Kapitel Index

Montag, 29.4.

Es ist so weit, wir fahren zum Kyffhäuser, eine Woche Urlaub im Gepäck. Über die o.g. annehmelichen Anfahrtswege und die heißen Kurven des Kyffhäusers erreichen wir stracks das Hotel Reichental zu Bad Frankenhausen. Man ist angemeldet und bekommt natürlich keinen Zimmerschlüssel, sondern eine Magnetkarte. Heidi geht vor, ich schleppe die Taschen. „Oh, schön!“ ruft meine liebe Frau beim Betreten des Zimmers mit Hainleiteblick, während ich die Taschen absetze. Wir ziehen die Vorhänge auf. „Hainleiteblick“ - da ist er - eine Plattenbausiedlung... Dahinter erst die Hainleite (das ist der dem Kyffhäuser gegenüberliegende Bergzug). Aber das Paradies ist nirgendwo, wir werden mit dieser Plattenbaulandschaft noch Freundschaft schließen.

Nun die zweite Ortsbegehung von Bad Frankenhausen. Es ist Frühling und die Kastanien grünen. Der graue Märztag unseres ersten Besuches ist gar nicht mehr vorstellbar. Plötzlich entdecken wir Seitenstraßen, sogar den Marktplatz finden wir, das alles war an diesem damaligen kalten Tag verborgen geblieben. Reste der Stadtmauer, der schiefe Kirchturm der Oberkirche, mit 3.80 m Überhang der schiefste Turm in Deutschland! Wir kommen noch darauf zurück.

Hunger haben wir. Es ist 16 Uhr, da haben die Lokale nicht so gern geöffnet. Vor einem Supermarkt rüstet einer gerade seinen Grill auf, aber das hilft uns auf die Schnelle auch nichts. Nun, wir finden das Restaurant „Rhodos“, leider 15-17 Uhr geschlossen, dennoch geöffnet. Wir dürften essen, wenn wir wollten, teilt uns die freundliche Wirtin mit. Um uns nicht aufzudrängen, versuchen wir uns noch an der „Grabenmühle“ , aber die hat auch erst ab 17.30 etwas für Gäste übrig. Also wieder ins Rhodos. „Ich kann nicht nein sagen“ sagt uns die Wirtin, eine wirklich echte Griechin, wenn auch blond. Und so erleben wir eine Extraschicht für einmal Leber und einmal Gyros. Man kommt auch ins Gespräch: unser Glück war nur, daß heute die Leuchter geputzt wurden, das herabgelaufene Stearin aus den Messingleuchtern entfernt werden mußte - „wenn fertig, dann schön“. Natürlich gehört auch ein Gratis Ouzo zum Service. So nett, wie wir hier bedient wurden, versprechen wir, wieder zu kommen.

Unser Forschergeist ist heute ungebrochen. Zwar sind wir nun vom Hunger befreit, aber Heidi besteht darauf, noch „Egon´s Bistro“ aufzuspüren, das ist im Stadtplan vermerkt, vielleicht einer Inspektion würdig. Adresse: „Am Tischplatt“. Und wo ist dieses Tischplatt? Es handelt sich genau um die Plattensiedlung, die unseren Hainleiteblick vom Hotelzimmer verstellt. Wir gucken uns das mal an. Eine Siedlung, das sieht aus wie unsere Westadt oder Heidberg in Braunschweig. Unterschied: Die Leute liegen mit Kissen unter den Ellenbogen in den Fenstern und haben alles im Griff, Kinderhorden tollen lustvoll auf den Rasenflächen herum, ein EDEKA-Laden entläßt tütenschwere Hausfrauen. Die Sensation zeigt sich im letzten Block, bevor die Botanik beginnt. „Guck mal da: zwischen den rostigen Wäschepfosten, da ist eine Hühnerleiter!“ Die führt stracks von der Rasenfläche zu dem verglasten Balkon im Untergeschoß eines dieser Plattenbauten. Wir verkneifen uns das Lachen, weil man hier ja nicht gerade unbeobachtet ist.

Die Hühnerleiter
Wir finden dann erstmal nicht „Egon´s Bistro“, sondern „ABC-Schuhe“, „Fritz-Jeans“ und „ALD-Markt“. Ob da ein I absichtlich vergessen wurde? Egons´Bistro finden wir dann auch noch, da sitzen aber nur die drin, die sonst nichts mit sich anzufangen wissen.

Wir verziehen uns in unser Hotel und testen alsbald Schwimmbad, Sauna und Solarium, das alles kursiert unter dem Namen „Karl´s Bad“. Beim Betätigen eines geheimnisvollen Unterwasserschalters ergießt sich plötzlich ein gewaltiger Schwall über mich und meine Brille. Es handelt sich um die Gegenschwimmeinrichtung.

So kommen wir mit dem Testen recht gut voran!

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