Samstag: Westtour
Ein Reiseveranstalter, der etwas auf sich hält, bietet auch immer
einen Begrüßungstermin an, und das ist in diesem Fall in
Person einer Dame namens Liliana.
Man kennt das schon, da werden einem meistens recht teure Rundfahrten
und andere Unternehmungen angeboten. Heute ist die erste Frage: "Werden
sie auch satt?". Das kann man schon mal uneingeschränkt bejahen.
Unsere Liliana hat das Herz und das Mundwerk auf dem rechten Fleck, das
merkt man gleich. Und die in Frage kommenden Bustouren würde sie
selbst leiten, also sind wir schnell dabei, die Westtour schon morgen,
die Osttour dann am Dienstag. Ob die Touren mehrsprachig seien? "Nein,
nur in Deutsch, Engländer kommen mir nicht in den Bus. Wenn man da
einen Witz macht, lachen die erst eine halbe Stunde später".
Etliche Scheine müssen wir nun dafür hinblättern, aber
wann gönnt man sich sonst schon mal die Insel Madeira.
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Damit wir früh genug wach sind, müssen wir den Weckdienst an der Rezeption bemühen, und das klappt auch prima. Wir können gerade noch das Frühstück vor der planmäßigen Zeit zu uns nehmen, dann ist der Abholdienst auch schon da. Der bringt uns in Richtung Funchal zu einem Sporthotel in Canico. Dort holt der Bus uns und weitere Gäste ab. Liliana ist auch schon dabei, und in Funchal werden eine Menge Leute zugeladen, sodass der Bus fast voll wird. Wir fahren zunächst zu einem Aussichtspunkt oberhalb des Küstenortes Camara de Lobos. Da bietet sich ein reizvoller Blick hinunter, aber auch auf die locker besiedelten Berghänge mit den typischen Terrassenfeldern, auf denen man Bananen, Zuckerrohr, Kartoffeln und andere Früchte anbaut. Kartoffeln kann man auf einem Feld viermal im Jahr ernten - so wird berichtet.
Die nächste Station ist das Cabo Girao, mit 590 m die zweithöchste Steilklippe der Welt. Das höchste Steilkap der Welt liege in Malysia, heißt es. Der Blick hinunter ist atemberaubend und das Schutzgeländer nicht gerade hoch. "Wie viele springen denn das so runter?" wird gefragt. "Gar nicht so viele, weil man unterwegs aufstölzt". Das mögen viele nicht und suchen sich lieber ein anderes Kap. Damit das Gruseln noch gesteigert werden kann, plant man eine Aussichtsplattform mit gläsernem Boden, soviel hat man vielleicht von jenem Skywalk im Grand Canyon, Arizona, gelernt. Ein großes Restaurant ist wohl auch in Planung, die Baustelle ist schon da.
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Nach diesem Abenteuer geht es weiter auf kurvenreichen Bergstraßen hinunter nach Ribeira Brava (Wilder Fluss), einem Küstenstädtchen. Aus den Medien hatten wir erfahren, dass im Februar 2010 ein Unwetter die Insel heimgesucht hat, über 40 Tote gab es zu beklagen, entfesselte Wassermassen und Erdrutsche verwüsteten etliche Gegenden. Hier wurde eine Brücke weggerissen, von der man nur noch die Reste sieht. Dabei ist der heute eher mickerige Fluss von meterhohen Mauern eingefasst. Eine neue Flussüberquerung ist inzwischen gebaut worden, über die man in das Ortsinnere gelangt. Eine hübsche Kirche und enge Gässchen, aber auch unübersehbare Bausünden. Seit Beitritt von Portugal zur EU sind reichlich Mittel zum Ausbau der Straßen geflossen. Man hat unzählige Tunnels geschaffen, durch die die Verkehrsanbindung ehemals entlegen gelegener Orte sich entscheidend verbessert hat. Dadurch hat natürlich auch die Bauwut mancherorts zugenommen.
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Die Weiterfahrt führt in das Landesinnere, durch ausgedehnte Eukalyptuswälder, die hier eigentlich nicht heimisch sind. Das Holz ist auch eher minderwertig und dient mehr dem Heizen und als Baumaterial. Die eigentlichen Urwälder der Insel werden wir später kennen lernen. Nach langer Anfahrt erreichen wir die Hochebene Paul da Serra auf ca. 1400 m Höhe. Hier gibt es eine Kolonie von Windrädern, aber auch mehr oder weniger unverfälschte Natur. Weite Flächen sind mit Ginster oder Stechginster bewachsen, wobei letzterer schon blüht. Noch vor nicht länger als einer Woche habe es einen Wintereinbruch mit viel Schnee gegeben, das waren die Straßen unpassierbar und die Leute eingesperrt - wie Liliana sich ausdrückt. Das schlimmste sei gewesen, dass es in den Läden keine elektrischen Heizgeräte mehr gab, die waren alle ausverkauft. Heute haben wir aber großes Glück mit dem Wetter und eine gute Aussicht. Unten in einem Tal liegt der Ort Rabacar, in dessen Umgebung sich die bekannten 25 Quellen inmitten einer grünen Hölle befinden. Dort haben viele Levadas, das sind in Stein gefasste Wasserrinnen zur Feldbewässerung, ihren Anfang, die gesäumt von schmalen Pfaden und mit geringer Neigung beliebte Wanderrouten darstellen. Auch hier oben befindet sich ein Wasserreservoir und ein Beobachtungsturm mit nebenstehender Antenne, womöglich falls Madeira einmal militärisch bedroht werden sollte.
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Auf der Weiterfahrt geraten wir überraschend plötzlich in dicke Nebelschwaden, man kann kaum mehr die Straßenmarkierung erkennen. Da taucht mitten auf der Straße auch noch eine dahintrottende Kuh auf. Unser Fahrer kann gerade noch ausweichen, hoffentlich haben das andere der Kuh zuliebe auch noch geschafft. Entlang ausgedehnter waldbestandener Täler fahren wir hinunter zur nördlichsten Spitze der Insel mit dem Ort Porto Moniz. Dort werden wir das Mittagessen einnehmen. Das besteht aus einem Gericht des berühmten Degenfisches (Espada), der in bis zu 1000 m Tiefe im Atlantik lebt. Der wird mit langen Angelschnüren zahlreich gefangen und gilt gleichsam als Nationalgericht. Das Gericht ist auch entsprechend wohlschmeckend. Nach dem Essen dürfen wir einen Rundgang durch die Attraktion des Ortes, die natürlichen Lavabecken, machen. So natürlich ist das ganze nicht mehr, denn man hat die Wege betoniert und mitten hinein ein nicht gerade ansehnliches Restaurant gesetzt.
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An der Nordküste der Insel geht die Weiterfahrt durch viele Tunnels, die wie schon erwähnt das Fortkommen entscheidend erleichtern. Die alte ehemalige Straße ist teilweise noch zu erkennen, die hat sich auf abenteuerliche Weise um die steilen Bergflanken herum gewunden. Liliana erzählt uns lustige Anekdoten, wie man früher auf dieser Route die Gäste verängstigen konnte. "Huijuijui" oder so hätten die geschrieen, wenn der Bus zuweilen bei Gegenverkehr hart am Abgrund rückwärts setzen musste. An den Berghängen sieht man auch einige Wasserfälle, an dem bekanntesten, dem Brautschleier steigen wir für ein paar Fotos aus.
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Auch in dem Ort Sao Vicente werden wir für einen Rundgang ausgeladen. Wie man lesen kann, ist hier in den 80er Jahren alles renoviert worden, das wirkt eher steril. In der Kirche gibt es einige hübsche Kacheldarstellungen. Interessant wäre in diesem Ort eine Lavahöhle, Grutas de Sao Vicente, für deren Besichtigung reicht die Zeit nicht.
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