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Donnerstag, Ulm - Donauwörth, 100 km

Das Frühstück im Moevenpick-Restaurant, das wir uns für DM 21.- pro Nase gönnen, ist überaus enttäuschend. Dann an der Rezeption: Telefon? Nein! Minibar? Auch nein! Ich löhne dann ordnungsgemäß DM 68.90, dem "Big Brother" ist das doch nicht entgangen.

Bald gehört unser Dolce Vita der Vergangenheit an, als wir uns über eine steile Böschung quälen, nachdem wir bei der Ausfahrt von Ulm wieder mal die richtige Abzweigung verpaßt haben. Dann geht es durch Wälder, danach kommt Wald, und dann wieder Wälder. Aber alles autofrei und windgeschützt. Auffällig ist ein dichter Binsenbewuchs, der stellenweise den Waldboden bedeckt.


Die Binsen im Wald
Eine willkommene Abwechslung bietet dann die schöne Kulisse von Günzburg. Dorthin muß man einen Abstecher über die Brücke machen und dann in die Ortsmitte hinaufschieben. Heidi übernimmt den Einkauf von Bananen, Weintrauben und Cola. Um die ortsansässige Gastronomie nicht unnötig zu mästen, verzichten wir auf eine Einkehr und begnügen uns mit einer schönen Bank. Mehrere andere Radtourer schieben hin und her, da gibt es genug zu sehen.



Günzburg

Die Weiterfahrt ist nun weniger angenehm. Über freies Feld bei festem Gegenwind. Vorbei an einer riesigen Fabrik bei Gundelfingen, auf der Hauptverkehrsstraße durch Lauingen. Hinein nach Dillingen, wo wieder eine historische Altstadt auf uns wartet. Universität, Bischöfe und Sebastian Kneipp haben diesen Ort geprägt. Heute prägt ihn der ungehinderte Straßenverkehr und wir sind einigermaßen sauer. In einer Imbißbude finden wir erstmals die langgesuchte "Rote Wurst".


Dillingen
Es folgt eine Strecke, die sich als die unangenehmste der ganzen Tour erweist. Das liegt hauptsächlich an dem stärker werdenden Gegenwind, aber auch an den schnurgeraden Straßen, die viel mehr Ermüdung verursachen als holperige Waldwege. Es handelt sich so um 20 km, die wirklich Quälerei sind. Hier gibt es lauter verstreute Gehöfte, deren Name immer mit "schwaige" endet. In unseren Unterlagen läßt sich nicht nachlesen, was es damit auf sich hat.

Irgendwann klimpert da mal was in den Speichen meines Rades, das wird wohl ein Stein gewesen sein. Wenig später aber muß ich feststellen, daß die Aufhängung einer Sattelfeder gebrochen ist und da haben sich ein paar Unterlegscheiben in der Gegend zwischen Untere und Obere Hoserschwaige selbständig gemacht.

Als wir Donauwörth erreichen, sind wir ziemlich fertig. Die Touristeninformation hat vor zwei Minuten zu gemacht. Man öffnet aber die Tür nochmal, als ich meine Nase daran plattdrücke. Wir bekommen ein Quartierverzeichnis, es sei aber ziemlich voll, keine Privatquartiere mehr frei. Das nächste Hotel im Ortskern signalisiert schon am Eingang: "Zimmer belegt". Wir stellen uns vor einer Telefonzelle auf, um die Quartierliste abzuarbeiten. In der Zelle steht aber ein Individuum und geht einer undefinierbaren Tätigkeit nach. Jedenfalls hat er die Telefonkarte in der Hand. Oben auf dem Telefonapparat steht ein Flachmann. Ab und zu blättert er ziellos im Telefonbuch. Heidi - wie das ihre Art ist - wird das bald zu bunt. "Wir haben ein wichtiges Gespräch!" faucht sie durch die Tür. Da dreht sich der Mann nur kurz um und zieht wortlos und mit rüder Gewalt die Tür wieder zu. Da wird es uns unheimlich.

In der Erwartung, noch weitere Telefonzellen vorzufinden, rollen wir um ein paar Straßenecken und landen unversehens am Bahnhof. Da ist auch eine Zelle, ja und - ist es denn zu fassen, da steht dieser komische Mann schon wieder drin!! Wenn wir nicht zu zweit dieselbe Wahrnehmung machen würden, würde man ja glauben, man spinnt. Uns wird es noch unheimlicher.

Es gibt aber auch eine Behindertenzelle, die ist frei. Ein einziger Anruf genügt, und wir haben ein Privatquartier. Man beschreibt uns den Weg, außerdem haben wir ja den Ortsplan, "in 15 Minuten sind wir da" melde ich uns an.

Was nun folgt, kann ich nicht in allen Einzelheiten beschreiben. Wir wollen jedenfalls zur Pension Haus Gertrud in der Johannes Traber Straße. Auf Nachfragen bei verschiedenen Passanten läßt sich keine derartige Straße identifizieren, im Stadtplan ist sie zwar aufgeführt, aber im Planquadrat D4 nicht abgedruckt. "I schaff hier nur" sagt eine, ein anderer fuchtelt erfolglos mit einem riesigen Schraubenschlüssel im Planquadrat D4 herum. Endlich sagt man uns im Gasthaus Traube, wo es lang geht. Nach einer Stunde erreichen wir endlich die schöne Pension, wo wir gastfreundlich empfangen werden.

Ich schaue mir nun - nach der Aufregung - den Stadtplan nochmal genauer an. Die Pension Haus Gertrud hat die Kennziffer 12. Da, wo der Name Johannes Traber Straße stehen sollte, ist eine blau umrandete 12 übergedruckt. Und das Tollste ist, vor uns hat schon jemand in dem Stadtplan den Weg von der Touristeninformation zu unserer Pension mit Kugelschreiber aufgemalt. Jetzt bin ich ernsthaft böse mit mir!


Donauwörth
Da wir Donauwörth nun schon ganz gut kennen, brauchen wir nicht soviel herumzustreifen und finden uns bald in einem Gasthaus ein. Der Ober ist neu hier, denn er fragt uns, ob wir auch mit dem Rad unterwegs seien. Also das habe er ja noch nie erlebt, so viele Radfahrer. Wir berichten von der etwas irreführenden Quartierauskunft im Touristenbüro. Das hat Folgen.

Heidi ist gerade auf der Toilette, da nähert sich mühsam durch die Stuhlreihen und um die Tische rum eine Matrone, das ist die Chefin. Bei ihrer nuschelnden Aussprache kommen einem sogleich gewisse Bedenken. Sie will nun genau wissen, was da mit der Quartierauskunft passiert sei, hier stehe nämlich noch das halbe Haus leer. Als Heidi wieder da ist, setzt sie sich erstmal und weiht uns in die Probleme der Gastronomie und die Grundzüge der Donauwörther Kommunalpolitik ein.

Als sie wieder von dannen schiebt, atmen wir echt auf. Die Nachfrage in unserer Pension am nächsten Morgen ergibt, daß unsere gewissen Bedenken berechtigt waren.

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