Auch mal nach Mallorca 9.4.-23.4.93

Hinfahrt, Karfreitag

Zugegeben, unsere Art Urlaub zu machen war das bisher nicht. Man geht ins Reisebüro - was ist im Angebot - aha - ein Formular ausfüllen - Reiserücktrittsversicherung abschließen, schließlich einen gewissen Geldbetrag an das zuständige Reiseunternehmen überweisen - schon hat man zwei Wochen Mallorca in der Tasche, mit Flug und Halbpension. "Preisvergleiche lohnen sich", so hört man immer. In unserem Fall lag die Insel Sylt mit der geografisch doch etwas anders gearteten Insel Mallorca im Wettbewerb. Keine Chance für Sylt, die Ferienwohnung sollte pro Tag DM 160.-, nach gutem Zureden dann DM 130.- kosten, da sind Fahrt, Verpflegung, Nebenkosten usw. noch nicht eingerechnet. 130 x 14 = 1820. Für einen Hunderter mehr haben wir alles inklusive für zwei Personen. Nur: Sylt hört sich vornehmer an...

So ist die Entscheidung kurzerhand gefallen. Die Kinder schicken wir so lange aus dem Haus: Verena nach Frankreich, Stefanie nach England. Nur auf Annika können wir nicht verzichten, die muß den Hund ausführen. Eher haben wir "Berührungsprobleme", wenn Heidi und ich nach unserem Urlaubsziel gefragt werden. Die "Putzfraueninsel", auf die pro Jahr 7 Millionen Menschen losgelassen werden, wo man ganze Landstriche zubetoniert hat, sich an Strand oder "Pool" die Drinks reichen läßt, die Nächte in Diskotheken durchstrampelt... ist das auch das richtige für uns? Komischerweise trifft man kaum auf Bekannte, die noch nicht auf Mallorca waren, und alle versichern einem, daß man dort auch ganz anders Urlaub machen könne, mit Wandern und so, und die Landschaft wäre so schön! Na umso besser, uns lockt vor allem das Mittelmeerklima, die Vegetation und die Sonne.

Bucht von Paguera

Aus arbeitstechnischen Gründen bei Heidi können wir erst am Karfreitag starten, der Flug geht um 5.10 Uhr morgens ab Hannover. Eineinhalb Stunden vorher soll man zum "Einchecken" am Flughafen sein, eine Stunde rechnen wir für die Hinfahrt, da muß der Wecker auf zwei Uhr in der Nacht gestellt werden. Bei der ganzen Aufregung kann man natürlich nicht einschlafen, und wenn man dann doch endlich vor Müdigkeit einnickt, meldet sich prompt schon der Wecker. Da muß man durch, nach einem kurzen Frühstück sitzen wir im Auto. Auf der Autobahn nach Hannover fahren wir an einer nicht enden wollenden Lichterkette auf der Gegenfahrbahn entlang, nachts um drei Uhr wohlgemerkt. Sonderbar, wo die wohl alle hinwollen. Im Radio werden 50 km Stau in Richtung Berlin gemeldet.

Wir bleiben davon verschont und suchen planmäßig den Touristikparkplatz in Langenhagen auf, wo das Auto für 14 Tage abgestellt wird. So wie wir gerade aus der Wärme von Bett und Auto gekrochen sind, ist es uns lausig kalt, zum Glück hat Heidi einen Wintermantel und ich eine dicke Jacke an. In der noch stockdunklen Nacht findet sich ein Gepäckwagen, mit dem wir unsere zwei Koffer, Rucksack und Tasche wie auf einem Kinderwagen Richtung Flughafengebäude rollen können. Dort ist noch alles verschlafen, hier und dort gähnt jemand hinter einem Besen her. In einer Cafeteria sortiert eine Frau lustlos Trinkgläser aufeinander, mit der Pyramide klappt das heute morgen noch nicht so, schon bald muß sie Handfeger und Schippe bemühen. Mehr als zuschauen können wir auch nicht, einen Kaffee kann man um diese Zeit nirgends bekommen.

Wieviele Bekannte werden wir auf dieser Reise treffen? Vorab: gar keine, nur hier in der Flughafenhalle laufen zwei herum, die ich kenne: die Zweiradprofis, das ist ein männliches Zwillingspaar, Verkäufer in einem Zweiradladen. Sie haben zwei gut einbalsamierte Tussis im Schlepptau: Ostern auf Mallorca - das muß es bringen. Bald ist der Schalter für unseren Flug besetzt, natürlich sind wir so ziemlich die ersten beim "Einchecken". Bisher sind wir ja auch nur gelegentlich geflogen, Heidi einmal nach Berlin und ich einmal um den Brocken. Da muß man seine Unerfahrenheit durch betont weltmännisches Auftreten kaschieren, was uns ja immer wieder unnachahmlich gelingt.

In diesem Fall wird das durch die Kofferanhänger symbolisiert. Das ist jetzt etwas kompliziert. Die wurden uns nämlich von dem Reisebüro ausgehändigt, wo wir unsere Reise gebucht haben: Berg u. Dörr. Der Reiseveranstalter ist aber Sun World Tour. Deren Vermittler ist aber die Firma Bucher Reisen, Düsseldorf. Auf unserem Kofferanhänger steht aber LTU-Reisen. Fliegen tun wir aber mit Hapag Lloyd.

Nun, zunächst gibt es keine Probleme, die Koffer werden abgegeben, wir selber schließlich durch eine Sicherheitsschleuse geleitet, das Handgepäck wird durchleuchtet, die Kleidung mit einem Detektor nach metallenen Gegenständen abgesucht. Zuvor haben wir für diesen Service pro Nase DM 8.- "Sicherheitsgebühr" entrichten müssen. Trotzdem finden sich weder Handgranaten noch Kalaschnikoff in unseren oder anderen Taschen.

Innerhalb des Sicherheitsbereiches warten wir auf den Abflug, ebenso die Fahrradzwillinge mit ihren Tussis, ferner ein Herr, der aussieht wie eine Parodie auf den Umweltminister Töpfer: der würde zwei Hände brauchen, um sich beim häufigen Gähnen den Mund zuzuhalten, doch er gähnt lieber freihändig. Bald müssen wir wegschauen, sonst steckt das zusehr an.

Endlich können wir das Flugzeug betreten. Heidi hat einen Fensterplatz. Die Fahrradzwillinge sitzen eingerahmt von ihren Tussis eine Reihe vor uns. Beide Zwillinge haben Wattestöpsel in den Ohren. Nach langem Anrollen zur Startposition heben wir ab Richtung Braunschweig, der Kurs wird in einer Schleife über Hildesheim und Hameln aufgenommen, die Flughöhe von 10000 m bei einer Geschwindigkeit von 800 km/h wird etwa in der Gegend von Frankfurt erreicht. Das kann man alles auf Monitoren verfolgen, die längs des Mittelgangs angebracht sind. An weiteren Abwechslungen folgen ein Frühstück und Videodarbietungen. Besonders der englische Komiker Mr. Bean löst einige Heiterkeit aus, als er auf einem 3 m Sprungbrett die Höhenangst demonstriert, was schließlich mit einem Absturz endet. Heidi auf ihrem Fensterplatz hat da keine Probleme, es ist ja noch dunkel.

Irgendwann sieht man tief unten Lichter und weiße Fetzen, Heidi behauptet, das seien die Alpen, ich versteife mich auf Wolken. Doch dann wird es bald hell, wir sind schon über dem Mittelmeer. In Palma sei es noch ein bißchen diesig, teilt der Flugkapitän mit. Wir überfliegen eine schroffe Felsspitze, links erkennt man die Insel Menorca. Dann befinden wir uns im Landeanflug. Die Landung erfolgt etwas plötzlich, die Landebahn taucht aus dem Nebel auf, da rumpelt es auch schon und etwas holprig schwankend setzt das Flugzeug auf. Vorne wird geklatscht. Das sind die Schißhasen, die sich dadurch Erleichterung verschaffen. Später lesen wir in der Zeitung, daß zu diesem Zeitpunkt auf dem Flughafen Palma wegen anhaltenden Nebels "nichts mehr ging". Wie sind wir da bloß runtergekommen?

Mit einem Transportbus werden die Passagiere nun zum Flughafengebäude gebracht, das Gepäck in Empfang genommen, dann zum Infoschalter von Sun World Tours, aha, Bus Nummer 244 nach Paguera. Der ist bald gefunden, die Koffer werden verstaut. Kaum haben wir uns gesetzt, werden wir aufgerufen: "Familie Witran oder so?" Vielleicht sind wir der millionste Besucher in diesem Jahr und kriegen womöglich irgendwas gestiftet. Doch nein, wir seien mit dem falschen Flug gekommen, das wäre dann nicht der richtige Bus. Dieses Mißverständnis hat seine Ursache in den "falschen" Kofferanhängern. Das läßt sich aber klären, denn in Flugticket und Hotelgutschein haben wir es schwarz auf weiß: Sun World Tours. Als sich die Köpfe der Mitreisenden wieder von uns abwenden, können wir uns beruhigt wieder setzen.

Die Fahrt führt nun zunächst über die Autobahn an Palma vorbei. Wer seine Meinung über eine Landschaft aus den ersten Eindrücken herleitet, der darf nicht nach Mallorca kommen, jedenfalls nicht per Flugzeug. Die Außenbezirke von Palma wirken wie amerikanische Slums, alles ist verbaut und dem Autoverkehr gewidmet. Ab Palma Nova steigen die ersten Gäste nach und nach an diversen Hotels aus, ein Blick aus dem Fenster: "Hier möchte man nicht begraben sein". Auch die Fahrradzwillinge haben ihr Ziel erreicht: Hotel Antilla, scheinbar direkt am Meer gelegen. Die Zwillinge tragen ihre Reisetaschen lässig geschultert, die Tussis wuchten ihre Koffer eine Treppe hinauf. Weiteres über diese Episode können wir leider nicht berichten.

In Santa Ponsa steigen wieder viele aus, die Gegend wird etwas bergiger. Angst machen einem Einrichtungen wie Aqua Paradise, Marine Land usw. die von großen Parkplätzen umgeben sind. Der nächste Ort ist dann schon Paguera, in einer Bucht gelegen, Hotels wo man hinsieht. Eines davon ist unser Ziel: Hotel Paguera, dort werden wir ausgesetzt.

Hotel Paguera

Wir ziehen unsere Winterklamotten an und erklimmen mit unseren Koffern die lange Eingangstreppe. In der Hotelhalle herrscht reges Treiben, Koffer von Abreisenden stehen herum, andere in kurzen Hosen und T-Shirts oder auch gleich in Badesachen streben ins Freie oder an den Pool, das ist das türkis schimmernde Etwas im Innenhof des Hotels. In unseren dicken Kleidungsstücken kommen wir uns nicht so ganz weltmännisch vor. So werden wir in Zukunft dann auch besonders darauf achten, wie die Neuankömmlinge gekleidet sind.

Inzwischen ist es gegen 9 Uhr. Man sieht sich verblüfft an: wir sind auf Mallorca, und zu Hause steht die Kaffeekanne noch auf dem Tisch. Unser Hotelzimmer können wir erst ab 12 Uhr beziehen. So bleibt uns Zeit für einen Erkundungsgang. An Kleidungsstücken wird abgelegt was irgend möglich, es ist ein Wetter wie im Sommer. Dann stapfen wir los, man ist aufgrund der bisherigen Eindrücke doch skeptisch. Das Hotel Paguera liegt am oberen Ortsrand von Paguera, daher in ruhiger Lage und gleich am Rand der Natur. Unten an der Hauptstraße wird man dagegen schier verrückt: Busse, Lastwagen, PKWs und andere Motorfahrzeuge wälzen sich lärmend durch den Ort. Die Umgehungsstraße um Paguera ist noch im Bau. Trotz des heutigen hohen Feiertags sind Müllabfuhr und Straßenreinigung wacker am Werke.

Gleich unterhalb der belebten Hauptstraße befindet sich der Strand, wo man dann auch schon mal das Meer rauschen hört.

Meeresrauschen

Wir setzen uns zwischen den Badegästen auf eine Mauer. Wunderbar ist die türkisblaue Farbe des Meeres, das Wasser ist glasklar. Über der Bucht sieht man links das dicht bebaute Santa Ponsa, rechts ist die Bucht durch das Kap Andritxoll begrenzt, wo noch keine Bebauung existiert. So in der Sonne dösend vollzieht sich unser Einstand auf Mallorca gar nicht so unangenehm.

Dann meldet sich der Hunger und wir gönnen uns einen Heringstopf in einem kleinen Straßenrestaurant. Endlich ist es 12 Uhr, wir finden uns wieder im Hotel ein, beziehen unser Zimmer und kleiden uns erstmal witterungsgemäß ein. Eine kurze Verschnaufpause, dann sind wir schon wieder auf Tour. Am Hotel Mar y Pins steigen wir eine Treppe hinauf und geraten in ein eigenartiges Wohngebiet. Nach den vielen häßlichen Hotelbauten, die wir bisher schon zu Gesicht bekommen haben, herrscht hier eine erstaunliche Vielfalt, verwinkelte Hausstrukturen mit säulenverzierten Balkonen und Freiterrassen, alles am Steilufer gelegen mit herrlichem Blick auf das funkelnde Meer. Der Baustil ist wohl griechischen Elementen nachempfunden, die würfelförmig übereinandergeschachtelten Elemente erinnern an Bilder von der Insel Santorin.

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Cala Fornells

So nach und nach enthüllt sich das Geheimnis um diese eigenartige Siedlung: es handelt sich um die Cala Fornells, erbaut Anfang der 70er Jahre von dem russischen Architekten Pedro Otzup. Wir werden später noch einige Ansiedlungen sehen, wo man dieses Konzept übernommen oder kopiert hat ( Esmeralda, Santa Ponsa, Porto Andraitx). Man kann Musterwohnungen besichtigen, wohl auch Appartements kaufen, zum Glück hat das Büro zu, sonst wären wir nach ein paar Stunden auf der Insel schon in Versuchung geraten.

Nach Abwandern der Straße durch die Cala Fornells wenden wir uns zurück zum Ort, für heute ist genug geleistet. Die Nachmittagssonne brennt mit voller Kraft, so finden wir uns bald am Pool wieder. Wir hatten mal zu Hause ein Gespräch mit einer Bekannten, die von einem Mallorca Urlaub schwärmte. "Ach, da liegt man am Pool und läßt sich verwöhnen, die Drinks werden einem bis an den Beckenrand gereicht...". Das klingt uns immer noch im Ohr. Aber es entspricht den Tatsachen. Die an den Pool angrenzende Bar ist den ganzen Tag geöffnet. Ein schicker Kellner ( El Ballancero) läßt sein Tablett auf dem Zeigefinger rotieren und bedient alle höflich und zuvorkommend.

Für uns ist ausschlaggebend, daß es hier windgeschützter ist als am Meer, man hat seine Sachen in Reichweite und kann jederzeit umdisponieren. Der Strand erscheint uns dagegen etwas schmuddelig, da mengen sich die Sonnenbadenden mit Hund und Katz - besonders letzteren. Außerdem kann man hier am Pool so manche Beobachtung machen - wir werden sehen. Nach einer Stunde wechseln wir den Platz des Faulenzens und ziehen auf unseren Zimmerbalkon um, wo die Sonne genau drauf scheint. Was haben wir beim Abflug gefroren, jetzt saugen wir die Wärme geradezu in uns hinein.

Schließlich ist es Zeit zum Abendessen, da gibt es ein Buffet mit Salaten und jeweils einigen warmen Spezialitäten. Meistens ist ein Fischgericht dabei, da bin ich dann immer vorne weg. Heidi zieht erstmal Rohkost und Salate vor. Im Lauf der Zeit hat aber dann der Eindruck doch nachgelassen, den das Buffet anfangs auf uns gemacht hat. Nur der Nachtisch behält seinen Reiz, besonders bei Fruchtsalat und Eis.

Nach dem Abendessen wird ein weiterer Spaziergang notwendig. Noch einmal hinunter an die Promenade, wir werfen einen Blick bei der Konkurenz hinein, etwa Beverly Playa oder Palmira Beach: Namen, die einem auf der Zunge zergehen. Gegen 20.30 ist es dunkel, der Rest des heute nicht sehr späten Abends klingt mit einem Bier in der Hotelhalle aus.

2. Tag, Sonnabend

Der Morgen beginnt trübe aber lautstark. Heidi findet heraus, daß sich in der Palme vor unserem Balkon über Nacht ein Spatzenvolk einzuquartieren pflegt. Da wird sowohl abends als auch frühmorgens mit lautem Spektakel eine Konferenz abgehalten, in der es - der Lautstärke nach - um wichtige Dinge zu gehen scheint. Meistens aber schlafen wir noch so fest, daß wir uns an der Spatzendebatte nicht beteiligen können. Außerdem sprechen wir kein Spanisch. Um munter zu werden, begeben wir uns in die Schwimmhalle, sowas hat man natürlich auch hier. Das Wasser ist aber unangenehm kühl, jedenfalls für mein Empfinden. Die drei Schwimmzüge, die man hier machen kann, werden mir auch schnell zu langweilig, nach sechs Zügen bin ich schon wieder draußen. Heidi schwimmt noch eine Weile wacker im Kreis herum.

Vom Frühstück kann man nicht allzu begeistert sein. Tee muß man sich selber kochen (mit Teebeuteln). Der Kaffee schmeckt gar nicht. Nur der Cappucchino läßt sich trinken. Ein "Drei Minuten Ei" zergeht auf dem Löffel, kann eigentlich nur ausgetrunken werden. Ein "Fünf Minuten Ei" ist etwas besser. Manchmal gibt es auch Spiegel- oder Rührei oder gebratenen Speck. Lecker ist der Kuchen, der - in Servietten eingewickelt - sich gut in der Handtasche verstauen läßt.

Da die Sonne nicht scheint, gehen wir in den Ort, bummeln und gucken in die Schaufenster. Wenn nur der tosende Verkehr nicht wäre. Einmal fange ich eine Bemerkung von zwei älteren Damen auf: "Das ist ja alles teuer hier!" Die andere entgegnet: "Aber wenn man es umrechnet, ist es genauso teuer wie bei uns". Da könnte man stundenlang zuhören.

Was kann man nun sonst unternehmen. Paguera ist schnell abgelaufen, einen alten Ortsteil gibt es gar nicht, fast alle Gebäude sind Hotels. In dem "Hapimag-Wanderführer" steht der folgende bemerkenswerte Satz:

"Das Straßennetz von Paguera wirkt wie das Araberviertel der Altstadt von Jerusalem".

Da muß sich einer vertan haben. An einer Bushaltestelle kommen wir mit einem Ehepaar ins Gespräch. Die waren schon mal im Nachbarort namens Andraitx (sprich Andratsch). Dort habe es ihnen zwar nicht so gefallen, aber der Weg zum Hafen Porto Andraitx sei sehr schön. Na machen wir das doch, da kommt ja schon ein Bus. Aber der hält trotz der Winkzeichen nicht, hier hat jede Buslinie eine andere Haltestelle, wir stehen gerade an der falschen. 200 m weiter ist die richtige. Bis wir dort sind, sind noch nicht alle Fahrgäste eingestiegen, so kommen wir doch noch mit diesem Bus mit.

Bei der Anfahrt über einen Paß sieht man Andraitx vor sich in einer fruchtbaren Talebene liegen. Hier wachsen - wie überall auf Mallorca - die Mandel-, Öl-, Feigen-, Johannisbrot- Apfelsinen- und Zitronenbäume.

Andraitx

Der Ort wirkt altertümlich, hier hat man die Gegend nicht durch Hotelbauten verunziert. Komischerweise sind fast alle Fensterläden geschlossen, das ist wohl spanische Lebensart, damit die Wärme nicht so in die Häuser zieht. Vielleicht auch sind die Häuser unbewohnt oder die Räume unbenutzt - wir rätseln. Dann steigen wir hinauf zur Kirche, die ist leider auch verschlossen. Aber der Blick hin zum Meer, wo Porto liegt, ist sehr reizvoll. Durch ein paar Gassen mit echt spanischem Flair, da ist man ja schon dankbar dafür - erreichen wir den Wanderweg nach Porto.

Der Weg führt windungsreich durch Gärten und kleinere Anwesen. Es ist interessant, wie sich jeder eingerichtet hat, vieles wirkt fremdartig durch die andere Vegetation und Bauweise. Überall die Trockenmauern, die oftmals auf die Zeit der Besetzung durch die Araber etwa vor dem Jahre 1000 zurückgehen. Durch die Mauern hat man die Berghänge terrassenförmig gegliedert, um den Abtrag durch Regenfälle und Bäche zu verhindern.

Altes Gemäuer

Die Bäume hängen voll von Apfelsinen und Zitronen. In den Läden kauft man die Apfelsinen spottbillig, die besten und billigsten haben wir in Paguera an der Promenade gekauft: 1 Kg zu 20 Peseten = 30 Pfennig. Dafür sind sie weit saftiger als die bei uns zu Hause importierten, oft hängen auch noch ein paar Blätter an der frisch geernteten Frucht. Auf unserem Wanderweg finden wir einen abgerissenen Zweig von einem Zitronenbaum, da darf man etwas plündern. Eine Zitrone esse ich gleich auf: sie ist sauer aber gut gegen den Durst.

Auf dem weiteren Weg passieren wir gut ausgebaute Anwesen, ehemalige Fincas = Bauernhof. Vielfach haben Deutsche sich hier einquartiert. Die Lage so eines Hauses ist traumhaft, auf der einen Seite die Bucht von Porto und das Meer dahinter, auf der anderen die Kulisse der mallorquinischen Berge, die bald auf 1000 m ansteigen, die höchste Erhebung liegt über 1500 m. Wenn man freiberuflich tätig wäre oder bereits pensioniert, hier ließe es sich leben, weit weg von den grausigen Wintertagen in Nordeuropa. "Hier putzt Du genauso Fenster wie zu Hause" sage ich zu Heidi, um diese Vorstellungen nicht zu sehr ins Romantische abgleiten zu lassen.

Unter diesen Erwägungen haben wir gar nicht mehr auf den Weg geachtet und finden uns plötzlich auf der Hauptstraße wieder. In der verbleibenden Entfernung bis Porto täuschen wir uns auch, wohl eine halbe Stunde müssen wir uns die Autos um die Waden rauschen lassen, bis wir den Ortsrand erreichen.

Rechts liegt ein verfallener Brunnen, unter Einsatz meines Lebens hoppele ich in einer unübersichtlichen Kurve über die Straße, um ein Foto zu machen. Nun gönnen wir uns zwei Blicke, einen auf den Ort Porto Andraitx, den anderen auf einen abfahrbereiten Bus zurück nach Paguera. Weil der Himmel mittlerweile in klarem Blau erstrahlt und der Marsch angestrengt hat, sind wir flugs im Bus und lassen uns zurückschaukeln.

Danach machen wir uns am Pool breit und beginnen mit unseren Beobachtungen. Es fängt schon gut an: neben uns liegt ein mittelaltes Ehepaar schmurgelnd in der Sonne. Einmal erhebt sich der Herr in den Sitz, um in die Weite zu schauen. Da klebt auf seinem schweißnassen Rücken eine Plastiktüte, was er nicht bemerkt. Wohl aber Heidi, die in solchen Situationen leicht die Fassung verliert. Irgendwann bemerkt der Herr jedenfalls sein Mißgeschick, er entfernt die Tüte und guckt uns argwöhnisch an, wohl ahnend daß er der Grund unserer Heiterkeit war. Ein wenig weiter liegt ein rundlicher Herr, wir nennen ihn den Kugelspanier, weil er sich beim Wechseln der sonnenzugewandten Seiten recht behende zu rollen weiß. Als er einschläft, ertönen neben Schnarchgeräuschen ab und zu auch andere menschliche Töne, worauf Heidi jedesmal einen Lachanfall zu erleiden hat. Damit werden wir noch Ärger bekommen...

Nach all dem Streß schlafe ich auch so halb ein, die Sonne tut das ihrige, so bin ich erstmal rot statt braun. Heidi hat sich immer gewissenhaft eingecremt, der geht es besser. Nun weiter in den Beobachtungen:

Eine Dame sieht einer Bekannten in Braunschweig zum Verwechseln ähnlich, wir nennen sie Frau H. Sie hat auch einen Mann dabei, der ist schon etwas tuttelig, aber in seiner Bademode allen weit voraus, er trägt sozusagen hinten ohne. D.h. der hintere Teil seiner Badehose besteht nur aus sowas wie einem Bindfaden, was der Verhüllung wenig dienlich ist. Beim Essen am Abend sitzen Herr und Frau H. zwei Tische weiter, wir grüßen uns sogar, d.h. nur sie, er ist zu tuttelig. Dafür ist er umso mehr mit seinem Salat beschäftigt, er füllt sich einen Löffel mit Salatöl oder Dressing oder was weiß ich, mit der Gabel spießt er allerlei Grünzeug auf, und dann wird beides gleichzeitig über die Mundwinkel eingeführt. Von jetzt ab heißt dieser Herr bei uns der beidhändige Schaufler. Zuweilen erscheinen Ehepaar H. auch erst 10 Minuten vor Essensschluß aus Richtung des Ortes und eilen dann in ungeheurer Eile in den Eßraum. Wo die wohl immer so lange gewesen sind? Fragen über Fragen...

Man möge uns verzeihen, wenn wir mitunter über Spitznamen oder andere erheiternde Beobachtungen uns auf Kosten anderer lustig machen, das ist nicht persönlich gemeint, zum Teil entspricht es der Realität, zum anderen ist man sicher auch mal ungerecht. Einigen wir uns auf den Spruch: "Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt". Vielleicht hat man uns ja ähnlich tituliert, etwa: die beiden Leuchttürme, weil wir ständig in der Hotelhalle am Herumspechten sind, wie der Schwabe sagt. An Schwaben ist im übrigen kein Mangel auf Mallorca, auch Schweizer gibt es viele. Unseren Kugelspanier haben wir später als italienisch sprechenden Schweizer eingestuft.

Zwei Gestalten müssen noch vorgestellt werden, die von Anfang an Eindruck auf uns machten:

Die Pillen-Oma: diese fällt dadurch auf, daß sie vom Abendessen zurückkehrend kaum mit zwei Händen die notwendigen Arzneimittel zu fassen imstande ist, die sie zu dieser Gelegenheit mit sich führt. In der Folgezeit zeichnet sich diese Dame durch eine bewundernswerte Aktivität aus, kaum ein Gast, der sich vor ihrer Lebensgeschichte retten kann, währenddem der Betroffene dann zu ehrerbietigem Zuhören verurteilt ist. Mitunter fangen wir Bruchstücke der Gespräche auf: zwei Männer habe sie schon unter die Erde gebracht...hätte man sich ja fast denken können. Wir bleiben sonderbarerweise verschont, obwohl wir uns immer freundlich grüßen.

Die Gäste eines Reiseveranstalters werden von Damen betreut, die man an deren Aktentaschen, Halstüchern oder Anstecknadeln erkennt. Gleich am ersten Abend muß ich mich auf Geheiß von Heidi an eine dieser (sehr attraktiven) Reisedamen heranmachen: wegen der Kofferanhänger. "Betreuen Sie die Sun World Tours Gäste frage ich die Dame. "Nein, ich bin von Neckermann" ist die Antwort. "Ich dachte, der wäre gestorben" - leider fällt mir diese Entgegnung erst später ein. So gehe ich ganz brav zu meiner Heidi zurück und begnüge mich in Zukunft nur mit dem Beobachten der Aktivitäten dieser Damen aus sicherer Distanz. Da gibt es viel zu tun. Es kommen Beschwerden, Umbuchungen, Verlängerungen; Rundfahrten und Führungen werden organisiert. Der schwierigste Fall: ein Ehepaar hat ein Spar-Hotel gebucht, was immer das sein mag, sie wissen das selbst nicht. Auf jeden Fall hat das mindestens einen Stern weniger als dieses hier, wo sie sich erstmal unberechtigterweise einquartiert haben. Aber auch hier findet sich eine Lösung.

Es liegen auch Zeitungen aus über aktuelle Veranstaltungen und Ereignisse. In einem Artikel wird über originelle Beschwerden von Gästen bei ihren Reisebetreuern berichtet. So soll es sich mal zugetragen haben, daß ein Herr nach Genuß von reichlich Alkohol sein Zimmer verwechselt habe und nicht nur das. Die betroffene Dame hat die Verwechslung wohl auch nicht gleich bemerkt, was sie dann zu einer Beschwerde veranlaßt hat. Was soll man da machen ...?

Fast jeder Satz der Neckerfrau endet mit "...,gell?". Dabei werden blendende Zähne umgeben von einem betörenden Lächeln in Szene gesetzt. Wenn man dann hört: ".. und einen schönen Tag noch, gell!", dann ist wieder so eine Sitzung zur Zufriedenheit aller beendet. Wenn alle abgefertigt sind, geht sie zu einer Kollegin, die auch gerade nichts zu tun hat und sagt: "Jetzt gehen wir essen, gell!".

Wir bedauern, daß sich keiner um uns kümmert. Aber wir haben auch keine Beschwerden. Als Verbesserungsvorschlag würde ich höchstens anregen, daß jeder Gast mit einem entsprechendem Kofferanhänger gekennzeichnet wird, damit man dessen Zugehörigkeit jederzeit erkennt, gell?

3. Tag, Ostern

Bisher vermissen wir unsere Tischgenossen. Wir habern sie noch nicht gesehen, aber es muß sie geben, denn heute finden wir beim Frühstück ein paar Körner auf der Tischdecke.

In diesen ersten Tagen ist das Wetter morgens immer trübe, um sich dann so gegen Mittag in Sonnenschein zu verwandeln. So gehen wir heute morgen mal in Richtung Santa Ponsa, vorbei am Beverly Playa und Hapimag. Hapimag ist ein Konzern, wo man Aktien zum Bewohnen von weltweit verteilten Appartments erwerben kann.

Der Blick auf Paguera und Cala Fornells ist schön, der Weg nicht weniger, da geht es kreuz und quer durch das Gestrüpp und irgendwann nicht mehr weiter. Wir kommen dann an einem Tennisplatz raus, wo sich einige Leute mutwillig ins Schwitzen bringen. Beim Hapimag holen wir uns eine kleine Wanderbroschüre. Im Ort bewundern wir den Einkaufs-Esel, der ist gespickt mit Souvernirs und steht reglos an der Straße. Erst habe ich den für ausgestopft gehalten. Einmal hat er aber sehr elegant einen Huf abgeknickt, ist also doch nicht ausgestopft. Zum Fotografieren traue ich mich nicht, weil der zugehörige Eselstreiber so geldgierige Augen macht.

Straßenleben

In einer Seitenstraße ist ein kleines Maleratelier, da malt ein bärtiger Künstler Landschaftsaquarelle von Fotografien ab. Der Mann macht einen armseligen Eindruck, aber vielleicht ist das sein Trick. Die Landschaftsbilder sind etwas übertrieben, Personenportraits aber recht gut gelungen.

An der Mole treiben andere Ganoven ihr Unwesen. Einer bietet Uhren an, diskret in Papier eingewickelt: "Schmuggeluhr, Occasion, Rolex, 50 Mark". Andere verteilen ständig Zettel mit Einladungen zu Einkaufsfahrten, ganz interessante Sachen dabei und weit preiswerter als die offiziellen Veranstalterangebote. Auch mit dem Glasbodenboot sollen wir fahren, na, kommt Zeit kommt Rat. Bald sind wir wieder am Pool in der Sonne. Ich muß mit meinem Sonnenbrand aufpassen und ein Hemd anbehalten oder der Sonne den Rücken zukehren.

Zur Erheiterung erwählen wir uns einen Herrn der verblüffend dem Komiker Loriot in der Attitüde des alternden Jagdmanns ähnelt. Damit steht der Spitzname Loriot natürlich fest. Dieser Herr nähert sich mit schlurfenden Schlappen gemächlich einer freien Liege, schleift sie in die richtige Positur, und Beine hoch, Kopf hoch, der Sonne entgegen. Vorher wird noch Muttchen zugewinkt, die haust wohl oben auf einem der Balkone. Bald schläft er ein. Es dauert nicht lange, da erscheint sein Muttchen auch unten, schleift eine weitere Liege heran und bettet sich daneben wie eine Glucke. Doch schon wacht unser Loriot auf, schnappt seine Sachen, entfernt sich brummelnd und schlägt weitab von seinem Muttchen sein neues Lager auf. Wir haben wieder was zum Grübeln.

Beim Abendessen lernen wir unsere Tischgenossen endlich kennen, ein jüngeres Paar aus Bremen. Die sind kaum ansprechbar. Etwas unwirsch sehen sie uns beim Essen zu, während ich meinen Dorsch auseinander pule. Kaum können sie ihr Mineralwasser so schnell austrinken, wie sie wegwollen. "Was war das denn", sagt Heidi, als sie sich eilig verabschiedet haben."Na, das sind so Körnerfresser, sind wir uns einig, womit wieder ein neuer Spitzname gefunden ist. Es sei aber fairerweise gesagt, daß unsere Körnerfresser sich durchaus wie wir auch ernährt haben und es dann später auch schon mal zu einem Gespräch gekommen ist.

Die K.-fr. haben sich für drei Tage ein Auto gemietet. Zwei Tage wäre zu stressig, meint sie, um alles zu sehen. Nochmal würde man auch nicht mehr herfahren, das Hotel sei zu laut. Und das Essen sei auch nicht das Wahre...

Am Abend gehe ich allein aus, Heidi spielt lieber den Leuchtturm in der Hotelhalle, auch ihre Gesichtsfarbe ist entsprechend. Ich begebe mich auf der Rückseite des Hotels hinaus in die wilde Bergwelt. Die hat man nach wenigen Schritten erreicht. Auf Trampelpfaden geht es in alle möglichen Richtungen. Ich habe mir einen Hausberg ausgeguckt, den ich gelegentlich besteigen möchte. Den Anstieg kann man ja schon mal erkunden. Dazu steige ich in einem kleinen Wäldchen 20 Min. auf und erreiche dann eine Anhöhe wo man in das dahinterliegende Tal sehen kann. Dort hindurch wird die Umgehungsstraße führen, der Anstieg zu meinem Berg scheint hinter der Baustelle schräg den Hang hinauf zu laufen. Jetzt ist es ratsam, vor dem schnellen Einsetzen der Dunkelheit wieder hinab zu hüpfen, denn das Gelände ist sehr unwegsam.

In der Disco-Bar des Hotels findet heute ein Travestie Kabarett statt, was wir aber unter unserer Würde halten. Die Mehrzahl der Gäste ist jedoch begeistert über jede Abwechslung, dazu gehören auch Bingo-Abende oder Tanzvergnügen. Ein Herr namens Paco organisiert diese Veranstaltungen.

Wenn man in den Ort geht, kann man auch seinen Spaß haben. In einer Disco-Bar namens Club Hawai bekommt man einen Blumenkranz umgehängt. Wer mutig ist, kann auf der Bühne als Stier verkeidet gegen einen Torero kämpfen, beide auf Rollschuhen. (Das entnehmen wir aber nur den aushängenden Fotografien.) Andere Lokale bieten die deutschen Fernsehprogramme. Besonders Übertragungen von Fußballspielen erfreuen sich gesteigerter Beliebtheit.

4. Tag, Ostermontag

Wir haben den Tag ganz unverbindlich geplant, vielleicht mal eine der preiswerten Einkaufsfahrten? Gegen 9.30 Uhr begeben wir uns vor das Hotel, wo die Busse zum Einsammeln der Gäste immer langfahren. Vor dem Hotel steht ein weiteres Ehepaar, die wollen an der gleichen Fahrt teilnehmen und sind schon angemeldet. Wir werden auch mitgenommen, "auf Verdacht". Der Bus wird auch ziemlich voll. Es steht später in der Zeitung, daß die Mallorquiner Geschäfts- und Restaurantbetreiber etwas gegen das Unwesen der Werbefahrten unternehmen wollen, weil diese zu viele Leute aus dem Verkehr ziehen, geradezu als Straßenfeger wirken.

Eine Dame namens Erika, sie kommt aus Rosenheim, begrüßt uns mit leicht bayrischem Akzent und gibt in der Folge recht informative Hinweise zu bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten links und rechts der Strecke. Die berühmteste Geschichte ist wohl die von dem aragonischen König Jaime I., der im Jahre 1229 Mallorca von der maurischen Herrschaft zurückerobert hat. Ausruhend von seiner schweren Tätigkeit soll er nach einem sättigenden Mahl den Ausspruch getan haben "Ich habe gut gegessen", in seiner Sprache "Bendinat". Daher hat das Schloß, das an dieser Stelle steht und rechts hinter den Busscheiben vorbeihuscht, seinen Namen bekommen. Viele Hotels heißen dann auch Hotel Jaime Premero oder so.

Wir fahren durch das zentrale Inselland, alles ist eben und intensiv landwirtschaftlich genutzt. Links begleitet uns die Bergkette der Sierra von Tramontana. An den Orten Santa Maria del Calmi, Binisalem oder Inca fährt man nur vorbei. Bei Sa Puebla wartet die Spinne im Netz. Auf einer wohl eigens für Werbezwecke betriebenen Finca werden den Gästen Kuchen und Sangria kredenzt, mit einem Blick sieht man, um was es geht: hinten an der Wand ist lauter Bettzeug ausgestellt.

Dann erscheint ein kregler Alleinunterhalter namens Dieter, der ist aus Bielefeld und schon 7 Jahre auf der Insel. Ob er die ganze Zeit in Sachen Betten tätig war, verrät er uns nicht. Am Anfang seines Vortrags bricht er schon mit einem der Betten zusammen, weil ein Holzbrett nicht richtig angenagelt ist. Dann legt er einen Eiswürfel in eines der Betten, einen anderen auf eine Untertasse auf einem der Tische, wo die Leute sich im wesentlichen mit dem Sangria und dem Gebäck beschäftigen. Was das mit dem Eis wird, kann man sich ja schon denken...

So fängt das schon ganz witzig an, im wesentlichen geht es gegen die Federbetten im allgemeinen, die unser aller Unheil (Rheuma, Schmerzen, Allergien, Hitzestau...) mit sich brächten. Mit den atmungsaktiven Schaf- oder Lammbetten aber sei - in dem etwas verlebten Gesicht von Dieter geht die Sonne auf - allem Übel ein Ende gesetzt usw. Dann macht er ein paar Leute weniger freundlich an, weil sie zu auffällig zur Uhr geguckt haben. Darauf gehen diese raus aus der Veranstaltung: "Das wird uns zu persönlich". Später sagt Heidi: "Was sind die pingelig, man weiß doch, was einen da erwartet...". Sie wird noch Gelegenheit haben, diesen Spruch zu überdenken !

Zum Schluß seiner Darbietungen gießt der Dieter das Wasser des geschmolzenen Eiswürfels von der Untertasse und holt thriumphierend den noch unversehrten Eiswürfel aus dem isolierenden Bett. Wegen der angespannten Stimmung wagt keiner zu fragen, ob einem das zur Winterzeit mit eisigen Füßen auch so ergehen würde.

Zum Abschluß der Werbestunde wird eine Tombola durchgeführt, die besteht aus drei Flaschen Wein und nicht wie angekündigt, einer Reise in die Eiffel mit dem Bagger oder einer Traumreise in die Seychellen mit dem Schlauchboot - ach, wie ist das alles lustig. Dieter ist weniger lustig, denn er hat anscheinend nichts verkauft. Aus dem Nebenraum, wo eine andere Busgesellschaft in Arbeit ist, hört man, daß der Vortragende recht pampig wurde ob des mangelnden Interesses seiner vermeintlichen Kunden.

Bunyola

Schließlich sitzen wir wieder im Bus und nun geht es unbeschwert weiter auf die Rundfahrt. Gleich neben der Finca liegt eine kleine Kapelle, die dadurch ausgezeichnet ist, daß dort der Sänger Peter Maffay geheiratet hat. Sowas kommt bei den Touristen an! Wir fahren nun bis Bunyola, einem verträumten Ort zu Füßen der Sierra Tramontana. Ein paar Augenblicke dürfen wir uns die Füße vertreten, dann steigen wir um in die berühmte Nostalgiebahn von Palma nach Soller. Das kurze Stück mit der Bahn durch die Berge ist recht beeindruckend, wenn man nicht gerade durch einen Tunnel fährt.

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Über Soller

Nach dem letzten Tunnel hält der Zug: Fotostop. Unten im Kessel sieht man das goldene Tal von Soller in seiner ganzen Schönheit liegen. Vor Bestehen der Eisenbahnlinie war dieses Tal nur über einen schwierigen Bergpaß erreichbar. Von dieser Abgeschiedenheit kann man heute nur noch träumen.

Wir steigen wieder in den Bus um. Dieser bringt uns weiter über abenteuerliche Kurven hinauf auf die Steilküste. Olivenhaine und Steinmauern ziehen sich an den Berghängen bis 600 m hin. Tief unten liegt blau das Meer (was soll es auch sonst machen). Auf halber Höhe befindet sich eine Villa, die gehört nebst einer echt mallorquinischen Ehegattin dem Schauspieler Michael Douglas. Da gucken aber alle!

Der nächste Ort ist Deya. Das ist ein Künstlerort, wer hier lebt, ist automatisch ein Künstler. Auch Picasso soll hier schon rumgelaufen sein. Über den Ort haben die Einwohner selbst einen Baustop verhängt, sicher eine kluge Entscheidung. Leider kann man hier mangels Parkplatz nicht anhalten. Stattdessen wird der ehrfürchtigen Menge alles über die Fernsehserie Hotel Paradies erzählt. Deya war einer der Hauptdrehorte.

Doch man hat diese Serie nicht nur an einem Ort gedreht. Von dem einem Hotel sind die Außenaufnahmen, in einem anderen Etablissement (Hotel Formentor) entstanden die Innenaufnahmen, wieder woanders hat man den Strand entnommen, und so etwa in entgegengesetzter Richtung sich der Bergwelt bedient. Das alles zusammmengesetzt bildet die Scheinwelt von Hotel Paradies. Mit den Einkünften aus diesen Märchenfilmen können sich die Beteiligten dann ein solches Leben ermöglichen, wovon der Inhalt ihrer Filme handelt. D.h. diese Leute verfilmen sich praktisch selbst und der Fernsehzuschauer bezahlt es. Wir werden noch sehen...

Nun kommt doch noch ein Aufenthalt, weil ein geeigneter Parkplatz vorhanden ist. Es handelt sich um das Landgut Son Marroig des Erzherzogs Ludwig Salvator. Auch die Kaiserin Sissy, bekannt durch Romy Schneider, hat dieses Landgut besucht.

Bild 1 Bild 2 La Foradada

Unten am Meer liegt die eigentliche Sensation, ein Felsen mit einem Loch drin, bekannt von vielen Reiseprospekten. Der heißt, wie alle Lochfelsen auf Mallorca La Foradada. Die Fotoapparate klicken. Es geht die Fama, daß wer als Mann am einen Ende des Felsloches hineingeht, am anderen als Weiblein wieder herauskommt. Ausprobieren kann man das nicht, weil der Felsen da ganz tief unten in der uns verfügbaren Zeit nicht erreichbar ist.

Die Rückfahrt führt - wieder ohne Halt - über Valdemossa, wo in dem Kartäuserkloster die Dichterin George Sand mit einigen Kindern und dem Komponisten Frederic Chopin im Jahr 1838 ein paar Monate durchlitten hat. Angeblich lesen die Mallorquiner die darüber verfaßte Abhandlung Ein Winter auf Mallorca nur ungern, denn da wird kein gutes Haar an den Einheimischen und deren Lebensart gelassen. Es verkauft sich besser, das Kloster in ein Liebesnest umzutaufen und die Affäre mit einem romantischen Flair zu umgeben, das törnt die Touristen besser an.

So rauscht die Landschaft um Valdemossa außerhalb unseres Busses vorbei. Den Rest der Fahrt nutzt unsere Reisebegleiterin, den Gästen ein Öl aufzuschwatzen, das für und gegen alle gesundheitliche Gebresten einsetzbar sein soll. Damit macht sie gute Absätze. Beim Busfahrer kann man dagegen Videokassetten über die Schönheiten Mallorcas erstehen. Nach Abladen der Leute in Santa Ponsa und Paguera ist die Tour zu Ende, man wird zur Teilnahme an einer weiteren Werbefahrt eingeladen, es müssen ja nicht wieder Betten sein...

5. Tag, Dienstag

Unser Unternehmungsgeist ist nun einen Tag nach Ostern etwas reduziert. Das Wetter zeigt sich nicht von seiner besten Seite, wir gehen ein wenig im Ort bummeln und einkaufen. Nach einiger Zeit am Pool ist man ziemlich durchgefroren. Mit einem heißen Bad und gehörig Mittagsschlaf wird dieser faule Tag herumgebracht.

So macht man sich auch Gedanken über eine Zimmerverwechslung, die sich Heidi aber strengestens verbittet. Das hat seine Bewandnis damit, daß eines Tages auf unserem Etagengang aus Zimmer 223 zwei kregle Blondinen treten und vor uns herstolzieren. Unser Zimmer hat die Nummer 232. "Wie leicht kann man sich da mal im Zimmer vertun" sage ich zu Heidi, die das weniger witzig findet. In der Folge nehmen wir eifrig Anteilnahme an den Versuchen von Zimmer 223, Kontakte zu knüpfen, was aber zu deren und unserer Enttäuschung wohl nicht von Erfolg gekrönt ist.

6. Tag, Mittwoch

Heute geht es wieder ran, wir wollen nach Palma. Mit dem Bus, Linie 4 ist das kein Problem, die fahren alle Augenblicke. In 45 Minuten ist man in Palma, dort herrscht Verkehr wie in einer Großstadt. Im Sommer soll die Verkehrsdichte hier größer sein als in Spaniens Hauptstadt Madrid. An der Endstation in Palma gibt es einen Informationsstand, wo man gleich einen kostenlosen Stadtplan bekommt, um sich in der verwinkelten Altstadt zurechtzufinden. Diese ist wohl auch das einzig Sehenswerte der Stadt, denn weiter draußen findet man nur noch Hotels und Freizeiteinrichtungen.

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Palma

Die Altstadt aber ist romantisch, die Häuser sind wohl unverändert aus vergangenen Zeiten erhalten. Kleine Geschäfte finden sich in allen Gassen, eines fällt besonders auf: das hängt voll mit Schinken und Würsten. Nach kurzer Zeit erreicht man den Pl. Major, dort bieten allerhand Lebenskünstler Selbstgebasteltes an.

Das nächste Ziel ist natürlich die Kathedrale, Pflicht für jeden Mallorcabesucher. Unterhalb der Kathedrale, an den Resten der alten Befestigungsanlagen, liegt ein Stückchen Park, das durchqueren wir zunächst. Da erweckt ein kleiner Tumult vor uns unsere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um die Nelkenmädchen, von denen wir schon gelesen haben. Diese sind meist hübsche Zigeunermädchen, die dem als solchen eindeutig erkennbaren Tourist freundlich eine Nelke an der Heldenbrust feststecken mit der Bitte um eine kleine Gabe. Zückt man dann sein Geldbörse, so beweisen die Damen oft eine bessere Kenntnis der Geldtasche als man selber. Das merkt man dann meistens auch erst später beim Nachzählen des Geldes. So wie wir sind wohl auch jene Touristen vor uns gewarnt. Es entsteht ein kleines Gerangel um die Nelke, deren Blüte eine der Matronen der Ablehnung demonstrierenden Touristin wieder entreißt. Der zugehörige Familienvater bringt eilends die Geldbörse in der Gesäßtasche seiner Leinenhose in Sicherheit. Schon laufen die in diesem Fall weder hübschen noch schlanken Damen nelkenschwingend auf uns zu. Ein energisches Abwinken genügt aber, um unbehelligt zu bleiben. So haben wir das auch erlebt!

Bild 1 Bild 2 Die Kathedrale

Nun in die Kathedrale, es kostet Eintritt. Dafür findet gerade eine Führung statt, die zwar nicht für die Allgemeinheit gedacht ist, aber dennoch auf gute Resonanz stößt. Mit wachsendem Vergnügen sind wir auch dabei. Wenn mal eine Bemerkung über das Mittagessen und die Weiterfahrt der Gruppe gemacht wird, nicken wir mit dem Kopf. Die Führung wird von einer netten Spanierin in deutscher Sprache durchgeführt, es sind drollige Sprachhüpfer dabei: "Dies ist heiliges Josef, hier liegt letztes Gegenpapst, hatte schlechtes Charakter, hat man Hut für Seele aufgehängt". Tatsächlich schwebt über dem Sarkophag eine ausgeblichene Kopfbedeckung, soweit sie noch als solche erkennbar ist. Bemerkenswert sind zwei riesige Kerzenleuchter aus Silber, "die reiche Besucher wie Aga Khan oder Onassis wollen immer kaufen". Daneben ist in einem Schrein hinter Glas ein ordentlicher Knochen zu sehen, der ist sicher einem Heiligen entnommen, das nennt sich dann Reliquie. Es gibt auch ein Vera Cruz (wahres Kreuz), das ist angeblich ein Holzsplitter des echten Kreuzes auf Golgatha. Davon soll es 40 Güterzüge von geben, habe ich mal gehört. Schwer nachprüfbar!

In der Halle der Kathedrale wird sehr schön deren Architektur erklärt. Das Hauptschiff ist höher als das im Kölner Dom, die tragenden Säulen dagegen um einiges schlanker als dort. Das gibt dem Raum etwas Graziles, man kann das Auge schweifen lassen, ohne ständig gegen die alles verstellenden Säulen zu schauen. Farbenprächtig sind die Fenster, am Giebel befindet sich eine riesige Rosette, die zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten bezaubernde Lichtspiele hervorrufen soll. Als die spanische Dame allmählich doch etwas ungehalten wird: "Gruppe wird immer größer", trollen wir uns und sind wieder privat.

Von der Kathedrale aus gehen wir ein Stück die D'Antoni Maura und den Passeig des Born entlang. Diese gehören zu den repräsentativsten Straßen von Palma, sie sind vornehm und von gepflegten Palmen gesäumt. Ich lege Wert auf diese Feststellung im Hinblick auf ein Erlebnis, daß uns wenige Minuten später bevorsteht. Erstmal aber zeigt sich auf der Straße ein größeres Polizeiaufgebot, die rauschen um die Ecke, ein paar Lieferfahrzeuge folgen, und dann eine Meute Radrennfahrer. Die ersten aber lassen sich höchst unsportlich von den Begleitfahrzeugen ziehen. Was das wohl für eine Art von Radrennen sein soll?

Nun geht rechts eine schmale Straße mit Stufen hinauf, wieder in Richtung Altstadt. Wir biegen in die Häuserschlucht ein, da kommt uns von oben ein seltsamer Mensch entgegen und fingert in einer Fensternische herum. Als er weg ist, gucke ich mal nach, da liegen so ein paar Scherben wie von Ampullen. Heidi zischt mich an, "Laß das nach". Jetzt sitzt vor uns plötzlich ein Pärchen auf der Erde, das Mädchen beugt sich über den Arm seines Partners, der ist kunstgerecht abgebunden. Die Injektion ist offensichtlich eben gesetzt worden, das Blut wird gerade abgewischt. Wie ich wieder aufschaue, ist Heidi plötzlich 50 m vor mir, so hat sich ihr Gang unversehens beschleunigt. Ich hopple hinterher, ganz aufgeregt, sowas habe ich ja noch nie gesehen. Heidi ist noch aufgeregter," wenn wir nun eins über den Dätz gekriegt hätten...". Wir sind aber schon wieder in einer Geschäftsstraße, so nah liegen die Dinge nebeneinander.

Die restliche Zeit verbringen wir nun in einem Cafe, bevor wir uns zum Bus aufmachen. Dieser kommt über eine halbe Stunde zu spät, vielleicht wegen des Radrennens. Als wir später in Paguera noch herumbummeln, kommen wir nochmal in den Genuß dieses Rennens. Das ist inzwischen wohl in vollen Gang gekommen. Wie die Rennfahrer sich verwegen beim Abbiegen von der Hauptstraße in die Abzweigung nach Calvia legen, kann man das Weiße in ihren Augen sehen. Am meisten Applaus bekommen die Nachzügler.

Am Abend erhalten wir eine unverhoffte Einladung. Das Ehepaar, das wir auf der Einkaufsfahrt am Ostermontag kennengelernt hatten, sitzt in der Bar hinter einem Sektkübel. Ob wir uns nicht dazusetzen wollten? Aber gern! Bald wird uns ein Glas Sekt angeboten, heute ist ein Festtag, das Ehepaar R. feiert den 25-jährigen Hochzeitstag. Na dann prost, wir können nur 20 Jahre plus 1 Monat entgegenhalten, aber immerhin ebenso ein Anlaß für eine Traumreise nach Mallorca.

7. Tag, Donnerstag

Zusammen mit R.s haben wir uns zu einer weiteren Einkaufsfahrt entschlossen. Diese bietet ein interessantes Programm im Norden der Insel. Schon am Anfang wird mit einer gut kommentierten Palma Rundfahrt etwas Neues geboten. Wieder die Geschichte mit: "Ich habe gut gegessen...". Dann rollen wir, wie könnte es anders sein, wieder in der Finca bei La Puebla vor. Wer sitzt schon zum Einsatz bereit: Betten-Dieter! Wenig begeistert nehmen wir Platz. R.s sitzen mit am Tisch, dazu ein junges Pärchen, Frohnaturen, die gern lachen. "Der hat 'ne Schacke weg" flüstert mir Heidi zu, und meint unser Gegenüber. So beginnt die Einkaufsvorstellung schon etwas spaßig. Schließlich ist auch unser Dieter bemüht, einen lustigen Vortrag, wie er ihn nennt, darzubieten.

Nun kommt seine Geschichte mit der Plastiktüte. Man tue in eine Tüte ein paar Federn aus Oberbett oder Kopfkissen, hänge diese verschlossen an die Luft und schaue drei Tage später wieder nach. "Und was finden wir da? Eine schwarze Brühe! Und was ist das dann?" fragt der Dieter in die Runde. (Wir wissen es ja schon, das sind die Exkremente der Federmilbe). Unser Spaßvogel gegenüber aber sagt: "das ist der Pups". Das bringt Heidi aus der Fassung. Ich schenke mir einen Sangria nach. Frau R. gerät auch aus der Fassung. Herr R. duckt sich hinter den Sangriakrug. Heidi schnauft, dann hält es unser Gegenüber auch nicht mehr aus und gluckst mehrmals hörbar auf.

"Wenn Ihnen das hier zu lächerlich ist, bitte ich Sie, rauszugehen! Ja Sie 6 an dem Tisch dahinten meine ich." Wir gucken verdutzt. "Sie haben das letzte Mal schon gestört, ich bitte Sie nochmal, gehen Sie bitte raus!" Wir können nicht anders, wir müssen uns vor den brummelnden Leuten erheben und den Raum verlassen. Mein gerade eingeschenktes Glas Sangria bleibt zurück. "Ist Ihnen nicht gut?" fragt eine der Begleitungsdamen an der Tür. "Das ist ja wie in der Schule" sage ich, und wir erklären, daß wir rausgeflogen seien. Dann lachen wir weiter, aber doch ein wenig mit Verlegenheit durchmischt.

Natürlich ist es draußen nun viel schöner, die Sonne scheint.

In Ruhe können wir uns die Maffay'sche Heiratskapelle Son Cladera von innen ansehen. Etwas kitschige Heiligenbilder und ein üppiger Blumenschmuck zieren das Innere der Kapelle.

Beim Einnehmen des Mittagessens sitzen am Nebentisch ein paar Geschäftsleute, die das Ganze hier offensichtlich fingern. Die bestellen selbstredend "Rumpsteak, wie immer". Was da verhandelt wird, können wir nicht in Erfahrung bringen, es wird in deutsch, englisch und spanisch korrespondiert, sympatisch können die Herren einem nicht sein. Eine Dame entsprechenden Kalibers gehört auch noch dazu. Die muß alles aufschreiben.

Wir warten noch die Tombola ab, an der wir aus verständlichen Gründen nicht teilnehmen. Wir benehmen uns möglichst unauffällig, vermeiden auch dem Dieter noch einmal über den Weg zu laufen. Dann sitzen wir wieder im Bus, der uns nach Puerto Pollensa bringt. Links am Hang ist eine Prominentensiedlung entstanden, da wohnen: Frank Elsner (Wetten daß..), Horst Tappert (Derrick), Heinz Rühmann (Bruchpilot), Peter Maffay (7 schwere Jahre...), J. Mario Simmel (Es mu" nicht immer Kaviar sein), Rudi Carell (Am laufenden Band) und als Symbol des Schickimicki-Schwachsinns der Autor von Hotel Paradies, Traumschiff und derlei (meistens spielt Sascha Hehn und Uschi Glas mit): Herbert Reinecker (Filmproduzent). Auf der Nordseite des Hangs hat Johanna von Koscian (ein bißchen Haushalt...) ihr Anwesen.

Andächtig schaut alles links aus dem Fenster auf die paar Häuser, die auch nicht anders aussehen als alle anderen hier herum. Wir erreichen den Hafen und steigen auf ein Ausflugsschiff um. Das bringt uns an der Nordseite der Bucht von Pollenca zum legendären Hotel Formentor. Es geht vorbei an zwei spektakulären Anwesen, das eine hat was mit einem Schönheitschirurgen zu tun, das andere ist im Besitz der monegassischen Fürstenfamilie. Im Hotel Formentor sind schon berühmte Gäste abgestiegen, Chaplin, Churchill, neuerdings auch Helmut Kohl, um sich wieder satt zu essen, wie es heißt. An das Hotel kommt man auch nicht ran, alles ist eingezäunt. Der Strand hier wurde verschiedentlich als Filmkulisse herangezogen, die Farbe des Wassers ist auch sehr blau. Nach einem Kaffee besteigen wir wieder den Bus.

In halsbrecherischer Fahrt geht es nun steil hinauf. Heidi und ich tauschen die Plätze, ich darf auch mal am Fenster sitzen. Man kann so besser sehen, wie die Räder des Busses am Abgrund entlangschrappen, wenn bei Gegenverkehr ausgewichen werden muß. Oben auf der Höhe ist ein Parkplatz für einen Fototermin. Ein Steig führt noch weiter hinauf zu einem Aussichtspunkt auf einem überhängenden Felsen. Heidi setzt sich hin und studiert lieber die Botanik. Ich nehme die Kamera und turne hinauf. Auf der Spitze des Felsens hat man einen atemberaubenden Blick senkrecht hinunter auf die Klippen.

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Klippenausblicke

Über 200 m geht es direkt abwärts, die Schutzmauer ist nur hüfthoch. Ab und zu setzen sich dort Kinder drauf und lassen sich von den Eltern fotografieren. "Rutscht nicht so weit nach hinten" heißt es dann, während durch den Sucher der Kamera geschaut wird. Das kann ich auch nicht lange mit ansehen und gehe wieder hinunter. Heidi hat derweil unter Einsatz ihrer Fingernägel ein paar Zweige Trockenmoos aus den Steinen gekratzt und dezent in einer Plastiktüte verstaut. Sie hat den Ehrgeiz nicht aufgegeben, zu Hause ein Klein-Spanien-Beet anzulegen. Vom Bus aus können wir dann auch noch einen kurzen Blick von ein paar Bergziegen erhaschen.

Die Rückfahrt geht an der Bucht von Pollenca entlang bis Alcudia. In dieser Gegend machen vorwiegend jüngere Leute mit Interesse am Wassersport Urlaub. Aber das im Sommer, zur Zeit ist noch alles wie ausgestorben. Während der ganzen Rückfahrt unterhält uns unsere Begleiterin, diesmal kommt sie aus Mainz, mit gut erzählten Informationen über alles mögliche, das muß man wirklich loben. Wir kaufen Ihr zum Dank auch ein Fläschchen des Allheilmittels ab, mit dem die Damen ihren Nebenverdienst bestreiten.

8. Tag, Freitag

Wir haben uns mit dem Ehepaar R. auf eine Wanderung von Paguera nach Porto Andraitx über Camp del Mar geeinigt. Die Wegebeschreibung steht in der kleinen Wanderbroschüre vom Hapimag. Mir fällt die undankbare Aufgabe zu, mit der Broschüre in der Hand den Weg zu weisen. Das ist wie eine Schnitzeljagd. Beschreibungsgerecht starten wir am Supermarkt Casa Pepe am Ortsrand von Paguera. Doch kaum 10 Minuten später haben wir uns schon verfranzt. Wenn da zu lesen ist "man halte sich links" oder "man gehe schräg hinauf" dann kann man sicher sein, daß man von mehreren Möglichkeiten immer die falsche wählt. Wir finden uns mitten in einem Gelände wieder, das einmal als Müllhalde gedient hat. Von dort steigen wir einfach durch den Wald und geraten auf einen Berg, wo eine schöne Vegetation anzutreffen ist. Auch der Blick über die Bucht ist sehr schön, nur sind wir alles andere als auf dem Weg nach Camp del Mar. Ein weiteres Paar irrt hier im Gelände herum, die zugehörige Dame hat den Sprechverkehr mit ihrem Partner bereits eingestellt.

Unterhalb von dem alten Wachtturm auf dem Cap Andritxoll treffen wir dann doch auf den richtigen Weg. Der endet vor einer unüberwindbaren Böschung einer Urbanisationsstraße. Das sind Straßen, die man allerorts für eine zukünftige Bebauung schon mal durch's Gelände gebaggert hat. Die unüberwindbare Böschung steht als solche in der Wanderbeschreibung drin, also sind wir jetzt richtig. Man kann die Stelle rechts umgehen.

Wir wandern hinunter an den Strand von Camp del Mar. Hier ist es im Gegensatz zu Paguera sehr beschaulich und ruhig. Zwei große Hotels hat man sich doch gegönnt, eines ist noch gar nicht geöffnet. Auf einer winzigen Insel befindet sich ein Restaurant, ein Brettersteg führt dort hinüber. An der Tatsache, daß die Bretter noch fehlen, erkennt man, daß das Restaurant wohl geschlossen ist.

Weiter geht es den Hang hinauf. Von oben wieder der Blick über die Bucht, so sieht es auf den meisten Ansichtskarten von Mallorca aus. Das hat man sozusagen vor jeder Tür. Besonders die Villen, die sich am Hang ausbreiten. Ein Treppenabgang führt von deren Weinkeller direkt hinunter zum Meer, so muß man sich das vorstellen. An der Cala en Cranc Villa biegen wir auf einen Waldweg ein und erreichen bald die obere Kante der Steilküste. Wieder der Blick...(s.o.)

Wir wenden uns landeinwärts und wandern an den Stützmauern entlang durch Haine von Mandel- und Olivenbäumen. Bald ist rechts Andraitx in Sicht. In einer Einfriedungsmauer befindet sich ein Portal, durch dieses hindurch öffnet sich ein schöner Blick hinauf nach Andraitx und die dahinterliegenden Berge. Ehepaar R. erhöht den Reiz der Landschaft noch dadurch, daß man sich gegeneitig, in dem Portal stehend, fotografiert.

Bald erreichen wir den Hafen. Es gibt sogar echte Fischerboote. Die Promenade am Wasser entlang ist nicht so einladend, weil emsig an der Straßenanlage gebaut wird, da rattert der Preßlufthammer und der Staub steigt auf. Wir trinken einen Cappuccino, gehen noch ein paar Meter Häuserangucken (einige sind auch alt), dann erwartet uns schon der Bus für die Rückfahrt.

Was wir mit dem Rest des Tages gemacht haben, weiß ich auch nicht mehr, wahrscheinlich am Pool gelegen.

9. Tag, Sonnabend

Der Tag beginnt mit Sonne, da hat Heidi bereits vor dem Frühstück die Liegen am Pool mit Badetüchern belegt, damit wir die besten Plätze bekommen. Meine Haut ist immer noch gerötet, da möchte ich nicht einen ganzen Tag in der Sonne braten. Es ist Zeit für meinen "Berg der Versuchung". Das ist ein harmlos aussehender Hügel oberhalb von Paguera, er heißt Moleta de Son Vic und ist 350 m hoch. Noch weiter dahinter, aber schon zu weit für eine Wanderung von Paguera aus, liegt das Matterhorn von Mallorca, der Galatzo, über 1000 m hoch. Meinen Aufstieg habe ich auf dem ersten Teil ja schon erkundet und bin bald an der Baustelle der Umgehungsstraße. Man hat einen Tunnel unter dem Berghang hindurch gebaut, an den Böschungen wird noch herumplaniert.

Von dieser Stelle zieht sich ein breiter Weg mit konstanter Steigung den Hang hinauf. Wie das hier so üblich ist, endet der Weg aber bald aprupt in der Nähe der Waldgrenze, Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen Holzweg (zum Holztransport). Eine Fortsetzung existiert nicht, nur so Trampelspuren in alle möglichen Richtungen. Solange das Gelände noch übersichtlich ist, kann man ja mal versuchen, weiter hinaufzukommen. Das ist nicht sonderlich schwierig, aber es besteht doch die Gefahr, auf rundem Geröll abzurutschen und sich eine Verletzung zuzuziehen - fatal womöglich, wenn man allein wandert. Außerdem sollte man die Bergsteigerweisheit beherzigen: "Wo man hinauf kommt, kommt man nicht immer wieder herunter!"

Das bremst dann doch den Unternehmungsgeist. Das Gelände wird immer unwegsamer, man muß mitunter schon etwas klettern und die Hände zu Hilfe nehmen. Immer mal wieder ein Blick zurück, daß man den Weg, der keiner ist, bei einer Umkehr auch wiederfindet. Die Felswände ringsumher ragen teilweise über 20 m hoch auf, das ist zu hoch, um auf dem Hosenboden unbeschädigt hinunter zu rutschen. Ich bin noch lange nicht oben und mir wird langsam beklommen. Da flattert ein großer gelber Schmetterling, der setzt sich sogar auf meinen Fuß. Um ihn genau zu sehen, müßte ich mich umdrehen, daß traue ich mich aber nicht, der Standpunkt ist zu luftig. Vielleicht war es ein Schwalbenschwanz. Die Losung von Bergziegen liegt überall herum. Außerdem fallen einem dicke grüne Blätter auf, die aus faustgroßen Knollen zwischen den Felsen treiben. Leider zeigt sich noch keine Blüte, sodaß ich diese Pflanze nicht bestimmen kann.

Ab und zu streicht auch ein größerer Vogel durch die Bäume, der sieht im Flug aus wie ein Eichelhäher. Eines späteren Abends wird es uns gelingen, diesen einmal aus der Nähe zu sehen, er hat eine Haube auf dem Kopf. Vielleicht handelt es sich sogar um den Wiedehopf. Ferner gibt es auf Mallorca noch Seeadler und Schwarze Geier, die sich hier in der Nähe der vielen Hotels wohl seltener aufhalten. Vielleicht trifft man stattdessen den Pleitegeier des öfteren.

Ich stehe aber immer noch auf meinem luftigen Standpunkt, nach oben geht es auf natürliche Weise nicht weiter. Dafür öffnet sich eine kleine Schlucht zwischen steil aufragenden Felsen, darunter liegt schon wieder der Wald. Bis nach Porto Andraitx kann man von hier aus sehen. Ich ergreife erleichtert die Gelegenheit zu einem Abstieg mit Anstand, auf das Gipfelerlebnis verzichtend. Beim Abstieg durch den Wald muß man auf den rutschigen Steinen noch genug aufpassen, aber dann stoße ich wieder auf meinen Holzweg und bin gerettet.

Später entdecken wir die Wanderbücher von Herbert Heinrich, dem Wandermatador (8 Bücher) der Insel. Da ist eine Beschreibung des Aufstiegs gegeben: es findet alles auf der Rückseite des Berges statt! Von der von mir gewählten Route wird dringend abgeraten. Damit deckt sich das immerhin mit meiner Erfahrung.

Den Rest des Tages widmen wir wieder der Sonne. Herr R. hat sich den Magen verdorben und verbringt den ganzen Tag schlafend. Gegen Abend geht es mir auch nicht gut, aber es normalisiert sich dann wieder.

10. Tag, Sonntag

Der Tag beginnt wie der vorherige, Heidi belegt zwei Liegen, dann Frühstück und ich gehe auf Wanderschaft. Eine schöne Tour kann man noch machen: über Cala Fornells zur Mönchsbucht und zum Cap Andritxoll. Bis zum Ende der Bucht von Cala Fornells ist der Weg bereits bekannt. Auf einer kleinen Halbinsel liegt ein eigenartiges Gebäude, das ist wie ein Schiff gebaut, auch mit einem Mast und Beflaggung versehen.

Bild 1 Bild 2 Das Schiff-Haus

Am Hotel Coronado steigt man über Treppen hinauf zum Klippenweg. Hier liegt eine verlassene Villa am schönsten Punkt der ganzen Bucht, ob die überhaupt bewohnt ist?

Entlang dem Klippenweg blüht es bunt, der Blick auf das Meer muß nicht näher beschrieben werden. Kurz vor der Cala Monjo (Mönchsbucht) öffnet sich eine schroffe Minibucht, die ist umstanden von senkrechten Felsen wie ein Krater. Die gesamte Mönchsbucht befindet sich im Privatbesitz eines Deutschen, doch dieser soll im Gefängnis sitzen. Seitdem wird das Gelände wohl wieder als der Allgemeinheit gehörig angesehen. "Mallorca is SPAIN" hat einer mit Kreide auf die Einfriedungsmauer des Grundstücks geschrieben. Es sollen sich Schmuggler-, Seeräuber- und Mordgeschichten um diesen Ort ranken. Es war früher mal ein idealer Unterschlupf für Gestalten, die nicht weiter auffallen wollten. Heute ist hier ein Nacktbadestrand.

Um nicht in den Verdacht zu geraten, ein Spanner zu sein: das habe ich erst später erfahren, außerdem habe ich keine Nackten gesehen. Nur ein Knabe und ein Mädchen turnen in waghalsiger Kletterei auf dem gegenüberliegenden Felsen herum. Leider ist die Bucht inzwischen auch motorisiert erreichbar, dadurch verliert sie den Reiz der Abgeschiedenheit.

Zum Cap Andritxoll führt nun ein steiler Weg hinauf, bei der brennenden Sonne gerät man ins Schwitzen. Im Hochsommer lassen sich solche Wanderungen bei heißem Wetter wohl gar nicht ausführen. Auf dem Bergrücken befindet sich der Rest eines alten Wachtturms. Diese dienten in vergangenen Zeiten der Beobachtung der Küste wegen der häufigen Seeräuber-Überfälle. Die Türme standen um die ganze Insel in Sichtverbindung und eine Nachricht konnte über festgelegte Zeichen in kürzester Zeit verbreitet werden. Heute scharen sich die wandernden Touristen um den Turm. Ein Herr sagt zu den begleitenden Damen: "Nu gehet scho mal vor". Dann stellt er sich mit seinem Kamcorder standfest in Positur, filmt die wandelnden Damen vor dem Wachtturm und grummelt in sein Mikrofon: "Kap Andrischoll, dös Ziel isch erreicht". Ich bleibe diskret im Hintergrund, um die Idylle nicht zu stören.

Bild 1 Bild 2 Kap Andritxoll

Der Hinweg war so abwechslungsreich, daß der weniger interessante Rückweg durch den Wald sich lang hinzieht. Nochmal durch die Cala Fornells, dann bin ich einigermaßen fristgerecht wieder am Pool. Während ich mich aus den Sachen pelle und einige Leute von den Nachbarliegen herüberblinzeln, gebe ich an: "Wer da nicht war, wo ich war, der war nicht da".

Aber hier ist auch was passiert: eine ältere Dame ist auf dem Weg zum Örtchen vorzeitig explodiert. Das hatte einige weniger angenehme Nebenerscheinungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Inzwischen sitzt die Dame aber wieder quietschvergnügt bei Torte und einem Cognac unter ihrem Sonnenschirm.

11. Tag, Montag

Beim Frühstück tauchen auffallende Neuankömmlinge auf, erst einer, dann zwei ... am Schluß zählen wir sechs Mann hoch, die haben alle den gleichen Trainingsanzug an. Und hinten steht drauf Benthien, Dächer und Fassaden. Das ist wieder was für uns!

Das Wetter ist nun beständig schön, aber Heidi sieht nun auch ein , daß man nicht nur am Pool liegen kann. Heute würde sich die Fahrt mit dem Glasbodenboot gut anlassen. Damit wir für die Fahrt gut gerüstet sind, kauft sich Heidi einen schwarzen Strohhut und ich eine weiße Schirmmütze. Während wir auf die Abfahrt warten, können wir wieder ein paar Studien machen. Eine ältere Dame erklärt, welche Fische man im Wasser beobachten kann: "Das sind drei Sorten, die ganz kleinen, die mittleren und die großen". Auf dem Anlegesteg stehen Angler und fischen aus den dichten Schwärmen winzige Fischlein heraus, die sogleich den allgegenwärtigen Katzen vorgeworfen werden. Ein toller Sport!

Beim Betreten des Schiffes werden alle fotografiert, so geraten wir für 400 Peseten gleich in den Besitz eines Erinnerungsfotos von uns beiden mit Hut bzw. Mütze. Bei einer Frau muß das Foto besonders schön werden, sie trägt ein giftgrünes T-Shirt, vorne drauf lila Palmen vor einem rosafarbenen Himmel und quer darüber in Silber gehalten: MALLORCA.

Die Kommentare an Bord werden viersprachig angeboten, das hört sich dann so an: "Links, Santa Ponsa, to the left, Santa Ponsa, a gouche, Santa Ponsa, a la izquierda, Santa Ponsa!" Neben den Worten rechts und links beherrscht der Konferencier noch die Worte Bucht, Denkmal, Insel, Stier und Kaninchen (s.u.) viersprachig. Ein vorbildlicher Europäer!

Bild 1 Bild 2 Wo die Bauwut wütet Man erlebt nun die Küste aus einer anderen Perspektive. Es gibt bizarre Felspartien, die man von Land aus nicht zu sehen bekommt. Ebenso wird offenbar, wie man stellenweise die Küstenpartien verschandelt hat. Mancher hat sein Schwalbennest in die wildesten Klippen hineingebaut, damit ist der natürliche Charakter zerstört.

Höhepunkte sind die Kanincheninsel mit dem Stier, die Kormoraninsel. "Kormorane, die kenn ich vom Golfkrieg" sage ich, aber ganz leise, denn ein guter Witz ist das nicht. Gegen Ende der Fahrt passiert man die Bucht von Camp del Mar, Cala Monjo und Cala Fornells.

Der Schiffsführer kredenzt zum Abschluß den Gästen einen Schluck aus einem Trinkgefäß mit einer Tülle. Das erfolgt aus einem Abstand von ca. 10 cm. Füer die Ungeschickten hat er einen Lappen dabei - wir verzichten lieber wie mancher andere auch.

Nach zwei Stunden wankt man blinzelnd an Land: "War schön!"

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Küstenbebauung

12. Tag, Dienstag

Nun hat es sich schon eingespielt, daß wir in der ersten Tageshälfte etwas unternehmen, heute setzen wir uns in den Bus und fahren über Andraitx weiter nach San Telmo. Dazwischen liegt noch ein Ort, der heißt S' Arraco und liegt auch in einem fruchtbaren Tal. Das ist auch nichts anderes, als das berühmte Soller, wenn auch weniger spektakulär, dafür mehr für sich. Vor San Telmo liegt die schroffe Insel Dragonera (Dracheninsel). Der höchste Punkt mit einem verfallenden Leuchtturm liegt 300 m hoch. Auf der dem Land abgewandten Seite fällt die Küste der Insel senkrecht ab. Der alte Leuchtturm auf der höchsten Erhebung hatte den Nachteil, bei dunstigem Wetter meistens in den Wolken zu verschwinden, deshalb hat man ihn durch zwei neuere in niedrigeren Lagen ersetzt. Man kann sich mit einem Boot auf die Insel übersetzen lassen, das kommt aber für uns aus Zeitgründen nicht in Frage.

Ich habe da was von einer bizarren Bucht gelesen, der Cala Basset. Um die zu finden müßte man ja eigentlich nur am Meer entlanglaufen. Zunächst finden wir uns wieder auf Urbanisationsstraßen, die wohl bis auf weiteres völlig überflüssigerweise angelegt wurden. Es stehen enorm viele Wohnungen, Häuser, Villen und Anwesen zum Verkauf: ( Se Vendre), außerdem sieht man überall Bauruinen, wo den Investoren die Puste ausgegangen ist. Als die Straße zu Ende ist, geht es auf einem Trampelpfad weiter, den man wieder mal nur mit Mühe finden kann. Heidi guckt schon wieder komisch. Immerhin ist es nett bewachsen, schöne Fächerpalmen gibt es hier. Die Fächerpalme ist die einzige wildwachsende Palme auf der Insel.

Schließlich mündet der Trampelpfad in einen richtigen Weg, und bald erreicht man die Ruine eines Wachtturms. Dieser Ort heißt laut Karte Punta Nigra. Man kann in den Turm hineinklettern, über ein paar Eisenkrampen in eine enge Wendeltreppe, dann bietet sich der übliche Ausblick über das blaue Meer hinüber zur Dragonera, rechts hinunter in die Cala Basset, die "von 200 m hohen Felsen umstanden ist" (Reiseführer). Die Felsen fallen aber nicht senkrecht ab, daher ist das Ganze nicht so wild wie erwartet. Wir befinden uns hier jedenfalls auf dem westlichsten Punkt der Insel Mallorca. Und das Sonderbare ist: an diesem doch gewiß zauberhaften Ort treffen wir auf keinen Menschen weit und breit.

Auf dem breiten Weg gehen wir zurück nach San Telmo. Ein Bus muß gerade weggefahren sein, obwohl es noch nicht an der Zeit war. Da haben wir nochmal zwei Stunden Zeit und bummeln in den Ort. In einem Cafe bekommt Heidi einen Capuccino, über den sie vor Sahne kaum hinweggucken kann. Ich muß beim Ablöffeln helfen. In diesem Ort ist die Welt zuende, daher herrscht so gut wie kein Verkehr. Wenn ein Auto auftaucht, wird das eher als Abwechslung betrachtet. So kann man so richtig faul vor sich hinblinzeln, die Blicke über das Meer oder oben über die steil ansteigenden Berghänge schweifen lassen. Ein paar Radfahrer mit Gepäck haben sich hierher verirrt und rasten erst einmal.

Dann fahren wir wieder zurück und der Rest des Tages gehört der Faulenzerei.

13. Tag, Mittwoch

Mittwoch ist Wochenmarkt in Andraitx, da dürfen wir nicht fehlen. Gleich wie wir aus dem Bus steigen, will ein Händler mit Perlenschmuck mit uns ins Geschäft kommen. Heidi läßt zu offensichtlich ihr Interesse für eine Kette aus den berühmten Mallorca-Perlen erkennen. Die Mallorca Perle ist eine Perlenimitation, anscheinend hat sie sich so sehr einen Namen gemacht, daß inzwischen ein Qualitätsbegriff daraus geworden ist. 5000 Peseten nennt der Händler als Preis. Wir nehmen eine ablehnende Haltung ein, darauf holt er einen Zettelblock herbei, wir sollen unsere Preisvorstellung notieren. Wir bleiben aber ablehnend und gehen einfach weiter. Eine ganz Weile krakeelt der enttäuschte Händler hinter uns her. Ein paar Stände weiter sind die Schmuckwaren mit Preisen versehen, die gleiche Kette kostet hier um die 2000 Peseten.

Zunächst verlassen wir erst einmal den Markt, wir wollen uns noch den Friedhof anschauen, über den wir in einem Buch gelesen haben. Da wir nicht wissen, wo sich der Friedhof befindet, gehen wir aufs Geratewohl durch ein paar Hintergassen, schon geht es wieder bergauf. An einem Tor will Heidi umkehren. Aber wenn man durch das Tor hindurchgeht, gelangt man zu der oberhalb des Ortes gelegenen Ruine einer Befestigungsanlage. So weit kann ich mich durchsetzen. Als wir wieder hinabsteigen, sehen wir den Friedhof vor uns, er liegt neben der Kirche (wo auch sonst)!

Wegen des felsigen Untergrunds und aus Platzmangel werden die Toten hier oberirdisch beigesetzt. Dafür gibt es Grufträume, die übereinander liegen wie bei einem Schrank die Schubfächer. Verschlossen wird die Gruft nach vorne mit einer Steinplatte, auf der dann Name, Sterbedatum und evtl. ein Foto des Verstorbenen zu sehen ist. Eine Gruft kann jeweils zwei Personen aufnehmen. Daneben gibt es luxuriösere Grabstellen, ebenso einfachere und sowas wie Gemeinschaftsschlafräume. Das ist alles ein bißchen gruselig und wir schlendern lieber wieder dem Markt zu.

Hier füllt es sich so langsam, es kommen immer wieder Busse an. Es gibt sogar Sonderbusse eigens wegen des Marktes. Am interessantesten sind die Lebensmittelstände, wo neben Gemüse und Gewürzen Wurst- und Fleischprodukte, auch Fische gehandelt werden. Uns läuft nicht direkt das Wasser im Munde zusammen, wenn man so einen angeschnittenen Schinken sieht. Die Schinken werden luftgetrocknet, man hängt sie einfach irgendwo auf. Am unteren Ende wird ein kleines Schälchen befestigt zum Auffangen von tropfendem Fett.

Wir kaufen einen Krug als Mitbringsel für Verena und handeln erfolgreich ein paar 100 Peseten herunter. Heidi piert weiter auf eine Perlenkette. 2900 ruft uns ein Händler zu. "Tausend vielleicht" murmelt Heidi und meint das gar nicht richtig ernst. "Gut, Tausend", sagt der Händler unerwarteterweise, so kommt Heidi endlich zu ihrer Kette und wir zu dem Erfolgserlebnis, gut handeln zu können.

Ein anderer Zeitvertreib besteht in dem bekannten Hütchenspiel. Hier wird es von einer Zigeunerin mit ausgehöhlten Kartoffeln praktiziert. Unter einer von drei Kartoffeln befindet sich ein kleines Kügelchen, die Kartoffeln werden ein wenig umhergeschoben und vertauscht, dann muß man Geld einsetzen und die Kartoffel benennen, unter der das Kügelchen verborgen ist. Die Frau macht das so einfach, daß man gar nicht irren kann, aber in dem Moment, wo man zu Geld greift und kurz wegsieht, sind die Kartoffeln schon wieder verändert. Neben uns macht einer ein langes Gesicht, der hat verloren. Ich halte meine Geldtasche lieber fest, als daß ich mich auf sowas einlasse.

14. Tag, Donnerstag

Dies ist unser aller letzter Tag, auch die R.s fahren, besser fliegen am Freitag wieder zurück. Nun ist gerade am letzten Tag das Wetter schlecht, dabei wollten wir diesen am Strand verbringen und im Meer baden. Daraus wird nun nichts, denn es regnet. Heidi möchte Geschenke einkaufen, dazu braucht sie mich nicht. Wir verabreden, daß Herr R. und ich eine Wanderung nach Calvia unternehmen, die auch in der Broschüre beschrieben ist.

Zuvor schaue ich erstmal beim Reisebüro vorbei, wegen der Kofferanhänger. Das Büro öffnet erst um 10 Uhr, da kann das eben erst am Nachmittag erledigt werden. Es regnet ein wenig, aber wir trotten unverdrossen Richtung Rancho Romana, einer Reiterranch, wo der Weg beginnen soll. Es geht in einen kleinen Wald, mal hinauf und mal hinunter. Laut Beschreibung halten wir uns immer ein wenig links. So nach einer Viertelstunde kommen die Häuser von Paguera plötzlich wieder näher, und dann stehen wir an der Baustelle für die Umgehungsstraße, wenige 100 Meter von unserem Startpunkt entfernt. Beim Überwinden einer frisch planierten Lehmstrecke merkt man doch, daß es regnet, indem sich dicke Kluten unter den Sohlen bilden. In der Folgezeit läßt der Regen aber nach und der Weg ist asphaltiert.

Wir halten uns Richtung Kläranlage, da sind wir wieder richtig. Von einem Sperrschild Privado nehmen wir keine Notiz. Bald erscheint die auf einem Berg liegende Finca Tora, die wirkt wie eine Festung. Hinter'm Haus hat man gleich seine eigene Müllkippe angelegt. Calvia mit seiner Kirche ist nun schon gut voraus sichtbar und der Weiterweg zwischen Gärten hindurch ist einfach. In Calvia ist auf dem Kirchplatz ein bemerkenswertes Keramikpanorama an einem Haus angebracht. Leider habe ich den Fotoapparat nicht mitgenommen. Bis der Bus kommt, reicht es noch für einen Kaffee, dann müssen wir uns sputen, denn der Bus fährt diesmal fünf Minuten zu früh ab.

Am Nachmittag greift sich Heidi eine Plastiktüte und einen Eßlöffel, der am Vortag beim Abendessen in ihre Handtasche gefallen ist. Auf einem meiner Spaziergänge hatte ich auf einem Schuttplatz die üppigen Ranken einer fleischigen Hängepflanze gesehen. Bis dorthin führe ich Heidi aber noch auf ein paar Irrwege, was sie mir übel nimmt. Ich wollte nur den "vergessenen Paß Coll de S'Alemany" (Herbert Heinrich, Band 2) suchen. Das mißlingt. Schließlich finden wir den Schuttplatz und Heidi kann ihre Tüte füllen.

Nun wird es Zeit für das Reisebüro wegen der Kofferanhänger. Dort sitzen schon eine Reihe von Leuten und warten auf Abfertigung. Da wird umgebucht, verlängert und was weiß man. Um nicht so lange zu warten, frage ich mal kurz dazwischen "Wir wollten nur ein paar Kofferanhänger von Sun World Tours holen". "Kofferanhänger haben wir hier gar nicht, die müssen Sie von ihrem Veranstalter anfordern".

So ziehen wir betrüppelt ab. Heidi ist aber ernsthaft böse. Es geht wohl weniger um die Kofferanhänger als um eine gewisse Eigenschaft meinerseits, immer alles zu verschlampen, sich um nichts richtig zu kümmern, immer andere alles machen zu lassen, das es mit allen Dingen so wäre usw. Zurück im Hotel überzeuge ich mich, gewissenhaft wie ich bin, daß wir die alten Anhänger von der Herfahrt nicht weggeschmissen haben.

Nach dem Abendessen muß ich noch einmal mit Heidi und deren Eßlöffel losziehen. Von den Gartenzäunen kann ich sie noch so einigermaßen wegzerren. Nebenan befindet sich aber auch ein verwaistes Vergnügunszentrum: Bei Monika. Da ist so allerhand an Pflanzen verdorrt und verkommen. Während ich Wache schiebe, zieht Heidi ein paar Nelken oder sowas aus Gesteinsritzen. Als sie fast auf den Hintern fällt, als eine Pflanze unverhofft nachgibt, ist die Tüte gefüllt und wir können die Aktion abblasen. Wie wir morgen durch die Sicherheitskontrolle kommen sollen, wenn da ein Ohrenkneifer oder gar Skorpion über den Kontrollschirm krabbelt, das ist mir noch unklar.

Freitag, Rückfahrt

Unser letztes Problem besteht darin, ob wir auch am nächsten Morgen um 5.25 Uhr ordnungsgemäß abgeholt werden. In der stockdunklen Nacht stehen wir mit unseren Koffern pünktlich am Hinterausgang des Hotels, wie es dem Aktenordner von Sun World Tours zu entnehmen war. Ich denke so für mich schon darüber nach, wie man mit dem Taxi zum Flughafen kommt. Nach 10 Minuten über der Zeit kommt ein kleinerer Bus und fährt rückwärts vor. So geht's auch, wir sind froh, daß man uns nicht vergessen hat.

Im Flughafen findet nun der bei uns obligatorische Abschiedsaufstand statt. Es geht um einen gewissen Kuchen, der anscheinend zu einem Mallorca-Urlaub dazugehört wie das Amen in der Kirche. Man sieht jedenfalls zahlreiche Menschen mit großen Kuchenkartons hin- und hereilen. Ein solcher Kuchen kostet um 1000 Peseten. Wir haben aber nur noch Kleingeld. Nach einigem Hin und Her tauschen wir an einem Geldschalter nochmal einen Zwanzigmarkschein um. Der Schalterbeamte wirft ein paar Münzen auf den Tresen, das ist alles. 500 Peseten werden als Umtauschgebühr einbehalten, 800 Peseten kommen bei uns an, 100 Peseten haben wir noch gehabt, da kriegen wir ja immer noch keinen Kuchen dafür!? Mir bricht der Schweiß aus!

Da Geldschalter und Kuchenkiosk an zwei verschiedenen Enden der Flughafenhalle liegen, mögen wir sie wohl zum vierten Mal durchqueren. Vielleicht können wir den Kuchenpreis herunterhandeln? Aber sieh mal an: da gibt es auch einen noch kleineren Kuchen für 900 Peseten, die habe ich ja gerade in meinen schweißnassen Händen.

Wollen wir den Urlaub damit ausklingen lassen, der Rest ist für uns natürlich nur Routine, zum Mittagessen sind wir schon wieder zu Hause. Am Abend bin ich mit Verena bei der Notaufnahme im Krankenhaus, weil sie auf den Arm gefallen ist (zum Glück harmlos), und so geht das Leben wieder seinen Gang.

Während dieser Bericht entsteht, herrscht hierzulande das schönste Sommerwetter, das man sich vorstellen kann. Die Bildzeitung meldet dagegen hämisch: Ätsch, Mallorca. Dort sind es 14 Grad und es regnet...