Reise nach Euböa 23.4.-7.5.99
Planung
Wie verfällt man darauf, der Insel Euböa einen Besuch abzustatten, wo alle Welt von Sporaden, Kykladen oder Dodekanes schwärmt? Ganz einfach, im Reiseprospekt sind nur zwei Hotels auf dieser Insel im Angebot, da kann man darauf hoffen, daß der Massentourismus noch nicht ganz so schlimm seinen Einzug gehalten hat wie anderswo, wo ein Hotel am anderen verkehrsreiche Küstenstraßen flankieren. Wir werden sehen.
Es ist gar nicht so einfach, im Vorhinein Informationen über diese Insel zu sammeln, in den Reiseführern wird sie nur stiefmütterlich behandelt und die Griechenlandfahrer im Bekanntenkreis erklären auf Befragen: Wo ist denn das? Um so besser. Immerhin ist Euböa - oder Evia - die zweitgrößte griechische Insel nach Kreta und vor Rhodos. So hätten wir die drei größten griechischen Insel bereist - aber das ist natürlich kein Argument. Allerdings sind wir vor zwei Jahren auf dem Weg nach Kreta schon einmal über die Insel geflogen, die sich etwa 150 km lang östlich des griechischen Festlands erstreckt. An einer Stelle ist sie allerdings nur ganze 35 m(!) von diesem entfernt, und dort befindet sich die Hauptstadt Chalkis oder Halkida, wo man natürlich eine Brücke vorfindet. Die höchste Erhebung befindet sich im Dirfis Gebirge mit 1743 m. Da wo wir hinfahren werden, in der Gegend bei Eretria, erheben sich die Berge auf über 1000 m und heißen Olimbos Gebirge. Soviel kann man schon vorab der ausgezeichneten Karte "Athen - Delphi - Euböa, M 1:250 000, Freytag und Berndt" entnehmen.
Obwohl man sich auf dieser Karte die eine oder andere Fahrradtour ausdenken kann, lassen wir die Räder zu Hause in der Hoffnung, vor Ort geeignete Räder mieten zu können. Eine andere Bemerkung muß noch gemacht werden: als wir die Reise gebucht haben, war der Kosovokrieg noch nicht abzusehen, inzwischen ist er in vollem Gange und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Flugrouten sind deswegen weiter östlich über Ungarn, Rumänien und Bulgarien verlegt worden. Wir haben allerdings weniger Angst um unsere Sicherheit, fahren aber doch mit gemischten Gefühlen angesichts der Massaker und des Flüchtlingselends im Kosovo. Und wir werden uns nicht allzu weit von den Kriegsschauplätzen in der Sonne aalen? Man möge es uns verzeihen, daß wir trotzdem die Reise antreten. Soviel zur Vorgeschichte.
Freitag, 23.4: Anreise
Der Abflug ist um 6.45 in Hannover, da müssen wir vorsichtshalber drei Wecker auf 3 Uhr in der Nacht programmieren, die dann zur gegebenen Zeit nur mühsam gebändigt werden können. Punkt 4 Uhr fahren wir los, Annika müssen wir leider den Nachtschlaf rauben, weil sie mit zum Flughafen fahren muß, um das Auto zurückzubringen. Alles weitere klappt reibungslos, nach dem Einchecken sitzt man dann wartend auf einer Sitzbank, man kennt das schon. Eine Putzmamsell verkürzt uns die Zeit, die damit beschäftigt ist die Rolltreppen zu reinigen. Das geht der Tageszeit entsprechend alles im Zeitlupentempo vor sich und Heidi bekommt einen Lachanfall, wenn das Fräulein zum x-ten Male regungslos die Rolltreppe herauf schwebt. Wenn man genau hinschaut sieht man aber, daß sie mit einem Feudel an den Glasscheiben oder Fußleisten entlang gleitet.
Endlich geht es in den Flieger (Hapag Lloyd), wo wir leider nur einen Sitz über der Tragfläche erhalten, wo die Sicht nach unten eingeschränkt ist. Allerdings ist auch wegen der Wolken bald nicht mehr viel zu sehen. Erst kurz vor der Ankunft in Athen wird es etwas klarer. Man schwebt im Sinkflug auf das unübersehbare Häusermeer zu, es sieht aus als hätte man lauter Streichholzschachteln über die Landschaft geschüttet. Nach der Landung Paßkontrolle - warum eigentlich nach dem Schengener Abkommen? Dann das Gepäck vom Fließband in Empfang nehmen, wo wir uns mit einer Gruppe Russen um die Plätze in der ersten Reihe rangeln müssen. In der Halle nehmen uns dann die beflissenen Mitarbeiter der Firma NUR (Neckermann Reisen) in Empfang und uns wird eröffnet, daß wir mit einem Taxi zu unserem Quartier gebracht werden, und das ist immerhin so an die 60 km entfernt.
Leider spricht der Taxifahrer weder Deutsch noch Englisch, "Greek" sagt er nur und wir sind leider des Griechischen nicht mächtig. So verläuft die Fahrt meistens schweigsam und es dauert ewig, bis wir die endlosen Vor- und Vorvororte von Athen mit ihrem hektischen Verkehr hinter uns haben. Endlich geht es auf eine Autobahn, ich habe die Karte aufgeschlagen und weiß leidlich, wo wir uns befinden. Bald aber schon verlassen wir die Autobahn wieder, fahren über eine Paßstraße und landen in dem Küstenort Nea Palatia, wo wir zum Aussteigen genötigt werden. Das liegt daran, daß es hier eine Fähre hinüber nach Eretria gibt. Da wir annehmen, daß der Taxifahrer seine kostbare Zeit nicht mit einer Fährfahrt vergeudet, stellen wir uns das so vor, daß der Taxifahrer uns hier ablädt, wir mit der Fähre hinüberfahren um dort vom Hotel abgeholt zu werden. Also stecken wir ihm schon mal 10 DM als Trinkgeld zu, die er freudig entgegennimmt, uns aber anzeigt, daß wir mit dem Taxi hinüberfahren werden. Dafür ist unser Fahrer natürlich ab jetzt um so freundlicher.
Auf die Fähre müssen wir über einen Steg, der auf der Wasserseite kein Geländer hat. Das ist mal wieder was für Heidi, die erbebend die Angelegenheit bewältigt. So befinden wir uns unversehens auf einer 8 km langen Seefahrt und die Insel Euböa liegt in der Sonne vor uns. Im Hintergrund erkennt man noch Schnee auf einem Berg im Landesinneren, die Berge an der Küste sind kahl und erscheinen aus der Ferne völlig ohne Vegetation. Eine Weile lassen wir uns den Wind um die Nase wehen, dann wird es zu kalt und wir suchen die inneren Aufenthaltsräume auf.
Nach gut einer Stunde landen wir in Eretria an. Das ist ein geschäftiger Hafenort, den wir noch näher kennen lernen werden. Das Taxi bringt uns in wenigen Minuten auf der stark befahrenen Küstenstraße zu unserem Hotel namens Holiday in Evia. Vom Taxifahrer verabschieden wir uns mit Handschlag. An der Rezeption wird uns unser Quartier zugeteilt und gleich danach fährt "The Boy" mit einem zweisitzigen Gefährt vor, das uns und das Gepäck hinauf bringt. Es sind nur wenige Meter (vielleicht 150), wobei ich Mühe habe, nicht von der Gepäckablage hinunter zu fallen, die man mir als Platz zugewiesen hat. Trotzdem gibt Heidi dem "Boy" Trinkgeld, was sie lieber hätte lassen sollen, da er uns in Zukunft nicht einmal zu grüßen geruhen wird.
Bungalow mit Dattelpalme |
Anlage mit Pool |
Das Abendessen allerdings enttäuscht uns heute und in der folgende Zeit nicht. Es gibt eine leckere Suppe, rund ein Dutzend Salatarrangements, ein warmes Buffet mit sechs "Rechauds" verschiedenerlei Inhalts. Entschuldigung für den französischen Ausdruck, aber wir stellen bald fest, daß die Einrichtung fest in französischer Hand ist, deutsche Stimmen verlieren sich. Noch zu erwähnen der Nachtisch, der als Eis, Kuchen oder Fruchtsalat bereit steht. So kann man leicht in vier Gängen speisen, dazu outen wir uns als Deutsche, indem wir Bier dazu trinken, allerdings das gut schmeckende griechische "Mythos Bier". Da der Preis für zwei Bier 1800 Drachmen beträgt, sieht man sich genötigt, für den Kellner auf 2000 aufzurunden, was sich allerdings lohnt, denn der ist sehr nett, heißt Dimitri (was wir natürlich erst später in Erfahrung bringen) und ist immer zu einem Schnack aufgelegt.
Ich erwähne gleich die sonderbare Hierarchie der Bediensteten, dann brauche ich das später nicht mehr zu tun. Da gibt es zwei meistens lächelnde wohlgekleidete Herren, deren einzige Aufgabe es zu sein scheint, mit "Kalimera, Bon Soir, Good Evening, Guten Abend" die Gäste zu begrüßen. Wenn mal ein Gast aus Versehen bei einem von diesen sein Getränk bestellen möchte, heißt es nur "Garcon". Das ist die nächst niedere Stufe, wobei noch unterschieden werden muß zwischen dem, der die Getränke bringt und denen, die nur die abgegessenen Teller abräumen dürfen. Außerdem steht noch eine Dame neben dem warmen Buffet und rückt die Speisen wieder in eine ansehnliche Form, wenn einer zu sehr darin herum gefuhrwerkt hat. Zuguterletzt gibt es noch einen Oberinspekteur, der ab und zu mit finsterem Blick aufkreuzt, wohl um den anderen Angst zu machen.
Nun gut, das erste Abendessen hat uns wieder ein wenig aufgerichtet und ich hole für uns an der Bar eine Flasche Wein für den Abend, die kostet 2500 Drachmen, das sind etwa DM 15.-. Das werden wir sicher nicht jeden Abend machen können, sonst wird das ein teurer Urlaub. Der Barkeeper kredenzt mir aber ein Glas umsonst zum Kosten.
Als wir uns in der Empfangshalle niederlassen um eine zu rauchen, schwärmt es wie in einem Bienenkorb. Das liegt daran, daß gerade 6 Busse mit 300 griechischen Jugendlichen eingetroffen sind. Ein Teil davon wird dann auch zu unserer Freude ganz in unserer Nähe einquartiert. "Da werden wir noch was erleben" sage ich zu Heidi. Aber ab 22 Uhr wird es ruhig, da sind alle geschlossen in die Disko unten im Hotel abmarschiert. So verfallen wir nach Genuß des teuren Weines in unseren ersten Urlaubsschlaf.
Samstag, 24.4.: Eretria
Der Schlaf währt bis gegen 4 Uhr in der Frühe. Da hat wohl die Disko zugemacht. Also kehrt alles geräuschvoll unter gegenseitigen Zurufen in die Quartiere zurück, nicht ohne noch auf südländische Art einen endlosen Plausch im Freien abzuhalten. Natürlich empfiehlt es sich, von einer direkten Beschwerde Abstand zu nehmen, so wälzen wir uns zähneknirschend in unseren Betten. Irgendwann wird es ruhig, doch um 7 Uhr ist wohl das Frühstück angesetzt, da schwärmt die ganze Korona wieder aus. Somit haben wir die zweite kurze Nacht hinter uns und fragen uns, wie man sich die erwartete Erholung verschafft. Dazu sprechen wir die Betreuerin der Firma Neckermann an, der wir zufällig auf dem Rückweg vom Frühstück begegnen. Wir erfahren, daß es sich um Schülergruppen aus Athen handelt, die allerdings nur über das Wochenende angereist seien. Wegen eines zurückliegenden Schulstreiks habe sich dieser Aufenthalt in diesem Jahr verkürzt, sonst wären die eine ganze Woche geblieben. Wir segnen im Geiste den Schulstreik, stellen aber in Aussicht, daß wir gegebenenfalls beim Veranstalter Entschädigung beanspruchen werden, wenn man seinen wohlverdienten Urlaub inmitten eines solchen Spektakels anzutreten hat. Der Grund für unser Pech ist der, daß es noch früh in der Saison ist, wo die Unterkünfte wenig belegt sind und der Anlagenbetreiber auf diese Weise zu Gästen kommt.
Wir finden uns erst mal darein und fahren mit dem Bus nach Eretria, um etwas zu unternehmen. In Eretria laufen wir herum und finden bestätigt, daß der Tourismus hier tatsächlich noch nicht so viel verändert hat. Der Ort macht einen einigermaßen urwüchsigen Eindruck, auf der belebten Geschäftsstraße kann man schön bummeln. Da stellt sich ein Problem ein, daß wir am Anfang unserer Reisen öfter haben: es wird dringend ein "Örtchen" gesucht. Die Suche in einigen Restaurants oder Cafeterions verläuft zunächst erfolglos, aber gerade noch rechtzeitig finden wir dann doch eine Bäckerei mit Freisitz, wo im Inneren die erlösenden Buchstaben WC erkennbar sind. Zum Dank lassen wir uns auf einen griechischen Kaffee nieder und lassen das Leben auf der Straße auf uns wirken.
Häuser und |
Bus-Stop in Eretria |
Vor einer Metzgerei hängen drei nackte Tiere. Das werden ja wohl Ziegen oder Schafe sein. Am Schwanzende von einem der Tiere ist allerdings noch ein Haarbüschel übrig geblieben, das fast auf einen Pudel schließen läßt. Es handelt sich aber wohl doch um ein Schaf, wie wir aus späteren Beobachtungen lebender Tiere folgern. Wegen des teuren Weins vom Vorabend steht uns der Sinn eher nach einem Supermarkt. Da ist man wohlsortiert und kann zum gleichen Preis die fünffache Menge an Wein erstehen. Wir sind so dreist und entscheiden uns für eine kannisterartige Henkelflasche mit 5 l Inhalt. Schließlich habe ich einen geräumigen Rucksack dabei, wo die Botille mühelos reinpaßt. Nun können wir einem weiteren unruhigen Abend gelassen entgegen sehen, die notwendige Bettschwere werden wir uns ggf. zu verschaffen wissen..
Da es die Sonne inzwischen gut mit uns meint, fahren wir mit dem Bus zurück, um die anstrengende Tätigkeit des Sonnenbadens und damit verbundenen Einbalsamierens ("Reib mir mal den Rücken ein") an dem Swimmingpool mit Insel aufzunehmen. Wenn man die Finger wieder einigermaßen ölfrei hat, kann man auch wieder zur Lektüre greifen, Heidi liest "Der Laden" von Erwin Strittmatter, ich begebe mich zu den "Gipfeln der Welt" von John Krakauer, das Buch werde ich morgen von Stefanie zum Geburtstag bekommen. Da Stefanie mir nicht über die Schulter schauen kann, habe ich mir das Geschenk einen Tag zu früh geangelt und lese nun am Pool auf Euböa von den Eisstürmen im Himalaya, in Alaska oder in der Eigernordwand. Immerhin lagere ich im Schatten unter einem alten Ölbaum, Heidi brät schon eingeölt in der Sonne.
Der alte Ölbaum steht deswegen hier, weil sich auf dem Gelände früher ein Olivenhain befunden hat, und man hat dankenswerterweise so viele Bäume wie möglich in die einbezogen. Die ältesten Bäume mögen hunderte von Jahren alt sein.
Es gelingt uns schließlich auch noch, mal das Wasser im Pool zu probieren nach dem bekannten Motto: "Wenn man rein geht, ist's kalt, aber wenn man drin ist, kann man's aushalten" - so wiederholt zu hören von einer ältere Dame zu einer anderen Zaudernden.
Am Abend versammeln sich die Jugendhorden wieder grüppchenweise. Wir meinen beobachtet zu haben, daß man ihnen eine Strafpredigt verpaßt hat, was aber das hin und wieder aufflackernde Temperament nicht restlos zügeln kann. Wir wollen ja auch keine Miesepampel sein und verschanzen uns in unserem Zimmer (draußen ist es zu kalt) hinter unserem 5 l Kannister, dessen Spiegel erstaunlich schnell sinkt. Es ist aber zu vermerken, daß der Wein nicht zu unkontrolliertem Rausch führt und auf seine Weise sehr bekömmlich ist.
Der Schlaf findet uns heute leichter, wenn auch nicht ohne gelegentliches Aufschrecken, wenn eine lebensfrohe Gruppe an unserem Quartier vorbei krakeelt.
Sonntag, 25.4.: Halkida
Als erstes überrascht mich heute morgen ein richtiger Geburtstagstisch, den Heidi mit Hemden, Shorts und den Büchern von Stefanie (im Buchhandel tätig, 40 % Rabatt) bestückt hat. Nach Geburtstagsküßchen und Anprobe diverser Textilien und "Oh wie schick" oder "Paßt!" begeben wir uns zum Frühstück um anschließend den offiziellen Informationstermin mit der Neckerfrau wahrzunehmen. Diese ist sehr nett, kommt aus Belgien und heißt so etwa Veerle Verheßelen (ich hoffe nicht den Datenschutz zu verletzen, wenn ich positiv von ihr berichte: sie spricht 5 Sprachen, neben Belgisch auch Holländisch, Französisch, Englisch und Deutsch, mit dem Griechischen hapert es noch u.a. wegen der fremden Schrift mit Gamma, Psi und Zetta...). Unsere Veerle verspricht, sich höheren Ortes (in Athen) um einen Ausgleich für die bis dato entgangenen Ruhestunden zu bemühen. Zum anderen werden die Tagesreisen gepriesen, die allerdings zu saftigen Preisen angeboten werden. Das sind: Kreuzfahrt zu den Inseln Salamis, Ägina und was weiß ich, ein Besuch von Delphi, den Klöstern Meteora oder auch Athen. Wir erwägen schon mal Athen - wenn man schon mal in der Nähe ist. Wir hören später von anderen Athenbesuchern, daß man da vor Verkehr, Abgasen und Krach schier verrückt wird - nur um die Akropolis zu sehen? Und wir werden sie auch so sehen, wenn der geneigte Leser so lange ausharrt. Leider erfahren wir auch, daß man keine Fahrräder ausleihen kann, so weit ist man noch nicht, Autos (Hertz), Motorroller oder Mopeds: kein Problem. Als wir das Hotel verlassen, registrieren wir mit Genugtuung, das sich die Jugendhorden in ihren 6 Bussen zur Abreise rüsten.
Also begeben wir uns wieder an die verkehrsreiche Küstenstraße, wo die Linienbusse auf Zuwinken vor dem Hotel anhalten. Eigentlich wollten wir den Fußweg nach Eretria erkunden, aber da kommt gerade ein Bus nach Chalkis, da brauchten wir ja nicht zu laufen, und außerdem könnte man ja auch gleich nach Chalkis fahren, und so kommt es dann auch. Ein Ehepaar fährt mit, die haben eine einwöchige Bildungsreise zu den markantesten Kulturdenkmälern hinter sich und müssen sich danach nun eine Woche davon erholen. Also es sei schon sehr interessant, aber in Arkadien sei alles vermüllt. Und Athen: Horror, der Krach vom Verkehr gehe die ganze Nacht durch, da kriegt man kein Auge zu...
Also nehmen wir vorerst mit Chalkis vorlieb und rätseln, welches der eigentliche Name dieser Stadt ist, im Bus muß man Halkida sagen, das H aus dem Rachen, ein Ehepaar aus dem Ruhrgebiet, Gegend Unna, berichtet allerdings später, daß "auf Schalke" auch funktioniert. Die Strecke nach Halkida - um uns darauf zu einigen - bietet nicht allzuviel, einige Reste ehemaliger Befestigungsanlagen auf spitzen Hügeln, der Berg mit Schneeresten im Hintergrund, das Trockenbett eine Flusses, eine Hängebrücke zum Festland - die muß neueren Datums sein.
Wir verlassen den Bus am quirligen Busbahnhof in Halkida. Da fahren Busse in alle Welt, was die Insel betrifft. Unser bildungsbeflissene Ehepaar zieht zielbewußt von dannen und wir denken, gut daran zu tun, die gleiche Richtung einzuschlagen, allerdings in geziemendem Abstand. Und wo landen wir nach Überqueren einiger gefährlicher Kreuzungen: vor dem Archäologischen Museum. Das hat aber wohl das bildungsbeflissene Ehepaar geringschätzig geschmäht, wir aber lösen zwei Eintrittskarten, nachdem wir den Kassierer hinter seiner Zeitung hervor gelockt haben. Das Museum ist aufgeteilt in einen Freiluftbereich mit Säulenresten, Steinfiguren oder Sakopharge.
|
|
Der Innenbereich aus drei Räumen birgt Vitrinen mit restaurierten Schmuckstücken, zusammengeklebten Krügen (ca. 100 Teile Puzzles, geschätzt). Raumbeherrschend sind Marmorstatuen, die entweder kopflos oder ihres Geschlechts beraubt sind. Ein Gästebuch liegt aus, da kann man lesen : "All what we have learned at school we can observe now, the figures of marble...". Wir einigen uns auf "Alte Steine" und sind damit kulturell erst einmal ausgesteuert.
Nach Verlassen des Museums erspähen wir den blauen Spiegel der hier schmalen Bucht und landen auf der Promenade, auf der es sich schön bummeln läßt. Gleich daneben ist eine Kirche, da hat anscheinend gerade eine Hochzeit stattgefunden, jedenfalls liegen ausgestreute Blumen auf der Erde. Zwei schwarzbärtige Popen machen sich gerade von dannen. Da die Kirchentür noch geöffnet ist, ergreifen wir trotz kurzer Hosen die Gelegenheit zu einem Blick in das Innere. Da ist viel vergoldet, Kronleuchter und Ikonen. Hinter uns verschließt eine Frau gerade die Tür mit einer eisernen Querstange, so daß wir voller Panik hinzu stürzen. Aber eine andere Tür ist noch auf, so daß wir nicht als Kirchengefangene enden.
|
In den Straßen von Chalkis |
|
Die Restaurants auf der Promenade sind proppevoll, denn es ist Sonntag, und wie jeder weiß, sitzen die Griechen gerne beisammen und bestimmen die Weltgeschichte. Wir beteiligen uns in sofern daran, daß wir uns vor dem einsetzenden Regen unter einen Sonnenschirm flüchten, einen Cappuccino bestellen und die alte Brücke bewundern, welche die 35 m(!) breite Verbindung zum Festland herstellt. Und wenn hier mal ein Schiff durch will, um mehr als 300 km Umweg zu sparen? Bei näherem Hinsehen klärt sich das auch auf, es handelt sich wohl um eine Klappbrücke. Neben unserem Sitz unter dem Sonnenschirm langweilen sich ein paar Afrikaner und Phillipinos, die bei dem Regen ihrem Straßengeschäft in Form von CD- oder Schmuckhandel nicht nachgehen können.
Promenade |
Brücke zwischen Euböa und Festland |
Als der Regen nachläßt bummeln wir zurück zum Busbahnhof, machen dabei noch einen Umweg durch ein paar verwinkelte Nebengassen. Hier in Halkida ist es nicht anders als in vielen alten Städten, die schönsten alten Häuser sind unbewohnt und verfallen. Um 14 Uhr sitzen wir wieder im Bus, es setzt wieder Regen ein und dauert den Rest des Nachmittags an. Da kann man nur unter der Bettdecke lesen oder ein wenig von dem in den vergangenen Nächten entgangenen Schlaf nachholen.
Am Abend kommen wir mit dem schon erwähnten Ehepaar aus Unna ins Gespräch, die können uns ein paar Tips geben, wie man wunderbare Spaziergänge oder auch Wanderungen in das Innere des Landes machen kann. Eine Erkundung dieser Angelegenheit nehmen wir uns für den nächsten Tag vor.