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Montag, 25.5. Kirchdorf - Zingst 140 km

Mit etwas vernebelten Köpfen kommt man am Morgen zu sich. Frau Makel serviert das Frühstück, danach geht es schon besser. Die Strecke führt uns erstmal wieder zurück auf den Weg von gestern über den Damm zum Festland. Dann Richtung Norden auf das Ostseebad Rerik zu. Wenn man eine Steigung erklommen hat, wird man meistens mit einer schönen Aussicht zur Seeseite auf die grünen Landzungen von Poel und Wustrow belohnt. Besonders schön ist der Blick auf das tiefblaue Salzhaff.

Kurz vor Rerik entdecken wir eine Abkürzung über Blengow, dann brauchen wir nicht bis Rerik hinein und können einen Winkel abkürzen. Das gelingt auch, aber unter erschwerten Bedingungen, denn die Straße ist unbefestigt und fordert uns auf 2 km eine Menge Kraft ab. Wir landen dann auf der Hauptstraße nach Kühlungsborn. Einige Steigungen bringen einen so auf 70 m Höhe, bei Bastorf steht auf einer Kuppe der höchstgelegene Leuchtturm weit und breit. Wir fahren aber daran vorbei, denn es folgt naturgemäß eine flotte Abfahrt. Es rollt hier aber nicht so gut, die Straße hat unangenehme Wellen und manchmal Schlaglöcher. Wieder durch Rapsfelder fährt man in Kühlungsborn West ein.

In jedem einschlägigen Fahrradführer über die Ostseeküste ist nachzulesen, daß es nun an der Zeit ist, das Verkehrsmittel zu wechseln. Von Kühlungsborn-West nach Bad Doberan solle man sich für 15 km der altehrwürdigen Dampf-Schmalspurbahn "Molli" anvertrauen. An diesem Morgen ist "Molli" bereits durch energische Pfeiftöne einige Zeit vor Erreichen des Bahnhofs zu vernehmen. Das kann zweierlei bedeuten: Molli kommt gerade an, ... oder ist gerade abgefahren. Wer will, mag raten wie es uns ergeht ....

Rainer sagt natürlich: "Den holen wir ein!", aber das ist bei den Verkehrsverhältnissen in Kühlungsborn wohl doch nicht drin. Vor genau 10 Minuten ist "Molli" uns vor der Nase weggedampft. Indem wir auf die muskelentspannende Eisenbahnfahrt verzichten, müssen wir allerdings keinen weiteren Zeitverlust in Kauf nehmen, denn man ist sonst auch erst in einer Stunde in Bad Doberan. So fahren wir direkt nach Heiligendamm. Die Ostsee ist auf dieser Strecke nicht zu sehen, sondern verbirgt sich hinter einem kleinen Höhenrücken. In Heiligendamm gibt es eine Ostseeklinik direkt am Meer. Alle Gebäude sind weiß und etwas klassizistisch. Ein großer Felsblock liegt herum zu Ehren des Begründers des Bade- und Kurbetriebs im letzten Jahrhundert an dieser Stelle.


Heiligendamm

Auf der Mauer, auf der Lauer...
Auf einer Nebenstraße an der Küste entlang, dann mehr landeinwärts, fahren wir durch Börgerende-Rethwisch, viele strohgedeckte Häuser sind bemerkenswert. Weniger reizvoll ist dann die weitere Strecke bis Warnemünde. Immerhin kündet sich auch dieses "Highlight", wie wir Höhepunkte der Reise zu nennen pflegen, rechtzeitig durch eine eindrucksvolle Kulisse von Werftanlagen an. Hier befindet sich die "Warnow-Werft", vor kurzem noch im Mittelpunkt der Öffentlichkeit.

Bei der Ortseinfahrt machen wir einen kurzen Abstecher an den Strand. Bei bestem Badewetter tummeln sich einige Sonnenanbeter, die Bademode ist kein Thema. Wir dagegen durchschwitzt, hungrig und ausgedörrt - da kommt man schon ins Grübeln. Das wiederum treibt uns konsequent in ein wunderschön am Mündungsarm der Warnow, dem "Alten Strom" gelegenes Speiselokal. Ein Spezi (zisch), und eine Fisch- bzw. Muschelsuppe, äußerst delikat! Dazu die schöne Aussicht auf die Promenade und den Hafenkai mit malerischen Schiffen, das baut uns wieder auf. Noch ein Blick um die nächste Ecke, da befindet sich der Leuchtturm, danebent ein bemerkenswert häßlicher Bau in Form einer Rundturnhalle.




Warnemünde
Vorbei an der Werft, da liegen zwei mächtige Schiffsneubauten mit großen Aufbauten und russischen Namen. Die Fähre über die Warnow liegt in Warnemünde hinter'm Bahnhof, aber wir finden sie trotzdem. Nach der kurzen Überfahrt geht es zunächst weniger schön durch Vororte, dann aber in das ausgedehnte Waldgebiet der Rostocker Heide.

Meine Fahrradkette quietscht deutlich hörbar, dennoch verspüre ich auf einmal - jetzt in der zweiten Hälfte des dritten Tages - wie die Beine mehr Kraft entwickeln. Wegen des Windes fahren wir die Strecke bis Graal-Müritz möglichst im Verband, das ist für den jeweils zweiten eine deutliche Erleichterung.

In Graal-Müritz frage ich zwei Passantinnen nach einer Tankstelle, das scheinen sie mir als Fahrradfahrer etwas anzukreiden. Die Erklärung ist dann auch denkbar umständlich. Bevor wir aber an die Tankstelle gelangen, steht vor einer Straßenecke wie aus dem Boden gewachsen ein nigelnagelneues Fahrradgeschäft. Da kriege ich natürlich mein Fett für die Kette, sodaß diese bei der Weiterfahrt bei rundem Tritt wieder wohlig schnurrt.

Aber das währt nicht lange, denn wir geraten nun an eine geheimnisvolle Abkürzung durch das "Große Moor". Eine Art Waldschrat brummelt uns auf unsere Frage nach dem Weg etwas zu. Wir entnehmen dem, daß der Weg brauchbar ist. Zunächst kann man auf einem festen Sandstreifen auch ganz gut fahren, schließlich aber bleibt ein ausgefurchter Sandweg zwischen Ginsterhecken übrig. Viel mehr als einen km müssen wir aber nicht schieben, dafür erleben wir hier eine Heidelandschaft in völliger Abgeschiedenheit.


Gerätepark zur Waldbrandbekämpfung


Im großen Moor hilft nur Schieben
Nun befinden wir uns schon auf der Zufahrt zum Darß, dem "Fischland". Die Straße ist allerdings sehr dem Wind ausgesetzt, es entschädigt uns der Blick über den Saaler Bodden mit seinen grünen Küstenstreifen. Der Kirchturm von Ostseebad Wustrow grüßt am Horizont. Auf dem Weg dorthin überholen wir eine Gruppe Radfahrer, die sich auch schwer vorankämpfen. So ist in Gustrow eine Rast angesagt, natürlich wird die an den Hafen verlegt. Dieser ist sehr hübsch und gemütlich. Es gibt eine Segelschule, auf einer Schautafel werden die hier üblichen Segelboote namens "Zeesenboote" erklärt, draußen auf dem Wasser fährt ein solches Boot gerade ein paar Segelmanöver.

Wustrow
Nun sind wir gespannt auf Ahrenshoop, einem bekannten Künstlerort auf dem Darß. Von dort soll ich meiner Tochter Annika eine Karte schicken, weil sie vor einem Jahr bereits einmal hier weilte. Von den vielen strohgedeckten Häusern, für die der Darß berühmt ist, gehören die meisten zu symmetrisch angelegten Ferienkolonien. In Ahrenshoop angelangt, sind wir plötzlich schon wieder durch den Ort hindurch. Wir fahren einen Weg rechts ab, um auf den Ortsmittelpunkt zu treffen. Ein Blick auf die Karte: es handelt sich um eine Abkürzung nach Born - dem nächsten Dorf. Jetzt wollen wir nicht nochmal zurück, da wird das nun mal nichts mit der Ansichtskarte.

Nach Born geht es auf baumfreier Strecke über 7 km schnurgerade mit Gegenwind bester Qualität. Weil wir ja nicht ganz bei Trost sind, fahren wir auf einmal wie die Wilden, abwechselnd in Führung, der Tacho zeigt zwischen 25 und 30 km/h an. So sind die 7 km einigermaßen flott überstanden. "Das hat Spaß gemacht" sagt Rainer, "Ächz" kann ich nur keuchen.

Der Kaffeedurst meldet sich nun entschieden. Zunächst aber sind wir in der "grünen Küche" von Born gelandet, finden uns auf der Terrasse eines Privathauses wieder, dann aber geht's nach Befragen über einen Trampelpfad genau in ein Gartencafe. "Wer hier herfindet, findet immer wieder her" sagt der Wirt. Er bringt uns wunderbaren Kaffee und Kuchen. Am Nebentisch sitzt ein junger Herr mit einer Badebiene von wohl 1.90 m Länge, die unterhalten sich über San Fanzisko und Akapulko.

Der letzte Abschnitt der Tagesroute wird in Angriff genommen, vorbei an Wieck mit einem Schiffsanleger im Bodstedter Bodden, schließlich über den Deich längs der Straße, dann sind wir in Zingst. Wieder zum Hafen, aber der ist eine Baustelle. Auch fährt das Schiff nach Hiddensee, auf das wir gehofft hatten, erst am übernächsten Tag. Also auf die Suche nach einem Hotel. In einem Laden schicken uns die Verkäuferinnen in Richtung "Hotel Störtebecker". Das ist auch nicht zu übersehen, es war ehemals FDGB-Heim mit entsprechenden Ausmaßen und architektonischer "Schönheit". Eine freundliche Dame an der Rezeption verhilft uns zu unserem Zimmer für immerhin DM 100.-, allerdings mit Frühstücksbuffet.

Auch kann ich ein Telefongespräch mit zu Hause vermitteln lassen: "Hier Hotel Störtebecker in Zingst, ich habe ein Gespräch für Sie" flötet die Rezepteuse einem meiner Kinder in die Muschel - das macht sich doch gut! Nun ist alles erledigt, auf zum Essen: "Fischerklause". Rainer wählt Barsch, ich esse Zander - wunderbar. Auf ein Abschlußbier ist uns das "Storchennest" empfohlen worden, aber das ist ein hypermodernes Lokal im Biedermeierstil, da drehen wir gleich wieder um. Richtung Strand finden wir auch nicht's geeignetes, schließlich landen wir im "Anker". Nachdem wir dort getrunken und gezahlt haben, wird noch einmal "umdisponiert" und ein Bier nachbestellt. Das war's dann aber auch.

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