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Samstag, 30.5. Kolberg - Stolp 140 km

Kopfschmerzen, Rainer tun die Beine weh, das Frühstück etwas lustlos - das ist die Quittung. Wir bummeln los, verlassen Kolberg auf der Hauptstraße Richtung Köslin. Bei dem Ort Ustronie Morski wird wieder eine Nebenstrecke in Angriff genommen. Wir geraten auf Sandwege, notdürftig befestigt mit Backsteinen abgerissener Häuser oder schlichtweg mit Hausasche. Als es wieder ein wenig glatter geht, finden wir uns unversehens auf der Hauptstraße wieder. Wir überholen ein paar Jugendliche, ein Auto mit Anhänger voller Schlafsäcke fährt vorbei. In einem kleinen Ort trinken wir eine Limo, da steht eine größere Jugendgruppe mit Rädern auf einem Parkplatz. Das Gepäck wird mit dem besagten Auto befördert.

So langsam kehren die Kräfte wieder, die Alkoholnebel verflüchtigen sich. Von der Hauptstraße abbiegend fahren wir nördlich nach Melno. Ein weiteres Filetstück der Reise steht uns bevor. Von Melno führt eine diesmal befahrbare Straße auf dem kiefernbestandenen Küstenstreifen zwischen Jamnosee und der Ostsee. Aber auch hier Kasernen und Militär. Wir biegen auf einem Waldweg ab und schieben 100 m zum Strand, um auch mal wieder einen Blick auf die Ostsee zu werfen. Ein weiter, weißer und einsamer Strand - so stellt man sich die pommersche Küste vor. Was hätte ich vor einigen Jahren noch dafür gegeben, das zu sehen - und noch mit dem Rad hier herzufahren. "Das Geld hast du gespart" sagt Rainer. Wir legen uns auf den Sand, essen Studentenfutter. Ein paar Angler versuchen am Wasser ihr Glück. Im Sand findet man schöne glattgeschliffene Steine aller Art. Zwei stecke ich ein, nur kleine, als Radfahrer muß man für jedes Gramm Gepäck mit seinem Schweiß bezahlen.


Ehe uns die Stimmung allzusehr einduselt, machen wir uns an die Weiterfahrt. Die Landzunge geht in Heidelandschaft über. Beim Fotografieren des Jamno Sees entdecke ich wilde Stiefmütterchen, noch ein Foto bäuchlings. Reines Genußfahren bis Lazy, dem Ende dieser Landzunge.

Jamnosee

Wir freuen uns schon auf die nächste Passage, die über eine weitere Landzunge am Bukowo See vorbeiführen soll. Leider ist aber in Lazy Schluß, der Weg endet in der Wildnis. Womöglich hätte man sich mit Gewalt durchschlagen können. So aber sind wir gezwungen, einen großen Umweg zu fahren. 8 km nach Süden, dann wieder in nördliche Richtung mit dem Ziel Rügenwalde (Darlowo).

Für das Vorankommen ist das aber deswegen unmaßgeblich, weil wir durch eine wunderschöne Landschaft fahren. Bunt blühende Wiesen, immer wieder Ginsterhecken, verschlafene Dörfer, der weite Blick über den Bukowo See. Auch interessante Storchennester gibt es zu bestaunen. Sie sind manchmal in mehreren Stockwerken erbaut, bewohnt ist natürlich nur der oberste Stock. Zur Zeit ist gerade Brutzeit. Einmal fahren wir genau unter einem Nest hindurch, das kunstvoll in einen an der Straße gelegenen Baum eingebaut wurde.





An einer besonders schönen Wiese machen wir Fotos. Rainer wählt die blühende Wiese als Vordergrund, ich fotografiere 10 m weiter, blühende Schafgarbe ziert den Blick auf den See. Zu unseren Füßen ein Wasserlauf mit Teichrosen (auch Wassermummel).

Im nächsten Dorf werfe ich einen kurzen Blick in eine Kirche, die ist in einem vorbildlichen Zustand. Wie man weiß, sind die Polen sehr religiös (nicht von ungefähr stellen sie derzeit den Papst). Im Gegensatz zur "ehemaligen" DDR sind daher die kirchlichen Bauwerke hier in entsprechend gepflegtem Zustand. In den Dörfern sehen wir heute immer wieder kleine Mädchen im Kommunionskleid. Auch manchem Einheimischen merkt man an, daß da wohl Grund zum Feiern besteht. Einmal kommt uns ein Radfahrer entgegen, der braucht mit seinem Fahrrad die ganze Straße, wir können uns nach genauem Taxieren seiner mutmaßlichen Schlingerroute gerade so vorbeilavieren. Gleich hinterher fährt ein Polizeiauto, die lachen nur!

In Rügenwalde nisten wir uns in einem kleinen Doppelrestaurant ein, links eine Pizza, rechts einen Kaffee. Noch ein Blick auf den Marktplatz, wir fahren durch ein altes Stadttor aus Backstein. Auf dem Marktplatz findet ein Fest statt, laute Musik und tanzende Kinder auf einem Holzpodest.


Rügenwalde

Durch die weite pommersche Landschaft rollen wir auf Alleen nach Stolp, unserem Tagesziel. Am Rande der Innenstadt fragen wir nach einem Hotel. Der erste Versuch klappt nicht gleich, der Hotelbetrieb besteht nicht mehr, man weist uns aber freundlich weiter. An der "Dominikanska" bekommen wir in dem dortigen Hotel, einem grauen Kasten, für DM 20.- ein Zimmer. Aufatmen und Duschen. Die Beine eines Bettes wackeln bedenklich, ein ruhiger Schlaf scheint angeraten zu sein. Zum Essen gehen wir in's "Metro". Das Speiselokal ist im ersten Stock, heute geschlossene Gesellschaft. Unten ist aber noch ein chinesisches Lokal, da essen wir eben mal chinesisch, und das nicht schlecht.

In der Innenstadt von Stolp ist ein großer viereckiger Platz, mitten drauf hat man ein riesiges Kinogebäude hingesetzt. Von dem alten Stadtkern, den wir ja nicht kennen, wird nicht mehr viel übrig geblieben sein. Ich denke an eine Campingübernachtung ein paar Jahre zuvor in Walmsburg an der Elbe. Wir hatten dort einen sehr netten Abend mit dem Ehepaar Grube, den Betreibern des Campingplatzes, verlebt. Herr Grube stammte aus Stolp. Damals ahnten wir noch nicht, daß wir heute, drei Jahre später, zu Rade Stolp besuchen würden.

Die Abschlußbiere nehmen wir in der Hotelkneipe ein, wir sitzen gemütlich zwischen den heutigen Stolpern. Hinter uns sitzen zwei ältere Herren aus Deutschland, wir haben aber keinen Kontaktbedarf. Die Nachtruhe verläuft ruhig, sodaß weder der bedenklichen Bettstatt - noch durch diese anderen Schaden zugefügt wird.




Stolp

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