Pünktlich um 10 Uhr haben alle sich von dem Frühstücksbuffet losgerissen oder sind dem hoteleigenen Schwimmbad entstiegen. Bis auf zwei wandern alle mit. Das Wichtigste: das Wetter - es beschert uns eine angenehm frische Luft, es ist bewölkt aber trocken. Bald windet sich die Wandergruppe langgezogen den schmalen Weg hinauf zum Galgenberg - warum der wohl so heißen mag? In diesem Zusammenhang wird erörtert, wie es denn mit der Situation der Raben allgemein - und denen im Kyffhäuser speziell - bestellt sei. Besagt doch die Barbarossa-Sage, daß der Kaiser Barbarossa, tief unten im Berg hinter einem steinernen Tisch schläft, durch den sein roter Bart hindurchgewachsen ist. Alle hundert Jahre schickt er einen seiner Vasallen an die Oberfläche, um nachzusehen, wie es um das Wohl des Reiches bestellt sei (s.o.).
Wenn aber noch die Raben den Berg umfliegen, dann steht es nicht so gut damit und er muß weitere hundert Jahre in den Schlaf fallen. Nun fliegen aber keine Raben mehr herum, weil sie in freier Wildbahn nicht mehr vorkommen. Ein Barbarossa hat sich trotzdem noch nicht wieder gezeigt, nach den Erfahrungen des "1000-jährigen Reiches" ist das wohl auch besser so.
So kann man munter mit seinen jeweiligen Wandernachbarn plaudern. Bei "Rathsfeld" und am "Ententeich" wird die Gruppe jeweils versammelt, damit sich die Gesprächspartner neu durchmischen können. Sonst geht alles planmäßig vor sich, genau im Zeitplan erreichen wir kurz vor 13 Uhr die Gaststätte "Landsitz Thomas Müntzer". Es fehlen nur drei Personen, mit dem Schwund kann man leben. Nach 10 Minuten treffen diese aber auch ein. Ein älteres Ehepaar hat es lieber ruhiger angehen lassen, und der dritte hat auf sie aufgepaßt.
Da wir die Gerichte schon telefonisch durchgegeben haben, erfolgt die Bedienung prompt, und um 14 Uhr sind wir wieder zu neuen Taten bereit. Man wandert das kurze Stück zum Kassenhäuschen hinauf, dort gibt es Ermäßigung für 50 Personen und drei Kinder. Dann verstreut man sich im Kyffhäuserdenkmal und drumherum, leider ist die Sicht doch wieder zu diesig, um Harz oder Thüringer Wald zu sehen. Als sich ein paar Unentwegte an die Besteigung der Aussichtsplattform machen, schließe ich mich an, auf Heidi läßt sich bei solchen Unternehmugen ja nicht rechnen. Das wäre auch etwas gewesen, die enge Wendeltreppe, wo man nur hochkant bei Gegenverkehr aneinander vorbeikommt.
Wieviel Stufen es sind, kann man wohl irgendwo nachlesen. Oben ist es dann auch ganz schön, jedenfalls fühlt man sich höher als unten. Bald hoppeln wir wieder runter. Wenn an einem Tag mal mehr Besucher kommen, als heute, dann wird es wohl ein Ding der Unmöglichkeit, auf dieser Wendeltreppe noch irgendwie voranzukommen, man wird an die Spindel eines Fleischwolfes erinnert.
Nach dem Abstieg hat man nun Gelegenheit, seine kritische Meinung zu äußern. Da ist man sich ja einig, eine solche Art von nationaler Verherrlichung ist schon ganz schön zweifelhaft. Man schaut es sich eben an, damit man mitreden kann.
Ich schnappe mir zwei Jungens aus Berlin und zeige ihnen den Burgbrunnen, an dem man 40 Jahre (1130-70) gebaut hat und der 180 m tief ist. "Wieviel sind denn 180 m?" wird gefragt. "Na wie der Fernsehturm auf dem Alex schätze ich mal". Nun befindet sich oben an der Brunnenmauer ein Becher, der voll Wasser läuft. Wenn er voll ist, kippt er seinen Inhalt aus und die Tropfen stieben nach unten. Gebannt schaut alles hinab, einige stoppen die Zeit. Nach genau 20 Sekunden passiert etwas: dann erlischt der unten angeleuchtete Wasserspiegel. Wenn er sich beruhigt hat, leuchtet er wie ein Spiegel wieder auf. Mit ebenfalls leuchtenden Augen richten sich die Beobachter auf und wenden sich einer anderen Sehenswürdigkeit zu.
Zurück am Eingang machen wir uns pünktlich an die abschließende Wanderung zur Rotenburg. Von Heidi bekomme ich fortan gar nichts mehr zu sehen, die hat sich irgendwo festgequatscht.
Wir wandern auf dem "Hangweg" entlang, der führt immer eben dahin. Leider ist die Aussicht mangels Sonne nicht so gut. Aber die Laubfärbung sorgt für ein buntes Bild. Als wir den Parkplatz an der Rotenburg erreichen, wird der Himmel merklich grauer. Wir passieren das eigenartige Gebäude, das von weitem wie ein Panorama-Restaurant aussieht. Laut Reiseführer ist es ein "Ledigenheim der Kaserne Frankenhausen". Darunter kan man sich wenig vorstellen. Wer ist denn in einer Kaserne ledig? Das geht wohl noch auf DDR-Zeiten zurück. Wenn einer zuviel Geld hat, kann er ja hier immer noch ein Restaurant aufmachen, aber es sich noch keiner gefunden, und so ist alles verwaist.
Als wir uns der grauen Aussicht auf Kelbra und den halb trocken daliegenden Stausee annehmen, setzt ein kleiner Regenschauer ein, der zwar gleich wieder aufhört, die Leute aber zurück auf den Parkplatz treibt. Und da steht er schon, der "Reichentaler". Eine Minute später haben wir 10 Chauffeure zusammen und brausen nach Bad Frankenhausen. Alsbald braust jeder mit seinem eigenen PKW wieder hinauf, und Punkt 17 Uhr sind alle Wanderer verstaut.
Wir ziehen uns auf eine knappe Stunde zurück, Heidi bessert ihr MakeUp auf, und ich begebe mich die Wendeltreppe hoch und gucke ein wenig an die Zimmerdecke. Irgendwie steht man ja doch unter Strom, obwohl alles so gut klappt. Als wir am Abend in den Kaisersaal kommen, sind schon eine Menge Leute da. Der Kaisersaal befindet sich in dem älteren Teil des Hoteltraktes, an der Decke ist in rustikalem Stil die Balkenkonstruktion des Daches sichtbar. An der Giebelseite des Raumes befindet sich eine Abbildung der schlafenden Barbarossagestalt, wie sie im Kyffhäuserdenkmal eingemeißelt ist. Wir setzen uns davor, sozusagen als Präsidium. In diesem Saal finden nun alle bequem Platz, obwohl es ein wenig weitläufig und damit weniger gemütlich wirkt.
Als alle gespeist haben, erfolgt die Laudatio an uns Organisatoren, es klappe ja alles hervorragend, wir seien "perfekt" usw. Wir bedanken uns auch nochmal dafür, daß trotz der langen Anfahrt so viele gekommen seien, wir erstmals in Thüringen uns in einem der neuen Bundesländer träfen usw. Heidi bekommt das letzte Wort, daß sie alle so nett finde und wir alles gemeinsam machten, wobei sie das Wort "gemeinsam" leider nicht lispelnd ausspricht - wie unser Bundeskanzler.
Nun haben noch zwei um Mitternacht Geburtstag, da gibt es Sekt (Rotkäppchen), Herr Gommlich spendet eine Münze, den "Reichentaler". Heidi gelingt es auf die Schnelle, zwei Bildbände über Kyffhäuser und Umgebung aufzutreiben.