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Mittwoch, Zwiefaltendorf - Ulm 55 km

Am Morgen entdecken wir in unserem Gästehaus einen Kühlschrank, der voller daselbst gebrauten Flaschenbieres ist, DM 1.50 pro Flasche. Wie hätte man sich da einen schönen Abend machen können, nun ist es zu spät.

Nach dem Frühstück nehme ich mir das Projekt Höhle vor. Der Wirt ist schon wieder durch allerlei Herumgewirtschafte leicht gestreßt. Also in die Höhle nur, wann's mehr Leut seids, sonst verlohne sich das nicht. Wir ziehen erstmal ab und packen unsere Sachen.

Ich gebe aber noch keine Ruhe und gehe einfach an einen Tisch mit so 7 Leuten. Ob Interesse an der Besichtigung der Tropfsteinhöhle unter dem Haus bestehe? Ja sowas, das wäre doch mal was - und schon sind wir komplett. Die Bedienung begleitet uns durch die Kellergewölbe mehrere Treppen hinab. Dann betreten wir den Höhlenraum. Die Sinterschichten sind rabenschwarz. Das käme von den Gasen, sagt die Bedienung. Ein paar Tropfsteine hängen noch rum, andere sind auch abgeschlagen. Am Ende der Höhle geht es noch weiter, aber da ist kein Licht mehr, und so kann auch der neugierigste Höhlenforscher wenig ausrichten. Die Größe der Höhle ist etwa die eines Abstellraumes.

Trotzdem bin ich absolut zufriedengestellt. Der Eindruck war zwar nicht so überwältigend, aber es ging ja auch um's Prinzip, das Ding zu Gesicht zu kriegen.

Nun geht es wieder ans Werk, heute haben wir nur eine Halbetappe bis Ulm geplant. Wir müssen gleich ordentlich klettern, d.h. schieben, und erreichen dann die Wallfahrtskirche Frauenberg vor Munderkingen. Wir sind die einzigen Besucher zu dieser frühen Morgenstunde, nur eine Polin, die wohl hier wohnt, hütet zeternd ihre Kinder.


Wallfahrtskirche Frauenberg
(falsch)

Altar
In Munderkingen geht es am Wasserturm vorbei, der steht natürlich an der höchsten Stelle. In Rottenacker überquert man die Donau an einem malerischen Flußwehr. Dann folgt das Rottenacker Ried, ein Naturschutzgebiet. Als wir uns gerade um den morgendlichen Kaffee erleichtern, überholt uns wieder der Einzelmann.


Malerisches Flußwehr
Die Reststrecke bis Ulm ist dann nicht so bemerkenswert, meistens geht es über die Felder. An einer Stelle gibt es Abwechslung, da spielt die Bundeswehr im Gelände. Einige müssen marschieren, mit schwerem Gepäck, was die da wohl drin haben? Andere lagern getarnt im Gebüsch, haben aber sonderbarerweise einen roten Luftballon gehißt. An einer Sammelstelle liegt einer schnarchend auf der Wiese. Am Waldrand steht ein Sani-Kraftwagen und die zugehörigen Kollegen äugen durch Ferngläser zu uns herüber. Wir winken und die winken zurück. Vor uns huscht der Einzelmann im Zickzack durch die Frontlinien.

Vor Ulm wendet sich der Weg von der Donau ab, führt erst auf einer Dammallee weiter, doch dann durch ein Industriegebiet. Wenn man das geschafft hat, darf man wieder an die Donau, wo es wie gewohnt ruhig dahin geht.

Bald darf man wieder staunen: beim Zufluß der Iller verdoppelt sich die Wassermenge, fast erscheint die Iller der größere Fluß zu sein. Um den Spruch nicht zu vergessen, den jeder kennt, der hier aber auch nicht fehlen soll:

Iller, Lech, Isar, Inn -
fließen zu der Donau hin,
Altmühl, Naab und Regen -
fließen ihr entgegen.

Das Wasser der bisherigen Donau ist dunkel, weil wohl mehr von Moorelementen bestimmt, das der Iller dagegen weiß milchig wegen des Kalkgehaltes aus den Alpen. Die beiden verschiedenen Farben im Wasser kann man noch eine ganze Weile bis hinter Ulm verfolgen.

Wir wechseln wieder die Uferseite Richtung Neu-Ulm, wo sich das Moevenpick befinden soll. Ganz unversehens stehen wir genau davor, denn es liegt direkt an der Uferpromenade. Ob für uns eine Reservierung vorliegt, wissen wir immer noch nicht mit Bestimmtheit. Die Rezeption ist schwer zu finden, weil alles im Umbau ist. Schließlich aber stehe ich vor dem alles entscheidenden Computerterminal: jawoll, Ehepaar Wittram, Mitarbeiter-Rabatt. Das bedeutet für uns schmuddelige Radfahrer ein Komfortzimmer für DM 50.-.

Aber noch sind die Zimmer nicht fertig, wir stellen das Gepäck ab und machen eine Vorabbesichtigung der Ulmer Innenstadt. Fischerviertel und Münster sind obligatorisch. Dann geht es zur Post, um Geld nachzuholen. Ich fülle das Formular mal wieder nicht richtig aus, ob ich 500 Tausend DM abheben wolle, lacht Heidi mich aus. Na, ja, man kann sich ja mal vertuen.

Irgendwas müssen wir essen zwischendurch. Ich suche immer nach einer "Roten Wurst" vomm Grill, mit den Worten "a Rode" muß man die bestellen. Aber zwischen Mac Donalds und Nordsee ist da nichts zu machen. So bleibt es bei einem Matjes. Dann holen wir uns bei Hertie noch ein paar Bier für die Minibar, damit der Abend billiger wird. Heidi kauft bei Woolworth einen Kamm vom Grabbeltisch.

Wieder im Hotel können wir dann unser Zimmer beziehen, das ist wirklich nicht schlecht. Die Beleuchtung im Badezimmer ist etwas seltsam, eine rot strahlende Deckenlampe. Wir finden aber dann auch noch den Schalter für normales Licht. Eine wohlgefüllte Minibar gibt es natürlich, aber alles zu saftigen Preisen. Ich räume gleich den Champagner raus und das Bier von Hertie rein.

Etwas enttäuschend ist das mit dem Fernsehen, das sind nur 9 Programme. Dann entdecke ich vier weitere Tasten, mit denen man sich womöglich weiter zappen kann. 36 Programm, rechne ich vor. Unten auf dem Bildschirm erscheint etwas von "Pay TV", dem muß man ja nicht allzuviel Beachtung schenken. Außerdem spielt sich da gerade eine recht spannende aber alles andere als jugendfreie Szene ab.

Nachdem das mit der Szene sein natürliches Ende gefunden hat, schaue ich mir erstmal genauer das Kleingedruckte an. Mit "Pay TV" kann man auf 4 Kanälen unbegrenzt Videos gucken, nur kostet das nach Ablauf einer Probierminute DM 18.90. Die Akteure der oben erwähnten Szene haben leider länger als eine Minute für ihre Aktion benötigt, also haben wir nun den Schlamassel.

Bevor wir uns zum Abendessen aufmachen, müssen noch die Räder versorgt werden. Eine Hotelangestellte geht uns zur Hand und versucht, die Räder in einen Lastenaufzug zu quetschen. Zum Glück kommt der Geschäftsführer gerade des Weges und interveniert. "Das überleben weder die Räder noch der Aufzug". Damit mag er der Wahrheit durchaus nahe kommen. Die Räder werden dann zu Fuß um den Bau herum zum Technikraum gebracht.

Als Freunde einer landesüblichen Verköstigung suchen wir nun das Restaurant "Shanghai" direkt am Donauufer auf. Wir setzen uns an Tisch Nr. 34 und wählen die Gerichte Nr. 72 und Nr. 73. Vorab gibt es einen Reiswein gratis. Zwischendurch erscheint auch mal der Chef und wundert sich, daß wir uns beidhändig der scharfen Nachwürzung widmen. Zur Erholung schauen wir dann aber einer Schwanenfamilie zu, die ihre Last mit der starken Strömung hat. Ein paar Ruderern geht es auch nicht besser.

Über den Rest des Abends schweige ich mich aus, wir haben ja Mini-Bar und Pay-TV. Ich glaube aber, den historischen ersten Lauf unter 9 Minuten über 3000 m Hindernis in Zürich, den habe ich noch mitbekommen.

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