Donnerstag, Fahrt nach Lefkimmi
Damit keiner meckert, müssen wir heute auch wieder einmal etwas
unternehmen. Der Süden der Insel lockt, da fährt der "grüne
Bus" bis ganz hinunter nach Kavos. Laut Reiseführer befinden
sich dort ausgedehnte Sandstrände mit viel auf die Engländer
ausgerichtetem Tourismus. Jemand bestätigt es: "Da ist der Ballermann".
Wegen der Engländer vielleicht besser "Bällermän". Also
da müssen wir nicht hin. Wir entscheiden uns lieber für das grösste
Dorf der Südinsel: Lefkimmi.
Auf der Hinfahrt geht es durch reizvolle Landschaften, die auf Korfu
bekanntlich hauptsächlich aus Olivenhainen bestehen. Mit den Olivenbäumen
gibt es in der heutigen Zeit auch Probleme. Die Oliven werden mit schwarzen
Netzen aufgefangen, die auf der Erde ausgebreitet werden. Die Ernte ist
eine beschwerliche Arbeit und für die alten Leute zu schwer. Die jungen
Leute wandern ab oder sind zu teuer. So ist die Zukunft der Olivenhaine
ungewiss.
Auf der Strecke kann man an erhöhten Stellen manchmal das Meer
an der Südwestküste erkennen. Wir durchfahren zwei ursprüngliche
Orte, die heissen Argirades und Perivoli. In Lefkimmi steigt
man am besten am Fluss Himaros aus, "at the river", wie der Schaffner
sagt. Da kann man sich die Augen reiben, denn an beiden Ufern des Flusses
lagern malerische Fischerboote, ganz so wie man es von den Reiseprospekten
erwartet. Die Photoauslöser klicken emsig. Doch Touristen laufen hier
nur vereinzelt rum, aber wenn, dann auch schon mal mit entblösstem
Oberkörper (männlich zum Glück). Schon beim Aussteigen sind
wir von einem - diesmal freundlichen Hund - empfangen worden, der sieht
so etwa aus wie ein Setter. Er begleitet uns fortan auf unserem Rundgang
und Jonathan verrenkt sich schier den Hals aus seiner Kinderkarre heraus
und schreit "DahDah". Wir wandern ein Stück am Fluss hinunter, da
gibt es eine Kirche mit Friedhof und Gärten mit Hühnerställen.
Zwei Fischer lagern in ihrem Boot vor dem mit Tamarisken bewachsenen Ufer
und pulen ihre verhedderten Netze auseinander.
Als es nichts mehr weiter zusehen gibt, kehren wir um, überqueren
die Brücke und lagern uns erst einmal auf einem malerischen kleinen
Platz. Dort kann man die Szenerie gründlich auf sich wirken lassen,
entdeckt zum Beispiel ein aus einem Fenster heraushängendes kleines
Säckchen und kann nun mutmassen, ob es sich bei dem Inhalt um Joghurt
oder Ziegenkäse handelt. Wir wandern weiter durch Gärten und
sehen, wie ein Mädchen von einem Baum nascht. Wir machen das gleich
nach, es handelt sich um die essbaren Blütenstände des Maulbeerbaums.
Danach schon wieder durch einen Olivenhain. Da zieht ein Mann auf einem
Esel vorbei, seine Frau stapft hinterher. Wir diskutieren über die
Gleichberechtigung, die in der einheimischen Bevölkerung wohl noch
mit eigenen Vorzeichen praktiziert wird.
Unversehens geraten wir auf den Platz vor der Kirche. Dort befindet
sich eine wunderbare Taverne, wo man sich unter Rebengeranke im Schatten
niederlassen sollte. Jonathan ist in Hochform, seine Sprache ist offensichtlich
für die älteren Herren, die dort über das Weltgeschick grübeln,
verständlicher als unsere. Aber Lachen ist die beste Verständigung,
und bald sitzen die älteren Herren mit ihren faltigen und gegerbten
Gesichtern im Halbkreis um uns herum. Jonathan bekommt zum Spielen eine
dieser Perlenkettchen ausgeliehen, die wohl jeder Grieche mit sich führt,
um die nervösen Hände zu beschäftigen.
Inzwischen klettere ich mal eben die Treppe zu der hochgelegenen Kirche
hinauf, leider sind alle Türen verrammelt, aber man hat einen schönen
Blick über den Ort. Als wir unseren griechischen Kaffee weggeschlürft
haben (viel ist da nicht zu schlürfen, bevor der Kaffeesatz erscheint),
begeben wir uns wieder zur Brücke "at the river" um den 12 Uhr Bus
zu erwarten. Das dauert und ich bekomme Schweissausbrüche, ob ich
den Fahrplan womöglich wieder einmal fehl interpretiert habe. Aber
so nach einer halben Stunde geht alles nach Plan und wir haben wieder einen
vollen Nachmittag zur Erholung. Der Besuch in Lefkimmi war so schön,
dass man noch eine Weile davon träumen kann.
Verena wohnt - wie erwähnt -, zur Strasse raus, und da findet jeden
Donnerstag in der gegenüberliegenden Taverne ein griechischer Folkloreabend
statt. Das ist so lange ganz schön, als die Musik dazu passt, als
es aber mit Liedern wie "Maschendrahtzaun" oder "Wadde hadde
dudde da" und ähnlichem Unsinn unter Mitsingen und rhythmischem Klatschen
bis tief in die Nacht weitergeht, ist sie auch etwas genervt. Tagsüber
hat man es neben dem Strassenlärm auch noch mit einem Paar zu tun,
das sich mit Ausdauer auf dem Balkon dem Kniffeln hingibt. Das Kollern
des Würfelbechers und anschliessende auf den Tisch Stülpen kann
auch ganz gut für akustische Abwechslung sorgen...
Fahrradtour nach Ermones
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