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Sonntag 24.5. Bleckede - Wismar - Kirchdorf auf Poel 125 km

Nach guter Nacht und gutem Frühstück geht es heute am Sonntag frisch regeneriert um 8.30 auf die Weiterfahrt. Wir können direkt auf die Fähre fahren, die hübsche Fährfrau bedeutet uns, daß wir, da wir leider über dreizehn Jahre alt seien, den vollen Fahrpreis zu entrichten hätten. Das tun wir gerne. Als noch ein Auto auf die Fähre fährt, scheinen sich genügend Gäste für eine lohnende Überfahrt gefunden zu haben. Eine ältere gesprächige Dame entsteigt dem Auto und bekundet, wie sehr sie es genieße, mit ihrem Mann eine Autorundfahrt durch Mecklenburg zu machen. Bei dem herrlichen Wetter heute morgen ist das alles aber auch eine Lust. Es ist sogar nahezu windstill.

In zehn Minuten sind wir am anderen Ufer und damit in Mecklenburg.

Und nun, denke ich, beginnt der genüßliche Teil der Radtour. Man kann die alten Mecklenburger Bauernhäuser bewundern, sie sind wegen gelegentlicher Hochwasser der Elbe auf kleinen Warften errichtet. Immer noch hat man ein eigenartiges Gefühl, hier durch das ehemalige Sperrgebiet zu fahren. Auf einer Wiese wird gemäht. Ein Storch stelzt da mittendrin umher, wahrscheinlich hat er so seine Erfahrungen mit der Heumahd und verspricht sich einen leckren Happen. Rainer versucht zu fotografieren. Wenig später entdecke ich einen Wassergraben mit üppiger und blühender Vegetation. Auf ausgedehnten Brachflächen gedeiht eine vielfältige Vegetation. Wo es blau schimmert, bestimmt das wilde Stiefmütterchen das Bild.


Der Storch im Salat

Vegetation in den Gräben
Wir erreichen die Siedlung Bahnhof Boitzenburg. Hinter den Bahngleisen geht es links Richtung Zarrentin. Längs der Boize zieht sich die Straße durch Wiesenauen und Wälder. Einmal fotografieren wir ein Haus, das bietet einen gruseligen Anblick: sein ehemaliges Inneres liegt wie Eingeweide vor ihm ausgebreitet.

Gruselhaus
Nach Überfahren der Autobahn Hamburg - Berlin sind wir sogleich in Zarrentin. Hier wohnte einmal vor Jahrzehnten eine inzwischen längst verstorbene Tante. Einen Ortsmittelpunkt finden wir nicht, begeben uns also hinab an das südliche Ende des Schaalsees. Zwei Damen sonnen sich auf einem Anleger, nebenan baden etliche Kinder in dem nicht gerade Vertrauen erweckenden Wasser. Was da so gelb angeschwemmt worden ist, kann aber auch Blütenstaub sein. Wir genießen den geruhsamen Augenblick, indem wir auch für ein paar Minuten uns von der gleißenden Wasserfläche blenden lassen.

Am Schaalsee in Zarrenthin
Ein Schluck aus der Trinkflasche, ein Bi-fi und ein Dextro, weiter geht's. Die Damen wünschen uns eine gute Weiterfahrt. Solange wir in Richtung Norden fahren, haben wir heute sogar einen schwachen Rückenwind, das muß fairerweise auch erwähnt werden. Die Straße östlich des Schaalsees ist sehr reizvoll: Hecken und Alleen, bergauf, bergab, Ortsdurchfahrten aus grobem Kopfsteinpflaster - da wird es einem nicht so leicht langweilig. Am schönsten ist es in Lassahn, da hat man von der Höhe eine gute Aussicht auf den Schaalsee. Zierde des Ortes ist eine in der Stilrichtung etwas eigenwillige Kirche.

Kirche in Lassahn
In Roggendorf erreichen wir die B 208. Nun ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Die Autos sausen uns um die Knie, der Wind tut das gleiche in den Ohren. An das Ohrensausen werden wir uns noch ganz gut gewöhnen. Wir kommen in den Ort Gadebusch, reif für eine ausgiebige Rast. Einem Hinweisschild folgend finden wir nach ein paar Straßenecken ein hübsches kleines Straßenlokal. Soljanka und ein Spezi - das zischt! Ein Blick auf die Straßenkarte ist weniger verheißend, bis Wismar gilt es gut 30 km mit gut aufgefrischtem Gegenwind auf der vielbefahrenen Bundesstraße zu bewältigen. Wir erklären das zur "Durststrecke", da muß man durch.

Nicht so ganz guter Dinge geht es ans Werk. Es ist schon ein Kampf gegen Wind und Verkehr, aber die Straße ist fast durchgehend eine Allee. Zwischen den Bäumen hindurch erblickt man blühende Rapsfelder, die manchmal von einem Horizont zum anderen zu reichen scheinen. Ansonsten wird der Kopf geduckt bis der Nacken schmerzt, kurz aufgerichtet und massiert, weitergeduckt usw.

Nach wohl knapp zwei Stunden ist es soweit, die Türme von Wismar links voraus. Da gibt es wieder Motivation, Kaffee und Kuchen stehen geradezu als Fata Morgana vor uns. Kaum in Wismar landen wir genau auf dem Marktplatz, umrahmt von den historischen Fassaden aus der Schwedenzeit. Alles ist in strahlenden Sonenschein getaucht, mindestens drei Straßencafes mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen laden ein, da lacht das Herz. Schöner kann man nach dieser Hatz nicht belohnt werden. Die "Reuterstuben" bekommen den Zuschlag.

Marktplatz in Wismar
Vorbei an einer der großen Kirchen Wismars bummeln wir danach zum Hafen. Da machen gerade ein paar Segler ihr Schiff fest, was die kritische Aufmerksamkeit von Segelexperte Rainer B. erregt. Mich interessiert ein weiter hinten liegendes Fahrgastschiff, das sei ein von den Russen nicht abgenommenes Auftragsschiff, davon gebe es noch zwei weitere. Ob das stimmt, läßt sich nicht nachprüfen.

Wismar
Es geht nun auf die letzte Etappe dieses Tages. Immerhin sind wir nun an der Ostsee, unserem eigentlichen Ziel. Für die Quartiersuche erwählen wir die Insel Poel, vielleicht läßt sich dort in einem kleinen Fischerdorf ein angenehmer Abend verleben. Bis Kirchdorf auf Poel sind es nur noch 15 km von Wismar aus, dazu immer eine schöne Aussicht auf die Wismarbucht. Wie man sieht, war heute ein Ausflugssonntag, die nach Wismar zurückströmende Blechlawine staut sich hinter einer Baustelle auf viele Kilometer, da stehen sie nun mit abgestelltem Motor, Kind, Hund und Oma in der heißen Sonne. Wir haben es da viel besser, denn uns weht der Wind von vorn.

Und dann weht der Wind auch einmal von hinten, als wir auf den Damm einbiegen, der das Festland mit Poel verbindet. Links und rechts des Dammes befinden sich Anlandungsgebiete, sog. Salzwiesen mit der ihnen eigenen Vegetation und Fauna. An einer Brücke halten wir an, da wird schon eifrig in der Ostsee gebadet. Beschäftigt mit dem Blick auf die ferne Stadtsilhouette von Wismar bemerken wir gar nicht, wie Rainers Fahrrad Übergewicht bekommt und vom Bordstein auf die Straße kippt. Wäre in dem Moment ein Auto da hinein gefahren, hätte die Reise vermutlich schon ein Ende gefunden. Zum Glück ist alles heil geblieben, ein bißchen Lenkerband und das Wiederfinden einer verlorenen Kapsel am nächsten Morgen reduzieren den Schaden auf Null.

In Kirchdorf begeben wir uns, wie meistens auf der weiteren Reise, erstmal zum Hafen. Einträchtig liegen hier Schifferboote und Vergnügungsboote ("Mantafahrer der Meere") neben- und hintereinander.


Hafen von

Kirchdorf auf Poel
Zur Quartiersuche müssen wir in das Dorf und fragen in der Gaststätte nach. Der Kellner schickt uns zu einem Haus schräg gegenüber "bei seiner Tante". Mit der Tante war das aber nichts, hier wohnt heute Frau Nelli Makel mit ihrer Familie: "jetzt sind WIR da" sagt der Mann. Wir bekommen unser Zimmer und sind froh. Auch das Duschen klappt, nur Rainer hat technische Probleme mit den Schlauchanschlüssen und muß sich anschließend mit einer längeren Aufwischprozedur befassen. Auch mir gelingt es, beim Füßewaschen das Waschbecken zu Bewegungen in Dezimeterbereichen zu animieren.

Wie immer ist dann das Essen in schon erwähnter Gaststätte angesagt, danach empfiehlt sich noch ein längerer Fußmarsch zum Strand von Poel: "Am Schwarzen Busch". Der Strand ist hier nicht das Paradies, schmal, steinig und veralgt. Eine kleine Steilküste von vielleicht 10 m Höhe, eine Aussichtsplattform zum Betrachten der tiefstehenden Sonne. Beim Rückmarsch meldet sich schon wieder der Flüssigkeitsdefizit vom Radfahren.

Zum Glück findet sich noch eine Hafenkneipe für ein Bier. Wenn früher Hafenkneipen verräucherte Spelunken waren, so sind das heute kioskähnliche Imbißrestaurants, was uns aber an diesem Abend nicht stören kann. Aus "einem Bier" werden ein paar mehr. Besonders erfreut uns der Besuch von "Tarzan", einem wohl ortsbekannten, bärtigen und dem Alkohol nicht abgeneigten Unikum. So wird es nach Mitternacht, indem wir das Erreichen der Ostsee zu feiern haben.

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