Brücke in Chinon |
Dort stochert der Wirt des Hotels mit mißmutiger Miene in einem braunquellenden Gully herum. In einigem Abstand bepacken wir unsere Räder und brechen unter dem Motto "Nach uns die Sintflut" auf.
Weinberge |
Candes-S. Martin |
Bald darauf finden wir uns auf der Nationalstrasse Richtung Saumur wieder. Das ist wenig erfreulich, deshalb schlagen wir uns links hinauf in die Weinberge. Dort ist es ruhiger, nur mit der Orientierung hapert es mal wieder. Nach einigem Hin und Her finden wir eine Strasse, die uns öben rüber" nach Saumur führt. Der Vorteil ist, dass wir direkt an der hoch über der Stadt gelagerten historischen Trutzburg herauskommen.
Saumur |
Wir sausen nach Saumur hinunter, halten uns nicht lange dort auf und finden über Seiten- und Holzwege schiebend die Fortsetzung der Tour. Einmal läuft ein Reh parallel zur Strasse beängstigend nah neben uns her, nach einigen Metern erst trennen sich unsere Wildwechsel.
Weiter am linken Ufer der Loire hat sich die Nutzung der tief in die Berghänge reichenden Kavernen geändert: hier baut man Champignons an. Es gibt ein Pilzmuseum. Unsere Hoffnung auf eine zünftige Pilzpfanne bleibt unerfüllt. In einer Strassenbar von Gennes reicht es nur zu einem Käse-Schinken-Sandwich.
Loire |
Dafür ist man schnell unterwegs, Rainer braust an der Spitze dahin. Die grosse Stadt Angers nimmt uns mit ihrem Vekehr, den Baustellen und Ampeln unter unbarmherziger Nachmittagssonne in Empfang.
Als Rainer und ich endlich in der Fussgängerzone von Angers verschnaufen, fehlt von Thomas jede Spur. Er war zwar immer auf Sichtweite hinter uns, aber nun glänzt er durch Abwesenheit. Es vergeht eine Weile, Rainer wird ungehalten. Schliesslich taucht unser Thomas auf, er musste sich dringend ein paar Birnen kaufen. Nun steht er mitten auf der Kreuzung, umtost vom Verkehr. Rainers Laune bessert sich nicht...
Schnell suchen wir an einer Konditorei (Patisserie) nach Labung, der Kuchen ist hier immerhin billiger als beim Schloss Azay de Rimbaud. Die Verkäuferin sieht aus wie die Callas in jungen Jahren. Eine Frau schleppt sich vorbei, gestützt von ihren Begleitern, ständig klappt ihr Kopf nach hinten. Nachdem sie sich kurz auf einem Stuhl erholt hat, ziehen sie weiter ihres Weges.
So auch wir, ein mittelalterliches Fachwerkhaus (Adamhaus), daneben die Kathedrale. Ich schaue kurz hinein, mächtig hohe Gewölbe, das breiteste Kirchenschiff Frankreichs, alte Bilder und Glasfenster.
Über Stufen hinab an den Fluss, dort lagert zwischen Springbrunnen die Kultur der Neuzeit in Gestalt von zwielichtigen Individuen. Das Hauptnahrungsmittel wird dezent getarnt in Tüten herumgereicht. Besser man macht, dass man weiterkommt.
Wider Erwarten gelingt uns der Absprung aus der Grossstadt Angers gut. Bald schon sind wir auf den angepeilten Nebenstrassen längs der Loire. Recht bergig ist es sogar, der Schweiss fliesst wieder reichlich. Wir finden uns auf einer Traumstrecke wieder, mit Rückenwind auf dem Deich, die Dörfer und Flussauen fliegen vorbei. Schon wollen wir Quartier machen, doch noch mal ein paar Kilometer drauf, es läuft so schön.
Was nun läuft, wird ein besonderes Kapitel werden. In Ingrandes ist für heute Schluss. Es findet sich ein einfaches Hotel, wir beziehen ein Einzel- und ein Doppelzimmer. Unter unseren Fenstern rauscht die Loire unter einer Brücke hindurch über eine Staustufe.
Wir suchen ein gut geratenes Restaurant auf, geniessen auch noch das Menue. Die daran anschliessende Diskussionsstunde aber bekommt Würze. Erst geht es um Ärzte, ob die zuviel verdienen oder nicht. Dann fallen Namen, der eine hält viel von dem, der andere weniger von jenem. Wie man dann auf den niedersächsischen Innenminister gekommen ist, weiss ich auch nicht mehr, jedenfalls der eine findet ihn so und der andere nicht so. Plötzlich eskaliert die Diskussion. "Spinner", "Wandelnde Bildungslücke", und auch noch bei der SPD"..., in diesem Stil geht das ab.
Wegen der womöglich fliegenden Weingläser hat sich die Bedienung tief hinter ihrem Tresen verzogen. Ich zücke schon mal meine VISA-Karte, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Rainer ist kategorisch. "Auf diesen Urlaub habe ich mich wahnsinnig gefreut, den lasse ich mir nicht versauen". Dann kommt prompt wie eine Kaskade der aufgestaute Ärger über die unbestreitbar dagewesenen Fehlsituationen der bisherigen Tour zum Ausbruch. Nun will er allein weiterfahren.
Ich sitze dabei sozusagen zwischen allen Stühlen. Ich habe die Tour in dieser Form angezettelt, indem wir zu dritt fahren. In der Hoffnung, dass das harmonisch abläuft, man sich gruppendy namisch arrangiert. Bin ich nun verantwortlich für das Scheitern der Unternehmung, und wie kommen wir da weiter?
Als sich die beteiligten Kontrahenten den Schaum aus den Mundwinkeln gewischt haben und wir schweigend ins's Gespräch vertieft wieder unser Quartier angelaufen haben, pendle ich nochmal zwischen den Zimmern und versuche, zwischen den Fronten zu vermitteln.
Doch ein Zurück gibt es nicht mehr. Immerhin sieht Rainer die Sache realistisch, dass ich mit Thomas zusammen weiterfahre. Mein Vorschlag, erst einmal darüber zu schlafen, verspricht keinen Erfolg. "Ein schwieriges Kapitel in Deinem Bericht" sagt Rainer. "Das kann man wohl sagen"...
Im Grunde ist eine solche Entscheidung bei uns als "Fallschirm" immer eingeplant gewesen. Mit Rainer war ich 10 Tage unterwegs nach Danzig, stets bestand Übereinstimmung darin: wenn es mit dem Verständnis nicht klappt, dann geht man getrennt seiner Wege. In unserem Fall ist es natürlich enttäuschend, nach der langen Planung und Vorfreude so einen Fortgang der Tour nach erst einer von drei vorgesehenen Wochen zu erleben.