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Freitag, Donauwörth - Vohburg, 83 km

Auf meinem Sattel kann ich noch ganz gut fahren, deshalb hat es noch Zeit mit einer regulierenden Maßnahme. Der heutige Morgen beginnt sportlich in Gestalt einiger Anstiege. Das nennt man dann "Radwandern". In Leitheim wird die Mühe durch den Anblick eines kleinen Schlosses belohnt, die Aussicht von dort oben geht im wesentlichen ins Grüne, auf die Auwälder von Donau und Lech, der sich hier der Donau hinzugesellt. Ein Ort heißt dann auch "Lechsend", obwohl der auf der falschen Seite liegt und vom Lech hier herzlich wenig zu sehen ist.

Landschaftsbilder
Wenig später lagern wir in Stepperg schon wieder an einem Schloß. Das ist auch gut so, denn es folgt ein längerer Anstieg, den wir mit gleichfalls ächzenden Tagesradlern hinaufschieben. Oben angekommen, sitzen wir sogleich auf, während die Tagesradler sich erst zum gemeinsamen Abschwitzpalaver sammeln müssen. Durch ein liebliches Wiesental mit Steilufer erreichen wir Neuburg.

Neuburg gliedert sich in zwei Stadtteile, wir geraten, den baulichen Schönheiten folgend, in die Oberstadt, wo sich Residenzschloß, Rathaus und Kirche befinden. Einen Obst- oder Würstchenstand finden wir aber nicht. Das gibt es alles in der Unterstadt, die mehr konsumfreundlich orientiert ist. Jetzt in der Mittagszeit ist die Stadt wie ausgestorben, auch das einzige Fahrradgeschäft hat geschlossen. Wir dösen auch ein wenig in der Sonne.

Nach den gestrigen Erfahrungen bei der Quartiersuche beschließen wir heute, auf Nummer Sicher zu gehen. Ein Anruf in Vohrburg hinter Ingolstadt, und die Sache ist erledigt. Der Telefonautomat ist sehr aufmerksam und macht mich beim Rausgehen durch vernehmliches Quieken auf die noch einsteckende Telefonkarte aufmerksam.

Weiter geht es "lang englisch". Englisch, weil am Englischen Garten von Neuburg längs, lang, weil etwa 8 km schnurgeradeaus. Das war wohl mal die Promenade zwischen Residenzschloß und Jagdschloß Grünau. Wir hatten bisher noch nicht herausgefunden, welches Bauwerk den Titel unseres Esterbauer-Radführers ziert, jetzt wissen wir es. Nur gucken wir von einer anderen Ecke auf das Jagdschloß, da macht alles einen seitenverkehrten Eindruck. Wir überlegen, ob das Foto oder das Schloß selbst seitenverkehrt ist, nach genauerer Inspektion stellt sich aber heraus: weder noch.


Residenzschloß Neuburg

Jagschloß Grünau
Über eine Allee, Felder, durch den Wald und dann immer an einem Bahndamm lang erreicht man Ingolstadt durch ein Stadttor.


Stadttor in Ingolstadt
Gleich rechts ein großer Fahrradladen. Nun muß gehandelt werden.

"Never change a winning team", diese alte Sportweisheit muß nun über Bord geworfen werden. Mein alter Sattel hat meine Sitzfläche über eine fünfstellige Zahl von Kilometern geprägt und umgekehrt. Der Angestellte des Radladens aber bestätigt, daß da auf die Schnelle keine Reparatur möglich sei. Ich entscheide mich für einen nagelneuen Sattel gleichen Fabrikats (Brooks Conquest, Naturleder). Der wird gleich montiert und ich fahre 10 m Probe. Die reichen völlig aus um festzustellen, daß man einer ungewissen Zukunft entgegenradeln wird.


Die sieben Schwaben an einem Hausgiebel
Erstmal schieben wir durch die Innenstadt, machen ein paar Besorgungen, Heidi kauft sich Sandalen (bei Woolworth). Dann lassen wir uns in einem Straßencafe nieder. Bei der Weiterfahrt der spannende Moment, wie wird man sitzen. Der Sattel fühlt sich an wie ein Stück Holz, von einer Federung ist so gut wie nichts zu merken. Es geht eben dahin auf dem "Dammweg", dieser Name erscheint ganz passend für die derzeitige Situation zu sein. Bei Großmehring können wir auf Nachfrage einen großen Umweg um das Kraftwerksgelände vermeiden, weil man einen Durchschlupf an der Donau gelassen hat. Immer geradeaus weiter, irgendwann erscheinen die Türme von Vohburg über den Baumwipfeln. Ich kann mein qualmendes Hinterteil entlasten und weiß, für heute nie wieder sitzen!

Waren wir nun im Gasthof Stöttner-Bräu oder im Seefelder Hof, das kriege ich gar nicht mehr zusammen. Für den Preis ist das Zimmer jedenfalls ein wenig mickrig.

Der Ort ist recht niedlich, am besten steigt man auch hinauf zu der Schloßanlage, das ist z.Zt eine große Baustelle. Auf dem Friedhof an der Schloßkirche sind die Entleibten per Foto aus Lebzeiten auf ihren Grabsteinen abgebildet. In einem Grab ruht eine Jungfrau, 1893 - 1906. Vor den Gräbern sind kleine Behälter mit Weihwasser, darin Miniaturausgaben von Klobürsten zum Versprengen. Heidi kann mich nur mit Mühe von der Aneignung eines solchen Souvernirs abhalten. Auf dem Dach eines Schloßgebäudes sitzt ein Storch, als ob der dafür bezahlt würde.

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