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Kapitel 1: Straßburg - Donaueschingen

Kapitel 2: Donauradweg

Kapitel 3: Tauernradweg

Ganz ungeschoren dürfen wir aber auch in Passau nicht davonkommen, wenigstens den Dom mit der größten Orgel der Welt schauen wir uns an. Wieder umschichtig und nur ein paar Minuten lang. Dann geht es über den Inn und gleich danach zweigt der Inntal-Radweg ab. An dieser Stelle ist zweckmäßigerweise auch ein Edeka Geschäft, in dem Heidi für eine Weile verschwindet.

Passau-Panorama

Unversehens passieren wir die oesterreichische Grenze, das hatten wir ja nun gar nicht erwartet. Mir war geografisch nicht klar, daß die Grenze zwischen Bundesrepublik von Passau bis Salzburg immer in Flußmitte von Inn bzw. Salzach verläuft. Nun denn, radeln wir also in Oesterreich. Geld kann man sich ja noch den ganzen Nachmittag bei einer Post besorgen.

Erst müssen wir eine Gruppe von etwa 20 Tagesradlern vorbeilassen. "Alles OK?" fragt die Anführerin ihre Gruppe. "Na klar" sage ich (halblaut).

Der Charakter der Landschaft am Inn ist ganz anders, als an der Donau. Grüne hügelige Wiesen, einzelne Gehöfte, an denen der Weg vorbeiführt. Nach wenigen Kilometern das erste Highlight: Burg Wernstein und Neuburg.

Neuburg und Burg Wernstein

Bald sind wir in Schärding, der Weg ist allerdings sehr schlecht auf einer matschigen Strecke geführt. Wir finden wieder ein hübsches Ortsbild vor, farbenfrohe Hausfassaden und eine schöne Kirche. Allerdings verbrigen wir einige Zeit unter dem Vordach des Rathauses, um ein Gewitter und den zugehörigen Regen abzuwettern. Das dauert bald eine Stunde, dann geht es in die nahe Post, wo nun auch die nötigen Schillinge erworben werden.

Kurz hinter Schärding fängt es noch einmal an zu regnen, obwohl die Sonne schon wieder scheint. Beim Unterstellen geraten wir mit einem schwäbischen Ehepaar zusammen, das gerade den Inntalweg hinter sich hat. Der weitere Weg verläuft eine Weile neben der Autobahn und hat hier seinen Namen "Natur-Erlebnis-Weg" vielleicht noch zu Unrecht. Man kann auf dieser Strecke schadenfroh die sich kilometerweit aufstauenden Lastwagen vor der oesterreichisch-deutschen Grenze bestaunen. Dabei kommt mir hinter einer Hecke hervor ein Tempo-bolzender Mountainbiker frontal entgegen, nur durch Vollbremsungen kann Schlimmeres verhindert werden.

Nach einer Weile Zick-Zack an der Oberkante des Uferhangs folgt eine rasante Abfahrt. Sogleich geht es wieder steil hinauf, da oben thront das Kloster Reichersberg. "Warum sind wir nicht gleich oben geblieben?" fragt Heidi etwas giftig. Ja, das ist mir auch nicht klar, wir sind nur der Beschilderung gefolgt. Man hat auf einer Aussichtsplattform nun einen wunderschönen Blick über das Inntal.

Kloster Reichersberg

Man kann hier auch gleich übernachten, es gibt ein sog. "Radotel". Wir fahren lieber aber noch 3 km weiter nach Obernberg. Das Spiel wiederholt sich nochmal, erst hinunter, zur Ortsmitte wieder hinauf. Als wir endlich oben sind, zeigen sich bei Heidi deutliche Symptome für beginnende Verstimmung. Das läßt sich aber schnell vergessen, den Obernberg hat einen Marktplatz wie aus der Puppenstube. Die bunten Häusergiebel sind allerdings zum Teil Attrappe, die obere Fensterreihe ist zuweilen nur aufgemalt, weil dahinter nichts ist.

Die Puppenstube von Obersberg

Unser Quartier bekommen wir auch gleich beim Kirchenwirt in einem etwas finsteren Gästehaus. Zum Essen sind wir die einzigen Gäste in einem China-Restaurant. Wir bestellen einen Teller mit vier verschiedenen Gerichten für 2 Personen und dürfen wieder einmal schwelgen. "Gut schmeckt?" fragt die Bedienung anschließend, was wir bedenkenlos bejahen können. Zwei Bier gibt es auch noch anschließend auf dem Marktplatz unter einem dieser Partyzelte, die mittlerweile wohl europaweit verbreitet sind.

Dienstag, 22.8. Obernberg - Oberndorf, 92 km

Der Morgen beginnt hier wie überall mit dem Anläuten des Tages um 6 Uhr in der Frühe. Danach wird uns ein eigenartiges Frühstück zuteil. Neben der üblichen Anzahl Brötchen, Butter und Marmelade muß man sich den Aufschnitt von einem Buffet holen und bezahlen! So kommen wir heute mal nicht zu Wurst und Käse. Eine Berliner Reisegruppe wuselt herum, die waren gestern in Wien, heute Salzkammergut und Salzburg. Unser Programm ist bescheidener.

Heidi spricht später vom schwarzen Dienstag. Da ist sie auch selber ihren Teil dran schuld. Es beginnt mit einem Platten, als wir gerade eine schöne Abfahrt herunterbrausen. Nach 10 Minuten ist aber der Schaden behoben. Dann fliegt mir ein Spatz gegen den Hals, das ist mir auch noch nie passiert. Es kommt aber keiner zu Schaden, denn beide Beteiligten fliegen vergnügt weiter.

Nach reizvoller Fahrt am Inn erreichen wir Braunau. Das ist wieder ein hübscher Ort, in einem Eduscho können wir einen Kaffee trinken. Wie die Stadt Braunau mit dem nun einmal hier geborenen "großen" Sohn umgeht - ändern kann man das nun nicht mehr - kriegen wir auch heraus. Vor dem Geburtshaus steht ein Mahnmal:

"...Nie wieder Faschismus, Millionen Tote mahnen".

Bild 1 Braunau am Inn

Da wir uns beim Verlassen der Stadt mal wieder dumm anstellen, muß ich die Räder eine steile Treppe zum Inn hinuntertragen. Es folgt eine sehr lange Geradeausstrecke immer auf dem Damm des Innufers. Dann muß man schon einen Berg hinauf, sonst kann man den "Inn - Salzach - Blick" nicht genießen. Ein anderes Ehepaar fährt auch noch vor, da meint die Frau: "Der Ausblick ist ja ganz undramatisch". Wahrscheinlich meint sie damit die ausstrahlende Ruhe.

Zusammenfluß von Inn und Salzach

Mit der ist es nun bei uns gleich vorbei. Wenig später kommt eine steile Abfahrt nach Überackern, dann muß man sogleich wieder hinauf nach Düttendorf, um dann gegenüber von Burghausen wieder auf Flußhöhe hinab zu brausen oder zu -bremsen. Wenn sie könnte, würde mir Heidi den Kopf abreißen. Dabei fühle ich mich heute ganz unschuldig, denn den Weg habe ich ja nicht so angelegt. Ich sei es aber, der unbedingt den Tauernradweg fahren wollte.

Daß wir hier mit Burghausen die wohl schönste Ortsansicht unserer ganzen Tour vor uns haben, entgeht uns bei diesem Palaver fast völlig. Ich hoffe, auf den Fotos dann etwas von der Schönheit des Ortes wiederzufinden.

Bild 1 Burghausen

Natürlich folgen weitere Steigungen, die nun unter Funkstille absolviert werden. Ich fahre in bewährter Weise wieder so einen halben Kilometer hinterdrein. So begibt es sich, daß wir uns auf dem Marktplatz von Tittmonig auf der deutschen Seite wiederfinden, wo wir gar nicht hin wollten. Da kann man sich wenigstens unter einen Sonnenschirm setzen und versuchen, Herr der Lage zu bleiben. Auf den Karten schaue ich schon mal nach den nächsten Bahnhöfen aus, hier gibt es gerade keinen.

Die Reststrecke an diesem Tag besteht aus mehr als 20 km Uferweg. Da gibt es keine Berge. Dadurch, daß die Blumen wild durcheinander blühen, ist die Strecke eigentlich ganz hübsch zu fahren. Es blühen Balsamine (Knöterich) in Rosa, Goldrauten, Glockenblumen, Blutweiderich, Ackerwinde und einige Schafgarbenarten, um nur einige zu nennen. Die Bäume verhüllen sich teilweise in Schlingpflanzen.

Bild 1 Flußidylle

In Oberndorf machen wir für heute Feierabend, näher an Salzburg lohnt es sich nicht wegen der sicher steigenden Quartierpreise. Noch ist ja auch nicht klar, wie wir eigentlich weiterfahren wollen. Wir bekommen ein Zimmer im Salzacher Hof. Zum Essen gehen wir über die Brücke und damit über die Grenze nach Laufen. Die Altstadt dort wirkt angenehm verschlafen. Wir inspizieren einen Antiquitätenladen, der richtig ramschig organisiert ist. Auch in die Kirche gehen wir wieder hinein.

Das mit den Kirchen und Schlössern ist eine zwiespältige Angelegenheit. Einmal stößt einen der Glanz und Prunk ungeheuer ab, wenn man bedenkt, auf wieviel Schweiß und Blut sich das alles aufbaut. Auch die grenzenlose Gottesverehrung, aus der heraus Kathedralen und Dome hoch wie Berge entstanden, ist nur schwer nachvollziehbar. Offensichtlich steckt hinter allem auch ein gezielter Machtanspruch der Institution Kirche, das kann man immer feststellen, wenn man sich die aushängenden Blättchen in den Kirchen genauer ansieht.

Auf der anderen Seite freut man sich über jedes Türmchen, das man auf dem Wege sieht. Meistens sind es die Kirchen, die ein Ortsbild prägen. Man denke sich nur mal die Kirchen aus den Orten weg. Kulturell sind sie also durch nichts zu ersetzen, ohne Schlösser, Kirchen und Kloster würde sicher kein Japaner oder Amerikaner seinen Camcorder surren lassen.

In Laufen tuen wir uns schwer, ein geeignetes Eßlokal zu finden. Schließlich ist es ein Pizza-Restaurant an einer verkehrsreichen Kreuzung, trotzdem umschwirren einen zahlreiche Fliegen beim Essen. Zurück in Oberndorf finden wir als einzige Bierquelle auch nur das Bahnhofsrestaurant, wo man zwar im Freien aber auch nicht gerade verkehrsberuhigt sitzt.

Soviel zum schwarzen Dienstag.

Mittwoch, Oberndorf - Salzburg - Krimml - Uttendorf, 20+40 km

In dieser Nacht habe ich einen unruhigen Schlaf. Es steht in den Wolken, wie es weiter geht. Doch der Morgen ist wolkenlos, und das Glück fällt uns beim Frühstück vom Himmel. Da sitzt ein Ehepaar, die kommen gerade von oben, d.h. vom Pinzgau auf dem Tauernradweg runter. "Fahren Sie von Salzburg mit der Bahn rauf, das geht jede Stunde, und dann mit dem Rad runter, landschaftlich ein Traum". Genau das hat mir ja vorgeschwebt. Bloß können wir dann nicht schon am Donnerstag oder Freitag nach Hause fahren, wie es Heidi lieber gewesen wäre. Da der Prophet im eigenen Lande nichts gilt, ist dieser Vorschlag von anderer Seite auch von ganz anderer Durchschlagskraft. Wir rechnen durch, am Sonnabend kämen wir auch noch nach Hause.

Nun schwebe ich wie auf Wolken, die ja gar nicht da sind. Wir werden den kompletten Tauernradweg zusammen bekommen, das ist es doch. Vergessen der gestrige Tag, als ob eine ganz neue Tour vor einem läge.

Bis Salzburg müssen wir erst einmal radeln, das sind 20 km. Der Weg ist etwas eintönig, schnurgerade immer an der Salzach lang - aber natürlich keine Berge! Die Alpen, auf deren Anblick ich sehnlichst warte, erscheinen nur allmählich hinter den Baumwipfeln des Auwaldes. Den Salzburger Untersberg erkennt man dann irgendwann.

In Salzburg nehmen wir den direkten Weg zum Bahnhof. Da die Züge nach Zell am See stündlich fahren, haben wir keine Probleme mit der Verbindung. Auch ein Radlerabteil gibt es in dem schon bereitstehenden Zug. Außer uns fährt noch ein radelnder Pensionär mit. Der ist technikversessen, jedes Teil an seinem und auch unseren Rädern wird durchgegangen. Das besondere Thema ist mein Sattel. Der sei ja toll, den würde man in Oesterreich gar nicht bekommen (das kann kaum stimmen). Zum Einfahren eines neuen Sattels hat er einen totsicheren Tip: eine Nacht in Wasser legen und dann einen Tag darauf fahren - dann habe alles die richtige Paßform. Das nehme ich aber nicht so ernst, einen Naturledersattel eine Nacht in Wasser zu legen, da sträuben sich einem ja die Haare. Außerdem hat mein Hinterteil mittlerweile die Härte der neuen Unterlage partiell akzeptiert.

Der Zug benötigt ein-ein-halb Stunden bis Zell am See. Auf der Fahrt gleitet die später zu durchradelnde Landschaft schon an einem vorbei, das ist eigentlich schade, wegen der späteren Überraschungseffekte.

Bei strahlendem Sonnenschein steigen wir in Zell am See aus und begeben uns erstmal an die Promenade, wo der See als blauer Spiegel vor einem liegt. Für die Schönheit der Landschaft haben wir wieder mal nicht das richtige Auge, weil wir schon wieder am Rechnen sind.

Das Unglück ist nun, daß die Pinzgauer Schmalspurbahn nach Krimml auch erst in ein-ein-halb Stunden abfährt, und dann ihrerseits für die etwa 50 km auch noch einmal ein-ein-halb Stunden benötigt. Wir berechnen, daß ein dreiviertel Tag bei herrlichstem Wetter für das Fahrradfahren verloren geht.

Heidi würde am liebsten gleich von hier Richtung Salzburg aufbrechen. Es gelingt uns, die darauf zwangsläufig folgende Funkstille zu vermeiden, indem wir auf die Idee kommen, die Zeit für die Organisation der Heimfahrt mit der Bahn zu nutzen. Ich muß sagen, so gut hat das auf unseren vielen Radtouren noch nie geklappt, wie hier in Zell am See.

In der Auskunft bekommen wir einen Zug von Freilassing (das liegt bei Salzburg) direkt nach Hannover mitgeteilt. Eine Reservierung mit Fahrradmitnahme ist kein Problem, das Lösen der Fahrkarten per Bahncard auch nicht, die Bezahlung mit der Visa-Card bargeldlos, also alles umsonst, jedenfalls was die momentane Geldbörse angeht. Nun ist alles palletti, wir haben die Heimfahrt in der Tasche und der nächste Lebensmittelladen hat auch noch was zu bieten.

Die Pinzgauer Schmalspurbahn führt dankenswerterweise einen Güterwaggon zum Verladen der Fahrräder mit, so an die 20 werden es wohl sein, die da eingeladen werden. Wir sitzen gemütlich im Abteil und können uns auf der langen Fahrt gar nicht vorstellen, das alles wieder abzuradeln. Allerdings hält der Zug an jedem Misthaufen, manchmal ist auch ein Golfplatz oder Erlebnisschwimmbad auszumachen.

Um halb vier am Nachmittag erreichen wir die Endstation, das ist noch ein paar Kilometer vor Krimml, wo sich die berühmten Wasserfälle befinden. Also ich war schon mal dort, vielleicht Anfang der 60er Jahre, und Heidi hat keine Gelüste, weil es dorthin nochmal tüchtig bergauf geht. Die anderen Mitreisenden aber streben erstmal zielbewußt bergwärts.

Wir dagegen machen uns sogleich talwärts mit Schmackes auf den Weg. Wie es in den Alpen so ist, spielt leider das Wetter nicht ganz mit, ein paar Regentropfen klatschen uns bei der ersten Abfahrt ins Gesicht. Nach der Abfahrt folgt eine Schikane in Richtung Sulzbachtal. Man muß da schon mal um ein paar Bergbauernhöfe herumschieben, dann geht es aber wieder runter und man fliegt auf dem Talboden des Pinzgaus dahin. Leider lassen sich mangels Sonne keine Fotos schießen. Die Hohen Tauern mit Großglockner oder Großvenediger sind da natürlich auch nicht zu sehen.

Trotzdem umgibt uns eine zauberhafte Landschaft, Orte mit weißen Kirchtürmen, oben auf den grünen Matten verstreute Berghöfe. Nur das Vieh, Kühe sollten es wohl sein, ist wenig anzutreffen, sollten die hier auch schon in Massenquartieren eingepfercht sein? Einmal müssen wir die Köpfe einziehen, da wird eine neue Hochspannungsleitung verlegt. Mit Flaschenzügen hievt man das Kabel auf die Masten hoch.

Wir durchfahren Mittersill, den bekanntesten Ort der Gegend. Da ist der Tourismus zu Hause, wir suchen uns Uttendorf aus, ein weniger bekannter Ort. Wir finden zwei Gasthöfe, den Kirchenwirt und Gasthaus Waltl. Zwischen diesen beiden pendeln wir mal eben hin und her und entscheiden uns dann für das Waltl.

Ein schönes Zimmer, duschen und dann zum Essen. Beim Kirchenwirt schauen wir erstmal vorbei, da lädt gerade das "Sonnleitner Trio" seine Musike aus. Da essen wir doch lieber in unserem Waltl. Schweinshaxe und Sauerbraten, am Nebentisch eine Meute Arbeiter, ob das die Kabelzieher von der Hochspannungsleitung sind? Wir verstehen nur "Obi", "Ummi" oder "Auffi". Das scheinen oesterreichische Ortspräpositionen zu sein. Ich mache mir Gedanken, ob die Unwegsamkeit der Alpen auch die Sprache prägt, wo diese Worte vielleicht eine andere Bedeutung besitzen als unser norddeutsches "Da längs!".

Wir in unserer neugierigen Art gehen jedenfalls nochmal die paar Schritte zum Kirchenwirt "ummi" und schauen durch die Fenster in den Musiksaal. Da wird gerade

"Oh du mein Kufstein, holladiadriheidihooh.."

intoniert, auf der Tanzfläche sind nur weibliche Paare zugange. Wir sind zufrieden mit unserem Waltl!

Bild 1 Bild 2 Im Pinzgau

Donnerstag, Uttendorf - Freilassing, 136 km

Heute erwartet uns die letzte, die Königsetappe. Aber auch das können wir uns am Morgen noch nicht vorstellen, denn es regnet in Strömen. Per Gehör kann man das aber nicht feststellen, weil unter unseren Fenstern ein Bach herabrauscht. Vor dem Aufbruch versuche ich bei einer bodenwischenden Angestellten herauszufinden, ob die Truppe am Nebentisch gestern Abend die Kabelzieher gewesen seien. Die aufschlußreiche Antwort lautet: "Ich nix wissen, Chef fragen".

Der Regen hört auf und wir rollen wieder los, auf dem Talboden des Pinzgaus, verstreute Berghöfe oben auf den grünen Matten (s.o.). Die Berge sind verhangen, aber das Radfahren ist ein Genuß, weil es immer leicht bergab geht. Vor Kaprun erschrecken einen dann doch allmählich die gedrängt auftretenden Hochspannungsmasten. Noch mehr Erschrecken bei Heidi, als wir eine frei dahintrottende Kuhherde passieren müssen.

Burg von Bruck
Gasteiner Ache

In Bruck verlassen wir das weite Tal des oberen Pinzgaus. Die Salzach muß sich nun ihren Weg zwischen enger zusammenrückenden Bergen bahnen. Auch der Radweg wird alpin, es geht rauf und runter. Einmal muß man über eine Wiese schieben. Da treffen wir eine Gruppe Mountainbiker und erfahren, wie man so eine Tour auf organisierte Art abspult. Die fahren ohne Gepäck gemütlich in kleinen Gruppen so um die 60-70 km am Tag. An den Kneipen am Wegrand kommen sie nur schlecht vorbei. Da reicht der Tag gerade aus für diese Kilometerleistung. Der Erfolg einer solchen Tour ist abhängig von der Zusammensetzung der Gruppe, die man ja vorher nicht kennt und nachher nicht mehr beeinflussen kann.

Heidi und ich sind ganz zufrieden mit der Zusammensetzung unserer "Gruppe", auch wenn wir das Gepäck mitführen müssen (ich habe 10 kg, Heidi 5 kg). So bleibt die organisierte Tour bald hinter uns, als in der nächsten Ortschaft Taxenbach ansprechende Straßenlokale einladen. Hier befindet sich auch die Kitzlochklamm, die man sich ansehen sollte, wenn man Zeit hat und nicht gerade eine Radtour macht. Wir begnügen uns mit dem Anblick der herunterschäumenden Gasteiner Ache in Lend/Gigerach.

Es folgt eine Schikane, indem man den Radfahrer vor dem Verkehr auf der stark befahrenen Bundesstraße bis Schwarzach schützen will, ihn dazu aber um die 200 Höhenmeter hinauflotst. Nach kurzem Anstieg haben wir das durchschaut. Als wir die Bundesstraße kreuzen, nehmen wir den Verkehr in Kauf und schießen wieder talwärts. Die Straße verläuft hier rampenartig zwischen Gasteiner Tal und Pongau. Hier bin ich 1989 schon gefahren, allerdings hinauf und bei Regen.

Plötzlich stehen wir vor einem Tunnel, wir wissen nicht, wie lang er ist. Also werden erstmal die Lichtanlagen überprüft. Auf Radtouren kann man sich da auf gar nichts verlassen, weil bei den Bahn- oder Schiffstransporten leicht mal immer ein Kabel abreißt. So ist es wohl wieder, bei mir geht gar nichts, bei Heidi nur das Rücklicht.

Dann ist der Tunnel aber nur so um die 100 m lang. Die Liedzeile

"...wenn ma reinkommt wird's dunkel, wenn ma rauskommt wird's hell..."

stimmt nur in der zweiten Hälfte. In Schwarzach verlassen wir aufatmend die Bundesstraße und biegen auf den Weg an der Salzach ein, den die Betreiber der nun folgenden Krafwerksanlagen zum Ausgleich für die massiven Natureingriffe angelegt haben.

Oben grüßt das Kirchlein von St. Veit im Pongau, meiner ersten Alpenheimat. Leider ist es mir heute versagt, dort einen Besuch zu machen, denn es liegt ein Berg dazwischen. Der weitere Weg ist nun gut zu fahren, wenn auf die Dauer auch etwas eintönig. Der Pongau bietet nicht die landschaftlichen Reize des Pinzgaus. An einer Uferböschung nisten schwarz krächzende Vögel, den Lauten nach, die sie ausstoßen, tief und kollernd, kann sich das kaum um Krähen handeln. Vielleicht hat man den Kolkraben ausgewildert und hier ist eine Kolonie entstanden. In der Nähe ist auch eine Müllkippe, da läßt sich für unsere gefiederten Freunde sicher genug Freßbares auftreiben.

Wir lassen St. Johann und Bischofshofen hinter uns. Heidi hat zwar irgendwo eingekauft, aber erst in Werfen zu Füßen der Festung Hohenwerfen machen wir Rast auf einer Bank. Oben liegt das Tennengebirge mit seiner Eisriesenwelt, da äuge ich natürlich interessiert hinauf und kann auch die Rampe des Weges erkennen. Heidi graust es nur bei dem Gedanken, da oben rumkraxeln zu müssen. Deshalb kraxeln wir ja auch hier unten rum.

Pfarrwerfen am Paß Lueg

Zu kraxeln gibt es noch ein wenig am Pass Lueg, wo die Felsen so dicht zusammenrücken, daß die Straße den Hang hinauf ausweichen muß. Die parallel verlaufende Autobahn muß nichts und niemand ausweichen, die hat man gradlinig durch den Berg geschossen. Auch die Eisenbahn kommt ohne Tunnel nicht aus. Wir schnaufen hinauf zu der Kapelle Maria Brunneck.

Ich stelle nun Heidi zur Wahl, sich in das Cafe zu setzen oder zu den Salzachöfen hinunter zu turnen. Dazu muß man natürlich die gerade erkraxelte Höhe wieder hinunter und nach der Besichtigung wieder herauf. Das kann ja nur einem Idioten einfallen. Und Eintritt kostet es auch noch. Ich habe schon soviel von den Salzachöfen gehört, ich muß sie einfach sehen, nehme daher in Kauf, als Idiot zu gelten. Unten bin ich dann ganz schnell, hoppla hopp, barfuß in Sandalen.

An Geländern entlang kann man unter hausgroßen Felsblöcken langkriechen und unter sich die auf wenige Meter Breite zusammengedrängte und darob schäumende Salzach bewundern. Höhepunkt ist der Dom, da ist es fast stockdunkel. Ich weiß im Moment nicht, ob die Wildwasserfahrer vom Schwierigkeitsgrad her die Salzachöfen noch befahren können. Mir ist nur in der Erinnerung, daß einmal jemand seine Frau runtergeschubst hat, aber beobachtet wurde und seiner gerechten Strafe nicht entgangen ist. Na ja, Heidi ist ja auch gleich lieber oben geblieben.

Salzachöfen

Völlig durchgeschwitzt komme ich wieder oben an, im Cafe herrscht gerade Chaos, weil mehrere Busgesellschaften gleichzeitig ultimativ zu zahlen wünschen.

Nach Golling geht es nun schnell hinab, ein paar Regentropfen müssen ausgerechnet bei der Abfahrt fallen. Von Golling bis Hallein ist die Strecke wieder sehr schön durch Wiesen und Wälder mit wenig Verkehr.

Lichterspiel in einem Seitental

Wir können uns nun ausrechnen, daß wir es heute noch bis Freilassing schaffen werden, wo wir dann Quartier für zwei Nächte nehmen könnten und noch einen Tag für Salzburg übrig hätten.

Aber erstmal verfehlen wir den Weg in Hallein und müssen einen Mann nach dem Weg fragen, der gerade seine Hecke schneidet. Er erklärt uns bereitwillig den Weg um mehrere Ecken, wir sind nicht so ganz konzentriert und schauen nur auf eine Raupe, die an seiner Stirn klebt.

Der Weg bis Salzburg zieht sich lang immer am Ufer hin. Wenn man von Hallein bis Tittmonig fährt, hat man etwa 60 km Uferstrecke am Stück. In Salzburg benehmen wir uns etwas dusselig im Feierabendverkehr, das ist auch verständlich nach der langen Verkehrsabstinenz.

Salzburg in der Abendsonne

Nach Feilassing fahren wir daher lieber einen Umweg auf den Uferwegen von Salzach und Saalach. Die Brücke über die Saalach ist hier die Grenze, dann sind wir am Ziel. Nicht nur die längste Etappe liegt hinter uns, sondern die gesamte Radfahrerei. So schön das auch war, jetzt ist man froh. Knapp über 1000 km sind zusammengekommen, ich gratuliere Heidi zu ihrem ersten "Tausi".

Wir kommen im "Weissbräu" unter (mit eigener Brauerei). Das Quartier ist gut, aber Freilassing als Ort ist überaus enttäuschend. Hier muß es tüchtige Stadtplaner geben, denn man hat alles im Stil der deutschen Fußgängerzonenromantik gestaltet. Vielleicht um dem nahen Salzburg und den vielen Kulturgütern aus gestrigen Zeiten etwas Moderne entgegenzusetzen.

Wir erkunden vor dem Essen erst noch die Verhältnisse um den Bahnhof, damit wir am übernächsten Tag bei der Abreise nichts falsch machen. In der Gaststube gibt es auch wieder interessante Beobachtungen. Ein Ungetüm von Gestalt und Leibesumfang ist wohl der Wirt, jedenfalls steht der öfter hinter der Theke. Ein kleines Männchen mit einem weißen Hut auf, setzt sich an mehrer Tische, um nichts zu verpassen. Einmal scheppert es vernehmlich, da ist ihm der Flachmann aus der Tasche gefallen. "Net so arg, war eh nix mehr do" ist seine Raktion. Zur Freude des ganzen Lokals muß er nun seine Scherben selbst aufkehren.

Freitag, Salzburg

Die Krönung der Reise sollte ein Tag in Salzburg sein. Uns geht es seit Beginn der Tour so, daß einem eigentlich die Städte, jedenfalls die großen, gar nicht so viel Spaß machen. Ich kenne das schon von früher, Augen und Ohren reagieren empfindlich auf den Ansturm von Sinneseindrücken. Zudem haben wir heute einen Schnürlregen, wodurch wir zwar eine der Salzburger Eigenarten kennenlernen, leider auf Kosten der Unternehmungslust.

Von Freilassing fahren wir mit dem Bus, hinter der Grenze muß man umsteigen. Das erledigen wir weltmännisch. Am Karajanplatz steigen wir aus. Wir haben noch keinen Stadtplan, so geraten wir auf den Universitätsplatz und in die zugehörige Kirche. Auf Nachfrage bei einem Pärchen, die sprechen englisch, erfahren wir, wo die Touristeninformation ist: am Mozartplatz.

Nun haben wir einen Stadtplan und können mit offenen Augen vorgehen. Erstmal auf den Domplatz, da heißt es dann gleich unterstellen, denn der Regen prasselt herunter. Die Fiakerpferde stehen unter Planen mit gesenkten Köpfen.

Bild 1 Salzburg im Schnürlregen

Wir hoppeln noch schnell um eine Ecke und sind im Vorraum des Doms. Nur hinein kann man nicht, da beginnt gleich eine Orgelmatinee. Ebenso geht es einer Gruppe, die durch einen Herrn mit Bömsel zusammengehalten wird. Der Bömsel ist ein Stab mit einem farbigen Wuschel (was ist das nun wieder?) oben dran. Der Bömsel ist ein wahres Wunderinstrument.

Erstens erkennt man auch von weiter weg immer, wo sich das Zentrum der Gruppe befindet,

zweitens läßt sich auch die als nächstes angestrebte Richtung weisen und

drittens kann man orientierungslose Gruppenmitglieder noch aus der Distanz durch einen gezielten Stoß in Aufmerksamkeit versetzen.

Eine vierte Verwendungsmöglichkeit werden wir wenig später kennenlernen.

Ich schlage Heidi vor, uns der Bömseltruppe anzuschließen, die hätten doch sicher ein interessantes Programm. An einer Brotbäckerei verlieren wir sie aber aus den Augen. Und in der Brotbäckerei da ist es schön, ganz warm, da kann man mal die Socken auswringen, die Brille putzen und sich ein wenig trockenlegen.

Sodann geraten wir auf einen Friedhof, da sind die Erzabtei St. Peter und die Katakomben. Führung erst in 1 1/2 Stunden. Wir suchen nun in der Franziskanerkirche Zuflucht vor dem Regen. Da finden wir unsere Bömseltruppe wieder. Die sitzt geordnet in den Bänken. Der Leiter verkündet gerade: "Wir singen jetzt ein Lied zur Ehre Gottes!" Dann setzt er seinen Bömsel ein wie der Tambourmajor seinen Stab und es erschallt das Lied "Es loben und preisen die Völker den Herrn...". Mehrstimmig und als Canon, bei der ausgezeichneten Akkustik sehr wohlklingend.

Das waren dann unsere ganz privaten Salzburger Festspiele. Wir suchen nun die Getreidegasse auf. Dazu müssen wir durch die "Pillhuhngasse". Das habe ich aber falsch entziffert, denn richtig heißt es "W. Philharmoniker". Überhaupt ist hier alles nach irgenwelchen Musikassoziationen benannt, wohl wegen der Festspiele. Die abgebildeten Künstler an den Musikalienläden kennen wir mit Ausnahme von Pavarotti und Placebo Domingo sämtlich nicht.

In der Getreidegasse herrscht ein Gedränge wie auf einem Jahrmarkt. Besonders vor dem Mozart-Geburtshaus stauen sich die menschen mit zurückgelegten Köpfen. Beeindruckend sind die geschmiedeten Ladenschilder, die über den Köpfen in die Gasse hineinragen. Gegenüber von Mac Donalds trinken wir einen Kaffee in einem Tchibo. Die anderen Geschäfte mit Mode oder Schmuck sind für uns weniger interessant, wohl auch keine Billigoccasionen. Am Ende der Getreidegasse ist das Hotel "Goldener Hirsch" da steigt gerade ein Paar im Jankerlook in eine Karosse des Magistrats. Wir gucken nur mit hohlen Augen zu.

An einem Brezelstand erstehen wir eine Laugenbrezel, die wir bis zum Beginn der Führung durch die Katakomben verzehren. Als die Führung beginnt, wird es eng, mehr als dreißig Personen drängen sich um die Dame, die erst in Deutsch und dann in Englisch die Merkwürdigkeiten erklärt.

Da liege erstmal der Bruder des Komponisten Haydn begraben, aber nicht sein Kopf, der sei in einer nahen Kirche in einer Urne deponiert. "That's a strange thing" wundert sich einer hinter uns. Neben dem Haydn-Bruder ruht die Schwester von Mozart, das "Nannerl". Eine Komposition von dunklen Bildtafeln zeigt die Schrecken der Pest, wie sie Arm und auch Reich zu verschlingen vermag.

Dann geht es eine Treppe hoch, Vorsicht. Nun befindet man sich in einer Kapelle, die als Raum in Kreuzform in den Berg gehauen wurde. Ein Geheimgang führte ursprünglich, d.h noch in der Römerzeit, von der Festung oben in diese Räume. Genutzt wurden sie in der Zeit der Christenverfolgung als geheime Treff- und Gottesdiensträume. Sie sind wohl dann über lange Zeit in Vergessenheit geraten, erst ein Bergsturz im 16. Jahrhundert oder so hat sie dann von außen freigelegt. Der zweite Raum befindet sich noch ein Stockwerk höher und ist noch älter.

Eine Bemerkung bringt einen wieder in Harnisch. In dem unteren der Räume werden noch Messen abgehalten, im oberen nicht. Das geht auch nicht, weil oben kein geweihter "Altarstein" vorhanden ist, unten dagegen ist einer da, da geht das dann. Man fragt sich dann doch, in welcher Zeit man lebt und was von solchem götzenhaften Gebaren zu halten ist. Das Vergnügen hatte ich ja schon im letzten Jahr in Lourdes.

Als die Führung zu Ende ist, suchen wir doch noch den Dom auf, denn der ist inzwischen frei. Aber danach sind wir kulturgesättigt und begeben uns bei dem andauernden Regen dann lieber zur Bushaltestelle und machen uns auf den Rückweg. Die letzten Schillinge können wir in einer Bank direkt an der Grenze zurücktauschen. Dann sagen wir Oesterreich auf Wiedersehen und "Bis zum nächsten Mal" zu der Bankangestellten.

Die Mozartkugeln als Mitbringsel kaufen wir in Freilassing beim Supermarkt.

Die Rückfahrt am nächsten Morgen mit dem schönen IC verläuft absolut reibungslos. Man führt einen Gepäckwagen mit, und da haben bequem mehr als 50 Räder Platz. Der Rest der Fahrt von Hannover nach Braunschweig mit dem Regionalzug ist fast schwieriger, weil man da die Räder am Zugende nur provisorisch in den Ausgang stellen kann.

Am Braunschweiger Hbf. begrüßen wir überraschend unsere "Studenten" Manu und Andy, die per Dachgeber mal bei uns übernachtet haben und mit dem gleichen Zug von einer Tour durch Norddeutschland zurückkehren.

Fazit:

Daß meine Ehegattin so gut fahrradfahren kann, hätte ich nicht gedacht. Es war zwar nicht unsere erste Radtour, aber wohl doch die sportlichste bisher. Wie wir das in Zukunft mit den Bergen halten sollen, ist mir noch unklar. Nach zwei Wochen unterwegs mit so vielen Strecken, Land- und Ortschaften ist eine detaillierte Beschreibung wie diese ein "Muß", weil sonst nach schon kurzer Zeit einem alles durcheinander gerät. Das geht schon mit den Urlaubsfotos los. Wenn ich die durchmischen würde, hätte man seine Mühe, sie wieder richtig einzuordnen.

Kapitel 1: Straßburg - Donaueschingen

Kapitel 2: Donauradweg

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Falls es dazu etwas zu bemerken gibt:

mail: m.wittram@tu-bs.de