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Mallorca 95

Reif für die Insel 28.4 - 12.5.95

Reif, ja, aber für welche Insel? Nach einem Schmuddelwinter ist man ja eigentlich immer reif, für was auch immer! Eine Anregung zur Auswahl einer geeigneten Insel liefert das Fernsehprogramm in einer Ausgabe der Sendung "Samstag Nacht", die wir aus Versehen mal gesehen haben, weil wir sonst um die Zeit normalerweise schlafen. In dem entscheidenden Sketch spricht ein buntbehemdeter Herr an der Bar eine Dame mit der aufschlußreichen Mitteilung an: "Ich mach' Urlaub auf Mallorca!!". Weil die beiden sich offensichtlich im gleichen Urlaubsort befinden, antwortet die Dame ebenso informativ: "Ich auch!!". Schon ist die Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich verstehen, hergestellt -- der Dialog setzt sich fort mit "Geh'n wir zu Dir oder zu mir?". Mit "Ist egal!" endet die Glosse dann leider.

Irgendwie überzeugend das Ganze. Also der Reihe nach: In Wirklichkeit haben wir schon im Januar bei Neckermann gebucht, weil man ja schon vorher weiß, daß man spätestens Ende April reif ist. Wir wählen diesmal in Paguera das Hotel Palmira aus, damit man mal was anderes kennenlernt, obwohl es uns vor zwei Jahren im Hotel Paguera ganz gut gefallen hat.

ml01_1 Hotel Palmira

Weil wir ja schon gewohnt sind, uns für die Teilnahme an dieser Art von Massentourismus - und dann auch noch nach Mallorca - zu rechtfertigen, stelle ich mal die Unternehmungen zusammen, die auf der Warteliste stehen:

Genügend Möglichkeiten also, dem Tatendrang nachzugehen, wenn das Faulenzen an Strand oder Pool oder Bar einem auf den Wecker geht.

Die Osterzeit verwöhnt uns dann mit miesestem Wetter, bald darauf ist mein Geburtstag, den ich im vergangenen Jahr mit der Frankreichfahrt fortgesetzt habe. Heidi hat mal wieder Überraschungsgäste eingeladen. Kaum ist aufgeräumt, müssen wir auch schon packen, denn am Freitag, 28.4. soll es losgehen.

So kommt es dann auch. Zu christlicher Zeit am frühen Vormittag packen wir die Gepäckstücke (1 Koffer und 2 Reisetaschen von Camel) in das Auto und fahren - Stoßstange an Stoßstange - auf der Autobahn nach Hannover. Wir haben ja schon ein bißchen Routine, man weiß, wo man parken kann, nämlich auf dem Touristikparkparkplatz. Nur leuchtet heute in Rot das BESETZT-Zeichen auf. Denkt man doch, daß nach Ostern mit der Reiserei eine Flaute wäre, aber dem scheint nicht so zu sein.

Also fahren wir ein paar mal ratlos um die Parkhäuser, Hotels und was da noch an wenig einladenden Einrichtungen herumsteht. Auch auf dem Vorplatz von HAPAG LLOYD läßt sich sicher nicht verläßlich für zwei Wochen das Auto abstellen. Es bleibt nichts anderes übrig, als nach der dritten Umrundung eine Schranke zu passieren, die führt zum Parkdeck 2, auf Nr. B-105 stellen wir das Auto ab. Dermaßen numeriert studiert man dann erstmal die Gebührentafel. Also für zwei Wochen, das kostet 210.- DM. Schluck!

Aber was soll man machen mit so einem Auto am Hals. Sei's drum, lassen wir es uns was kosten, jedenfalls nicht die Laune verderben. Mit der EUROCARD läßt sich das später ja elegant regeln, das wird dann nur vom Konto abgebucht, dann merkt man das gar nicht. Wenigstens stehen in Reichweite Gepäckwagen herum.

(Inzwischen hat man mir ein kundiger Kollege erzählt, daß es ein wenig weiter weg noch zwei Parkhäuser gibt mit angemesseneren Gebühren, dazu muß man dann mit einem Shufflebus fahren - leider kommt diese Information nun zu spät!)

Nachdem wir die Gepäckstücke also aufgeladen haben, Heidi zielsicher den Fahrstuhl ansteuert, und ich über die Bordsteinkanten hinterherhoppele, fährt plötzlich der Fahrstuhl ab, nach oben, mit Heidi, aber ohne mich. Eigentlich kein Problem, ich drücke auf den Knopf, dann kommt der Fahrstuhl auch, leider leer, jedenfalls keine Heidi darin. Ich fahre, getreu der Beschilderung zu den Abflugterminals, nach unten. Keine Heidi in Sicht!. Das Beste in so einem Fall ist ja immer, stehen zu bleiben und dumm zu gucken, das gelingt mir auch ganz gut.

Dann sind ganz vernehmlich Stöckelschritte zu hören, die behende von oben nach unten eilen, eine Umrundung des Fahrstuhlturms, tacker - tacker, da erscheint meine Gattin hochaufgelöst aus dem Nichts. Ach wie schön, daß man sich wieder hat!

Nun sind wir noch gut in der Zeit, checken uns jedenfalls rouitiniert ein, nach Entgegennahme der Flugtickets sagt dieses Weltweib: "War's denn schlimm?" Meint aber damit meine Verhandlungskünste mit den Platzkarten, immerhin haben wir einen Fensterplatz, Raucher, letzte Reihe.

Nun haben wir das auch geschafft, suchen einen Sitzplatz in der Wartehalle, nur getrennt läßt sich das machen. Ein freundlicher Herr neben mir sagt in astreinem Englisch: "We could change our place, that you can sit beside your wife". Sprachgewandt kann ich mich sogar bedanken: "Oh, thank you, that's very kind of you". Dann kommt eine Familie eilenden Schritts vorbei, die Koffer hinter sich herzerrend: das Oberhaupt zeigt richtungsweisend nach vorn und setzt seine Horde ins Bild: "AERO LLOYD ist schon angezeigt". Wir lehnen uns genüßlich zurück, denn wir sind ja bereits eingecheckt.

Eine halbe Stunde vor Abflug geht es durch die Sicherheitskontrolle in den Warteraum. Ich steuere auf die kontrollierende Dame zu, werde aber zu einem Herrn umgeleitet, das geht streng nach Geschlechtern. Heidi fällt wieder durch lautes Piepen auf, jeden falls ihre Jacke mit Feuerzeug und Schmuckgerödel u. dgl.

Nun kann man die Mitflieger mustern, eine Gruppe biertrinkender Machos in Jeansanzügen läßt Vorfreude auf Mallorca aufkommen. In letzter Minute (Last Minute ?) tauchen noch zwei Familien mit zahlreichen Kindern auf.

Allerdings hat der Flug eine halbe Stunde Verspätung, die Maschine hat an diesem Morgen bereits einen Flug nach Palma hinter sich, und die dortigen Fluglotsen bereiten sich so langsam auf die allfälligen Sommerstreiks vor - so wird es jedenfalls mitgeteilt.

Also an Bord: wir sitzen tatsächlich in der letzten Reihe, ein Fenster gibt es aber nicht, weil sich dort das Triebwerk befindet. In der Reihe davor kann man zwar selbiges sehen, dagegen so gut wie nichts von der Außenwelt. Die Fernsehschirme an der Decke fehlen auch, wo man sonst die Flugroute anzeigt oder einen Film mit Mr. Beam zu zeigen pflegt. So sind wir etwas enttäuscht, zudem stauen sich im Gang neben uns während des Fluges die Reisenden mit einem dringenden Bedürfnis vor der hinter uns rauschenden Bordtoilette.

Erwähnenswert ist noch das Ballett der Stewardessen, die einem durch Gebärden das Umgehen mit den Sicherheitseinrichtungen demonstrieren. Wichtigste Mitteilung: Nach Anlegen der Schwimmwesten sind diese erst nach dem Aussteigen aufzublasen, weil man sonst im schmalen Notausstieg womöglich eine schlechte Figur abgibt.

So kann man sich beruhigt zurücklehnen, man startet und langweilt sich dann zwei Stunden lang beim Flug über den Oberrhein, Genf und Marseille - alles für uns unsichtbar. Das gereichte Frühstück kann man mit angepreßten Ellenbogen auch nur mühsam zu sich nehmen. Endlich aber tauchen die Berge Mallorcas auf, die man durch Recken des Halses dann doch wahrnehmen kann. Die Landung, dann Bremsen durch Umkehrschub, viele feuchtgeschwitzte Handflächen klatschen erleichtert.

ml02_1 Regenwolken zum Empfang

Nun geht es wie gewöhnlich weiter, Gepäck vom Förderband entgegennehmen und dann zum Bus nach Paguera. Ein Großteil der Mitflieger hat offensichtlich andere Ziele, so auch zu unserer Erleichterung die biertrinkenden Jeansgenossen. Die sind auch in S' Arenal oder Cala Ratjada sicher besser aufgehoben.

Auf der Fahrt nach Paguera werden dann auch Gäste in Megaluf oder Santa Ponsa inmitten von scheußlichen Neubaugebieten ausgeladen. Da möchte man ja nicht begraben sein.

Wie man schon vorher gehört hat, befindet sich Mallorca derzeit im Wassernotstand, seit September hat es nicht mehr anständig geregnet. So sind viele Wiesen und Pflanzen braun und vertrocknet, das erhoffte Blütenmeer ist noch nicht auszumachen. So wundern wir uns über einen kräftigen Gewitterschauer, das Wasser läuft schon in Bächen die Böschungen runter. Aber kurz vor Paguera ist die Straße wie mit der Schnur gezogen plötzlich trocken und die Sonne wagt sich wieder hervor.

Dann werden wir in Paguera, Hotel Palmira ausgeladen, an der Rezeption finde ich nur mit Mühe den uns legitimierenden Zettel inmitten dem Durcheinander der Reiseunterlagen. Man gibt uns Zimmer 405, gespannt bringen wir das Gepäck hinauf. Wir beziehen wie erhofft ein Westzimmer, ein bißchen klein zwar, aber alles sauber und gemütlich. Am besten ist der Balkon, der klebt wie ein Schwalbennest draußen über der Straße, 4 Stockwerke hoch. Das ist was für Heidi, die ab 1 m Höhenunterschied um sich herum einen gehetzten Ausdruck in den Augen bekommt. Um den Balkon zu betreten, muß man sich mit dem Rücken am Geländer um die nach außen öffnende Tür herumdrücken. Mit dem zweiten Anlauf gelingt es dann, ein Stuhl wird dicht an die Rückwand gerückt und sogleich Platz genommen.

ml03_1 Aussicht vom Balkon

Mit der Aussicht haben wir auch ein Glückslos gezogen. Abgesehen davon, daß wir das gesamte Geschehen auf der Straße unter uns kontrollieren können, schweift der Blick links vorbei an der Leuchtreklame vom Sutimar über das Meer bis zu den Malgrat Inseln. Geradeaus kontrollieren wir gleichermaßen das Geschehen auf den Balkons vom Hotel MILO, wo Heidis Bruder Achim immer seine Suite zu nehmen pflegt, wenn er mit seiner Frau Luise nach Mallorca fährt. Zwischen unserer und der nächsten Parallelstraße aber befinden sich die wohl letzten Grundstücke im Originalzustand, d.h nicht modern und hochgeschossig bebaut, sondern mit kleinen Häuschen und gut bestellten Gärten, wo einige spanische Familien mit Kindern, Hund und Katze ihrem Tagwerk nachgehen. Mitten durch verläuft ein eingefaßtes Flussbett, derzeit natürlich trocken.

Wir winden uns wieder um die Balkontür herum nach innen, Heidi mit geschlossenen Augen und leicht schwankend. Ausgepackt wird erst gar nicht, erstmal ein Erkundungsgang hinab zum Strand. Dort herrscht rege Bautätigkeit, man legt gerade eine neue Promenade an. Die Preßlufthämmer tackern, Staubwolken ziehen zwischen den Strandrestaurants und den auf Liegen unter einem Sonnenschutz aus Stroh lagernden Badegästen.

Unsere Gefühle werden gemischt, da wird man sich wohl kaum einen geruhsamen Sonnentag verschaffen können. Immerhin ist auf der Hauptstraße nicht mehr so ein lästiger Verkehr wie vor zwei Jahren, nachdem die Umgehungsstraße um Paguera herum nach Andraitx inzwischen fertiggestellt ist. Etwas schweigsam kehren wir zum Hotel zurück, sind dann aber befriedigt von der Inspektion des Pools vom Hotel Palmira. Der liegt nach hinten raus im 3. Stock, weil das Hotel an einem Hang steht. Palmenumstanden befinden sich ein paar Liegeterrassen neben der Bar, sodaß man sich den Kaffee direkt neben das Sonnenlager servieren lassen kann. Der Pool ist etwas klein geraten, nichts für Langstreckenschwimmer. Daneben befindet sich auch noch ein kleines Hallenbad mit Sauna.

ml04_1 Unter Palmen am Pool

Da werden wir uns also zwei Wochen herumwälzen, wenn das Wetter es zuläßt. Erstmal geht es zum Abendessen, wo wir mit einem Ehepaar aus Hildesheim zusammensitzen, die sind schon eine Woche da. Sogleich wird uns versichert, daß das Essen vom Buffet sehr gut sei. Mehrere Gerichte zur Auswahl, ein großes Salatbuffet, wo Heidi sich den Teller bergeweise füllt. Ich liebe mehr das Deftige, Leber, Braten oder Gegrilltes.

Nun klären uns unsere freundlichen Tischnachbarn über die Möglichkeiten in und um Paguera auf. Als wir informiert werden, daß es zum Strand nur 150 m weit sei, muß ich mein Kauen unterbrechen und gestehen, daß wir vor zwei Jahren schon einmal hier waren. "Ach so, dann kennen Sie ja schon alles" - man merkt die Enttäuschung. Dann legen wir los, was man alles so machen kann und unsere Gegenüber lauschen andächtig.

Sodann packen wir endlich aus, machen noch einen Rundgang zu unserem Supermarkt bei Monikas Biergarten. Dieser ist immer noch eine leerstehende Bruchbude, aber der Supermarkt besteht noch, täglich, auch an Feiertagen, von 9 bis 22 Uhr durchgehend geöffnet. Das beruhigt.

Damit man unter Menschen kommt, begeben wir uns abschließend auf ein Bier in die Bar. Im Hotel Paguera haben wir das ja immer im Foyer gemacht und dabei Leute ausgeguckt. Nun sitzen wir steif auf zwei kleinen grünen Sesseln und harren der Dinge. Was da so durch die Tür walzt, ist nicht so erbauend, zumeist eine Altersklasse über uns. Man sitzt zusammen bei Kartenspiel und Strickzeug. Die meisten kennen sich untereinander, wir kommen uns etwas deplaziert vor. Nach dem zweiten Bitburger zahlen wir ohne Trinkgeld, weil der Kellner, ein schlanker Mittdreißiger mit Schnauzbart, uns etwas zu wenig devot erscheint, indem er tänzelnd und singend, sein Tablett im Takt der Hintergrundmusik schwenkend, durch die Reihen der zwinkernden alten Damen tänzelt.

Die letzte Aufgabe: Unordnung in die Preßdecken der Betten bringen, damit man am nächsten Morgen nicht als Flunder aufwacht.

ml05_1 Supermarkt

Samstag, 29.4.

So gut haben wir nicht geschlafen, der Morgen ist diesig. Ob das überhaupt ein schöner Urlaub wird? Nach dem Frühstück wird Geld vom Postsparbuch abgehoben, befriedigt stellen wir fest, daß wir einige Prozent mehr als bei den allgegenwärtigen Wechselstuben einscheffeln können.

Hinunter zum Strand, zwischen den Bauschwaden hindurch. Schuhe aus und am Meer entlang, das immer gern gespielte Pokern mit den anlaufenden Wellen bis die Hosenbeine naß sind - trotz Umkrempeln. Nun erscheint doch die Sonne und wir eilen zu unserem Pool unter Palmen. Trotz Sonne, die Luft ist kalt, wie wir immer sagen. Heidi ist ganz konsequent und läßt die Sonne an die Haut in Erwartung der gewünschten Urlaubsbräune. Ich haue mich voll angekleidet auf die Liege, Schirmmütze tiefergezogen, ein gutes Buch (Braunschweig Krimis), jetzt geht es uns schon besser.

Bald schon ist an Lesen nicht mehr zu denken, man spitzt lieber die Ohren. Da liegt neben uns ein Dreiergespann, die wir in Zukunft die Schneider-Connection nennen wollen. Die besteht aus einer Dame, ganz attraktiv für die Gegend, einem Kavalier, schütter im Haar aber braungebrannt und von arrogantem Wesen, sowie dem Namensgeber der Gruppe: einer gelungenen Kopie des derzeit mitsamt einiger Millionen abgängigen Baulöwen Jürgen Schneider. Sogar ein Toupet entspricht perfekt dem Vorbild. Es gibt ja weltweit kaum noch "schneiderfreie Zonen", wie das im SPIEGEL malausgedruuml;ckt wurde. Mallorca gehört sicher schon gar nicht dazu.

Einige Zeit tuscheln Heidi und ich, was denn nun zu unternehmen sei, wenn das wirklich der Echte sein sollte, wegen der Belohnung usw. Dann lauschen wir andächtig der Diskussion. Soll man eine Finca oder ein Apartment kaufen? In Palma wäre da eine Occasion. Wie man ein Cabrio fährt, ob Automatik oder nicht. Heidi hat ihr Buch längst weggelegt. Hinter uns diskutiert eine andere Runde die Handhabung von Feuerwaffen verschiedenen Kalibers auf Schießständen in der Eiffel. Irgendwie können wir in beiden Fällen nicht mitreden.

ml06_1 Hotel Palmira Straßenseite

Nun haben wir ja auch noch einen Termin: die Begrüßung durch die Neckermann-Reisebetreuung um 17 Uhr in der Bar, bei einem freien Getränk. Ich freue mich schon auf eine Blondine, die uns möglichst melodisch mit einem "Gell!" die Vorzüge Mallorcas nahebringt. Ihr Vorname wird sein: Marita, das wissen wir schon aus der Neckermann-Info-Mappe. Mit zwei Damen aus Leipzig, ganz in Grau, sitzen wir pünktlich beisammen in freudiger Erwartung. Dann erscheint Marita, tatsächlich blond, eine Mappe unter dem Arm, eine Tasche mit Unterlagen schleppend. Das Neckermann-Kostüm (lindblau) kleidet sie gut. Sie stellt sich als Holländerin vor, ein leichter Accent weist sie auch als Linda de Mol Verschnitt aus. Wir dürfen uns ein Glas Sekt bestellen. Dann hagelt es Informationen. Z.B.: Postkarten sollte man nicht in Briefkästen schmeißen, denn die würden erst entleert, wenn sie voll sind. Besser sei es, die Post bei der Rezeption abzugeben.

Bei den folgenden Anpreisungen von den Neckermann-Insel-Rundfahrten mit Kosten um die 50.- DM winken wir innerlich ab. Dann erscheint auch noch ein smarter Jüngling, der eine Führung in Palma offeriert, mit beiläufiger Besichtigung einer Ledermodenschau, alles ohne Kaufzwang.

Nun winken wir auch äußerlich ab. Die beiden Damen aus Leipzig aber, ganz in Grau, überläuft ein freudiges Glühen und sie sagen ihre Teilnahme an der Veranstaltung zu. Wir erlauben uns noch zwei provozierende Fragen: ob man auch Wanderführungen buchen könne. Das sei leider weniger möglich. Und: ob denn die viel preiswerteren Werbefahrten nicht auch empfehlenswert seien oder was. Nein das sei nicht empfehlenswert, weil das angekündigte Programm bei zu wenig Kauflust der Teilnehmer oftmals nicht erfüllt werde.

Nachdenklich finden wir uns zum Abendessen ein. Anschließend machen wir endlich unsere Aufwartung beim Hotel Paguera, unserer Wirkungsstätte vor zwei Jahren. Da hat sich einiges verändert. Man hat wohl einige marode Anwesen in der Nachbarschaft aufgekauft und das ganze zu einem neuen großzügigen Komplex ausgebaut. Viel Grün ist dabei draufgegangen und durch wenig ersetzt worden.

ml06_2 Hotel Paguera

Im Foyer geht es zu wie in einem Bienenstock. Wir setzen uns und warten auf ein Bier, einige Kellner erkennen wir sogar wieder. Leider diese uns wohl nicht, denn eine Bestellung werden wir nicht los. Heidi begibt sich an einen Schmucktisch, wo aus Meterware hergestellte Ketten, die allgegenwärtige Mallorcaperle in allen Variationen usw. offeriert werden. Ich vergucke mich in einen Herrn vis a vis, ist das nicht der berühmte Schauspieler Matthieu C. aus Lübeck? Schon will ich ihn fragen, ob er bei meinem Onkel Walter in die Schule gegangen ist (dem ist nämlich so), doch dann entscheide ich mich doch, daß es sich wieder nicht um das Original handelt. Wie sollte man auch als berühmter Mann im Hotel Paguera absteigen, wo nicht mal ein Golfplatz in der Nähe ist...

Heidi kommt zurück von ihrem Schmucktisch, "alles Schrott" oder so lautet ihr Urteil. Nach dieser Inspektion sind wir eigentlich froh, daß wir es mit unserem Palmira doch richtig gemacht haben.

Wieder zurück im Palmira kommen wir natürlich noch nicht zur Ruhe. Wir wohnen direkt über der Bar, das verpflichtet schon wegen der davon ausgehenden Lautstärke. Ein Ehepaar hat sich schon beschwert und durfte in ein nach hinten gelegenes Zimmer umziehen. Dafür ereilt allerdings den Herrn ein paar Tage später "Montezumas Rache".

Heute ist eine Veranstaltung: Die VANGEL-Show. Das ist ein Alleinunterhalter mit allen erdenklichen Musikinstrumenten, es kostet keinen Eintritt und die Getränke sind auch nicht teurer als sonst. Das erste Mal bei unseren Mallorca-Urlauben nehmen wir an einer derartigen Veranstaltung teil, bisher waren wir uns eigentlich selbst genug. Aber man gönnt sich ja sonst nichts.

Wir kommen in einer der ersten Reihen der spärlich besetzten Tische zu sitzen. Der Akteur (etwas Hazy Osterwald) hat ein beachtliches Gepäck dabei, neben den allen erdenklichen Musikinstrumenten auch so einen rosaroten Springballon, wie ihn Kinder zum Herumhüpfen benutzen. Dann geht es los, mit Eviva Espania, Largo oder Beethoven, quer durch, mal mit Geige, Saxophon oder Tuba. Das Publikum wird einbezogen, wir klatschen zwar auch matt Beifall, doch das ist wohl nicht genug. Zum Einpeitschen folgen nun auf dem Akkordeon die allfälligen Karnevalslieder: Humba Tätterääh, Trink, trink, Brüderlein.., Heute blau und übermorgen wieder usw. Schunkeln ist angesagt, wir sitzen wie die Ölgötzen, neben mir eine Matrone, die zum Glück wohl auch zum Schunkeln zu faul ist, außerdem schaue ich angestrengt in die entgegengesetzte Richtung.

Es folgen ein paar Witzlieder, etwa: "Unsre Omma fährt im Winter nach Mallorca.." Auch als Kassette zu erwerben, der Erlös für Kriegsopfer in Bosnien (?).

Heidi wird langsam grantig. Das sollen die stolzen Spanier sein, und hier machen sie sich so zum Affen...? Der stolze Spanier präsentiert dann noch seinen Springballon als schottischen Dudelsack, auch einem schweizerischen Alphorn werden sonore Töne entlockt, nehmen wir es europäisch, dann sind wir ja voll auf der Linie. Mit dem original-spanischen Abschiedslied "Auf Wiedersehen - bleib nicht so lange fort..." klingt die Schau aus.

Wir bringen wieder Unordnung in unsere Preßbetten und träumen vom schönen Spanien.

ml07_1 ml07_2 Das schöne Spanien

Sonntag, 30.4.

Das Träumen hat sich gelohnt, ein strahlend blauer Himmel am Sonntagmorgen, das ist es doch! Weil unsere Palmenterrassen am Pool erst ab 11 Uhr Sonne bekommen, machen wir den Morgenspaziergang hinauf zur Cala Fornells. Dazu muß man am Ende der Bucht von Paguera am Hotel Mar y Pins (Meer und Pinien) eine Treppe hinaufgehen. Oben hat man schon mal einen schönen Blick auf Paguera und weiter hinten im Land der Galatzo, der ist etwa so hoch wie unser Brocken im Harz, erhebt sich aber freistehend von Meereshöhe und wirkt schon imposant - bei mir jedenfalls, man spricht auch von dem "Matterhorn" Mallorcas. Heidi ist da weniger beeindruckt und ist froh, daß wir die Treppe bewältigt haben.

Das erste Anwesen auf der Höhe von Cala Fornells ist ein riesiges Hotel, von oben sieht es aus wie eine ARAL-Tankstelle, von der Seeseite wie eine balkonbestückte Streichholzschachtel. Hier hat man eine riesige Sünde begangen. Was dann folgt, ist nämlich ein architektonisches Kunstwerk, im ersten Mallorcabericht ist es schon beschrieben. Der Architekt dieser Anlage ist sonderbarerweise ein Russe, der eine Bauweise realisiert hat, die spanischer nicht sein könnte, vielleicht auch schon orientalisch. Es ist alles verwinkelt, ineinandergeschachtelt, im Zickzack führen da Treppen hindurch, überall liebevoll angelegte Vegetation, üppig blühende Rankengewächse, alle Arten von Kakteen.

ml08_1 ml08_2 ml29_1 Die Siedlug Cala Fornells

Andererseits ein Ghetto, wer hier wohnt, will wohl ungestört sein. Bei den Namensschildern liest man immer nur Nummern, 1-17 oder A4-B7 heißen die Leute hier. Die meisten heißen PRIVADO, wenn's hoch kommt auch schon mal "Se Vende" oder "For Sale". Nur einer heißt ganz frech: Klaus Drews. Ein anderer Schroeder.

Wir landen dann, wo wohl, an unserem Pool, zum Glück ist die Schneider-Connection voll aktiv. Heute geht es um die Klimaanlage in einem Cabrio, einer Zigarre mit 1000 PS, das ist wohl ein Schnellboot, was sich in der Karibik einer gewissen Beliebtheit erfreut. Ich gebe zu, alles versteht man ja vielleicht nicht richtig, wenn einem selber die Augen schon fast zufallen, und wenn die drei die Köpfe zusammenstecken, wird es noch schwieriger. Es geht dann noch um eine Schmucktransaktion, Provision und was so bei Geschäften bedacht werden muß.

Als die Zigaretten bei den wichtigen Erörterungen ausgehen, bietet sich der weibliche Part der drei an, für Nachschub zu sorgen. Rudi, so heißt der vermeintliche Schneider, sagt dann erstaunlicherweise: Bring FORTUNA mit, die sind billiger. Muß es einen da wundern, daß ich mir bei meinem regungslosen Liegen in der Sonne eine bedenklich rote Haut eingefangen habe?

Nach dem Abendessen sitzen wir noch mit unseren Tischgenossen zusammen und lassen uns eine Geschichte erzählen: Da laufen ein paar Typen auf der Straße rum mit so Rubbellosen, da kann man was gewinnen. Das geht meistens auch ganz plötzlich, so hat unsere Freu B. neulich glatt zwei Wochen Urlaub auf Mallorca gewonnen. Die Gewinnüberbringer sparen nicht mit Glückwüschen und bieten sogleich an, mit einem Taxi - alles auf ihre Kosten - den Ort der Traumreise zu besichtigen. Das geht dann so ein paar -zich Kilometer in irgendein Kaff, wo eine Apartment-Anlage zu besichtigen ist. Dann kommt man natürlich auch zur Sache, ein Apartment ist für DM 80.000 zu erwerben. Im Kleingedruckten steht dann irgendwo, daß das erworbene Apartment nicht als Eigentum zu verstehen ist, sondern nur ein zweiwöchiges Nutzungsanrecht p. Jahr damit verbunden ist.

Um diesen Kameraden dann wieder aus den Fängen zu geraten, verzichtet man wohl auch schon mal auf den gewonnenen Urlaub und ist froh, wenn man wieder an seinen Ausgangsort zurückgebracht wird.

Da in der Bar heute kein Programm aufgelegt ist, verbringen wir den Abend mit zwei Flaschen Mallorcawein auf dem Balkon. Heute wird unsere Aufmerksamkeit durch die Aktivitäten div. Hunde gefesselt. Zwei davon, etwa dackelartige Geschöpfe, haben das Straßenleben fest im Griff, was durch lautstarkes Gekläffe dokumentiert wird.

ml09_1 Blumen vor Bauruinen

Montag, 1.5.

Angeregt durch die Geschichte am Vorabend haben wir uns auch zur Teilnahme an einer Werbefahrt entschlossen. Wir suchen uns etwas mit Höhlen und romantischen Fischerdörfern aus. Da der Eintritt zu den Höhlen allein normalerweise 800 Peseten kostet, sind wir mit 1000 Peseten alles inklusive doch sehr preiswert dran.

Pünktlich gegen 9 Uhr finden wir uns auf dem Platz Maria Dolores ein, wo die Busse ihre Kundschaft einsammeln. Vorne weg fahren mit Pkws immer ein paar Einpeitscher, die den gleich eintreffenden Bus ankündigen und anpreisen. "Wir warten auf Valentino Reisen" sagen wir zu einem dieser konkurenzbedachten Vornewegfahrer. "Schon weg!" wird uns einfach entgegengehalten, wohl in der Hoffnung, daß wir dann resignierend unsere Pläne ändern. Gleich darauf biegt natürlich Valentino Reisen um die Ecke und ein junger Herr nimmt uns in den noch fast leeren Bus auf.

Beim Hotel Palmira Beach wird er aber voll, da steigt ein Gesangsverein aus Duisburg ein. Ein beleibter Herr dieser Gruppe wird noch eine Schlüsselrolle spielen, denn er ist seit 30 Jahren Dekorateur.

Zunächst stellt sich unser Reiseleiter vor, er heißt Max und ist Holländer. Heute morgen ist er wegen des unerwarteten Andrangs etwas überfordert, so sind die unterwegs gegebenen Informationen eher spärlich. Das ist nicht ganz so schlimm, weil wir hauptsächlich durch das Industriegebiet von Palma fahren. Da gibt es das größte Fußballstadion der Welt, weil es nie voll werde, und ein "Hotel" mit vergitterten Fenstern, das müßte eigentlich fünf Sterne haben, weil es immer voll belegt sei.

Unter diesen Späßen fahren wir mit dem Bus auf eine ehemalige Radrennbahn vor einer Fabrik in einem Ort mit dem schönen Namen Sta. Maria del Cami. Von diesem schönen Namen haben wir herzlich wenig, weil die Gruppe sogleich in das Gebäude und in einen Vortragsraum gelotst wird. Nun offenbart sich bereits das Geheimnis: Unter- Ober- Zwischenbett, Kopfkissen und Rheumadecken erwarten den erwartungsvollen Gast. Uns zugeteilt wird eine hochgewachsene Dame namens Dagmar, sie kommt aus Mülheim Dülmen, bei einem Urlaub vor 7 Jahren ist sie hier an einem Spanier hängengeblieben. Die Gute preist uns nun unter allerhand Gegrabbel mit den garantiert 100 prozentigen Naturprodukten die Betten an, alles Kaschmir oder sowas. Schließlich kokelt sie sogar mit einem Feuerzeug herum, um zu beweisen, daß da nichts Feuer fangen kann.

Das Publikum ist nachdenklich geworden und grabbelt nun seinerseits an dem Bettzeug herum. Zum Glück haben wir ja einen Experten dabei, den oben erwähnten Dekorateur. Dessen Urteil lautet: die Kaschmirauflage sei auf einen Synthetikstoff aufgesetzt, außerdem hätten die Inlets der Kopfkissen kein Markensiegel, sodaß das mit der versicherten Garantie zweifelhaft sei. Die Auftragnehmer mit ihren Formularen - inzwischen zu dritt, machen lange Gesichter. Ein jüngeres Paar läßt sich aber doch beschwatzen und ordert das Equipment für kuschelige Stunden.

Wir anderen begeben uns in die unteren Räume, da ist eine "Verkaufsschau" mit Textilien, Schuhen, Keramik, Schmuck und Spirituosen. Da man letztere auch verkosten kann, gefällt es vielen ganz gut. Die kleinen Probiergläschen kleben einem leicht an den Fingern fest, sodaß sich bald fünf davon - entsprechend der Kopfzahl unserer Familie - in Handtasche oder Rucksack wiederfinden.

ml10_1 Santa Maria del Cami

Nachdem alle mit dem Verkosten fertig sind, geht es mit dem Bus in ein Restaurant wenige hundert Meter weiter, wo das Mittagessen eingenommen wird. Schinken, Eintopf, ein mallorcinisches Fladengericht oder ein Salatteller sind im Angebot. Wir begnügen uns mit dem Salatteller.

Nun werden die Gäste neu aufgeteilt, eine Gruppe fährt weiter mit der Traditionsbahn nach Soller, von dort mit dem Schiff zur Calobra, der Schlangenstraße usw. Weil es Heidi vor den Abgründen der Calobra graust, haben wir den anderen Part gebucht, der im Landesinneren einige Überraschungen verspricht. Dazu müssen die Busse neu eingeteilt werden, schnell, wie wir sind, entern wir einen schicken Doppeldeckerbus und belegen die erste Reihe hinter den Frontfenstern im Oberdeck.

Lange währt unsere Freude nicht, als uns erboste Mitfahrer darauf aufmerksam machen, daß sie schon vorher dort gesessen hätten. Man diskutiert ein wenig, dann rücke ich eine Reihe nach hinten, ein ebenfalls kompromißbereiter Herr setzt sich neben mich, und wir vertragen uns im weiteren Verlauf der Fahrt ganz gut.

Unsere Reiseleiterin ist nun eine Dame, ich glaube mit dem Namen Anette, auch eine Deutsche, die an einem Spanier hängengeblieben ist. Die macht nun ihre Sache sehr gut und erzählt viel Wissenswertes von Land und Leuten. Westlich von Palma befindet sich das Tal der 1000 Windmühlen. Es handelt sich aber um Windpumpen, die zur Bewässerung dienten. Heute zerfallen sie zumeist, wenn sie nicht mit staatlicher Hilfe wieder hergerichtet werden..

Wir fahren durch die Orte Llucmajor, Campos und Santanyi. Alles ist um diese Tageszeit wie ausgestorben, es ist Siesta-Zeit, außerdem ist am ersten Mai auch hier Feiertag. Die Siesta von mittags bis nachmittags gegen vier verbringen die Spanier - nicht nur auf Mallorca - vor dem Fernseher. Die Fernsehprogramme sind darauf eingerichtet und bringen vornehmlich Werbung. Die amerikanischen Billigserien, die werden dann beim anschließenden Einkaufsplausch durchgehechelt. So nähert man sich wohl weltweit nicht der vieldiskutierten Multi- sondern leider eher einer Fernseh-Monokultur.

In den verwinkelten Gassen dieser Orte hat der Busfahrer sein Tun, um die engen Straßenecken herum zu manövrieren, oft erkennt man an einem hervorstehenden Balkon die Spuren weniger erfolgreicher Versuche. Vom Bus aus kann man die Romantik der Szenerie nur erahnen, eine Radtour in späteren Jahren mit den Möglichkeiten einer intensiveren Aufnahme bietet sich an.

Mit dem Rad sind übrigens eine ganze Menge unterwegs, meistens aber geduckt dahinbrausende Rennfahrer, die sich hier unter idealen Bedingungen auf die Saison vorbereiten. Ob sie auch die blühenden Wiesen sehen, gelbe und weiße Margariten, wo es nicht allzu trocken ist. Leider blüht der Mohn nicht so üppig wie erhofft, nur in einer Niederung ist alles blutrot übergossen, da halten sogar die Leihwagenfahrer zum Fotografieren an.

In der Gegend herrscht Obstanbau vor, Feigen und Datteln, Oliven, Apfelsinen und Zitronen oder Bäume mit den Schoten der Johannisbrotfrucht. Zwischen den Anwesen ziehen sich handgesetzte Trockenmauern hin. Dafür gibt es in Pollenca eine Spezialschule, allein ein ganzes Jahr Theorie gehört zur Ausbildung. So ein Facharbeiter schafft dann am Tag einen Meter Mauer, Frage, was das dann kosten mag. Es ist unvorstellbar, wie die kunstvollen historischen Mauern aus der Maurenzeit in den unzugänglichen Berggegenden entstanden sind, welcher Einsatz an menschlicher Arbeitskraft dafür nötig war.

Auf dieser Strecke gibt es auch die vielen verlassenen und verfallenden Fincas, die man heute günstig erwerben kann, wenn man weiß, was man sich da einhandelt. Immer wieder sagen wir: Da ist eine für uns! In einem schloßartigen Anwesen wohne eine deutsche Familie schon seit Jahren, teilt uns Anette über Mikrofon mit, und die Hälse drehen sich nach rechts in Richtung auf ein zinnenbewehrtes Gemäuer.

Schließlich erreichen wir Cala Figuera, ein idyllischer Hafenort an einer kleinen Bucht, 20 Min. Aufenthalt. Ein Rätsel wird uns mit auf den Weg gegeben, hier sei der größte Beschiß abgelaufen, ob wir drauf kämen. Ich tippe auf Fischerboote von Fischern, die keine mehr sind. Erstmal Fototermin: "Wenn's di dohanne naschtelsch, kriag i das Leuchttürmle mit nei" - das sind wohl Schwaben. Ich mache auch ein Bild von der malerischen Bucht, eine Hibiskusblüte im Vordergrund.

ml11_1 ml11_2 Cala Figuera

Der kleine Rundgang fällt knapp aus. Heidi findet es himmlisch, ich bin mehr skeptisch und finde es zu sehr touristisch. Vor dem Bus klären uns Mitreisende über das aufgegebene Rätsel auf. Man hat hier die Außenaufnahmen zu der Fernsehserie "Hotel Paradiso" gedreht, das Hotel ist aber gar nicht hier. So fallen immer wieder die Fernsehfanatiker mit gezückter Kamera hier ein und sind dann maßlos enttäuscht, das gesuchte Hotel nicht vorzufinden. Dann lieber auf ins Lottertal zur Schwarzwaldklinik.

Es geht weiter nach Porto Cristo, wo sich die berühmten Drachenhöhlen befinden. Diese werden wir aber nicht besichtigen, weil das eine Massenabfertigung ist, wo man die meiste Zeit der Führung mit den mehrsprachigen Ausführungen vollgelabert wird, die man inmitten der Menschenpulks sowieso nicht versteht. Stattdessen bekommen wir eine exklusive Führung in den Cuevas dels Halms, soll heißen Traum eines Engels. Auch hier riesige Parkplätze, wie schön mag das hier in der Hauptsaison sein, da pulst das Leben. In der Höhle verschlägt es mir als Höhlenfuzzi angesichts des Tropfsteinreichtums auch die Sprache. Ein Raum wird als Saal der Angelhaken angepriesen, da sind die Tropfsteine mit in alle Richtungen auswuchernden Fortsätzen besetzt, Excentriques nennt man das in Fachkreisen. Die physikalischen Hintergründe für die Entstehung dieser Gebilde hat man noch nicht ergründen können.

Höhepunkt des Rundgangs ist dann ein tiefgelegener See, da kommt zunächst lautlos ein Boot mit Lichterketten herangeglitten, dann erklingt Geigenmusik, alle Besucher stehen wie versteinert und sind fasziniert. Wenn das Boot dann mit ersterbender Musik wieder in seiner Parkbucht verschwindet, erfolgt ein allgemeines Aufseufzen. Der nüchterne Besucher kann sich dann kopfschüttelnd seine Gedanken machen, ob Kitsch oder nicht Kitsch...

ml13_1 Cuevas des Halms (Postkarte)

Blinzelnd tritt man wieder in das Tageslicht. Auf dem Rückweg passiert man noch so manche geheimnisvolle dunkle Spalte, die den Höhlenfreund zu einer neugierigen aber mangels Zeit und Ausrüstung erfolglosen Inspektion einlädt. Die Höhlen in diesem Gebiet sind erst 1904 entdeckt worden, da wünscht man sich doch wieder, die 401. Höhle auf Mallorca aufzutun.

Das nächste Ziel ist eine Perlenfabrik in Manacor. Noch auf dem Parkplatz hält Heidi vor staunenden Mitgästen ein Standreferat über Entstehung, Farbspiel und Qualität der Mallorcaperle. "Da erzählst du wieder einen vom Pferd" raune ich ihr zu, ernte aber nur einen vernichtenden Blick.

Die Fabrik in Manacor ist heute verwaist, weil ja Feiertag ist. Nur ein paar Vorzeigearbeiterinnen hat man aufgeboten, die emsig drehend und mit Lötbrennern flämmend das widerborstige Material zu kugeligen Gebilden formen. Laut Aushängetafeln wird auf einen Alabasterrohling Fischgrätenmasse aufgeschmolzen, mühsam, mühsam, angesichts der millionenfach angebotenen Perlenmengen kaum vorstellbar.

In den Verkaufsräumen kann man sich dann auch vor den überwältigenden Auslagen kaum retten. Wir ziehen uns auf einen Kaffee zurück und schlendern zurück zum Bus. Bis alle Schäfchen eingesammelt sind, dauert es noch eine Weile, mit einer halben Stunde Verspätung geruhen dann zwei schwäbische Damen sich von den Vitrinen losreißen zu lassen.

Nachdem endlich alle im Bus sind, fährt dieser genau 300 m weiter in die nächste Hofeinfahrt und alle dürfen wieder aussteigen. Es soll die "Überraschung" folgen, von der die Anette schon die ganze Zeit spricht. Es handelt sich wieder um eine Verkaufsschau, allerdings kann man hier an die 30 Sortene Liköre verkosten. Vorher kann Heidi es sich nicht verkneifen der schwäbischen Dame ihre Meinung zu sagen. "I han au scho auf andre warte müsse" weiß sie darauf auf patzige Weise zu antworten.

Mit klebrigen Schuhsohlen tappt man nun von Zapfhahn zu Zapfhahn. Was da in die Probiergläschen rinnt ist so süß, daß es einen jedesmal schüttelt. Man ist sicher gut beraten, ein paar Stationen zu überspringen, wenn man bis zum Ende durchkommen will. Als wieder alle im Bus sitzen, fehlt nur noch eine: die schwäbische Dame. Da man sie nun schon kennt, kann sie persönlich aus den Verkaufsräumen expediert werden. Im Bus empfängt sie nicht gerade ein Pfeifkonzert, so aber doch einige Unmutsäußerungen.

Es wird noch eine Geschichte erzählt: bei einer früheren Busfahrt sei auch mal eine ältere Dame nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt am Bus erschienen. Man habe sie dann an einem der Zapfhähne ihrer Wahl vorgefunden, wo sie sich eine eigens dafür erworbene Karaffe vollaufen ließe. Ob der Kuriosität dieses Einfalls hat man sie wohl gewähren lassen, dafür hat man eben nun diese Geschichte.

Die Folgen unserer Verspätung zeigen sich dann in Inca, wo wir wieder auf die anderen drei Busse stoßen. Diese haben eine dreiviertel Stunde auf uns warten müssen, bevor die einzelnen Reisegesellschaften nun wieder in die Heimatorte verteilt werden. Die andere Gruppe hat auch etwas Pech gehabt, indem das mit der Eisenbahnfahrt wegen Überfüllung nicht geklappt hat.

Wir haben an dem heutigen Tag ein volles Programm, denn in der Bar findet auch noch ein Folkloreabend statt. Die beiden Damen aus Leipzig, ganz in grau, sitzen schon hinter einem Kakao. Dann geht es los, ein männlicher und drei weibliche Akteure sind als Spanier verkleidet und tanzen zur Musik vom Band, gelegentlich bessern sie die Rhythmen durch eigenes Castagniettengeklapper auf. Wenn man mitgezählt hätte, wüßte man es genauer, viele hundert Male erklingt der Ausruf "Oh Le!!!", meistens provozierend an das Publikum gewandt, um die Stimmung anzuheizen. Angesichts der grazilen spanischen Darbietungen gleicht die Menge der Zuschauer aber eher einer Herde von Dickhäutern.

Dienstag, 2.5.

Nach so einem anstrengenden Tag wird erstmal ein Ruhetag eingelegt. Morgens zum Touristikbüro wegen eines Busfahrplans, dann in den Keramikladen, um schon mal Geschenke auszugucken. Dann aber pünktlich mit dem Sonenschein zum Pool. Wir sind schließlich einen Tag von der Schneider Connection abgeschnitten gewesen. Wir werden auch nicht enttäuscht. In der Bar ist ein Tisch mit Schmuckauslagen aufgestellt, die Herren tragen dunkelblaue Hemden und helle Schlipse und führen mit einem dunkelhäutigen, ähnlich gekleideten Herrn Geschäftsverhandlungen. Weil wir mit unseren Badetüchern unter dem Arm davor nicht so lange stehen bleiben können, kann ich Genaueres nicht berichten.

Später am Pool finden sich die drei dann auch wieder ein, inzwischen wieder in Badekleidung. Sie sind noch so aufgeregt, daß sie nur die Köpfe zusammenstecken und wir wieder nichts mitkriegen. Anscheinend haben sie sich mit Schmuck eingedeckt, der soll heute Nachmittag auf einer Veranstaltung wieder verkauft werden. Als die Gespräche sich dann wieder normalisieren, geht es um die Supershow im Solamar, da fährt Neckermann auch mit Bussen hin. Es handelt sich um eine supermodern ausgebaute Bühnenanlage, da passen ein paar tausend Menschen rein. Erst gibt es ein Essen, dann wird Zauberei geboten und weiter eine Schau a'la Las Vegas abgezogen. Der eine: Also er sei ja auch schon ganz schön herumgekommen, aber so eine Schau finde man nicht so leicht, schon gar nicht in Deutschland. Höchstens im Plaza (wo das ist, setzt er wohl voraus). Und dann käme die Reiteinlage, ein herrliches Pferd, wohl ein Lippiziner. Heidi richtet sich prustend auf, das merkt er wohl und verbessert sich: "Ehem, Lippizianer!"

Wir sind uns einig, daß wir auch ohne die Schau weiterleben können. Viel mehr passiert heute auch nicht mehr. Beim Abendspaziergang sehen wir eine Menge Fledermäuse. Den Abend verbringen wir wieder auf dem Balkon. Immerhin können wir noch genau protokollieren, wie die Schneider Connection ihre Waren wieder im Auto verstaut und in der Telefonzelle freudige Gespräche geführt werden, anscheinend ist die Veranstaltung gelungen.

Mittwoch, 3.5.

Mittwoch ist Markt in Andraitx, da müssen wir auch hin. An der Bushaltestelle steht schon eine lange Schlange. Wir stellen uns hinten an. Nun hält der Bus so, daß das Ende der Warteschlange zuerst einsteigen kann, so erhalten wir sogar noch einen Sitzplatz.

Angesichts zahlreicher Schmuckstände piert Heidi schon wieder auf eine Perlenkette. Die Schmuckverkäufer sind zumeist Zigeuner und rufen immer "Looki, Lookiii!!" hinter einem her. Schließlich wird eine Kette angeboten zu dem stolzen Preis von 5000 Peseten (60 DM). Wir legen uns stur auf 1500 Peseten fest. Bei 1750 Peseten kommt der Handel zustande. Wahrscheinlich hat man uns immer noch über's Ohr gehauen, aber wir sind ganz stolz auf unsere Feilschkünste.

Die Stimmung wird weiterhin dadurch angehoben, daß an sämtlichen Verkaufständen mit Musikkassetten oder -CDs derselbe Schlager erklingt. Der Text ist naheliegender Weise in Deutsch und geht etwa so:

Ob allein, oder zu zwein: Palma, Palma de Mallorca, Palma de Mallorca....

und das wiederholt sich dann immer weiter so. Das geht also sofort in's Ohr und läßt sich leicht merken, faszinierend.

Die nächste Attraktion ist wieder der Hütchenspieler. Aufgeregt drängelnd umgeben ihn die Mitspieler, setzen hektisch vierstellige Beträge und gewinnen oder verlieren. Man weiß nur nie, ob das echte oder mitgebrachte Mitspieler sind. Wir spielen natürlich nicht, zumal ich - hinter dem Spieler stehend - seinen Trick herausbekomme. Die Hütchen sind ausgehöhlte Kartoffeln. Das Kügelchen quetscht er zuweilen von einer Kartoffel zur nächsten durch, das kann man nicht erkennen, weil es durch die Kartoffelschale verdeckt geschieht. Deswegen ist es unmöglich, auch bei genauester Beobachtung, einen zuverlässigen Tip abzugeben, unter welcher Kartoffel das Kügelchen nach einigem Herumgeschiebe schließlich landet.

Nach dem abschließenden Erwerb von ein paar Nagellackpatronen und einer Tüte Mispeln, das sind aprikosenartige orangefarbige Früchte, fahren wir mit dem Bus zurück. Vor dem Hotel treffen wir auf die Schneider Connection, die sich abreisefertig zum Aufbruch anschickt. Wahrscheinlich sind alle Geschäfte getätigt, die Profite verrechnet, Provisionen abgebucht usw. In 14 Tagen sei er schon wieder da, sagt der eine. Wir bieten ihnen ein paar von den gerade erworbenen Mispeln an. So scheiden wir voneinander und von der Schneider Connection kann desweiteren nicht mehr berichtet werden.

In der Nachbarschaft des Hotels entdeckt Heidi einen Beauty-Shop oder sowas, ein nettes deutsches Mädel macht Make-Up, Maniküre und Fußpflege. Bei Heidi erschwert nun seit geraumer Zeit ein Hühnerauge den beschwerdefreien Sitz von allerleih Schuhwerk. Heidi meldet sich für den nächsten Tag an. Gleich daneben ist ein Verleih für Autos, Motorräder, Motorroller, Mopeds und Fahrräder. Da melde ich mich für den nächsten Tag an.

Dann vergeht der Rest des Tages an einem schattigen Plätzchen, dem Palmenzimmer, wie ich es taufe. Da liegt man unter Palmwedeln, und wenn man die Augen zumacht, meint man, süße Südseeklänge zu vernehmen. Es ist aber nur der Schneewalzer, und der erklingt aus der Bar. Ein paar Tage später drückt es eine Dame, die uns diesen Platz weggeschnappt hat, so aus: "Dat is als wenn ein einer mit die Wedel immer so die Luft zufächeln täte, woll".

An diesem Tag liegen auf den Nachbarliegen ausschließlich weibliche Sonenanbeterinnen. Eine davon sticht besonders ins Auge, tiefschwarze Haare und unverkennbar einige kosmetische Ersatzmaßnahmen lassen ihrer Erscheinung erhöhte Aufmerksamkeit zu Teil werden.. Sie ist im Besitz eines hoffentlich rechtmäßig erworbenen Badetuches mit der Aufschrift "Cretan Village". Im angekleideten Zustand (ich meine: nicht im Badedress) bevorzugt die Dame weitausladende weiße Gewänder. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einer bekannten Geschäftsfrau aus Hannover (Theresa. O.) ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Eine weitere Personengruppe des Hotels erscheint immer erst abends, denn das sind hartgesottene Sportler. Es sind 4 Bobfahrer und sie kommen aus Winterberg. Angeblich Olympiakader, Nationalfahrer und sowas. Die bessern nun mit Rennrädern hier ihre Kondition auf und haben mit der holden Weiblichkeit zunächst nichts am Hut.

Auf eine Zigarette sitzen wir noch mit unseren Tischgenossen nach dem Abendessen draußen. Wir diskutieren nochmal das Altersprofil der Gäste. Unter Silberhochzeit läuft ja hier gar nichts, hat man den Eindruck. Ehepaar B. aus Hildesheim erzählt, das sei so eine Sache bei ihnen, sie seien zwischendurch ja mal geschieden gewesen. Jetzt laufe es aber ganz gut, versichert er, man lasse die Silberhochzeit weg und feiere dann 5 Jahre später lieber den dreißigjährigen Krieg!

Am Abend zieht es zu und es fallen sogar ein paar Regentropfen. Ich bange - mehr als Heidi - um die morgige Unternehmung.

Donnerstag, 4.5.

Tourenplan

Auf das Wetter kann man sich jedoch verlassen, azurblauer Himmel und gute Fernsicht lassen auf einen Genußtag hoffen. Punkt 9 Uhr bin ich bei dem Vielfahrzeugverleih vorstellig in der Erwartung, ein Fahrrad für mich vorzufinden. Hier ist aber nur eine Filiale, es muß erst telefonisch jemand herangerufen werden, der mich dann abholt und durch halb Paguera kutschiert. 1500 Peseten kostet das Leihfahrrad pro Tag. Ich suche mir das optisch attraktivste Fahrrad aus, Brems- und Sichtkontrolle, dann schwinge ich mich auch schon auf den Sattel und breche zu meiner Tour auf.

Bald merke ich nach einigen Kilometern bergauf, daß ich versäumt habe, die Gangschaltung zu kontrollieren. Die hinteren Ritzel lassen sich zwar problemlos schalten, aber die vorderen Kettenblätter sind nur mit Hilfe eines Fußtritts gegen den Umwerfer umschaltbar. Wenn man das zu unsensibel macht, springt die Kette ab. Da es aber an diesem Tag sowieso meistens bergauf geht, hat mich das am Ende nicht allzusehr gestört.

ml14_1 Porto Andraitx

Schon auf dem Weg nach Andraitx kommen einem allerdings Zweifel, ob man die Tour bei der intensiven Sonneneinstrahlung überhaupt durchstehen wird. Aber hinter Andraitx geht es immer durch Kiefernwälder, so lassen sich die Steigungen ganz gut nehmen. 400 m geht es bestimmt hinauf, dann sieht man das Meer an der Nordküste. Schon geht es wieder hinab. Einen Trecker kann ich leicht abhängen. Die Schilderung der Blicke über das Meer lasse ich lieber weg, das kann man in jedem Mallorcaführer nachlesen.

ml14_2 ml14_3 Unterschiedlich gepflegte Anwesen

Zwei alte Wachttürme werden passiert, da parken wieder die Autos.

ml18_2 Wachtturm

ml18_4 ml18_5 Blicke aufs Meer

Ansonsten ist dieser Teil der Küstenstraße sehr ruhig, die Busfahrten gehen alle anders herum über Palma hinauf in die Berge. Hier heißt der erste Ort Estellencs. Es gibt keine Hotels und hohen Gebäude, die Gegend und die Orte wirken noch sehr natürlich.

ml18_1 Alte Ölbäume

Immer geht es rauf und runter, bei der Aussicht merkt man das jedoch gar nicht. Mein letzter Ort an der Küstenstraße ist Banyalbufar, bald darauf geht es rechts ab ins Inland. Auf der Küstenstraße sind es noch 10 weitere km bis Valldemossa, aber ich möchte mich zeitlich nicht verkalkulieren, so wird dieser Abstecher weggelassen.

ml19_1 Estellences ml19_2 Estellences

Nun befindet man sich schon auf der Rückfahrt, diese Straße ist so gut wie unbefahren und führt wieder ein Hochtal hinauf nach Süden. Einmal muß ich mir ein schattiges Plätzchen suchen und gegen den Durst eine Apfelsine verzehren. Im Baum gegeüber schlägt eine Nachtigall, auf der Straße huschen die bunten Trikots von Radfahrern vorbei. Die können mich aber nicht sehen, weil ich im Gebüsch sitze.

ml18_3 Im Hochtal

Es geht weiter, endlich hat man die Höhe erreicht. Ganz nah liegt der Galatzo. Die Abfahrt nach Puigpunent ist weniger angenehm, im Zickzack durch den Wald, da muß man dauernd bremsen. Im Ort setze ich mich auf eine Cola erstmal in ein Restaurant. Jeder Spanier wird wohl denken, man sei verrückt, in der Mittagszeit beim höchsten Sonnenstand nur zum Vergnügen mit dem Rad herum zu fahren. Das Gefühl habe ich jedenfalls, während ich meine eisgekühlte Cola schlürfe, während die anderen Gäste in dieser Spelunke ihre Mittagspause vor einer Projektionswand des Fernsehers, vor einem trällernden Spielautomat oder hinter der Zeitung verbringen.

ml20_1 ml20_2

Der Mitteleuropäer ist nun mal hektisch veranlagt, so rolle ich unter der sengenden Sonne bald wieder dahin. Es geht nun wieder hinauf nach Galiläa, das hört sich ganz schön biblisch an. In einer Halbhöhle oberhalb der Straße befindet sich dann auch ein Heiligtum mit Kerzen und Blumen. Auf einer Gedenktafel steht etwas von Lourdes, was Genaueres kann ich nicht herausfinden. Vielleicht eine Wallfahrt mit Wunderheilung oder sowas.

Mit dem Rauf und Runter hat es nun ein Ende, der Rest ist nur noch Abfahrt. Über Capdella ist man schnell wieder in Paguera, es ist 15 Uhr, ich habe 70 km bei nicht leichter Strecke geschafft, da kann man zufrieden sein. Die Motivation zu weiteren Aktivitäten ist jedenfalls nach dem Duschen und dem erfrischenden Bad stark reduziert.

Wie schlecht paßt es da, daß am heutigen Abend Tanzen in der Bar angesagt ist. Da muß mich meine Ehefrau dann auch noch hinschleifen. Ich bedinge mir aber aus, daß ich nicht tanzen müßte. Die Bobfahrer und die weißbehangene Tussi samt Freundin haben zusammengefunden und sitzen an einem Tisch. Bald brechen aber alle zu lohnenderen Restaurationen auf als da sind "PupArsch" oder "Rendezvous".

Als dann irgendwann eine Dame am Nebentisch mir zuzischt: "Nun tanzen Sie doch mal mit Ihrer Frau!" muß ich doch noch in den sauren Apfel beißen und in Sandalen herumschlurfen, so gut es geht: 1 Rechts, 2 Links.

Freitag, 5.5.

Nun haben wir am Vortag einen Tip bekommen, in der Cala Fornells soll man herrlich baden können. Der Hauptstrand von Paguera ist mit den kreischenden Flexmaschinen und dem Dröhnen der Kompressoren ja weiterhin ungenießbar. Nur eine halbe Stunde läuft man zu Fuß, dann findet man sich inmitten von Felsen wieder, ein schmaler Streifen Strand führt zum Wasser. Das ist noch einigermaßen kühl, immer wieder hören wir Abwandlungen des Spruches "Zum Reingehen muß man sich überwinden, aber dann ist es herrlich". Oder: "Am Anfang ist es kalt,aber dann merkt man gar nichts mehr". Oder: "Man muß sich nur bewegen, dann geht's". Irgendwann probieren wir das auch mal aus, denn wir sitzen unterhalb einer Mauer ohne jeden Schatten.

Im Gegensatz zu einem normalen Badestrand gibt es hier einiges zu beobachten. Verschiedene Fischschwärme kommen gern ins flache Wasser, wo man sie sogar mit Brot füttern kann. Kleine bis daumengroße Krebse wagen sich zuweilen aus ihren Felslöchern und bewegen sich seitwärts durch die Gegend. Die Steine im Wasser sind reichhaltig bewachsen. "Woll'n Sie ein paar Wasserpilze?" fragen uns zwei Jungs. "Haben gerade keinen Hunger" wird geantwortet.

ml21_1 Badebucht am Hotel Coronado

Mit dem Schwimmen muß man sich so langsam vortasten, Heidi schwimmt kleinere Runden, ich schwimme schon mal um einen Felsvorsprung herum in die eigentliche Cala Fornells. Dort fahren sogar die Boote der Rundfahrten hinein, und man hört über den Lautsprecher die begeisterten Ausrufe "Looki, looki, Romantico!!".

Am frühen Nachmittag reicht uns die gnadenlose Sonne und wir dackeln zurück zum Pool, wo es sich unter den Palmen bei einem Kaffee und dem vom Frühstück abgezweigten Kuchen wohlsein läßt. Man erfährt nun auch wieder manches Wissenswerte. So sei beim Frühstück einer der Bobfahrer, es ist der Trainer, mit Halloh begrüßt worden: "Mann, siehst Du heute entspannt aus!". Da muß man sich erstmal einen Reim drauf machen. Abends an der Bar klärt sich das dann auch weiter auf, Knie an Knie sitzen der Trainer und die weiße, kosmetische Dame. Sicher wissen sie sich viel über ihr beiderseits kurvenreiches Leben zu erzählen.

Heidi und ich betätigen uns heute als "Hoteltester" und machen nach dem Essen einen Rundgang durch Hotels mit den klangvollen Namen Palmira Beach, Beverley Playa oder Villamil (vier Sterne). Vor allem interessieren uns die "Anlagen", das sind die Pooleinrichtungen. Wir kommen überein, daß "unser" Palmengarten doch bei weitem am schönsten ist. Außerdem summt es in diesen Mammuthotels wie in einem Bienenschwarm, da geht es im Palmira schon beschaulicher zu. Am Beverley befindet sich allerdings auch eine Kunstrasenanlage mit Golflöchern zum Üben des "Einputten", das haben wir wieder nicht aufzuweisen. Von umgitterten Tennisplätzen auf den Dächern der Gebäude gar nicht zu reden.

Im Beverley beobachten wir auch einen zwar ergrauten aber durchgestylten Radfahrer, der auf seinen Pedalplatten unter den Schuhen über den Marmorfußboden klappert. Der Portier an der Rezeption ruft ihm anerkennend zu "Endurain, Endurain". Das ist das spanische Nationalidol, hat viermal die Tour de France gewonnen. "Reicht schon!" ruft der Radfahrer lässig abwinkend zurück. Es wäre ja mal interessant zu wissen, was die so am Tag abbolzen. Von Radio Christine weiß ich nur, daß die Bobfahrer an einem Tag schon mal nach Soller kurbeln, dann mit dem Schiff zur Calobra, dort 1000 Höhenmeter hinauf und dann wieder zurück nach Paguera. Da bin ich mit meiner 70 km Tour nur ein kleines Licht.

Auf dem Rückweg philosophieren Heidi und ich, wie man sich hier eine Existenz aufbauen könnte - rein theoretisch. Heidi macht eine Schmuck-Boutique auf, und ich setze mich auf einen geeigneten Dachgarten in der Siedlung von Cala Fornells und schreibe ein Buch: "Das andere Mallorca" oder so. Meine momentanen Tagebuchaufzeichnungen geben ja nur her: "Mallorca, wie es jeder kennt". Auf dem Phantasie-Dachgarten sitzt aber schon der besagte Herbert Heinrich und beschreibt, was er von da oben alles zu sehen kriegt. An der Rezeption eines der eben getesteten Hotels kann ich kurz ein derartiges Kapitel überfliegen: Bei Sturm schlagen die Brecher über die vorgelagerten Malgrat Inseln, eine Windhose treibt ihr Unwesen, ein Schiff brennt in der Bucht von Paguera oder ein Hubschrauber landet auf einer Luxusyacht. Das ist dann der Kashoggi. Sowas sieht man alles von einer geeigneten Dachterrasse. Wir haben ja - zunächst - nur unseren Balkon, unter dem die sattgefutterten Touristen zähnezutschend den Abendspaziergang absolvieren.

Heute kriegen wir aber auch noch den "Uhrenneger" zu Gesicht, wie er sich wiegenden Schrittes, einen aufgeklappten Koffer mit Rolex-Derivaten in der Armbeuge, auf seinen Beutegang begibt. Das ist auch nicht schlecht, so aus der Vogelperspektive, das Glas mit Mallorcawein aus dem Supermarkt immer in Reichweite.

Sonnabend, 6.5.

Wir begeben uns am Morgen natürlich sogleich zur Badebucht. Nachdem wir nun so erfolgreich im Hoteltesten sind, inspizieren wir natürlich erstmal das Hotel Coronar, ganz am Ende von Cala Fornells, vier Sterne. Erwartungsgemäß entspricht die "Anlage" wieder nicht unseren Anforderungen, es ist alles etwas schmuddelig und ungepflegt. Einen Zaun vor einer kniehohen Terrasse hat man aus unerfindlichen Gründen mit Stacheldraht verziert.

An der Badebucht finden sich kaum Menschen ein, man ist mit den Fischen und dem anderen Getier ganz unter sich. Zierde der Bucht ist heute eine etwas beleibte Dame, die sich oben ohne auf einer Felsgruppe drapiert hat. Es fällt einem sofort die Loreley ein: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten... Wir wandeln den Namen um: "Loreleier", das erkenne ich mit kundigem Blick, alles ausgeleiert.

Ich begebe mich wieder auf eine Schwimmwanderung in die Nachbarbucht. Dort rüstet ein Taucher mit Hilfe seiner Begleiterin gerade auf und läßt sich die Gummirüstung anzerren. Beim Zurückschwimmen entdecke ich linkerhand ein Geheimnis: das ist eine Felsspalte, wo man in die nächste Nachbarbucht hindurch schauen kann. Nichts wie hin. Nur mit der Badehose bekleidet zwänge ich mich da durch und befinde mich in einer nur vom Wasser aus zugänglichen Nische. Oben von der Straße äugen Menschen herunter. Nachdem man sicher ist, daß diese einen auch bemerkt haben, verschwinde ich wieder durch die Nische und überlasse die Beobachter ihrer Ratlosigkeit.

Unser Tagesrhythmus normalisiert sich, Spätnachmittag am Pool, Gespräche mit einigen Gästen, die kurz vor der Abreise stehen. Die Leute werden dann irgendwie mitteilsamer. Ein Ehepaar ist mit dem Hotel nicht zufrieden, ihnen geht es vornehmlich um das Haarewaschen. Man bekomme den Kopf nicht unter den Wasserhahn, die Dusche sei auch nicht verstellbar. Bei einigen Zimmern befinde sich das Bidet direkt vor dem vorgereckten Hals, wenn man auf dem Klo sitze. Wie ein Kotzbecken komme das einem dann vor. In unserem Badezimmer ist das nicht so, allerdings gesteht Heidi, daß sie bei einem kleineren Bedürfnis auch schon mal das Becken verwechselt habe.

Heute hat sich Heidi eine Überraschung ausgedacht: für unsere strapazierte Haut soll ein Ölbad genommen werden. Dazu reichert man das Badewasser mit ganz normalem Speiseöl (aus dem Supermarkt) an, ein paar ausgequetschte Zitronen sollen das Ganze dann noch verfeinern. Nach dem Bad - Haare möglichst nicht eintauchen - muß man sich dann an der Luft trocknen lassen, damit die Fettaugen auf der Haut richtig einziehen. Dazu gehen wir auf den ausgebreiteten Badetüchern im Zimmer auf und ab, in der Hoffnung, daß man uns nicht aus dem gegenüberliegenden Hotel Nilo mit Ferngläsern beäugt. Ein Problem bereitet auch die Badewanne, die mit Klopapier und Seife nur schwer von den Ölresten gereinigt werden kann. Dann haben wir aber auch an allen möglichen und unmöglichen Stellen des Körpers diese Zitronengriepsche kleben. Unter Verrenkungen kann man wenigstens einen Teil davon wegklauben, inzwischen ist man trocken - und tatsächlich, eine samtweiche Haut ist der Lohn. Ich als in diesen Dingen immer skeptisch, bin sogar überzeugt, aber das nächste Ölbad würde ich nur in einer ausgeprägten Notsituation über mich ergehen lassen.

ml23_1 Strandpromenade

Heute ist wieder ein ereignisreicher Tag, denn es wartet noch die Einweihung der Strandpromenade und ein Flamencoabend in der Bar auf uns. Also erstmal zu dieser Einweihung. Da hat man tagsüber schon Podeste für Popmusik und Ansprachen der Verantwortlichen errichtet. Wir machen unseren Rundgang, die Ansprachen sind gerade im Gange. Das ist ganz wie bei uns, der eine ehrt den anderen, ein jeder Geehrte tritt vor und genießt den Applaus. Es geht wohl um die Finanzspritzen, mit denen die ganzen Preßlufthämmer und Kompressoren zu Herstellung der Strandpromenade finanziert wurden. Zudem hat man auch noch ein paar Dutzend Palmen direkt auf dem Strand gepflanzt. Deren Wipfel dürfen aber noch nicht aufgebunden werden, solange sie nicht angewachsen sind. Mallorca befindet sich im Wassernotstand, jede Palme muß aber wohl pro Tag mit schätzungseise 100 L gewässert werden.

Wir kehren nun dieser ganz in spanisch gehaltenen Kundgebung den Rücken - die sollen ja auch mal unter sich sein dürfen. Wir beschreiten die neu fertiggestellte Strandpromenade. Schon gibt's wieder Ärger, ein vor uns dahinschreitendes Ehepaar moniert die unzulänglich eingesetzten Gullideckel. Die wackeln beim Drauftreten. Der Ehemann ist offensichtlich technisch auch nicht von gestern: entweder sei die Fassung verzogen oder der Deckel selber. Das kann man sogar nachvollziehen.

Als die Popgruppen aufbrüllen, machen wir uns eilig auf den Weg zu unserem Flamencoabend. Für Heidi bestellen wir einen Sangria, ich ordere eine Flasche spanisches Bier, das ist billiger als Bitburger.

Die Vorstellung hat schon angefangen, und wir platzen mitten in eine Szene, die man beschreiben muß. Ein kleiner Mann mit Rüschenhemd und enganliegenden Hosen tritt hervor und konzentriert sich mit halbgeschlossenen Augen, Arme verschränkt und Hohlkreuz. Dann macht er ein paar Stampfversuche mit seinen Schuhen, aber die Musik vom Band hat wohl noch nicht den richtigen Einsatz parat. Das ganze von vorn, dann endlich kommt er fingerschnipsend in den richtigen Takt und klappert mit seinen Schuhabsätzen ein wenig im Kreis herum. Ein spärlicher Applaus belohnt ihn für all die Mühen, worauf er sich hinter dem Tresen erstmal eine Zigarette ansteckt. Dann treten drei Damen auf. Eine ist wirklich feurig, das muß man schon sagen. Die zweite ist blond, weniger feurig und läßt den Verdacht aufkommen, daß es sich um eine an einem Spanier hängengebliebene Deutsche handelt. Die dritte aber ist eine spanische Matrone, wie man sie sich vorstellt. Wenn sie die Röcke rafft, kommen beachtliche Gehwerkzeuge zum Vorschein. Sie hat aber bei weitem das größte Temperament.

In dieser Weise geht die Vorstellung weiter, wir sind nur froh, daß weder Eintritt erhoben wird noch erhöhte Getränkepreise gelten. Das Feuerwerk am Strand haben wir derweil verpaßt, eines kann man nur haben. Aber auch davon wird uns am nächsten Tag berichtet: faustgroße Löcher habe so manches Kleidungsstück aus synthetischen Materialien durch herabrieselnde pyrotechnische Relikte davongetragen.

Nicht mal auf dem Balkon läßt sich nach so einem erfüllten Tag noch etwas erleben, die Popgruppen vom Strand klingen noch herüber, ein Mopedfahrer fährt mit mörderischem Aufheulen den Berg hinauf, dann begeben wir uns mit unserer ölig-samtweichen Haut in unsere Preßbetten.

Sonntag, 7.5.

Der Himmel zeigt sich zur Abwechslung leicht bewölkt, aus Rache beschließen wir, heute nachmittag eine Bootsfahrt nach Telmo mit Umrundung der Insel Dragonera zu machen. Die Fahrkarten werden gleich am Morgen besorgt, da kann man sich anschließend am Pool beruhigt aufs Ohr legen.

Hier herrscht Abschiedsstimmung, eine ganze Reihe von Gästen rüsten für die Rückfahrt. Auch die gerade begonnene Kurven-Romanze wird heute ein jähes Ende nehmen. Leider werden wir die Abschiedsszene am Nachmittag nicht protokollieren können.

Rechtzeitig begeben wir uns zum Anleger. Im Wasser krabbelt einer im Gummianzug herum, dann kommt er an Land und zeigt seiner dort lagernden Angebeteten seine Beute. Es ist ein feuerroter Seestern. Schon will ich mich ereifern über den Naturfrevel, da fliegt der Seestern aber auch schon in hohem Bogen zurück in sein Element.

Ich klettere schon mal auf die Klippen, um das Nahen des Bootes zu vermelden. Da reckt sich mir eine helfende Hand entgegen, sie gehört zu einem Iren, wie sich herausstellt. Er ist bedenklich "red on his skin", zieht sich auch gleich sein Unterhemd über. Ein kleiner Small Talk auf Englisch, das erfrischt. Daß wir auch mal nach Irland fahren möchten wird damit beantwortet, das Germany auch beautiful sei, besonders Munich, ein Golfclub und irgendwas mit Jockeys, man wird nicht ganz schlau aus dem Slang.

Ich kehre zurück back to my wife, die sich gerade in der falschen Warteschlange für die kleine Rundfahrt um die Bucht von Paguera angestellt hat. Für diese legt gerade das Glasbottom-Boot mit dem Namen Cormoran an. Da biegt auch schon unser Boot um die Ecke, es heißt auch Glasbottom-Cormoran. Nach Ausbringen einer wackeligen "Gangway" betritt man auf schwankendem Untergrund das Deck, ein Fotograf knipst eifrig, sorgsam darauf bedacht, daß die zusammen gehörenden Paare auch gemeinsam auf dem Foto erscheinen.

Wir finden einen schönen Platz neben der Ankerwinde. Lässig holt einer von der Bootsbesatzung den Anker auf. Ein Kollege schreit aus unerfindlichen Gründen immer "Macho-Mann!". Mit dem Macho-Mann ist es wohl nicht weit her, denn als das Boot schon im Rückwärtsgang ablegt, hat er sich mit seinem Seil gründlich verheddert, es verklemmt sich in der Klüse und es besteht die Gefahr, daß der Anker in die Schraube gerät. Da kommt Hektik auf, der Motor muß gestoppt und das Gehedder aus der Klüse gezottelt werden.

Nun geht es endlich los, mit einem ordentlichen Tempo rauschen wir an der Cala Fornells vorbei, passieren die Cala Munjo (Mönchsbucht). Von oben grüßt winkend ein nackter Mann. Wir umrunden Cap Andritxol. Das ist eine 200 Meter hohe Klippe, da muß man den Kopf schon zurücklegen. Geheimnisvolle aber unzugämgliche dunkle Öffnungen im Fels lassen auf die 401-te Höhle hoffen. An einigen Stellen sind auch Tropfsteine zu sehen, ob die aber oberirdisch entstanden sind oder aus aufgebrochenen ehemaligen Höhlen stammen, weiß ich auch nicht.

Es folgt Camp de Mar und Porto Andraitx. Ein braunes Haus am Steilhang wird über Lautsprecher näher identifiziert: "Haus von Claudia Schiffer!". Leider zeigt sich diese wahre Loreley aber nicht, auch ein David Copperfield macht gerade nicht mit ausgebreiteten Armen einen Rundflug über die malerische Gegend. Sowas kommt eben nur im Fernsehen vor, mit Feuer, Rauchschwaden und illuminierender Beleuchtung.

ml24_1 ml24_2 Die Insel Dragonera

Wir müssen uns mit der Insel Dragonera zufrieden geben, die nun voraus langsam in Sicht kommt. Diese erhebt sich über dreihundert Meter aus dem Meer, zur Seeseite fällt sie nahezu senkrecht ab. Wir fahren unter den schroffen Felsen entlang, jeder Kletterer würde hier das Kribbeln in den Extremitäten bekommen. Aber es ist ein Naturschutzgebiet, da darf man sicher nicht "Mit Seil und Hacken, den Tod im Nacken" seinem Sport frönen.

Nun fährt das Boot ganz nahe unter die überhängenden Felsen, man guckt unwillkürlich nach oben, ob sich da nicht vielleicht ein Steinschlag löst. In einer Grotte wird der Motor abgestellt, "Maschin kaputt!" wird mitgeteilt. Die Fotoapparate klicken. Ein Echo gibt es auch, das kann man sich ja leicht denken.

ml26_1 ml26_2 ml26_3 ml26_4 Felspartien

Maschin springt dann doch wieder an, und wenige Meter weiter kommt die nächste Sensation: "Looki, Looki, Pinguin, Pinguin!!". Eine Horde Kormorane inspiziert von den Klippen aus die Fischgründe. 300 Meter darüber kreisen die Falken, aber das muß man selbst herausfinden. Der Rest dieser spektakulären Insel wird umrundet, wir passieren die Cala Brasset mit dem alten Wachtturm, wo wir schon vor zwei Jahren einmal zu weilen geruhten. Dann legen wir wohlbehalten in Telmo an, nur mit dem Knäuel des Ankertaus hat man wieder sein Tun.

Eine Stunde Aufenthalt, am Strand setzen wir uns in ein Cafe auf einen Capucino. Immer wird die Aufmerksamkeit ja irgendwie abelenkt. Hinter uns sitzen zwei jüngere deutsche Pärchen, Einer hat das Sagen und sülzt die anderen voll, daß sie kaum zu Wort kommen. Leicht angekifft wirkt der Knabe. So lautet dann auch seine tiefgründige Erkenntnis: "Die größte Droge ist, keine zu nehmen." Um das zu untermauern, berichtet er weiter, in Hamburg habe er mal vier Tage lang gefeiert - am H.Albers Platz, er allein habe 4 Flaschen Whisky und 400 Zigaretten weggeputzt. Als wir uns dann erheben, kann man sich diesen Wunderknaben auch mal ansehen, kahlgeschoren, durch Bodybuilding gestählt, so stellt man was dar.

Heute sind alle pünktlich wieder am Boot. Noch bleibt Zeit, einer Tauchergruppe zuzusehen, die bergeweise Ausrüstungsmaterial hin und her packt. Beim Ablegen unseres Bootes bewältigt unser "Macho-Mann mit einem Eis am Stiel zwischen den Zähnen nunmehr lässig das Ankergerödel. Ein Herr neben mir ist offenbar ins Grübeln gekommen und stellt die naheliegende Frage: "Wie kommt eigentlich das ganze Salz ins Meer?" "Vom Schweiß der Badegäste" mag man ja auch nicht sagen, übrigens habe ich darüber auch noch nicht nachgedacht. Also murmele ich was von Salzlagern, die wohl in Jahrmillionen ausgewaschen wurden. Ja, das dauere wohl alles hunderte von Jahren, grübelt er weiter. Dann will er auch noch wissen, ob die Felsen aus Basalt oder Granit sind. Wir einigen uns auf Kalksandstein oder Sandkalkstein.

Nun werden die Fotos vom Beginn unserer Reise herumgereicht, die sind inzwischen über Telmo von einem PKW-Fahrer eingeflogen worden. Wir sind nicht so gut getroffen, Heidi (Vordergrund) hat auf der schwankenden Gangway keinen so gelösten Gesichtsausdruck, mein Gesicht (Hintergrund) ist durch die Schirmmütze verschattet. So heben wir uns die 600 Peseten für den Abend auf.

Dösend erleben wir den Rest der Rückfahrt, ab und zu ein Blick auf die Uhr, ob wir auch rechtzeitig zum Abendessen kommen. Das ist der Fall. Wir haben übrigens neue Tischgenossen, das Ehepaar aus Hildesheim ist am Freitag abgereist. Nun haben wir zwei ganz bescheidene Leutchen aus Wittenberg an der Elbe zur Seite. Sie machen ihre erste größere Reise nach der Wende, bisher ging es nur in die Lüneburger Heide oder ins Allgäu. Schwarzes Meer, Krim oder Petersburg, ja das kenne man ja alles von "vor der Wende". Aufgrund unseres begeisterten Berichts von der gerade absolvierten Bootsfahrt machen sie das dann ein paar Tage später auch und sind nicht enttäuscht.

Heute abend gehen wir noch Shopping, dh. durchstreifen sämtliche noch geöffnete Läden auf der Suche nach einem speziellen Zahnputzmittel, das man bei uns in jedem Geschäft bekommt. Leider erfolglos, nur Zahnstocher, Damenbinden, Brillenputztücher oder Präservative sind im Angebot. Das Gewünschte können wir erst am nächsten Tag in einer Apotheke auftreiben.

Letzte Balkonbeobachtung: Die weiße Romanze bricht mit ihren Kurven, die nur noch Erinnerung sind, zu neuen Ufern auf.

Montag, 8.5.

Ein fauler Tag! Es muß wieder ein Betrag vom Postsparbuch abgebucht, anschließend die Kurse der Wechselstuben studiert werden, um die eigene Schlauheit zu bestätigen. Im Wetterbericht der Bildzeitung ist zu lesen: Mallorca 28 Grad. Das lese ich laut vor und sage: "Da wäre ich jetzt gern". wieder einer meiner Sprüche wegen derer mich Heidi immer in die Seite stößt. Ein Mädchen neben uns lacht aber immerhin.

Dann testen wir Hotel Nilo, wo Achim mit seiner Luise ... s.o. Wir kaufen eine Ansichtskarte von dieser Einrichtung, die wir Achim und Luise gelegentlich zuschicken werden. Auf der Suche nach der Pool-Anlage verlieren wir in einem gewundenen Gang des Hotels die Orientierung und kehren lieber um.

Der Himmel ist schummrig, deswegen vergnügen wir uns nur an unserem Palmenpool. Das Publikum ist in dieser Woche weniger interessant. Ein 6-köpfiger Damenclub aus dem rheinischen Raum verpraßt die Canasta-Kasse mit einer Woche auf Mallorca. So ist auch das Palmenzimmer belegt, Zitat s.o. An Lektüre fehlt es uns allerdings nicht. Nachdem sämtliche mitgeführte Bücher ausgelesen sind, haben wir uns bei der Flurbörse bedient. Das funktioniert so, daß Heidi morgens aufgeregt die Beistellschränkchen in den Fluren von Hotel Palmira inspiziert, auch nicht davor zurückschreckt, sämtliche 6 Stockwerke zu durchstreifen. Der Erfolg ist beachtlich.

Neben Bildzeitung oder Frau im Spiegel findet man erstaunlich viele von diesen kleinen Heftchen, die man bequem in einer Hand halten kann. Es finden sich Titel wie:

Die Untertitel lauten meistens: "Ihr großer Schritt". Aber da muß ich Heidi korrigieren, die ja ihre Lesebrille auch nicht immer in Reichweite hat, es heißt: "In großer Schrift".

Am Abend starten wir wieder einen Verkaufsbummel. Diesmal soll es auf eine neue Badehose los gehen, meine alte entspricht nicht mehr dem eleganten Standard des modischen Herrn. Das klappt wider Erwarten gut, beim dritten Versuch werden wir fündig. Da bietet sich der stolze Spruch an: "Ich habe eine Badehose aus Mallorca!".

Dienstag, 9.5.

Mit der neuen Badehose geht es wieder in die Bucht. Ich schwimme an den Felsen lang bis zu einem Vorsprung, dahinter liegt ein Wrack auf der Klippe. Längs der Wasserlinie kleben seltsame rote Pfropfen an den Felsen, daneben Seeigel. Als ich mal nach unten schaue, wo ich auf einem Vorsprung stehe, sehe ich rings herum ganze Seeigelbänke, nur der Zufall hat mich davor bewahrt, da hineinzutreten. Wenn man mal vorsichtig einen Seeigel berührt, bekommt man schon eine Gänsehaut, nadelspitz und steinhart. Die roten Propfen sollen Seeanemonen sein.

Im Wasser steht ein Kölner: "Isch han de Wett schon jewonn, daß ich in den Urlaub noch ins Wasser jonn!". Eine Dame, ebenfalls aus Köln, füttert die Fische mit Brot: "Käse mögen die lieber" weiß sie zu berichten. Dann sammelt sie Einsiedlerkrebse zusammen, die sie zu einem Rennen in eine Reihe setzt. Die Loreley sehen wir nicht mehr, nur links von uns sitzt eine angelnde Engländerin, aber die ist erheblich magerer. Neben uns lagern sich zwei Schwäbinnen ab, die eine berichtet ausführlich über ihr Privatleben, das kann ich nicht alles ausbreiten. Jeder Satz endet jedenfalls mit "..., woisch?" (weißt du?).

Nach dem Abendessen pilgern wir hinauf zu der Apartmentsiedlung Esmeralda. Die ist hoch über Paguera mitten im Wald im Stil von Cala Fornells hingeklotzt und auch ghettomäßig nach außen hermetisch abgeriegelt. Die anderen Privatgrundstücke in dieser Gegend machen nicht immer einen glücklichen Eindruck, so ist dann auch wieder das Schild "Se Vende" zahlreich vertreten.

Mittwoch 10.5.

Schon der vorletzte Tag, man glaubt gar nicht, wie schnell die zweite Woche vergeht, da sind sich alle einer Meinung. Wir verleben nochmal einen herrlichen Tag an der Bucht. Bei mir wird das etwas getrübt durch einen "Ohrproppen", sowas kriegt man, wenn man zulange auf einem Ohr liegt und zusätzlich Wasser vom Baden als Quellmittel wirkt. Normalerweise geht man dann zum Ohrenarzt und läßt sich die Ohren durchpusten, wie wir das nennen.

Mit derart gestört stereophonem Gehör weiß man immer nicht, aus welcher Richtung die Geräusche kommen, und wirkt deshalb etwas desorientiert, wenn man angesprochen wird. Mir geht es so, als mich am Nachmittag eine Dame bittet, ihr einen Kaffee mitzubestellen. Nach einigen "Waas?" und "Woo?" habe ich das erst geschnallt. Dann habe ich aber die Faxen dicke, verabschiede mich vom Poolgeschehen mit der Absicht, das mit dem Ohr nun selbst in die Hand zu nehmen.

Dazu wird warmes Seifenwasser in das Ohr eingefüllt, das meiste läuft weniger nutzbringend über die Brille in die Nase. Dann muß das Ohr mit dem kleinen Finger in möglichst hohe Schwingungen versetzt werden, das wirkt etwa wie eine Waschmaschine. Und tatsächlich: mit ein paar schmatzenden Geräuschen geruhen die Gehörgänge die ihnen zugedachte Tätigkeit wieder aufzunehmen, man fühlt sich wie ein neuer Mensch.

Am Abend machen wir noch einen Spaziergang bis zum Ende der Straße hinter dem Hotel. Gleich hinter dem Ortsrand von Paguera ist man schon in der Wildnis, zweifelhafte Pfade führen in zweifelhafte Richtungen und enden meistens zweifelhaft. Inzwischen sind einige Horrorgeschichten über die Gefahren in den Bergen in Umlauf, sodaß ich mich einem strengen Verbot beugen muß, nicht allein in die Berge zu gehen. Bei dem Wetter der vergangenen Tage und den damit verbundenen Badefreuden ist das auch nicht so schwer gefallen. So aber bleiben von der anfangs aufgestellten Erlebnisliste die meisten Punkte unbearbeitet.

Entlang einiger Trockenmauern kommen wir beim Hotel Paguera raus, ziehen noch einmal eine Runde um den Pool, um uns in dem Eindruck zu bestätigen, daß es im Palmira schöner sei. In den angrenzenden Apartmenthäusern hört man auffällig häufig englische Laute, sollte die deutsche Vorherrschaft in Gefahr geraten?

Zunächst ist dem nicht so, denn eine Straße weiter befinden sich mehrere Biergärten hintereinander, da sind zahlreiche Fernsehgeräte aufgestellt. Jedes Spiel, ob erste oder zweite Bundesliga, das im Fernsehen übertragen wird, findet dort sein sachkundiges Publikum.

Wir versacken wieder auf unserem Balkon. Die weißbehangene Tussi zieht mit einem neuen Kavalier herum, der morgens immer als Rucksackwanderer auftritt.

Donnerstag, 11.5.

Der letzte Tag, und der ist auch danach. Die Sonne scheint nicht durch die dichte Wolkendecke, der Blick über das sonst blaue Meer verliert sich im grauen Dunst. Wir ziehen durch den Ort auf der Suche nach Mitbringseln, schließlich werden die letzten Peseten bis auf einen Notgroschen in Zigaretten angelegt.

Da man sonst nichts mit sich anzufangen weiß, landet man wieder am Pool. Heidi hat noch genügend Lesestoff mit den Bergdoktor-Romanen. Die Gäste, die wie wir kurz vor der Abreise stehen, bestätigen sich einhellig in der Meinung, daß bei dem Wetter der Abschied ja nicht so schwer falle.

Ich habe noch ein paar Bilder auf meinem zweiten Film, da mache ich noch einen Rundgang über den Strand und über eine schwer auffindbare Treppe hinauf nach Monte Fornells. Bald habe ich alle Sackgassen abgelaufen oder bin vor verschlossenen Gittertoren herausgekommen. Aber der Film ist fertig abgeknipst.

Zum Abschied beim Abendessen werden wir nicht gerade belohnt. Komischerweise schmeckt es einem in der ersten Woche sowieso immer besser. Heute gibt es Paella, eigentlich spanisches Nationalgericht. Aber hier ist der Reis klitschig, dazwischen sind gehackte Hähnchenflügel hineingekocht, das ist eine einzige Asammlung von Knochensplittern. Die großen Langusten dienen mehr der Dekoration, nur die Miesmuscheln sind ganz gut, aber da gucken die Tischgenossen einem wieder komisch auf den Teller.

Ein abschließender Strandgang, es herrscht eine ordentliche Brandung. Laut Anzeigetafel sind alle Bootsfahrten heute ausgefallen. Zwei Gummiknaben versuchen sich im Wellenreiten. Durch die staunenden Zuschauer sind sie aber wohl so aufgeregt, daß ihnen nicht allzuviel gelingt.

Der Abend und damit der Urlaub klingt aus in der Bar, wo nochmal zum Tanzen aufgespielt wird. Wieder kann ich mich vor dem obligaten Sandalenschlurfen nicht ganz retten. Wir verabschieden uns von Christine, ihr wird zu Weihachten eine Überraschung versprochen, das sind diese Zeilen.

Am nächsten Morgen müssen wir früh raus, drei Stunden vor Abflug wird man bereits abgeholt. Diesmal erleben wir wirklich eine Irrfahrt. Alle Hotels werden einzeln abgeklappert. Am Hotel Galatzo (vier Sterne), wo der Bus nur mit einigem Aufwand die Auffahrt nehmen kann, winkt der einzige Mitfahrer müde ab und verläd seine Tasche mit Golfschlägern in sein Leihauto. Wir erleben noch die Orte Santa Ponsa und Illetas in ihrer ganzen Schönheit.

Am Flughafen haben wir noch genug Zeit, bei einem Kaffee den ständig startenden Flugzeugen zuzusehen, dahinter die Kulisse der Tramuntana und die 1000 Windmüühlen, die keine sind.

ml30_1 Regen zum Abschied

Nachtrag

Weniger als eine Woche nach unserem Abreisetag hat man den abgängigen Baulöwen Jürgen Schneider und seine Frau in Florida festgenommen. Natürlich bereuen Heidi und ich nachträglich, daß wir uns nicht selbst zu einem Zugriff durchringen konnten.