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Sa 14.5. St. Rome - Pont de Montvert 128 km: Zauber am Tarn

In der Nacht hat es wieder tüchtig geregnet, der Morgen präsentiert sich grau in grau. Das Frühstück besteht aus zwei Tassen Kaffee und 2 Croissants aus dem Brotkorb.

Die Fahrt durch das Tal des Tarn gestaltet sich wie am Vortag, weniger bergig zum Glück. Leichter Regen bis Millau, wo ich einen gehörigen Kredit bei meinem Schutzengel nehmen muss. Vor einem Kreisverkehr muss ich heftig bremsen, und ehe ich mich versehe, steht der Lenker quer und ich liege längs auf der Strasse. Der Asphalt ist vom Regen glatt, sodass erst die Reifen und dann der Fahrer gut auf der Strasse gleiten.

Als ich mich wieder aufgerappelt habe, hält ein Auto, man fragt nach Blessuren. Ich stammele was von "Petit Malheur" und erkläre, dass alles in Ordnung ist. Der Lenker ist verdreht, die Lampe verbogen, die Felgenbremsen verstellt. Aber - petit problem - es lässt sich alles wieder hinbiegen. Weniger gut geht es meinen Rippen, da habe ich mir eine Prellung zugezogen. Durch tiefes Durchatmen überzeuge ich mich, dass da keine Bruchstücke in die Lunge pieken, es fühlt sich auch alles ganz intakt an. Also kann ich weiterfahren, erstmal etwas klapperig.



Bei Millau
Jetzt kommt die Sonne zum Vorschein, das gehört sich auch so, damit man auf andere Gedanken kommt. Dazu habe ich auf der ruhigen Strasse gegenüber von Eisenbahn und Nationalstrasse auch Gelegenheit. Man nähert sich der grossen Attraktion, dem Gorges du Tarn, 35 km lang. Die Felsen werden höher und schroffer und die Talwände rücken eng zusammen. In Le Rozier geht es los, hier wuselt aber auch schon das Volk wie an allen schönen Punkten dieser Welt. Die Sonne hat sich durchgesetzt, bei schönstem Wetter kann die bevorstehende Genussstrecke in Angriff genommen werden.


Tarnschlucht

Tarnschlucht
Das nimmt nun so seine Zeit in Anspruch, denn man ist gut beraten, möglichst oft anzuhalten und alles rings herum zu bestaunen. Da sind die Wassersportler, die den brausenden Fluss befahren. Wo es holperig wird, juchzen sie.


Moospolster

Orchideen>
Am Strassenrand blühen wieder Orchideen, an den Felswänden wuchern üppige Moospolster. An einem Aussichtspunkt (Point Souci) darf man für 2 Fr. einen Felsen erklettern und die Aussicht geniessen.



Aussichtspunkt Point Souci
Auf dem gegenüberliegenden Ufer gibt es einen Wandersteig, da sind auch welche zugange. Auf der Strasse heulen die Gelände- Motorräder, die sich in sportlicher Manier in die Kurven stürzen.

Über allem stürzen die Felswände senkrecht in das Tal hinab. Auffällig sind Hohlkehlen hoch über der heutigen Talsohle, vielleicht Auswaschungen aus vergangenen Jahrtausenden. Höhlen gibt es hier auch reichlich, nur bin ich zur Zeit eben mehr in oberirdischen Angelegenheiten unterwegs.


Restaurant gegenüber
Eine Attraktion ist ein Anwesen mit Restaurant hoch am gegenüber liegenden Ufer. Wenn man dorthin gelangen möchte, muss man klingeln und über eine Sprechanlage eine Seilbahn herbeirufen, die einen dann über die rauschenden Fluten schweben lässt. In Les Vignes scheint es einer Gruppe Lebenskünstler weniger gut gegangen zu sein, die trocknen ihre Sachen.


Kanuten nicht ganz trocken
Das Wasser des Tarn ist zunächst grünlich transparent. Plötzlich ist es braun und führt allerlei Strauchzeug mit sich. In St. Enimie, dem Ende der Tarnschlucht, stehen die Parkplätze am Ufer schon unter Wasser. Da muss ganz plötzlich eine Flutwelle von den Bergen herab geschwappt sein.

In St. Enimie beenden viele die Tarntour, weil der spektakuläre Teil vorbei ist. Ich bleibe dem Tarn treu, das Tal ist weniger bizarr aber immer noch wild genug.


Dörfer am

Oberlauf des Tarn
Nach Ispagnac gerät man wieder auf eine Nationalstrasse, schnell ist man in Florac. Für das Nachtquartier ist es noch zu früh und das Wetter zu schön. Nach einer kurzen Runde durch Florac, alle Strassencafes sind besetzt, fahre ich weiter tarnaufwärts.

Ein Hotel ist angekündigt mit dem Zusatz "English spoken". Das lockt, aber es ist immer noch zu früh, Quartier zu nehmen. Eine freundliche Dame erklärt, dass 20 km weiter in Le Pont de Montvert noch Hotels seien, ob sie mich schon mal telefonisch anmelden solle. Das ist natürlich prima, so viel Hilfsbereitschaft trifft man nicht jeden Tag. Nicht mal bezahlen muss ich für das Telefongespräch, und fühle mich gleich wie neugeboren.


Ginster
Das Tal des Tarn hat nun einen ganz anderen Charakter. Es wandelt sich zum Hochtal, die Berge sind kaum mehr bewaldet. Der Fluss selbst gebärdet sich ungestüm, allenthalben sind Steilstufen, über die die Wassermassen brausend hinwegtosen. Ich bezweifle, dass diese Passagen auch für einen Wildwasservirtuosen noch zu bewältigen sind. Die Strassenränder sind ungesichert, beim versonnenen Hinabschauen sollte man nicht vom Wege abkommen, sonst könnte man sich schnell in irgendwelchen Baumwipfeln wiederfinden. Es gibt einen Film mit Louis de Funes, dessen einzige Handlung besteht aus Merkwürdigkeiten, welche sich in einem Auto abspielen, das nach Verfehlen einer Kurve in der Krone eines Baumes über einem Abgrund gelandet ist. Sowas fällt einem dabei ein.


Le Pont de Montvert
Bis zu meinem Ziel muss ich noch tüchtig klettern, Le Pont de Montvert liegt auf 875 m Höhe. So brauchen die 20 km ihre Zeit, aber man hat es ja nicht eilig. Endlich liegt der Ort vor mir, von Bergen und Ginster umrahmt. Das Hotel hat den schönen Namen "Aux Sources du Tarn": Zu den Quellen des Tarn. Mein Zimmer hat einen Balkon, unter ihm hinweg rauscht direkt der Tarn. 150 km bin ich seinem Lauf gefolgt, ein wunderschöner Abschnitt dieser Reise. Das Hotel ist mir zu vornehm, ich traue mich nicht in das Restaurant und mache einen Käseabend im Hotelzimmer. Der Camembert hat es auch nötig, nach zwei Tagen im Gepäck zeigt er sich sehr anpassungsfreudig.

Die Nacht verbrige ich nicht ganz so gut, auf der rechten Seite kann ich nicht liegen. Mehrmals plagt mich auch ein Bedürfnis, das hoffentlich nicht auf verdorbenes Trinkwasser zurückzuführen ist. Aber die Bedenken bleiben unbestätigt, es normalisiert sich alles wieder. Nur mit der Rippe, da werde ich noch meine Freude haben.

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