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Sonntag, Wörth - Vilshofen, 105 km

Das Frühstück bleibt dann doch etwas hinter den Erwartungen angesichts der angeschlossenen Schlachterei zurück. In dem nun sehr weiten Tal kommen wir gut voran, zur Linken lassen sich die Ausläufer des Bayrischen Waldes zwischen den tief hängenden Wolken nur erahnen.

An einer durch Flußbegradigung regulierten Donauschlinge erreichen wir Straubing. Hier herrscht ein erstaunliches Gewimmel. Autokolonnen wälzen sich irgendwelchen Parkplätzen zu, die bereits zu Fuß gehenden fallen durch bayrischen Habitus ins Auge, wie z.B. Lederhosen, Hosenträger oder Gamsbart. Bald schon erblicken wir ein Riesenrad und das zugehörige Festgelände. Es findet das Gaubodenfest statt, das nach dem Oktoberfest in München zweitgrößte bayrische Spektakel. Einen herumsitzenden Parkwächter fragen wir, ob vielleicht auch ein Festumzug stattfinden würde. Dem ist aber nicht so, wir begeben uns in die eher ruhige Ortsmitte.

Wir lassen die Straubinger Szene eine Weile auf uns wirken und machen uns dann durch die Uferauen wieder davon. Das mit dem Gaubodenfest werden wir auf andere Art am Abend nachholen, aber vorerst noch Geduld! Wir wissen es natürlich selbst noch nicht.

In Bogen sitzen wir dann wieder auf einer Banke, dann noch weiter bis Deggendorf. Dieser Ort versteht sich als Tor zum Bayrischen Wald, von dem wir weiter wenig zu sehen bekommen. Der Ort ist auch nicht so berauschend, die Kirche kann man wegen Einsturzgefahr der Gewölbe nicht besichtigen.

Wir erreichen Niederalteich, dort wartet eine Fähre auf uns. Das ist so völlig richtig ausgedrückt, denn sie kommt extra vom anderen Ufer herüber, um uns zwei für DM 5.- überzusetzen. Vorher können wir gerade noch der Schautafel entnehmen, daß das Kloster Niederalteich ein steingewordenes Zwiegespräch verkörpert.


Radlerfähre
Leider wird die Strecke nun doch etwas langweilig, sodaß wir uns bei Winzer wieder über die Brücke zurück auf das Nordufer begeben, wo wir allerdings den Rest der heutigen Strecke auf der Landstraße zurücklegen. Vor Vilshofen wird es wieder ganz hübsch, an einem Baum entdecken wir den Hinweis auf die Pension Wagner, Kapuzinerstraße.


Vilshofen
Diese ist bald gefunden, zwischen drei Zimmern unterschiedlichen Charakters kann ich mich nicht entscheiden. Das macht dann Heidi und wir beziehen einen riesigen Raum mit einer Duschkabine. In dieser muß das Wasser mit einer Pumpe abgesaugt werden, aber das kriegen wir auch noch hin. Das Gebäude ist eine ehemalige Brauereiwirtschaft, heute dürfen hier die Radfahrer logieren.

Vilshofen ist bekannt durch das Aschermittwochsspektakel der CSU, der Franz Josef - seelig - hat hier manche große(?) Rede geschwungen. Wir Preußen haben ja leicht Vorurteile, bei den Niederbayern mag das nicht besser sein. So warne ich Heidi, daß man in jeder Wirtschaft erstmal einen auf die Gosch'n kriegt, wenn man als Preuß' erkannt wird. Daß dem nicht so ist, werden wir noch sehen.

Wir vertrauen uns trotz der Unkerei dem bayrischsten Restaurant an, das wir finden können (Gasthof Höltl). Heidi ordert einen Grillteller, das ist dann eine Pyramide aus Braten und Würstel auf Kraut. Ich vergnüge mich an einer Knoblauchforelle. Vielleicht hätte ich aber doch die komplette Knoblauchfüllung nicht verzehren sollen...

Da das Bier uns etwas dünn vorkommt und der Flüssigkeitspegel nach einem langen Radtag nur allmählich wieder aufzufüllen ist, suchen wir noch ein anderes Lokal auf. Das heißt "Münchener Hof". Nur ein paar Gestalten sitzen da noch herum, wir fragen lieber erstmal, ob man da noch zwei Bier trinken könnte. "Da setzt's euch fei nur hier her" tönt es von dem Tisch mit den Gestalten. Was soll man machen, einen an die Gosch'n kriegen oder was? Wir rücken auf die Bank, wo uns verschwollene Augen beäugen. "Mir san übrig bliem von an Fescht im Wold". Haupt der Korona ist ein kahlköpfiger Machotyp mit gezwirbeltem Bart. Das mit dem Macho nehme ich nach dem ersten Obstler sogleich zurück. Der wird allerdings ohne unsere Beteiligung ausgeknobelt.

Dann machen wir uns ein wenig bekannt. Meine mitgeführte Lenkertasche verrät uns sowieso gleich. Bloß da sind alle Wertsachen drin und ich versuche, sie gut zu hüten. Das ist nicht nötig, bald sind wir ein Herz und eine Seele. Man bringt Heidi erstmal das Knobeln bei, "Chicago" heißt das, und mit "Fischsch!!" wird jeder Wurf beschworen. Heidi verliert NICHT, vielleicht haben unsere neuen Freunde auch nachgeholfen. Jedenfalls kommt eine neue Runde Obstler. Einer am Tisch muß sich verabschieden, der ist fertig.

Wir machen uns bekannt, das habe ich schon geschrieben. Also das Haupt, den nennt man "Schudi". Dann ist da noch "Zoddel"( wegen seiner langen Haare) und Fredi, der Wirt, der hat Abitur und alle lachen sich kaputt. Ein weiterer hat Familienprobleme, schon ist Heidi in ein tiefes Gespräch verwickelt. Ein anderer muß morgen im städtischen Dienst anfangen, der sei Ingenieur und ende nun im öffentlichen Dienst...! Der Schudi ist gut drauf, Tauchlehrer und selbständig mit einem Planungsbüro.

Dem Wirt ist der Obstler ausgegangen, zwei Fernet Branca werden noch ausgeknobelt, inzwischen haben wir auch die Adressen ausgetauscht. Da ich verspreche, unseren Freunden diesen Bericht zukommen zu lassen, bitte ich diese um Entschuldigung, wenn ich die Sachverhalte nicht in allen Punkten ganz korrekt wiedergegeben habe. Aber auch mein Erinnerungsvermögen ist nach diesem denkwürdigen Abend etwas vernebelt.

Wir seien jedenfalls für alle Zeiten in Vilshofen gern gesehene Gäste, das müssen wir uns merken.

Nicht mehr ganz nüchtern stehen wir dann irgenwann wieder vor den Toren unserer Pension. Mit dem großen Schlüssel kommen wir nicht zurecht. Auch an der Hintertür paßt er nicht. Als ob ein Schlüssel von innen steckt, so fühlt sich das an. Auch Heidi versucht ihr technisches Geschick ohne Erfolg. Statt im Vorgarten zu nächtigen, drücken wir doch lieber auf die Klingel. Der Hausherr muß aus dem Bett und uns die Tür aufmachen, wir schämen uns. Leicht schwankend wanken wir das geräumige Treppenhaus hinauf, finden unser Zimmer und versinken in niederbayrische Träume.

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