Chance für Sylt, die Ferienwohnung sollte pro Tag DM 160.-, nach gutem Zureden dann DM 130.- kosten, da sind Fahrt, Verpflegung, Nebenkosten usw. noch nicht eingerechnet. 130 x 14 = 1820. Für einen Hunderter mehr haben wir alles inklusive für zwei Personen. Nur: Sylt hört sich vornehmer an...

So ist die Entscheidung kurzerhand gefallen. Die Kinder schicken wir so lange aus dem Haus: Verena nach Frankreich, Stefanie nach England. Nur auf Annika können wir nicht verzichten, die muß den Hund ausführen. Eher haben wir "Berührungsprobleme", wenn Heidi und ich nach unserem Urlaubsziel gefragt werden. Die "Putzfraueninsel", auf die pro Jahr 7 Millionen Menschen losgelassen werden, wo man ganze Landstriche zubetoniert hat, sich an Strand oder "Pool" die Drinks reichen läßt, die Nächte in Diskotheken durchstrampelt... ist das auch das richtige für uns? Komischerweise trifft man kaum auf Bekannte, die noch nicht auf Mallorca waren, und alle versichern einem, daß man dort auch ganz anders Urlaub machen könne, mit Wandern und so, und die Landschaft wäre so schön! Na umso besser, uns lockt vor allem das Mittelmeerklima, die Vegetation und die Sonne.


Bucht von Paguera

Aus arbeitstechnischen Gründen bei Heidi können wir erst am Karfreitag starten, der Flug geht um 5.10 Uhr morgens ab Hannover. Eineinhalb Stunden vorher soll man zum "Einchecken" am Flughafen sein, eine Stunde rechnen wir für die Hinfahrt, da muß der Wecker auf zwei Uhr in der Nacht gestellt werden. Bei der ganzen Aufregung kann man natürlich nicht einschlafen, und wenn man dann doch endlich vor Müdigkeit einnickt, meldet sich prompt schon der Wecker. Da muß man durch, nach einem kurzen Frühstück sitzen wir im Auto. Auf der Autobahn nach Hannover fahren wir an einer nicht enden wollenden Lichterkette auf der Gegenfahrbahn entlang, nachts um drei Uhr wohlgemerkt. Sonderbar, wo die wohl alle hinwollen. Im Radio werden 50 km Stau in Richtung Berlin gemeldet.

Wir bleiben davon verschont und suchen planmäßig den Touristikparkplatz in Langenhagen auf, wo das Auto für 14 Tage abgestellt wird. So wie wir gerade aus der Wärme von Bett und Auto gekrochen sind, ist es uns lausig kalt, zum Glück hat Heidi einen Wintermantel und ich eine dicke Jacke an. In der noch stockdunklen Nacht findet sich ein Gepäckwagen, mit dem wir unsere zwei Koffer, Rucksack und Tasche wie auf einem Kinderwagen Richtung Flughafengebäude rollen können. Dort ist noch alles verschlafen, hier und dort gähnt jemand hinter einem Besen her. In einer Cafeteria sortiert eine Frau lustlos Trinkgläser aufeinander, mit der Pyramide klappt das heute morgen noch nicht so, schon bald muß sie Handfeger und Schippe bemühen. Mehr als zuschauen können wir auch nicht, einen Kaffee kann man um diese Zeit nirgends bekommen.

Wieviele Bekannte werden wir auf dieser Reise treffen? Vorab: gar keine, nur hier in der Flughafenhalle laufen zwei herum, die ich kenne: die Zweiradprofis, das ist ein männliches Zwillingspaar, Verkäufer in einem Zweiradladen. Sie haben zwei gut einbalsamierte Tussis im Schlepptau: Ostern auf Mallorca - das muß es bringen. Bald ist der Schalter für unseren Flug besetzt, natürlich sind wir so ziemlich die ersten beim "Einchecken". Bisher sind wir ja auch nur gelegentlich geflogen, Heidi einmal nach Berlin und ich einmal um den Brocken. Da muß man seine Unerfahrenheit durch betont weltmännisches Auftreten kaschieren, was uns ja immer wieder unnachahmlich gelingt.

In diesem Fall wird das durch die Kofferanhänger symbolisiert. Das ist jetzt etwas kompliziert. Die wurden uns nämlich von dem Reisebüro ausgehändigt, wo wir unsere Reise gebucht haben: Berg u. Dörr. Der Reiseveranstalter ist aber Sun World Tour. Deren Vermittler ist aber die Firma Bucher Reisen, Düsseldorf. Auf unserem Kofferanhänger steht aber LTU-Reisen. Fliegen tun wir aber mit Hapag Lloyd.

Nun, zunächst gibt es keine Probleme, die Koffer werden abgegeben, wir selber schließlich durch eine Sicherheitsschleuse geleitet, das Handgepäck wird durchleuchtet, die Kleidung mit einem Detektor nach metallenen Gegenständen abgesucht. Zuvor haben wir für diesen Service pro Nase DM 8.- "Sicherheitsgebühr" entrichten müssen. Trotzdem finden sich weder Handgranaten noch Kalaschnikoff in unseren oder anderen Taschen.

Innerhalb des Sicherheitsbereiches warten wir auf den Abflug, ebenso die Fahrradzwillinge mit ihren Tussis, ferner ein Herr, der aussieht wie eine Parodie auf den Umweltminister Töpfer: der würde zwei Hände brauchen, um sich beim häufigen Gähnen den Mund zuzuhalten, doch er gähnt lieber freihändig. Bald müssen wir wegschauen, sonst steckt das zusehr an.

Endlich können wir das Flugzeug betreten. Heidi hat einen Fensterplatz. Die Fahrradzwillinge sitzen eingerahmt von ihren Tussis eine Reihe vor uns. Beide Zwillinge haben Wattestöpsel in den Ohren. Nach langem Anrollen zur Startposition heben wir ab Richtung Braunschweig, der Kurs wird in einer Schleife über Hildesheim und Hameln aufgenommen, die Flughöhe von 10000 m bei einer Geschwindigkeit von 800 km/h wird etwa in der Gegend von Frankfurt erreicht. Das kann man alles auf Monitoren verfolgen, die längs des Mittelgangs angebracht sind. An weiteren Abwechslungen folgen ein Frühstück und Videodarbietungen. Besonders der englische Komiker Mr. Bean löst einige Heiterkeit aus, als er auf einem 3 m Sprungbrett die Höhenangst demonstriert, was schließlich mit einem Absturz endet. Heidi auf ihrem Fensterplatz hat da keine Probleme, es ist ja noch dunkel.

Irgendwann sieht man tief unten Lichter und weiße Fetzen, Heidi behauptet, das seien die Alpen, ich versteife mich auf Wolken. Doch dann wird es bald hell, wir sind schon über dem Mittelmeer. In Palma sei es noch ein bißchen diesig, teilt der Flugkapitän mit. Wir überfliegen eine schroffe Felsspitze, links erkennt man die Insel Menorca. Dann befinden wir uns im Landeanflug. Die Landung erfolgt etwas plötzlich, die Landebahn taucht aus dem Nebel auf, da rumpelt es auch schon und etwas holprig schwankend setzt das Flugzeug auf. Vorne wird geklatscht. Das sind die Schißhasen, die sich dadurch Erleichterung verschaffen. Später lesen wir in der Zeitung, daß zu diesem Zeitpunkt auf dem Flughafen Palma wegen anhaltenden Nebels "nichts mehr ging". Wie sind wir da bloß runtergekommen?

Mit einem Transportbus werden die Passagiere nun zum Flughafengebäude gebracht, das Gepäck in Empfang genommen, dann zum Infoschalter von Sun World Tours, aha, Bus Nummer 244 nach Paguera. Der ist bald gefunden, die Koffer werden verstaut. Kaum haben wir uns gesetzt, werden wir aufgerufen: "Familie Witran oder so?" Vielleicht sind wir der millionste Besucher in diesem Jahr und kriegen womöglich irgendwas gestiftet. Doch nein, wir seien mit dem falschen Flug gekommen, das wäre dann nicht der richtige Bus. Dieses Mißverständnis hat seine Ursache in den "falschen" Kofferanhängern. Das läßt sich aber klären, denn in Flugticket und Hotelgutschein haben wir es schwarz auf weiß: Sun World Tours. Als sich die Köpfe der Mitreisenden wieder von uns abwenden, können wir uns beruhigt wieder setzen.

Die Fahrt führt nun zunächst über die Autobahn an Palma vorbei. Wer seine Meinung über eine Landschaft aus den ersten Eindrücken herleitet, der darf nicht nach Mallorca kommen, jedenfalls nicht per Flugzeug. Die Außenbezirke von Palma wirken wie amerikanische Slums, alles ist verbaut und dem Autoverkehr gewidmet. Ab Palma Nova steigen die ersten Gäste nach und nach an diversen Hotels aus, ein Blick aus dem Fenster: "Hier möchte man nicht begraben sein". Auch die Fahrradzwillinge haben ihr Ziel erreicht: Hotel Antilla, scheinbar direkt am Meer gelegen. Die Zwillinge tragen ihre Reisetaschen lässig geschultert, die Tussis wuchten ihre Koffer eine Treppe hinauf. Weiteres über diese Episode können wir leider nicht berichten.

In Santa Ponsa steigen wieder viele aus, die Gegend wird etwas bergiger. Angst machen einem Einrichtungen wie Aqua Paradise, Marine Land usw. die von großen Parkplätzen umgeben sind. Der nächste Ort ist dann schon Paguera, in einer Bucht gelegen, Hotels wo man hinsieht. Eines davon ist unser Ziel: Hotel Paguera, dort werden wir ausgesetzt.


Hotel Paguera

Wir ziehen unsere Winterklamotten an und erklimmen mit unseren Koffern die lange Eingangstreppe. In der Hotelhalle herrscht reges Treiben, Koffer von Abreisenden stehen herum, andere in kurzen Hosen und T-Shirts oder auch gleich in Badesachen streben ins Freie oder an den Pool, das ist das türkis schimmernde Etwas im Innenhof des Hotels. In unseren dicken Kleidungsstücken kommen wir uns nicht so ganz weltmännisch vor. So werden wir in Zukunft dann auch besonders darauf achten, wie die Neuankömmlinge gekleidet sind.

Inzwischen ist es gegen 9 Uhr. Man sieht sich verblüfft an: wir sind auf Mallorca, und zu Hause steht die Kaffeekanne noch auf dem Tisch. Unser Hotelzimmer können wir erst ab 12 Uhr beziehen. So bleibt uns Zeit für einen Erkundungsgang. An Kleidungsstücken wird abgelegt was irgend möglich, es ist ein Wetter wie im Sommer. Dann stapfen wir los, man ist aufgrund der bisherigen Eindrücke doch skeptisch. Das Hotel Paguera liegt am oberen Ortsrand von Paguera, daher in ruhiger Lage und gleich am Rand der Natur. Unten an der Hauptstraße wird man dagegen schier verrückt: Busse, Lastwagen, PKWs und andere Motorfahrzeuge wälzen sich lärmend durch den Ort. Die Umgehungsstraße um Paguera ist noch im Bau. Trotz des heutigen hohen Feiertags sind Müllabfuhr und Straßenreinigung wacker am Werke.

Gleich unterhalb der belebten Hauptstraße befindet sich der Strand, wo man dann auch schon mal das Meer rauschen hört.


Meeresrauschen

Wir setzen uns zwischen den Badegästen auf eine Mauer. Wunderbar ist die türkisblaue Farbe des Meeres, das Wasser ist glasklar. Über der Bucht sieht man links das dicht bebaute Santa Ponsa, rechts ist die Bucht durch das Kap Andritxoll begrenzt, wo noch keine Bebauung existiert. So in der Sonne dösend vollzieht sich unser Einstand auf Mallorca gar nicht so unangenehm.

Dann meldet sich der Hunger und wir gönnen uns einen Heringstopf in einem kleinen Straßenrestaurant. Endlich ist es 12 Uhr, wir finden uns wieder im Hotel ein, beziehen unser Zimmer und kleiden uns erstmal witterungsgemäß ein. Eine kurze Verschnaufpause, dann sind wir schon wieder auf Tour. Am Hotel Mar y Pins steigen wir eine Treppe hinauf und geraten in ein eigenartiges Wohngebiet. Nach den vielen häßlichen Hotelbauten, die wir bisher schon zu Gesicht bekommen haben, herrscht hier eine erstaunliche Vielfalt, verwinkelte Hausstrukturen mit säulenverzierten Balkonen und Freiterrassen, alles am Steilufer gelegen mit herrlichem Blick auf das funkelnde Meer. Der Baustil ist wohl griechischen Elementen nachempfunden, die würfelförmig übereinandergeschachtelten Elemente erinnern an Bilder von der Insel Santorin.


Cala Fornells

So nach und nach enthüllt sich das Geheimnis um diese eigenartige Siedlung: es handelt sich um die Cala Fornells, erbaut Anfang der 70er Jahre von dem russischen Architekten Pedro Otzup. Wir werden später noch einige Ansiedlungen sehen, wo man dieses Konzept übernommen oder kopiert hat ( Esmeralda, Santa Ponsa, Porto Andraitx). Man kann Musterwohnungen besichtigen, wohl auch Appartements kaufen, zum Glück hat das Büro zu, sonst wären wir nach ein paar Stunden auf der Insel schon in Versuchung geraten.

Nach Abwandern der Straße durch die Cala Fornells wenden wir uns zurück zum Ort, für heute ist genug geleistet. Die Nachmittagssonne brennt mit voller Kraft, so finden wir uns bald am Pool wieder. Wir hatten mal zu Hause ein Gespräch mit einer Bekannten, die von einem Mallorca Urlaub schwärmte. "Ach, da liegt man am Pool und läßt sich verwöhnen, die Drinks werden einem bis an den Beckenrand gereicht...". Das klingt uns immer noch im Ohr. Aber es entspricht den Tatsachen. Die an den Pool angrenzende Bar ist den ganzen Tag geöffnet. Ein schicker Kellner ( El Ballancero) läßt sein Tablett auf dem Zeigefinger rotieren und bedient alle höflich und zuvorkommend.

Für uns ist ausschlaggebend, daß es hier windgeschützter ist als am Meer, man hat seine Sachen in Reichweite und kann jederzeit umdisponieren. Der Strand erscheint uns dagegen etwas schmuddelig, da mengen sich die Sonnenbadenden mit Hund und Katz - besonders letzteren. Außerdem kann man hier am Pool so manche Beobachtung machen - wir werden sehen. Nach einer Stunde wechseln wir den Platz des Faulenzens und ziehen auf unseren Zimmerbalkon um, wo die Sonne genau drauf scheint. Was haben wir beim Abflug gefroren, jetzt saugen wir die Wärme geradezu in uns hinein.

Schließlich ist es Zeit zum Abendessen, da gibt es ein Buffet mit Salaten und jeweils einigen warmen Spezialitäten. Meistens ist ein Fischgericht dabei, da bin ich dann immer vorne weg. Heidi zieht erstmal Rohkost und Salate vor. Im Lauf der Zeit hat aber dann der Eindruck doch nachgelassen, den das Buffet anfangs auf uns gemacht hat. Nur der Nachtisch behält seinen Reiz, besonders bei Fruchtsalat und Eis.

Nach dem Abendessen wird ein weiterer Spaziergang notwendig. Noch einmal hinunter an die Promenade, wir werfen einen Blick bei der Konkurenz hinein, etwa Beverly Playa oder Palmira Beach: Namen, die einem auf der Zunge zergehen. Gegen 20.30 ist es dunkel, der Rest des heute nicht sehr späten Abends klingt mit einem Bier in der Hotelhalle aus.

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