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Di 3.5. Ingrandes - La Roche 127 km: Klimawechsel

Die Nacht schlafen wir weniger gut. Der Morgen bringt nichts Neues, die Entscheidung ist gefallen. Rainer will erstmal nach Ancenis fahren, um sich mit Karten zu versorgen und sich über die weiteren Pläne klar zu werden. Zum Abschied macht er noch eine schöne Anmerkung: "So haben wir zwei Touren, von denen wir erzählen können".

Auch die Fortsetzung unserer Fahrt, von Thomas und mir, lässt immerhin noch einiges erwarten.


"Linksrheinisch"
Der Abschied - unabänderlich - Thomas und ich fahren über die Brücke
linksrheinisch, Rainer rechtsrheinisch. Als wenn wir es heraufbeschworen hätten, Wetter und Windrichtung haben sich geändert. Nach 10 km Gegenwind legen wir in St. Florent eine Pause ein. Von einem kleinen Park aus hat man eine schöne Aussicht über den Fluss. Ein Mann ist mit seinem Hund unterwegs und spricht ein wenig englisch. Wir erfahren, dass Regen angesagt ist, also weniger gute Aussichten für die Weiterfahrt.

Eine Weile fahren wir noch in Richtung Westen in Sichtweite der Loire. Thomas' Rad läuft leichter als meins, da hänge ich meistens an seinem Hinterrad und nütze den Windschatten aus. In Champtoceaux wird die weitere Route beraten. Bei dem Wind sollte man mehr die südliche Richtung einschlagen, dann kommt der Wind wenigstens von der Seite. Eine Nebenstrecke ist schnell ausgesucht. Es wird nochmal eingekauft, Baguette, Camembert, Äpfel, Thomas verfällt auf einen Liter Milch. Den muss er ganz alleine trinken, weil man mich mit Milch in die Flucht schlagen kann.

Die weitere Strecke führt durch plattes Land, aber nur auf der Karte. Es geht ganz schön rauf und runter, oftmals zwischen grossen Anbauflächen von Wein. Die Rebstöcke sind kurz gehalten, etwa kniehoch, ein Wunder, dass man da reiche Ernten erzielt. Bewirtschaftet werden die Felder mit hochrädrigen Spezialfahrzeugen, hinten befindet sich eine grosse Düse zum Ausbringen der chemischen Keule.

Den landschaftliche Hochgenuss hat man auf dieser Route nicht. Mechanisch vor uns hin fahrend passieren wir Ortschaft um Ortschaft. Diese allerdings sind recht nett, französische Provinz, wie man sie sich vorstellt. Irgendwann sind wir wieder reif für eine Rast. Zu Füssen einer hübschen Kirche lassen wir uns auf einer Bank nieder. Vor uns befindet sich ein Kriegerdenkmal der beiden Weltkriege. Diese Denkmäler sind recht realistisch gestaltet: ein schneidiger Soldat schreitet mit geschultertem Gewehr und entschlossenem Blick einer Heldentat entgegen. Zu seinen Füssen sind die Opfer der Heldentaten namentlich aufgezählt. Bei einer mittelgrossen Ortschaft sind das an die hundert Namen für den ersten, etwa halb so viele für den zweiten Weltkrieg.

Man kann das heute gar nicht mehr begreifen, dass diese beiden Kriege zwischen unseren immerhin doch zivilisierten Nachbarstaaten möglich waren. Auch die Opfer des dritten, oder besser ersten Krieges 1870/71, bekannt auch als Leipzig/einundleipzig, sind noch nicht vergessen.

Weniger beschaulich gestaltet sich die Fortsetzung, besonders bei Thomas. Eben noch die besinnlichen Gedanken, dann schlägt die Milch durch. Gerade noch rechtzeitig stürmen wir eine Dorfbar. Ich übernehme die Bestellung, Thomas stürzt durch die Küche in die hinteren Gefilde. Erleichtert kehrt er zurück, höchste Zeit war es wohl.

Weiter nach Süden, was ist von dieser Strecke noch in der Erinnerung hängengeblieben: eine Wiese mit Jungputen, eine gewaltige Pinie am Rand der Strasse, Blumen mit dem Namen Affodil, die kenne ich eigentlich nur von Mallorca. Auch Orchideen am Strassenrand, leider nehme ich mir nicht die Zeit für ein Foto, später auf dieser Strecke kommen keine mehr.

Endlich erreichen wir die Stadt La Roche sur Yon, wo die Mühen des Tages ein Ende haben. Erstmal in ein Sportgeschäft, ein passendes Fahrradtrikot finde ich wieder nicht. La Roche hat einen geräumigen rechteckigen Platz, von dort aus sind alle Strassen schachbrettartig angelegt. In einer Nebengasse finden wir das einfache Hotel für unsere Ansprüche.

Der Abend endet in einer Pizzeria. An dem einzigen noch besetzten Tisch des Restaurants wird gespeist, als wir eintreten. Als wir das Lokal verlassen, wird dort immer noch gespeist. Der Franzose ist ein Gourmet, der Deutsche ein Banause.

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