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Donnerstag: Rethimnon

Am Montag nach unserer Ankunft war die übliche Begrüßung der Neuankömmlinge durch den NUR-Service. Da haben wir als wesentliche Informationen erfahren, dass die Samaria Schlucht (mit 18 km Länge die längste in Europa) wegen zu viel Wasser noch nicht passierbar ist. Und dass am Donnerstag Markttag in Rethimnon ist. Diese Stadt ist die einzige, die man von Plakias aus auf einfache Weise mit dem Linienbus erreichen kann. Leider fährt der Bus erst um 10.45, da ist man nicht so früh dran. Natürlich lässt der Bus heute obendrein noch 30 Minuten über die Zeit auf sich warten, aber man ist in Griechenland und hat Urlaub, da sollte man die Uhr gar nicht so genau angucken. Es wartet eine beachtliche Menschenmenge auf den Bus, und als er endlich erscheint, werden wir auf wundersame Weise auf einen Doppelsitzplatz geschoben, wenn auch nicht gerade in der ersten Reihe.

Der Schaffner ist ein dicker Mann mit hervor quellenden Augen, der hat es nicht einfach, in dem vollen Bus seiner Pflicht nach zu kommen. Zum Glück ist der Busfahrer nicht in dem Zustand, den man bei dem Schaffner vermuten muss. Eine Gruppe Schweizer Touristen ist auch zugestiegen. Die Schweizer erkennt man daran, dass man kein Wort versteht. In Lefkoyia, dem nächsten Ort, steigen einige Schweizer aus und verabschieden sich von ihren Gefährten mit Umarmungen und Küssen, als ob es für den Rest des Lebens nach Übersee ginge. Unser Bus dient auch als Zubringer zum Kloster Preveli. Das liegt hoch oben an der Küste und die Straße hinauf bietet herrliche Aussichten auf die Schluchten Kourtaliotis und Frati. Auf diese Weise gewinnen wir einen ersten Eindruck von dem berühmten Kloster, vom Parkplatz aus, wo der Bus wendet. Die meisten Reisenden steigen aus, auch einige Schweizer unter den bereits beschriebenen Abschiedszeremonien. Der Busfahrer guckt schon komisch, weil sie den ganzen Betrieb aufhalten.

Die Fahrt in Richtung Norden führt dann wieder durch die bereits beschriebene Schlucht. Danach gibt es eine Umsteigemöglichkeit in die Bergstadt Silli oder weiter nach Agio Galini an der Südküste. Hier steigen wieder einige Schweizer aus. Der Busfahrer, der ist inzwischen ungehalten und schlägt ihnen fast die Tür auf die küssenden Münder. Aber dann taucht bald das steinerne Meer der Stadt Rethimnon auf mit dem Venezianischen Kastell, das von der Höhe gut erkennbar ist. Die Fahrt endet direkt am Markt. Zum Glück erkundigt sich eine Dame nach der Haltestelle, wo man die Rückfahrt anzutreten hat. Wir sind ganz Ohr und wissen damit auch Bescheid.

Nun ist es nicht auszuschließen, dass man auch im Urlaub mal eine kleine Unpässlichkeit hat. Wir suchen also eine Apotheke, das heißt hier Pharmakia oder so ähnlich. Es gilt, einer kleinen Hautgeschichte in der Nähe des Auges sowie einer Zahnreizung abzuhelfen. Wir stellen bald fest, dass man in dieser Stadt mit Apotheken zugeschmissen wird, bis heute können wir uns das nicht erklären. Nun, mit der Zahnsalbe sind wir schnell bedient. Mit der Hautreizung nahe am Auge klappt es erst wenig später in einer anderen Pharmika oder Pharmakia. Beide erworbenen Mittel haben spontan geholfen, vielleicht ist man auf diesem Gebiet hier wirklich so tüchtig.

Weiter suchen wir eine Bank zum Geld abheben. Bank of Greece vielleicht? Aber die akzeptieren keine Scheckkarten. Da tauschen wir kurzerhand Bargeld, davon ist gerade noch genügend im Brustbeutel. Endlich können wir uns dem Wochenmarkt zuwenden. Aber da haben wir schon bessere erlebt, das ist hier nicht so beeindruckend. Einen befriedigenden Ersatz für meine löcherigen Sandalen können wir zunächst auch nicht finden.


Rethimnon: Hafen

Damit begeben wir uns in die Altstadt mit den verwinkelten Gassen. Immer noch mit dem "Schuhblick" werden wir aber doch bald fündig und ich werde die nächsten Jahre mit einem Sandalenpaar aus Rethimnon herum laufen. Kann man sich nun endlich der Atmosphäre dieser drittgrößten Stadt Kretas zuwenden? Wir haben nun schon einige dieser Art von Städten gesehen z.B. Korfu-Stadt und sind nicht sicher, ob uns das hier sonderlich beeindruckt. Doch – Moment – da fotografiert eine Dame schräg aufwärts etwas in einer Seitengasse. Es handelt sich um einen hölzernen Balkon. Man kann nachlesen, das diese Eigentümlichkeiten venezianischen Ursprungs sind. So konzentrieren wir uns auf diese Balkons, bis wir auf den Bilderbuchhafen treffen. Das ist alles genauso, wie in Reiseführern und Prospekten beschrieben. Natürlich voll kommerziell von Tavernen umgeben, und die Anmacher verstehen auch ihr Geschäft. Es gibt viel Maritimes zu verspeisen, und wenn man einmal eine Speisekarte genauer in Augenschein nimmt, wird man fast schon auf den nächstbesten Sitz gezerrt.


 

Venezianische Balkons

Dann soll es hier noch einen berühmten Brunnen geben. Entweder haben wir ihn gesehen und nicht berühmt gefunden oder wir haben ihn gar nicht gefunden, weil ich mit dem Stadtplan aus der Neckermann-Broschüre nicht so ganz klar komme. Vorbei an zahllosen Apotheken oder auch schon mal an einem Minarett finden wir den Marktplatz wieder, wo wir uns in einem einfachen Cafe nieder setzen. Wir ziehen uns einen Greek Coffee rein und Heidi besucht die Toilette, das soll allerdings nicht so doll gewesen sein. Am Nebentisch sitzen einige Einheimische und sind voll mit ihren Handys zugange. Wir schauen dem emsigen Verkehr zu und freuen uns auf unsere "Bucht zu Hause". Zum Glück ist die richtige Haltestelle gleich gegenüber, der Bus pünktlich und die Rückfahrt angenehm.

Im Bus sitzen ein paar Aussteiger, wie wir meinen. Man hat immer noch die Hippie-Zeit in den sechziger Jahren im Kopf, vielleicht sind da noch ein paar übrig geblieben? Die Typen, von denen die Rede ist, sehen aus wie einstmals Student – heute eher Zigeuner. Und kleine Kinder haben sie auch dabei, die schlafen friedlich in der Mittagshitze.

Bald schon nach der Rückkehr haben wir auch wieder unseren Strandplatz bezogen. Wie man schon gemerkt haben wird, kehre ich bald meiner sonnencremenden Frau den Rücken und mache mich an einen steilen Aufstieg links der Steilwand am Ende der Bucht. Diesen Weg kann man nicht empfehlen, weil man dann nach der ganzen stacheligen Kraxelei auf einem Querweg rauskommt, der von unten auch mit einem Kinderwagen befahrbar wäre. Dann aber kann man einen gewundenen Pfad hinauf steigen, bis man einige Sendemasten auf der Höhe passiert und das Meer auf der anderen Seite des Berges erblickt. Das muss für heute reichen, übrigens habe ich inzwischen den Sandalen solide Turnschuhe vorgezogen. Bergab kann man "Seeltänzern" (dieses Wort stammt aus Strittmatter: Der Laden) und bedeutet in unserem Sinn, dass man sich schwerelos in die Tiefe tanzen kann. So lande ich glücklich wieder bei meiner sonnencremenden Gattin.

Da hat sich inzwischen eine Art Latin Lover eingefunden. Der ist einigermaßen unbekleidet, sein T-Shirt trägt er immerhin um den Kopf gewickelt. Sinnend steht er am Meer, nimmt dann einen Schluck aus der salzigen See, gurgelt und fühlt sich gut. Dann wendet er sich zu unserem zweifelhaften Entzücken uns zu und erklärt in mangelhaftem Englisch "This area is out of complex". In meinem perfektem Englisch antworte ich: "What does this mean?". Er antwortet: "You can swim free". Wir gucken besser weiter in unsere Kreuzworträtsel und der Typ trollt sich.

Dass man hier auch ohne Badebekleidung zu baden pflegt, weiß ich sogar schon aus dem Internet, und dieser Hinweis wird uns, was unsere Bademode betrifft, weiterhin dann doch zu denken geben.

Freitag: Der heißeste Tag in Europa

Die Überschrift verrät schon alles, heute kann man keine große Unternehmung starten. Wir raffen uns zu einem nur kleinen Spaziergang auf. Nicht weit vom Hotel zweigt ein Weg ab, der etwas höher am Hang entlang führt. Da gibt es nicht viel neues zu sehen und man kommt bald wieder unten raus.

So findet man uns bald am Strand, wo wir nun auch der Nicht-Bademode frönen. Ich lese angestrengt in dem Heft "7 More – And More Challenging – Walks...", wo ein Weg beschrieben wird, der heißt "Kakomouri Headland Serious Path". An den Kakomouri-Berg lehnen wir gerade den Rücken. Schon bald habe ich die Turnschuhe angezogen (und ein wenig mehr) und beginne, gegen den Berg an zu rennen. Laut Beschreibung beginnt der Weg vor dem Stollenloch und führt links über ein paar Lehmterrassen hinauf. Soweit so gut. Doch dann wird das Gelände so unwegsam und vor allem steil, da ist nichts mehr zu machen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, unterhalb einer weiter oben gelegenen Steilwand ein grünes Band schräg rechts hinauf zu gehen. Dort scheint es auch einen Steig zu geben.


Umkehrpunkt
Wenn die zwei Raben nicht wären. Seit einiger Zeit zetern sie schon herum, besonders wenn ich stehen bleibe. Als ich näher komme, fangen sie an, Scheinangriffe zu fliegen. Das wird mir nun doch zu blümerant, vielleicht nisten die da oben in den Felsen? Man ist ja kein Unmensch, und ich wende mich wieder dem schon bekannten Weg zu den Sendemasten zu. Da landet man schließlich auf der asphaltierten Straße von der Damnoni-Bucht zu dem entlegenen Kalypso-Hotel. Das ist schon von oben zu sehen und eine ziemliche Verschandelung der Landschaft.. Man hat diese Anlage mitten in die Klippen gesetzt, auch Tennisplätze nicht vergessen. Schade. Die Straße führt bis zu einer Kehre nahe dem Kap. Die Klippen sind hier sehr bizarr und verwittert, die Oberfläche des Gesteins ist von messerscharfen Riffeln durchzogen. Ein einfacher Sturz auf das blanke Knie oder andere Körperteile dürfte fatale Folgen haben. Nun kann man auf einem Trampelpfad versuchen, den geheimnisvollen Weg von der anderen Seite zu finden. Bald geht es durch einen engen Felsspalt mehr oder weniger auf allen vieren, und danach ist die Fortsetzung des Pfades nicht genau sichtbar. Da kehrt man lieber um. Beim Abstieg sehe ich eine Person im Grünen sitzen, dort befindet sich genau die Stelle mit den wütenden Raben. Die sind aber nun gerade nicht in Aktion. Außerdem sehe ich eine Gruppe von vielleicht 15 Personen hoch oben den Hang hinauf stapfen. Schließlich stehen sie auf dem gezahnten Kamm der Klippe und gucken in die Gegend. Wenn man allein unterwegs ist, muss man dagegen sehr vorsichtig sein, weil schon ein verstauchter Knöchel böse Folgen haben kann.

Für den Rest des Tages passiert nicht mehr viel. In der Annahme, dass morgen das Wetter auch wieder schön wird, hole ich schon mal ein Leihrad, da kann man dann am Morgen beliebig früh starten. Das Rad ist OK, hat eine Federgabel, nur das Vorderrad schlackert etwas.

Vom Balkon aus sehen wir am Abend ein merkwürdiges Tier von der Größe einer Katze. Es hat einen langen buschigen Schwanz, viel mehr kann man in der Dunkelheit nicht erkennen. Wir werden noch ein wenig mehr heraus bekommen...

An diese Stelle passt auch die Geschichte mit der Katze. Die streicht nicht nur allmorgendlich um die Frühstückstische herum, sondern erscheint auch eines Abends mit einem winzigen Kätzchen in der Schnauze. Erst dachten wir, es sei eine Maus, aber es ist ein Junges. Wenig später in unserem Zimmer sehen wir plötzlich eine hoch erhobene Rute durch die Balkontür streichen. Da ist unsere Katze zu den Balkons herauf geklettert und scheint nun ihr Junges zu suchen. Dazu kriecht sie sogar unter meine Bettdecke, was mir nicht sonderlich gefällt. Heidi findet das alles prima, bringt aber dann doch die Katze wieder nach unten. Wir mutmaßen, ob das absonderliche Tier das Katzenjunge auf dem Gewissen hat. Dieses Geheimnis bleibt ungeklärt.


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