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Samstag, 29.4.

So gut haben wir nicht geschlafen, der Morgen ist diesig. Ob das überhaupt ein schöner Urlaub wird? Nach dem Frühstück wird Geld vom Postsparbuch abgehoben, befriedigt stellen wir fest, daß wir einige Prozent mehr als bei den allgegenwärtigen Wechselstuben einscheffeln können.

Hinunter zum Strand, zwischen den Bauschwaden hindurch. Schuhe aus und am Meer entlang, das immer gern gespielte Pokern mit den anlaufenden Wellen bis die Hosenbeine naß sind - trotz Umkrempeln. Nun erscheint doch die Sonne und wir eilen zu unserem Pool unter Palmen. Trotz Sonne, die Luft ist kalt, wie wir immer sagen. Heidi ist ganz konsequent und läßt die Sonne an die Haut in Erwartung der gewünschten Urlaubsbräune. Ich haue mich voll angekleidet auf die Liege, Schirmmütze tiefergezogen, ein gutes Buch (Braunschweig Krimis), jetzt geht es uns schon besser.

Bald schon ist an Lesen nicht mehr zu denken, man spitzt lieber die Ohren. Da liegt neben uns ein Dreiergespann, die wir in Zukunft die Schneider-Connection nennen wollen. Die besteht aus einer Dame, ganz attraktiv für die Gegend, einem Kavalier, schütter im Haar aber braungebrannt und von arrogantem Wesen, sowie dem Namensgeber der Gruppe: einer gelungenen Kopie des derzeit mitsamt einiger Millionen abgängigen Baulöwen Jürgen Schneider. Sogar ein Toupet entspricht perfekt dem Vorbild. Es gibt ja weltweit kaum noch "schneiderfreie Zonen", wie das im SPIEGEL malausgedrückt wurde. Mallorca gehört sicher schon gar nicht dazu.

Einige Zeit tuscheln Heidi und ich, was denn nun zu unternehmen sei, wenn das wirklich der Echte sein sollte, wegen der Belohnung usw. Dann lauschen wir andächtig der Diskussion. Soll man eine Finca oder ein Apartment kaufen? In Palma wäre da eine Occasion. Wie man ein Cabrio fährt, ob Automatik oder nicht. Heidi hat ihr Buch längst weggelegt. Hinter uns diskutiert eine andere Runde die Handhabung von Feuerwaffen verschiedenen Kalibers auf Schießständen in der Eiffel. Irgendwie können wir in beiden Fällen nicht mitreden.


Hotel Palmira Straßenseite
Nun haben wir ja auch noch einen Termin: die Begrüßung durch die Neckermann-Reisebetreuung um 17 Uhr in der Bar, bei einem freien Getränk. Ich freue mich schon auf eine Blondine, die uns möglichst melodisch mit einem "Gell!" die Vorzüge Mallorcas nahebringt. Ihr Vorname wird sein: Marita, das wissen wir schon aus der Neckermann-Info-Mappe. Mit zwei Damen aus Leipzig, ganz in Grau, sitzen wir pünktlich beisammen in freudiger Erwartung. Dann erscheint Marita, tatsächlich blond, eine Mappe unter dem Arm, eine Tasche mit Unterlagen schleppend. Das Neckermann-Kostüm (lindblau) kleidet sie gut. Sie stellt sich als Holländerin vor, ein leichter Accent weist sie auch als Linda de Mol Verschnitt aus. Wir dürfen uns ein Glas Sekt bestellen. Dann hagelt es Informationen. Z.B.: Postkarten sollte man nicht in Briefkästen schmeißen, denn die würden erst entleert, wenn sie voll sind. Besser sei es, die Post bei der Rezeption abzugeben.

Bei den folgenden Anpreisungen von den Neckermann-Insel-Rundfahrten mit Kosten um die 50.- DM winken wir innerlich ab. Dann erscheint auch noch ein smarter Jüngling, der eine Führung in Palma offeriert, mit beiläufiger Besichtigung einer Ledermodenschau, alles ohne Kaufzwang.

Nun winken wir auch äußerlich ab. Die beiden Damen aus Leipzig aber, ganz in Grau, überläuft ein freudiges Glühen und sie sagen ihre Teilnahme an der Veranstaltung zu. Wir erlauben uns noch zwei provozierende Fragen: ob man auch Wanderführungen buchen könne. Das sei leider weniger möglich. Und: ob denn die viel preiswerteren Werbefahrten nicht auch empfehlenswert seien oder was. Nein das sei nicht empfehlenswert, weil das angekündigte Programm bei zu wenig Kauflust der Teilnehmer oftmals nicht erfüllt werde.


Hotel Paguera
Nachdenklich finden wir uns zum Abendessen ein. Anschließend machen wir endlich unsere Aufwartung beim Hotel Paguera, unserer Wirkungsstätte vor zwei Jahren. Da hat sich einiges verändert. Man hat wohl einige marode Anwesen in der Nachbarschaft aufgekauft und das ganze zu einem neuen großzügigen Komplex ausgebaut. Viel Grün ist dabei draufgegangen und durch wenig ersetzt worden.

Im Foyer geht es zu wie in einem Bienenstock. Wir setzen uns und warten auf ein Bier, einige Kellner erkennen wir sogar wieder. Leider diese uns wohl nicht, denn eine Bestellung werden wir nicht los. Heidi begibt sich an einen Schmucktisch, wo aus Meterware hergestellte Ketten, die allgegenwärtige Mallorcaperle in allen Variationen usw. offeriert werden. Ich vergucke mich in einen Herrn vis a vis, ist das nicht der berühmte Schauspieler Matthieu C. aus Lübeck? Schon will ich ihn fragen, ob er bei meinem Onkel Walter in die Schule gegangen ist (dem ist nämlich so), doch dann entscheide ich mich doch, daß es sich wieder nicht um das Original handelt. Wie sollte man auch als berühmter Mann im Hotel Paguera absteigen, wo nicht mal ein Golfplatz in der Nähe ist...

Heidi kommt zurück von ihrem Schmucktisch, "alles Schrott" oder so lautet ihr Urteil. Nach dieser Inspektion sind wir eigentlich froh, daß wir es mit unserem Palmira doch richtig gemacht haben.

Wieder zurück im Palmira kommen wir natürlich noch nicht zur Ruhe. Wir wohnen direkt über der Bar, das verpflichtet schon wegen der davon ausgehenden Lautstärke. Ein Ehepaar hat sich schon beschwert und durfte in ein nach hinten gelegenes Zimmer umziehen. Dafür ereilt allerdings den Herrn ein paar Tage später "Montezumas Rache".

Heute ist eine Veranstaltung: Die VANGEL-Show. Das ist ein Alleinunterhalter mit allen erdenklichen Musikinstrumenten, es kostet keinen Eintritt und die Getränke sind auch nicht teurer als sonst. Das erste Mal bei unseren Mallorca-Urlauben nehmen wir an einer derartigen Veranstaltung teil, bisher waren wir uns eigentlich selbst genug. Aber man gönnt sich ja sonst nichts.

Wir kommen in einer der ersten Reihen der spärlich besetzten Tische zu sitzen. Der Akteur (etwas Hazy Osterwald) hat ein beachtliches Gepäck dabei, neben den allen erdenklichen Musikinstrumenten auch so einen rosaroten Springballon, wie ihn Kinder zum Herumhüpfen benutzen. Dann geht es los, mit Eviva Espania, Largo oder Beethoven, quer durch, mal mit Geige, Saxophon oder Tuba. Das Publikum wird einbezogen, wir klatschen zwar auch matt Beifall, doch das ist wohl nicht genug. Zum Einpeitschen folgen nun auf dem Akkordeon die allfälligen Karnevalslieder: Humba Tätterääh, Trink, trink, Brüderlein.., Heute blau und übermorgen wieder usw. Schunkeln ist angesagt, wir sitzen wie die Ölgötzen, neben mir eine Matrone, die zum Glück wohl auch zum Schunkeln zu faul ist, außerdem schaue ich angestrengt in die entgegengesetzte Richtung.

Es folgen ein paar Witzlieder, etwa: "Unsre Omma fährt im Winter nach Mallorca.." Auch als Kassette zu erwerben, der Erlös für Kriegsopfer in Bosnien (?).

Heidi wird langsam grantig. Das sollen die stolzen Spanier sein, und hier machen sie sich so zum Affen...? Der stolze Spanier präsentiert dann noch seinen Springballon als schottischen Dudelsack, auch einem schweizerischen Alphorn werden sonore Töne entlockt, nehmen wir es europäisch, dann sind wir ja voll auf der Linie. Mit dem original-spanischen Abschiedslied "Auf Wiedersehen - bleib nicht so lange fort..." klingt die Schau aus.

Wir bringen wieder Unordnung in unsere Preßbetten und träumen vom schönen Spanien.


Das schöne Spanien

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