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Donnerstag, 28.5. Himmelfahrt in Koelpinsee

Wenn ich gewußt hätte, was an diesem Tag steigen wird, wäre mein Schlaf unruhiger gewesen. Bei strahlendem Sonnenschein stehen wir auf, aufgemuntert durch Sohn Andreas, der uns ein Frühstück "bei die Urlaubers" ankündigt. Damit ist die Sitzterrasse am Eingang der Kellerwohnung gemeint. Wir frühstücken dann doch oben vor der Haustür am Freisitz mit Blick auf den Kölpinsee und vernehmlichem Meeresrauschen hinter dem Waldsaum des Steilufers auf der anderen Seite. Anke hat sich besondere Mühe mit dem Frühstück gegeben, hoffentlich gehen wir ihr mit unserem Appetit nicht auf die Nerven.

Es herrscht ein frischer Wind, da sind Achim und Rainer schon wieder beim Thema Segeln. Nachbar Jürgen hat ein Segelboot auf dem Strand liegen, früher wurde das immer im Achterwasser eingesetzt. Zu DDR - Zeiten war das Segeln vor der Küste undenkbar, solange aufmerksame Strandpatroullien ein Auge auf jeden Versuch warfen, Republikflucht zu begehen. Als Fischer ist Achim zwar auf der See zu Hause, aber auf der Ostsee gesegelt ist weder er noch Jürgen. Vor ein paar Tagen haben sie bei auflandigem Wind bereits einmal einen Versuch gestartet, das Kreuzen zwischen den Buhnen hat aber in denselbigen geendet. Und heute sind wir zu viert, da scheinen die Aussichten besser. "Ich nicht" sage ich sofort, in Erinnerung an Richie aus Bielefeld, der im vergangenen Sommer von einer Fangtour mit grünem Gesicht und leerem Verdauungstrakt wieder einlief. "Wozu habe ich so gut gefrühstückt?"

Derweil liegt Jürgen nebenan schon auf der Lauer. Die drei "Kapitäne" sind sich da schnell einig, Jürgen rollt schon ein Wägelchen heran, wo alle Utensilien aufgepackt sind, auch ein kleiner Außenborder ist dabei, der aber nach dem Winter noch nicht ausprobiert wurde. Ich will nun doch nicht kneifen und zockle mit zum Strand. Ein Rat an die zurückbleibenden beiden Ehefrauen: "Laßt Euch mit der Lebensversicherung nicht über's Ohr hauen".

Das Boot wird soweit vorbereitet, in das Wasser gezogen, der Motor angebracht. Wir halten das Boot, bis zur Badehose im kalten Wasser, die anlaufende Dünung ist ganz ordentlich. Der Motor springt tatsächlich an, so entfällt das Aufkreuzen und wir laufen gegen die Wellen an. Eine Woge schwappt von vorn über das ganze Boot, unsere Sachen sind erstmal naß. Vor den Buhnen wird der Anker gesetzt, dann die Segel aufgezogen. Ich sitze stumm dabei, während die drei Kapitäne sich gegenseitig Kommandos geben, zum Teil als Diskussion geführt. "Jürgen, du bist der Chef" sagt Rainer, kommandiert aber selbst munter weiter. Als der Wind die Segel aufbläht, wird der Anker gelichtet und wir nehmen bald flotte Fahrt auf. Die drei Kapitäne überkommt ein Glücksgefühl, ich bin damit beschäftigt, die rollenden Bewegungen des Bootes auszupendeln. Auch muß man bald was überziehen, der Wind ist kalt.

Zur Magenberuhigung hat Achim vier Fläschchen Jägermeister dabei, die geben nun etwas innere Wärme. Wir laufen am Streckelsberg entlang Richtung Koserow, durchqueren einige durch Fähnchen gekennzeichnete Fischgründe. Der Wind frischt weiter auf. Mir geht es wider Erwarten gut, keine Probleme mit der Seekrankheit. Es wird eine Wende hingelegt, dann geht es zurück, am Teufelsberg vorbei bis etwa Höhe Ückeritz. Jürgen blüht immer mehr auf, er hatte wohl erst etwas Bedenken, wie sich das Boot auf der See verhalten wird. Nach zwei Stunden geht es zurück. "Halt mal mehr Backbord" sagt Rainer zu Achim. "Backbord, was ist das denn?" sagt der Fischer...


Jürgens Seegelboot

Drei Kapitäne
Zu Jürgens Frau Erleichterung, die uns mit Tochter am Strand erwartet, landen wir wieder wohlbehalten. Etwas durchgefroren, aber begeistert über diese einmalige "Männerpartie" betreten wir wieder festen Boden. Das Segelzeug wird geborgen und bald können wir auf der Terrasse "bei die Urlaubers" wieder Wärme tanken. Unsere Radfahrerwäsche auf der Leine ist inzwischen auch trocken. Anke serviert Kaffee, der Kuchenberg schmilzt schnell zusammen. Ein Kleiber (Familie der Spechte) stattet uns auf dem Kaffeetisch einen Besuch ab.

Wir Männer machen anschließend einen Rundgang um den Kölpinsee. In Dagmars Biergarten haben wir uns einen "Küstennebel" verdient. Am Abend laden wir Anke und Achim zum Essen in das Lokal am Achterwasser in Loddin ein. Es ist gut besucht, wir müssen einen Moment auf einen freien Tisch warten. Unser Fischerehepaar wählt ein mexikanisches Bohnengericht - wir lassen es uns bei einem Zander gutgehen. Am Nachbartisch bricht einer beim Sezieren eines Räucheraals in Schweiß aus. Auch "eine Karre Mist" als Spezialität des Hauses wird an einigen Tischen in einer Porzellanschubkarre serviert.

Kölpinsee
Röhrende Musik lockt uns hinunter an's Achterwasser, die Dunkelheit bricht herein. Einige Frösche quaken gegen die überlaute Musik an, verstummen sofort, wenn die Musik aussetzt. Jodel- und Schunkellieder erklingen stilgerecht. Auch dem "P... von Barcelona" wird ein Besuch abgestattet. Es hat wohl tagsüber eine muntere Feierei stattgefunden, wer davon noch übrig ist, macht einen recht mitgenommenen Eindruck. Anke trifft sogar ihren Vater, der ist allerdings kreuzfidel. Rainer fragt mich: "Für den Restabend nehmen wir noch ein Fläschen mit, was hältst Du davon?" Ich mache gerade den Mund auf: "Du altes Arschloch..." dröhnt es da urplötzlich aus den Lautsprechern - riesiges Gelächter. "Der Frust der ganzen Tour entläd sich jetzt" sage ich dann. Das mit dem Fläschen regelt sich natürlich auch noch, und wir lassen den Tag entsprechend ausklingen. Anke und Achim haben noch einen weiteren Tag mit uns gerechnet und kündigen einen Grillabend an, da sind sie enttäuscht, daß die Zigeunerei uns morgen schon weitertreibt.

Nächster Tag