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Montag, Vörstetten - Freiburg - Donaueschingen - Tuttlingen 57 km

Ganz so gut kommen wir doch nicht davon. Punkt 6 Uhr morgens nimmt die Kirchturmglocke ihren Dienst wieder auf, außerdem wird - wieder in einer anderen Tonart - 10 Minuten lang der Tag eingeläutet. Heidi stellt prinzipiell klar, keine weiteren Unterkünfte in der Nähe einer Kirche akzeptieren zu wollen! Immerhin sind wir zeitig beim Frühstück.

Bis Freiburg ist es nur ein Katzensprung. Auf unserem BRSG-Radweg erreichen wir direkt den Hauptbahnhof erst durch einen Wald, dann durch einen Park. Mit der Höllentalbahn wollen wir nun den Schwarzwald erklimmen. Bis Donaueschingen würde sich auch eine flotte Bergabfahrt vom Titisee aus empfehlen, aber heute ist alles so verhangen, da lohnt sich das nicht. Wir lösen gleich durch bis Donaueschingen, Fahrradmitnahme kein Problem.

Aber vorher noch Freiburg zu besichtigen, das ist ein Problem. Wir haben keine Lust, das mit den bepackten Rädern zu tun und versuchen, die Räder am Gepäckschalter abzugeben. Nachdem wir verschiedene Angestellte in Trab gesetzt und einen Schweizer Radfahrer als Leidensgenossen gewonnen haben, eröffnet uns eine Dame am Gepäckschalter, daß da seit der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn nichts mehr ginge. Da sind wir aber böse. Das hilft uns zwar auch nichts, aber wir verteilen an Freiburg Minuspunkte und verzichten auf die Besichtigung. 20 Minuten später sitzen wir in der Höllentalbahn und lassen uns über den Schwarzwald schaukeln.

Das hatte ich mir schöner vorgestellt, aber am Wetter kann man nichts ändern. Die Wutachschlucht ist auch in der Gegend, sicher einen Besuch wert, aber alles kann man nicht auf einmal haben. Dafür scheint in Donaueschingen die Sonne.

Kapitel 2: Donauradweg

Wir suchen uns wieder einen Sonnenschirm im Ortszentrum, wo wir uns bei einem Kaffee auf die nun anstehende Strecke vorbereiten. Am Nebentisch setzt sich ein ebenfalls bepackter Alleinfahrer nieder, "Einzelmann" taufen wir ihn. Eine andere Gruppe beleibter Konstitution kurvt um den Platz herum und verschwindet Richtung Schloß, wo sich die Donauquelle befindet.

Nachdem wir die Atmosphäre in uns eingesogen haben, rollen wir in die gleiche Richtung. Nartürlich verpassen wir wieder den direkten Weg und erreichen den Schloßpark durch eine Hintertür. Die Donauquelle aber ist nicht zu verfehlen, ein eingefaßtes Becken mit einer spärlich blubbernden Wasserfläche. Das Ganze ist sowieso ein Witz, denn es gibt den Spruch:

Brigach und Breg,
bringen die Donau zu Weg.

Das sind die eigentlichen Quellflüsse der Donau, dem zweitlängsten Strom Europas nach der Wolga. Wir haben das in unseren norddeutschen Gefilden ja auch mit dem Ursprung der Weser:

Wo Werra sich und Fulda küssen,
sie ihren Namen büßen müssen!

Hier aber gibt es eine Donauquelle, deren spärliches Rinnsaal völlig unwesentlich die Wassermassen des späteren Stromes bereichert. Außerdem verliert die Donau dann bald darauf wieder einen Großteil ihrer Substanz in den Versickerungsstellen an den Rhein über den Aachtopf, aber darauf werden wir - man kann sich darauf verlassen - noch zu sprechen kommen. Bemerkenswert mag noch sein, daß der Grund der Donauquelle mit zahlreichen ungarischen Münzen bedeckt sein soll, die ungarische Glücksjäger dort deponieren, um sie tausendfach in Budapest wieder vom Konto abzuheben. Aber das habe ich erst später nachgelesen, an diesem Tag treffen wir weder ungarische Touristen an, noch achten wir auf die Forinten im Wasser.


Die Donauquelle
Immerhin ein idyllischer Ort, vor allem das Gefühl, auf dem beginnenden Donauradweg eine seit Monaten geplante Fahrt anzutreten. Erst noch ein Stück durch den Park, ein Freibad, dann die Kläranlage. Eine weite Landschaft nimmt uns auf. Die Streckenabschnitte des Weges habe ich nun auf der Lenkertasche vor mir, jede Wegbiegung, jede Brücke und Flußschleife läßt sich vorhersagen. Erst überholen wir einen Vater, der seinen Sohn über den Donauradweg treibt oder umgekehrt. Dann die Gruppe der Beleibten, die wohl öfter eine Pause einlegen. Ein anderer Familienvater hat sich ein Tandem gebaut, wo der eine Sohnemann vorne sitzt, hinten hängt dann noch ein Anhänger mit weiterem Nachwuchs dran.

Vor Immendingen schaue ich die Donau scharf an, denn hier soll es die ersten Versickerungsstellen geben. Noch ist nichts zu sehen, wenig später kommt man an die offizielle Stelle, wo per Schautafel alles erklärt ist. Ich verfasse hier ja keinen Reiseführer, deshalb können die Einzelheiten nicht aufgeführt werden. Am geheimnisvollsten ist der Satz:

Der Durchfluß von Donau zu Aachtopf muß ein sehr umfangreiches und kompliziertes Höhlensystem bilden.

In dem ausliegenden Merkblatt begegnet uns wieder der Name des Höhlentauchers Jochen Hasemeyer, der hat vom Aachtopf aus einen Tauchvorstoß auf 250 m Länge unternommen. Bis zu den 12 km Gesamtdistanz (Luftlinie) fehlt da noch einiges.

Um nun etwas von der ganzen Herrlichkeit zu sehen, muß man auf einem schmalen Saumpfad am südlichen Uferhang entlangklettern. Ich habe mir wohl etwas falsche Vorstellungen von der Örtlichkeit gemacht, denn ich treibe Heidi mit dem bepackten Rad vor mir her, selber schlingernd und rutschend. Links gluckert die Donau, als wenn nichts wäre und weigert sich beharrlich, zu versinken. Mir schwant schon, daß durch die Regenfälle da nichts wird aus dem Versinken. So eine halbe Stunde sind wir wohl schon geturnt, der weitere Weg scheint nun steil hinauf zu führen.

Da kommt uns ein Radfahrerpärchen entgegen, natürlich ohne Rad, die Sturzhelme haben sie aber lieber aufgelassen. Die fragen uns, ob wir den Donauradweg verfehlt hätten. Und die Versickerung, ja die wäre hier überall, nur heute sei wohl zuviel Wasser da. Jetzt poltert Heidi los, das Ganze wäre ja wohl das letzte, immer diese Abkürzungen und Extratouren. Der andere Radfahrer blinzelt mir zu, als wenn irgendwo der Blitz eingeschlagen hätte. Ich sehe ja auch ein, daß man besser umkehrt. Das heißt natürlich, die ganze Strecke zurück zu turnen. Der Funkverkehr wird eingestellt.

Endlich wieder auf dem Rastplatz stellt sich neben den zerschundenen Waden als Schlimmstes heraus, daß Heidis Talismann, das ist so eine Art Baumel-Ente, die am Lenker hing, auch verschwunden ist. Wahrscheinlich hat die sich die Baumel-Ente (Wuschel) die Versickerungsstellen zu Nutze gemacht.

Heidi setzt sich sogleich wutschnaubend auf ihr Rad und braust los. Nun zieht auch noch ein Unwetter auf, vor dem wir herfahren müssen. Die Schönheit der Landschaft hat für uns erheblich an Bedeutung verloren. Ich bummele lieber hinterher und grüble über Sinn und Unsinn der Weiterfahrt und des Lebens überhaupt nach.

Bis Tuttlingen können wir uns noch vor dem Wetter retten, dann setzt der Regen ein. Unwirsch und wortkarg begeben wir uns auf die Quartiersuche. Hotel Stadt Tuttlingen scheidet aus, das ist nur was für Handlungsreisende und Kongresse. Wir landen im Hotel Ritter, das ist auch nicht ganz billig, aber heute ist sowieso alles egal. Angesichts des Zimmers hellt sich Heidis Miene etwas auf und ich wage allmählich, den Blick wieder ab und an vom Boden zu erheben.

Wenigstens finden wir ein schönes Restaurant, wenn auch nicht gerade ein schwäbisches: Restaurant Poseidon, Griechische Spezialitäten. Rinderleber und Calamaris, gratis Aperetif vor UND nach dem Essen, eine erstklassige Bedienung, da wollen wir mal alles andere wieder vergessen. (Mir macht das alles gar nicht so viel aus, denn ich habe ja meine Story...)

Außerdem kaufe ich Heidi bei Karstadt eine lila Klingel für's Rad, da ist dann alles schon fast wieder im Lot.

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