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Fr 6.5. Morcenx - Biarritz 115 km: Sommer
Strahlender Sonnenschein, ein gleissendes Licht und keine Wolke am
Himmel. Da leben die Geister wieder auf. In der Hotelbar geniessen wir
ein gutes petit dejeuner. Eine Figur erscheint, das ist Domenique, so
wird er allseits begrüsst. Er grinst, wir erkennen ihn sofort. Er uns
auch. Zielgerichtet steuert er auf uns zu und redet wortreich auf uns
ein. Wir wissen, was er uns verklickern will, dass wir ihn am Bahnhof
am Vorabend nach dem Hotel gefragt haben. Wir nicken und bedanken uns.
Sicher rechnet er es sich als sein Verdienst an, dass wir so gut
untergekommen sind und ist nun auf ein Bakschisch aus. Ein wenig
enttäuscht lässt er sich am Nebentisch nieder und popelt in der
Nase.
Wir brechen in den strahlenden Morgen und in die Wälder auf. Keine
Autos, Ruhe, die Räder rollen unter den Bäumen dahin - wir spüren,
schöner kann man nicht radfahren.
Der gewundene Lauf eines Baches
bestanden mit üppigen Lilien. Grün in allen Variationen. Kleine
Ferienhäuschen zeigen, dass sich hier mancher wohl fühlt, der seine
Ruhe sucht.
An einer Waldlichtung neigt sich der Wipfel einer Kiefer, dann fällt
sie und schlägt krachend auf. Motorsägen heulen auf. Also auch hier
hat man alles im Griff, holzt ab und forstet wieder auf. In einem
Dickicht entdecken wir eine Gruppe Waldarbeiter, die mit langen
Schneidegeräten Licht in das Unterholz bringen.
Mitten in der Wildnis stossen wir auf die N-10, wo die Urlauber gen
Süden an die Badestrände des Atlantik rasen. Ein paar Kilometer
müssen wir uns einreihen, dann geht es wieder in die tiefen Wälder.
In Leon lotst mich Thomas zu dem dort befindlichen See, dort hat er
mit seiner Familie einmal Campingurlaub gemacht. Fortan erfahre ich
alles über die rundumbefindlichen Attraktionen von Land und Leuten.
Am Marktplatz von Leon nimmt uns ein freundliches Cafe mit noch
freundlicherer Bedienung auf.
Nun sind wir im Einzugsbereich der Atlantikküste mit ihren Stränden,
Tourismus und Verkehr. Die Weiterfahrt gestaltet sich aber sehr angenehm,
weil man eine Radwegtrasse durch den Wald gelegt hat. Im
Sommer bei Hochsaison ist das wohl eine Ameisenstrasse, jetzt kann man
ungestört radeln.
In Messanges Plage sehen wir den Atlantik in seiner ganzen Schönheit.
Dies war das Ziel eines anderen Campingurlaubs der Thomas-Familie.
Der Atlantik rollt in
weissen Wogen heran, bis zum Horizont in beide Richtungen längs der
Küste nichts als Strand und blaue See. Und im Süden, was sieht man:
die ersten Berge der Pyrenäen, blau verschwommen. Wieder haben wir
ein Teilziel unserer Tour vor Augen.
Thomas lässt nicht locker, auch der Campingplatz vergangener
Urlaubstage muss besichtigt werden.
"Das war unser Klo" überrascht
er mich mit dem Hinweis auf ein Gebäude unter Bäumen. Ich kontere
mit einer Betrachtung über Sätze, die mit "Das ist/war unser..."
beginnen, wenn man die Fotos zurückkehrender Urlauber gezeigt
bekommt.
Wir radeln weiter nach Süden, nun nähern wir uns Hossegor. Grosse
Aufsiedlungen mit Appartementhäusern, immerhin aber nicht mehr als
dreigeschossig, lassen erahnen, welch ein Trubel zur Hauptsaison hier
herrscht.
In Hossegor blinkt ein blauer See wie eine Lagune im
Sonnenlicht.
Pechschwarz strömt es aus einem Saugrohr. Da spült man
Strand auf, der sicher zunächst grau, dann vom Sonnenlicht gebleicht
auch mal weiss erstrahlen wird. So stellt man es sich jedenfalls vor.
Am Ortseingang ist ein Fahrradgeschäft, die Trikots sind mir alle zu
poppig.
Nach der Enttäuschung wieder ein Cafe, hier schon teurer in den
Preisen. Am Nebentisch sitzt ein junger Bursche, der ist von einem
Brandunfall fürchterlich entstellt, das Gesicht ist nurmehr eine
Maske. Aber man sieht, wie er sein Leben, Sonne und Zigarette
geniesst, man wird nachdenklich dabei.
Die nächsten Ziele sind Bayonne, Anglet und Biarritz, drei Städte,
die ineinander übergehen. Der Verkehr ist mörderisch, keine
Nebenstrassen bieten sich an. Thomas fährt das einzige Mal auf dieser
Fahrt mit dem Sturzhelm. In einem Supermarkt erholen wir uns, dort ist
alles klimatisiert und einen Kaffe bekommen wir auch.
In Bayonne entdecken wir die pittoreske Altstadt, nur flüchtige
Eindrücke können wir aufnehmen. Im Strassengewirr dieses Labyrinths
finden wir auf die Anhöhe, wo ein Leuchtturm über Biarritz thront.
Unten ist eine malerische Bucht, in die hat man wie zum Trotz eine
hässliche Hotelburg hineingeklotzt.
Wir versuchen, in einem hochgelegenen Hotelkomplex Quartier zu nehmen.
Das einzige Mal der Fahrt erfahren wir hier eine Abfuhr. Es handelt
sich zufällig um das Hotel der Golfanlage von Biarritz. Eine billige
Unterkunft bekämen wir unten neben dem alten Casino, wird uns
vorgeschlagen. Also billig muss es sein, das scheint man uns
anzusehen.
In Biarritz braucht es nur 10 Minuten, dann haben wir ein unseren
pekuniären Ansprüchen gemässes Hotel gleich neben der Kirche im
Zentrum gechartert. Eingerichtet, geduscht und umgezogen, schon sind
wir auf dem Rundgang.
In Biarritz sind es die vorgelagerten Klippen, die man zu besuchen
hat. über Treppen und Brücken gelangt man auf die vorgesehenen
Aussichtspunkte. Oben thront eine Madonnenstatue, durch ein
Sperrgitter gegen Kletterkünstler gesichert. Unten berät sich eine
Tauchergruppe in Gummihosen über die Fehler, die man vielleicht
gemacht hat, oder ob womöglich einer fehlt. "Die machen Briefing ",
weiss Thomas beizusteuern.
Eine Pizzeria mit Blick auf das Meer bietet sich an. Pizza Oceano wird
es wohl gewesen sein, was mir zusagt. Thomas ist auf dem Abnehmetrip
und nippt nur hin und wieder am Rotwein. Die Sonne geht am Horizont
des Atlantik, leicht verstellt durch ein Verkehrsschild (gefährliche
Rechtskurve) unter. Ab und zu säuselt ein Porschefahrer über den
vorgelagerten Parkplatz.
So geniessen wir Biarritz, ziehen uns erlebnisschwer in unser Hotel
Antalayes, zwei Sterne, Zimmer mit WC, Badewanne und Bidet, zurück.
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