Nach guter Nacht und gutem Frühstück geht es heute am Sonntag frisch regeneriert um 8.30 auf die Weiterfahrt. Wir können direkt auf die Fähre fahren, die hübsche Fährfrau bedeutet uns, daß wir, da wir leider über dreizehn Jahre alt seien, den vollen Fahrpreis zu entrichten hätten. Das tun wir gerne. Als noch ein Auto auf die Fähre fährt, scheinen sich genügend Gäste für eine lohnende Überfahrt gefunden zu haben. Eine ältere gesprächige Dame entsteigt dem Auto und bekundet, wie sehr sie es genieße, mit ihrem Mann eine Autorundfahrt durch Mecklenburg zu machen. Bei dem herrlichen Wetter heute morgen ist das alles aber auch eine Lust. Es ist sogar nahezu windstill.
In zehn Minuten sind wir am anderen Ufer und damit in Mecklenburg.
Und nun, denke ich, beginnt der genüßliche Teil der Radtour. Man kann die alten Mecklenburger Bauernhäuser bewundern, sie sind wegen gelegentlicher Hochwasser der Elbe auf kleinen Warften errichtet. Immer noch hat man ein eigenartiges Gefühl, hier durch das ehemalige Sperrgebiet zu fahren. Auf einer Wiese wird gemäht. Ein Storch stelzt da mittendrin umher, wahrscheinlich hat er so seine Erfahrungen mit der Heumahd und verspricht sich einen leckren Happen. Rainer versucht zu fotografieren. Wenig später entdecke ich einen Wassergraben mit üppiger und blühender Vegetation. Auf ausgedehnten Brachflächen gedeiht eine vielfältige Vegetation. Wo es blau schimmert, bestimmt das wilde Stiefmütterchen das Bild.
Der Storch im Salat Vegetation in den Gräben |
Gruselhaus |
Am Schaalsee in Zarrenthin |
Kirche in Lassahn |
Nicht so ganz guter Dinge geht es ans Werk. Es ist schon ein Kampf gegen Wind und Verkehr, aber die Straße ist fast durchgehend eine Allee. Zwischen den Bäumen hindurch erblickt man blühende Rapsfelder, die manchmal von einem Horizont zum anderen zu reichen scheinen. Ansonsten wird der Kopf geduckt bis der Nacken schmerzt, kurz aufgerichtet und massiert, weitergeduckt usw.
Nach wohl knapp zwei Stunden ist es soweit, die Türme von Wismar links voraus. Da gibt es wieder Motivation, Kaffee und Kuchen stehen geradezu als Fata Morgana vor uns. Kaum in Wismar landen wir genau auf dem Marktplatz, umrahmt von den historischen Fassaden aus der Schwedenzeit. Alles ist in strahlenden Sonenschein getaucht, mindestens drei Straßencafes mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen laden ein, da lacht das Herz. Schöner kann man nach dieser Hatz nicht belohnt werden. Die "Reuterstuben" bekommen den Zuschlag.
Marktplatz in Wismar |
Und dann weht der Wind auch einmal von hinten, als wir auf den Damm einbiegen, der das Festland mit Poel verbindet. Links und rechts des Dammes befinden sich Anlandungsgebiete, sog. Salzwiesen mit der ihnen eigenen Vegetation und Fauna. An einer Brücke halten wir an, da wird schon eifrig in der Ostsee gebadet. Beschäftigt mit dem Blick auf die ferne Stadtsilhouette von Wismar bemerken wir gar nicht, wie Rainers Fahrrad Übergewicht bekommt und vom Bordstein auf die Straße kippt. Wäre in dem Moment ein Auto da hinein gefahren, hätte die Reise vermutlich schon ein Ende gefunden. Zum Glück ist alles heil geblieben, ein bißchen Lenkerband und das Wiederfinden einer verlorenen Kapsel am nächsten Morgen reduzieren den Schaden auf Null.
In Kirchdorf begeben wir uns, wie meistens auf der weiteren Reise, erstmal zum Hafen. Einträchtig liegen hier Schifferboote und Vergnügungsboote ("Mantafahrer der Meere") neben- und hintereinander.
Hafen von Kirchdorf auf Poel |
Wie immer ist dann das Essen in schon erwähnter Gaststätte angesagt, danach empfiehlt sich noch ein längerer Fußmarsch zum Strand von Poel: "Am Schwarzen Busch". Der Strand ist hier nicht das Paradies, schmal, steinig und veralgt. Eine kleine Steilküste von vielleicht 10 m Höhe, eine Aussichtsplattform zum Betrachten der tiefstehenden Sonne. Beim Rückmarsch meldet sich schon wieder der Flüssigkeitsdefizit vom Radfahren.
Zum Glück findet sich noch eine Hafenkneipe für ein Bier. Wenn früher Hafenkneipen verräucherte Spelunken waren, so sind das heute kioskähnliche Imbißrestaurants, was uns aber an diesem Abend nicht stören kann. Aus "einem Bier" werden ein paar mehr. Besonders erfreut uns der Besuch von "Tarzan", einem wohl ortsbekannten, bärtigen und dem Alkohol nicht abgeneigten Unikum. So wird es nach Mitternacht, indem wir das Erreichen der Ostsee zu feiern haben.