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Kapitel 1: Straßburg - Donaueschingen

Kapitel 3: Tauernradweg

Donauradweg Kapitel 2: Donauradweg

Wir suchen uns wieder einen Sonnenschirm im Ortszentrum, wo wir uns bei einem Kaffee auf die nun anstehende Strecke vorbereiten. Am Nebentisch setzt sich ein ebenfalls bepackter Alleinfahrer nieder, "Einzelmann" taufen wir ihn. Eine andere Gruppe beleibter Konstitution kurvt um den Platz herum und verschwindet Richtung Schloß, wo sich die Donauquelle befindet.

Nachdem wir die Atmosphäre in uns eingesogen haben, rollen wir in die gleiche Richtung. Nartürlich verpassen wir wieder den direkten Weg und erreichen den Schloßpark durch eine Hintertür. Die Donauquelle aber ist nicht zu verfehlen, ein eingefaßtes Becken mit einer spärlich blubbernden Wasserfläche. Das Ganze ist sowieso ein Witz, denn es gibt den Spruch:

Brigach und Breg,
bringen die Donau zu Weg.

Das sind die eigentlichen Quellflüsse der Donau, dem zweitlängsten Strom Europas nach der Wolga. Wir haben das in unseren norddeutschen Gefilden ja auch mit dem Ursprung der Weser:

Wo Werra sich und Fulda küssen,
sie ihren Namen büßen müssen!

Hier aber gibt es eine Donauquelle, deren spärliches Rinnsaal völlig unwesentlich die Wassermassen des späteren Stromes bereichert. Außerdem verliert die Donau dann bald darauf wieder einen Großteil ihrer Substanz in den Versickerungsstellen an den Rhein über den Aachtopf, aber darauf werden wir - man kann sich darauf verlassen - noch zu sprechen kommen. Bemerkenswert mag noch sein, daß der Grund der Donauquelle mit zahlreichen ungarischen Münzen bedeckt sein soll, die ungarische Glücksjäger dort deponieren, um sie tausendfach in Budapest wieder vom Konto abzuheben. Aber das habe ich erst später nachgelesen, an diesem Tag treffen wir weder ungarische Touristen an, noch achten wir auf die Forinten im Wasser.

Die Donauquelle

Immerhin ein idyllischer Ort, vor allem das Gefühl, auf dem beginnenden Donauradweg eine seit Monaten geplante Fahrt anzutreten. Erst noch ein Stück durch den Park, ein Freibad, dann die Kläranlage. Eine weite Landschaft nimmt uns auf. Die Streckenabschnitte des Weges habe ich nun auf der Lenkertasche vor mir, jede Wegbiegung, jede Brücke und Flußschleife läßt sich vorhersagen. Erst überholen wir einen Vater, der seinen Sohn über den Donauradweg treibt oder umgekehrt. Dann die Gruppe der Beleibten, die wohl öfter eine Pause einlegen. Ein anderer Familienvater hat sich ein Tandem gebaut, wo der eine Sohnemann vorne sitzt, hinten hängt dann noch ein Anhänger mit weiterem Nachwuchs dran.

Vor Immendingen schaue ich die Donau scharf an, denn hier soll es die ersten Versickerungsstellen geben. Noch ist nichts zu sehen, wenig später kommt man an die offizielle Stelle, wo per Schautafel alles erklärt ist. Ich verfasse hier ja keinen Reiseführer, deshalb können die Einzelheiten nicht aufgeführt werden. Am geheimnisvollsten ist der Satz:

Der Durchfluß von Donau zu Aachtopf muß ein sehr umfangreiches und kompliziertes Höhlensystem bilden.

In dem ausliegenden Merkblatt begegnet uns wieder der Name des Höhlentauchers Jochen Hasemeyer, der hat vom Aachtopf aus einen Tauchvorstoß auf 250 m Länge unternommen. Bis zu den 12 km Gesamtdistanz (Luftlinie) fehlt da noch einiges.

Um nun etwas von der ganzen Herrlichkeit zu sehen, muß man auf einem schmalen Saumpfad am südlichen Uferhang entlangklettern. Ich habe mir wohl etwas falsche Vorstellungen von der Örtlichkeit gemacht, denn ich treibe Heidi mit dem bepackten Rad vor mir her, selber schlingernd und rutschend. Links gluckert die Donau, als wenn nichts wäre und weigert sich beharrlich, zu versinken. Mir schwant schon, daß durch die Regenfälle da nichts wird aus dem Versinken. So eine halbe Stunde sind wir wohl schon geturnt, der weitere Weg scheint nun steil hinauf zu führen.

Da kommt uns ein Radfahrerpärchen entgegen, natürlich ohne Rad, die Sturzhelme haben sie aber lieber aufgelassen. Die fragen uns, ob wir den Donauradweg verfehlt hätten. Und die Versickerung, ja die wäre hier überall, nur heute sei wohl zuviel Wasser da. Jetzt poltert Heidi los, das Ganze wäre ja wohl das letzte, immer diese Abkürzungen und Extratouren. Der andere Radfahrer blinzelt mir zu, als wenn irgendwo der Blitz eingeschlagen hätte. Ich sehe ja auch ein, daß man besser umkehrt. Das heißt natürlich, die ganze Strecke zurück zu turnen. Der Funkverkehr wird eingestellt.

Endlich wieder auf dem Rastplatz stellt sich neben den zerschundenen Waden als Schlimmstes heraus, daß Heidis Talismann, das ist so eine Art Baumel-Ente, die am Lenker hing, auch verschwunden ist. Wahrscheinlich hat die sich die Baumel-Ente (Wuschel) die Versickerungsstellen zu Nutze gemacht.

Heidi setzt sich sogleich wutschnaubend auf ihr Rad und braust los. Nun zieht auch noch ein Unwetter auf, vor dem wir herfahren müssen. Die Schönheit der Landschaft hat für uns erheblich an Bedeutung verloren. Ich bummele lieber hinterher und grüble über Sinn und Unsinn der Weiterfahrt und des Lebens überhaupt nach.

Bis Tuttlingen können wir uns noch vor dem Wetter retten, dann setzt der Regen ein. Unwirsch und wortkarg begeben wir uns auf die Quartiersuche. Hotel Stadt Tuttlingen scheidet aus, das ist nur was für Handlungsreisende und Kongresse. Wir landen im Hotel Ritter, das ist auch nicht ganz billig, aber heute ist sowieso alles egal. Angesichts des Zimmers hellt sich Heidis Miene etwas auf und ich wage allmählich, den Blick wieder ab und an vom Boden zu erheben.

Wenigstens finden wir ein schönes Restaurant, wenn auch nicht gerade ein schwäbisches: Restaurant Poseidon, Griechische Spezialitäten. Rinderleber und Calamaris, gratis Aperetif vor UND nach dem Essen, eine erstklassige Bedienung, da wollen wir mal alles andere wieder vergessen. (Mir macht das alles gar nicht so viel aus, denn ich habe ja meine Story...)

Außerdem kaufe ich Heidi bei Karstadt eine lila Klingel für's Rad, da ist dann alles schon fast wieder im Lot.

Dienstag, Tuttlingen - Zwiefaltendorf 100 km

Heute ist der Himmel blank geputzt und ein Zuckerstück des Donauradweges liegt vor uns. Gleich hinter Tuttlingen passiert man den sehenswerten Ort Mühlheim. Für uns bleibt er nur lesenswert, denn er liegt auf einem Berg, und da habe ich heute nicht den Hauch einer Chance, Heidi zu einem Zugeständnis für einen Abstecher zu bewegen. Also bleibt uns nur die Rast an einer Waldecke, wo ich erstmal die lila Klingel montiere. Das alte Exemplar gab bei hoppeligen Wegen beständig ein Dauerklingeln von sich und das nervt. Wie wir so bei der Arbeit sind, überholt uns der Einzelmann, also ist der auch noch nicht weiter gekommen.

Zwischen Fridingen und Beuron schließt sich der landschaftlich schönste Abschnitt der deutschen Donau an (Reiseführer). Das erkennt man an den Felsen, die überall aus den Bäumen schauen. Außerdem wird das Tal eng und gewunden. Und zum letzten merkt man es an der wachsenden Zahl von Radlern, die mit oder ohne Gepäck ihres Weges ziehen.

Wo die Felsen aus den Bäumen schauen

Am Kloster Beuron fällt es schon schwer, das Fahrrad abstellen zu können. Heute ist der katholische Feiertag Mariä Himmelfahrt. In der Klosterkirche findet deshalb wohl gerade eine Messe statt. Man kann nur durch den Eingang hineinschauen, bleibender Eindruck: alles Barock.

Nun treffen wir auch das Pärchen von der Versickerung wieder, er lacht herüber, ich grinse etwas säuerlich zurück.

Neben einer Bahnlinie geht es in dem weiterhin malerischen Tal weiter. Ich habe mein Kartenmaterial falsch sortiert und stelle erst kurz vor Sigmaringen fest, daß ich zwei Blätter vertauscht habe. So habe ich wohl die Burgen oben - und damit unerreichbar - über dem Donautal immer ganz falsch benannt. In Sigmaringen kann man auf dem Parkplatz vom Kaufhof erstmal die Stadtkulisse bewundern. Oben thront das Schloß mit der Barockkirche St. Johannes.

Sigmaringen

Darunter ist ein Platz, wo sich anscheinend alle Radler von dem so schönen Streckenabschnitt erholen. Neben unseren Rädern hat ein Tandem mit Anhänger geparkt, da bleiben die Leute stehen. Unsere Räder trotz Heidis neuer lila Klingel finden dagegen keine Beachtung. Wir genießen eine Gulaschsuppe und hören den umlaufenden Gesprächen mit Woher und Wohin zu. Blau, Lauter, Altmühl - das sind die Stichworte.

In Sigmaringen Dorf springt mir beim Schalten die Kette ab. Während ich das in Ordnung bringe, überholt uns schon wieder der Einzelmann. In Scheer fahren wir eine kleine Abkürzung, da haben wir den Einzelmann fast schon wieder eingeholt. Der legt sich nun aber ins Zeug und wir sehen ihn bald weit voraus.

Das Tal ist nun wieder breiter. In Mengen begibt sich Heidi in ein Tengelmann-Geschäft und kommt mit zwei Bananen und einer Gurke wieder heraus. Die werden auf einer Bank vor dem Bahnhof verzehrt.

Wir haben nun wieder weites Land um uns, leider auch einen kräftigen Wind gegen uns. Eine französische Familie radelt immer in Sichtweite, da wird auch gekämpft. Wir machen bald wieder eine Rast an einer Wiese. Da gibt es ordentlich was zu sehen. Zwei Mädchen auf einem Trecker mähen das Gras. Der Bauer fährt mit einer Wendemaschine und legt die Grasschwaden in säuberliche Reihen. "Guten Appetit" ruft er uns im Vorbeifahren zu. Eigentlich heißt das ja "An Guade" aber vielleicht kann der kein Schwäbisch oder denkt, wir können keins. Und nun - und so war es wirklich - schwebt ein Storch heran und stolziert durch das frisch gemähte Gras. Damit nicht genug, ein Graureiher gesellt sich auch noch dazu, streicht aber wenig später frustriert wieder ab. Sofern wir das Kauen nicht vergessen haben, machen wir uns frisch gestärkt an die Weiterfahrt.

Es tauchen die Giebel von Riedlingen auf, zu einer Ortsbesichtigung nehmen wir uns nicht die Zeit. Der Weg wird wieder sehr schön, im Zickzack auf asphaltierten Wegen durch die Wiesen. An einer Stelle wird die Donau auf einer Eisenbahnbrücke überquert. Da sieht man durch die Gitterroste die Baumwipfel unter seinen Füßen. Heidi will davon nichts wissen, sie fängt sonst an zu schlingern. Bemerkenswert ist dann noch eine Bahnunterführung, die wegen der niedrigen Durchfahrt eine gute Skalpiermaschine abgeben könnte.

Riedlingen Zwiefaltendorf

Wir stehen nun mit einer glatten 100 auf dem Tacho vor einer Wirtschaft in Zwiefaltendorf. Eigentlich wollten wir bis Rechtenstein, aber fragen kann man hier ja auch schon mal. In der Wirtsstube ist ein Betrieb wie in einem Bienenstock. Die Bedienungen rasen mit roten Köpfen hin und her. Ich will schon wieder rausgehen, da sieht mich der Wirt fragend an. Ich kann mich in dem Lärm kaum verständlich machen, fast kommentarlos kriege ich einen Schlüssel für das Gästehaus nebenan in die Hand gedrückt.

Wir finden ein riesiges Zimmer vor. Zum Fenster schaut der Kirchturm herein. Den zugehörigen Glockenschlag testen wir gleich aus, er ist aber gemäßigt und läßt sich ertragen. Nun schaue ich erstmal in den Radführer, wo wir da gelandet sind. Ich zitiere wieder:

... bietet sich der Braugasthof "Rössle" an.

Nicht nur des kühlen Bieres und der deftigen Brotzeit wegen, lohnt es sich, dieses Haus aufzusuchen, sondern auch wegen der eindrucksvollen Tropfsteinhöhle, die sich unter dem Gebäude verbirgt."

Da werde ich ja ganz kribbelig.

Vor dem Abendessen statten wir noch Kirche und Friedhof einen Besuch ab. Die Kirche ist frisch renoviert, das ist nicht so romantisch. Am Friedhof scheint ein Steinmetz gut zu verdienen, gewaltige Grabsteine wetteifern miteinander, wer der Größte ist.

In der Gaststube ist immer noch ein Gewimmel. Wir bekommen gerade so einen Platz, zusammen mit einer schwäbischen Familie. Die bestätigen uns, daß dieses Lokal ein Geheimtip sei. Dabei ist mein Essen gar nicht so gut, ein ziemlich faseriger Schweinebraten. Heidis Holzfällersteak ist besser. Ihr mißfallen nun wieder die Spätzle, die für mich als "Neigschmeckter" durchaus dazu gehören. Mit der Höhle, da kann man in diesem Trubel natürlich nichts erreichen, aber morgen ist auch noch ein Tag.

Heidi ruft nochmal zu Hause an, ob Annika uns ein Quartier im Moevenpick in Ulm besorgt hat, wir würden Mitarbeiterrabatt bekommen.

Mittwoch, Zwiefaltendorf - Ulm 55 km

Am Morgen entdecken wir in unserem Gästehaus einen Kühlschrank, der voller daselbst gebrauten Flaschenbieres ist, DM 1.50 pro Flasche. Wie hätte man sich da einen schönen Abend machen können, nun ist es zu spät.

Nach dem Frühstück nehme ich mir das Projekt Höhle vor. Der Wirt ist schon wieder durch allerlei Herumgewirtschafte leicht gestreßt. Also in die Höhle nur, wann's mehr Leut seids, sonst verlohne sich das nicht. Wir ziehen erstmal ab und packen unsere Sachen.

Ich gebe aber noch keine Ruhe und gehe einfach an einen Tisch mit so 7 Leuten. Ob Interesse an der Besichtigung der Tropfsteinhöhle unter dem Haus bestehe? Ja sowas, das wäre doch mal was - und schon sind wir komplett. Die Bedienung begleitet uns durch die Kellergewölbe mehrere Treppen hinab. Dann betreten wir den Höhlenraum. Die Sinterschichten sind rabenschwarz. Das käme von den Gasen, sagt die Bedienung. Ein paar Tropfsteine hängen noch rum, andere sind auch abgeschlagen. Am Ende der Höhle geht es noch weiter, aber da ist kein Licht mehr, und so kann auch der neugierigste Höhlenforscher wenig ausrichten. Die Größe der Höhle ist etwa die eines Abstellraumes.

Trotzdem bin ich absolut zufriedengestellt. Der Eindruck war zwar nicht so überwältigend, aber es ging ja auch um's Prinzip, das Ding zu Gesicht zu kriegen.

Nun geht es wieder ans Werk, heute haben wir nur eine Halbetappe bis Ulm geplant. Wir müssen gleich ordentlich klettern, d.h. schieben, und erreichen dann die Wallfahrtskirche Frauenberg vor Munderkingen. Wir sind die einzigen Besucher zu dieser frühen Morgenstunde, nur eine Polin, die wohl hier wohnt, hütet zeternd ihre Kinder.

Altar Wallfahrtskirche Frauenberg (falsch)

In Munderkingen geht es am Wasserturm vorbei, der steht natürlich an der höchsten Stelle. In Rottenacker überquert man die Donau an einem malerischen Flußwehr. Dann folgt das Rottenacker Ried, ein Naturschutzgebiet. Als wir uns gerade um den morgendlichen Kaffee erleichtern, überholt uns wieder der Einzelmann.

Malerisches Flußwehr

Die Reststrecke bis Ulm ist dann nicht so bemerkenswert, meistens geht es über die Felder. An einer Stelle gibt es Abwechslung, da spielt die Bundeswehr im Gelände. Einige müssen marschieren, mit schwerem Gepäck, was die da wohl drin haben? Andere lagern getarnt im Gebüsch, haben aber sonderbarerweise einen roten Luftballon gehißt. An einer Sammelstelle liegt einer schnarchend auf der Wiese. Am Waldrand steht ein Sani-Kraftwagen und die zugehörigen Kollegen äugen durch Ferngläser zu uns herüber. Wir winken und die winken zurück. Vor uns huscht der Einzelmann im Zickzack durch die Frontlinien.

Vor Ulm wendet sich der Weg von der Donau ab, führt erst auf einer Dammallee weiter, doch dann durch ein Industriegebiet. Wenn man das geschafft hat, darf man wieder an die Donau, wo es wie gewohnt ruhig dahin geht.

Bald darf man wieder staunen: beim Zufluß der Iller verdoppelt sich die Wassermenge, fast erscheint die Iller der größere Fluß zu sein. Um den Spruch nicht zu vergessen, den jeder kennt, der hier aber auch nicht fehlen soll:

Iller, Lech, Isar, Inn -
fließen zu der Donau hin,
Altmühl, Naab und Regen -
fließen ihr entgegen.

Das Wasser der bisherigen Donau ist dunkel, weil wohl mehr von Moorelementen bestimmt, das der Iller dagegen weiß milchig wegen des Kalkgehaltes aus den Alpen. Die beiden verschiedenen Farben im Wasser kann man noch eine ganze Weile bis hinter Ulm verfolgen.

Wir wechseln wieder die Uferseite Richtung Neu-Ulm, wo sich das Moevenpick befinden soll. Ganz unversehens stehen wir genau davor, denn es liegt direkt an der Uferpromenade. Ob für uns eine Reservierung vorliegt, wissen wir immer noch nicht mit Bestimmtheit. Die Rezeption ist schwer zu finden, weil alles im Umbau ist. Schließlich aber stehe ich vor dem alles entscheidenden Computerterminal: jawoll, Ehepaar Wittram, Mitarbeiter-Rabatt. Das bedeutet für uns schmuddelige Radfahrer ein Komfortzimmer für DM 50.-.

Aber noch sind die Zimmer nicht fertig, wir stellen das Gepäck ab und machen eine Vorabbesichtigung der Ulmer Innenstadt. Fischerviertel und Münster sind obligatorisch. Dann geht es zur Post, um Geld nachzuholen. Ich fülle das Formular mal wieder nicht richtig aus, ob ich 500 Tausend DM abheben wolle, lacht Heidi mich aus. Na, ja, man kann sich ja mal vertuen.

Irgendwas müssen wir essen zwischendurch. Ich suche immer nach einer "Roten Wurst" vomm Grill, mit den Worten "a Rode" muß man die bestellen. Aber zwischen Mac Donalds und Nordsee ist da nichts zu machen. So bleibt es bei einem Matjes. Dann holen wir uns bei Hertie noch ein paar Bier für die Minibar, damit der Abend billiger wird. Heidi kauft bei Woolworth einen Kamm vom Grabbeltisch.

Wieder im Hotel können wir dann unser Zimmer beziehen, das ist wirklich nicht schlecht. Die Beleuchtung im Badezimmer ist etwas seltsam, eine rot strahlende Deckenlampe. Wir finden aber dann auch noch den Schalter für normales Licht. Eine wohlgefüllte Minibar gibt es natürlich, aber alles zu saftigen Preisen. Ich räume gleich den Champagner raus und das Bier von Hertie rein.

Etwas enttäuschend ist das mit dem Fernsehen, das sind nur 9 Programme. Dann entdecke ich vier weitere Tasten, mit denen man sich womöglich weiter zappen kann. 36 Programm, rechne ich vor. Unten auf dem Bildschirm erscheint etwas von "Pay TV", dem muß man ja nicht allzuviel Beachtung schenken. Außerdem spielt sich da gerade eine recht spannende aber alles andere als jugendfreie Szene ab.

Nachdem das mit der Szene sein natürliches Ende gefunden hat, schaue ich mir erstmal genauer das Kleingedruckte an. Mit "Pay TV" kann man auf 4 Kanälen unbegrenzt Videos gucken, nur kostet das nach Ablauf einer Probierminute DM 18.90. Die Akteure der oben erwähnten Szene haben leider länger als eine Minute für ihre Aktion benötigt, also haben wir nun den Schlamassel.

Bevor wir uns zum Abendessen aufmachen, müssen noch die Räder versorgt werden. Eine Hotelangestellte geht uns zur Hand und versucht, die Räder in einen Lastenaufzug zu quetschen. Zum Glück kommt der Geschäftsführer gerade des Weges und interveniert. "Das überleben weder die Räder noch der Aufzug". Damit mag er der Wahrheit durchaus nahe kommen. Die Räder werden dann zu Fuß um den Bau herum zum Technikraum gebracht.

Als Freunde einer landesüblichen Verköstigung suchen wir nun das Restaurant "Shanghai" direkt am Donauufer auf. Wir setzen uns an Tisch Nr. 34 und wählen die Gerichte Nr. 72 und Nr. 73. Vorab gibt es einen Reiswein gratis. Zwischendurch erscheint auch mal der Chef und wundert sich, daß wir uns beidhändig der scharfen Nachwürzung widmen. Zur Erholung schauen wir dann aber einer Schwanenfamilie zu, die ihre Last mit der starken Strömung hat. Ein paar Ruderern geht es auch nicht besser.

Über den Rest des Abends schweige ich mich aus, wir haben ja Mini-Bar und Pay-TV. Ich glaube aber, den historischen ersten Lauf unter 9 Minuten über 3000 m Hindernis in Zürich, den habe ich noch mitbekommen.

Donnerstag, Ulm - Donauwörth, 100 km

Das Frühstück im Moevenpick-Restaurant, das wir uns für DM 21.- pro Nase gönnen, ist überaus enttäuschend. Dann an der Rezeption: Telefon? Nein! Minibar? Auch nein! Ich löhne dann ordnungsgemäß DM 68.90, dem "Big Brother" ist das doch nicht entgangen.

Bald gehört unser Dolce Vita der Vergangenheit an, als wir uns über eine steile Böschung quälen, nachdem wir bei der Ausfahrt von Ulm wieder mal die richtige Abzweigung verpaßt haben. Dann geht es durch Wälder, danach kommt Wald, und dann wieder Wälder. Aber alles autofrei und windgeschützt. Auffällig ist ein dichter Binsenbewuchs, der stellenweise den Waldboden bedeckt.

Die Binsen im Wald

Eine willkommene Abwechslung bietet dann die schöne Kulisse von Günzburg. Dorthin muß man einen Abstecher über die Brücke machen und dann in die Ortsmitte hinaufschieben. Heidi übernimmt den Einkauf von Bananen, Weintrauben und Cola. Um die ortsansässige Gastronomie nicht unnötig zu mästen, verzichten wir auf eine Einkehr und begnügen uns mit einer schönen Bank. Mehrere andere Radtourer schieben hin und her, da gibt es genug zu sehen.

Bild 1 Günzburg

Die Weiterfahrt ist nun weniger angenehm. Über freies Feld bei festem Gegenwind. Vorbei an einer riesigen Fabrik bei Gundelfingen, auf der Hauptverkehrsstraße durch Lauingen. Hinein nach Dillingen, wo wieder eine historische Altstadt auf uns wartet. Universität, Bischöfe und Sebastian Kneipp haben diesen Ort geprägt. Heute prägt ihn der ungehinderte Straßenverkehr und wir sind einigermaßen sauer. In einer Imbißbude finden wir erstmals die langgesuchte "Rote Wurst".

Dillingen

Es folgt eine Strecke, die sich als die unangenehmste der ganzen Tour erweist. Das liegt hauptsächlich an dem stärker werdenden Gegenwind, aber auch an den schnurgeraden Straßen, die viel mehr Ermüdung verursachen als holperige Waldwege. Es handelt sich so um 20 km, die wirklich Quälerei sind. Hier gibt es lauter verstreute Gehöfte, deren Name immer mit "schwaige" endet. In unseren Unterlagen läßt sich nicht nachlesen, was es damit auf sich hat.

Irgendwann klimpert da mal was in den Speichen meines Rades, das wird wohl ein Stein gewesen sein. Wenig später aber muß ich feststellen, daß die Aufhängung einer Sattelfeder gebrochen ist und da haben sich ein paar Unterlegscheiben in der Gegend zwischen Untere und Obere Hoserschwaige selbständig gemacht.

Als wir Donauwörth erreichen, sind wir ziemlich fertig. Die Touristeninformation hat vor zwei Minuten zu gemacht. Man öffnet aber die Tür nochmal, als ich meine Nase daran plattdrücke. Wir bekommen ein Quartierverzeichnis, es sei aber ziemlich voll, keine Privatquartiere mehr frei. Das nächste Hotel im Ortskern signalisiert schon am Eingang: "Zimmer belegt". Wir stellen uns vor einer Telefonzelle auf, um die Quartierliste abzuarbeiten. In der Zelle steht aber ein Individuum und geht einer undefinierbaren Tätigkeit nach. Jedenfalls hat er die Telefonkarte in der Hand. Oben auf dem Telefonapparat steht ein Flachmann. Ab und zu blättert er ziellos im Telefonbuch. Heidi - wie das ihre Art ist - wird das bald zu bunt. "Wir haben ein wichtiges Gespräch!" faucht sie durch die Tür. Da dreht sich der Mann nur kurz um und zieht wortlos und mit rüder Gewalt die Tür wieder zu. Da wird es uns unheimlich.

In der Erwartung, noch weitere Telefonzellen vorzufinden, rollen wir um ein paar Straßenecken und landen unversehens am Bahnhof. Da ist auch eine Zelle, ja und - ist es denn zu fassen, da steht dieser komische Mann schon wieder drin!! Wenn wir nicht zu zweit dieselbe Wahrnehmung machen würden, würde man ja glauben, man spinnt. Uns wird es noch unheimlicher.

Es gibt aber auch eine Behindertenzelle, die ist frei. Ein einziger Anruf genügt, und wir haben ein Privatquartier. Man beschreibt uns den Weg, außerdem haben wir ja den Ortsplan, "in 15 Minuten sind wir da" melde ich uns an.

Was nun folgt, kann ich nicht in allen Einzelheiten beschreiben. Wir wollen jedenfalls zur Pension Haus Gertrud in der Johannes Traber Straße. Auf Nachfragen bei verschiedenen Passanten läßt sich keine derartige Straße identifizieren, im Stadtplan ist sie zwar aufgeführt, aber im Planquadrat D4 nicht abgedruckt. "I schaff hier nur" sagt eine, ein anderer fuchtelt erfolglos mit einem riesigen Schraubenschlüssel im Planquadrat D4 herum. Endlich sagt man uns im Gasthaus Traube, wo es lang geht. Nach einer Stunde erreichen wir endlich die schöne Pension, wo wir gastfreundlich empfangen werden.

Ich schaue mir nun - nach der Aufregung - den Stadtplan nochmal genauer an. Die Pension Haus Gertrud hat die Kennziffer 12. Da, wo der Name Johannes Traber Straße stehen sollte, ist eine blau umrandete 12 übergedruckt. Und das Tollste ist, vor uns hat schon jemand in dem Stadtplan den Weg von der Touristeninformation zu unserer Pension mit Kugelschreiber aufgemalt. Jetzt bin ich ernsthaft böse mit mir!

Donauwörth

Da wir Donauwörth nun schon ganz gut kennen, brauchen wir nicht soviel herumzustreifen und finden uns bald in einem Gasthaus ein. Der Ober ist neu hier, denn er fragt uns, ob wir auch mit dem Rad unterwegs seien. Also das habe er ja noch nie erlebt, so viele Radfahrer. Wir berichten von der etwas irreführenden Quartierauskunft im Touristenbüro. Das hat Folgen.

Heidi ist gerade auf der Toilette, da nähert sich mühsam durch die Stuhlreihen und um die Tische rum eine Matrone, das ist die Chefin. Bei ihrer nuschelnden Aussprache kommen einem sogleich gewisse Bedenken. Sie will nun genau wissen, was da mit der Quartierauskunft passiert sei, hier stehe nämlich noch das halbe Haus leer. Als Heidi wieder da ist, setzt sie sich erstmal und weiht uns in die Probleme der Gastronomie und die Grundzüge der Donauwörther Kommunalpolitik ein.

Als sie wieder von dannen schiebt, atmen wir echt auf. Die Nachfrage in unserer Pension am nächsten Morgen ergibt, daß unsere gewissen Bedenken berechtigt waren.

Freitag, Donauwörth - Vohburg, 83 km

Auf meinem Sattel kann ich noch ganz gut fahren, deshalb hat es noch Zeit mit einer regulierenden Maßnahme. Der heutige Morgen beginnt sportlich in Gestalt einiger Anstiege. Das nennt man dann "Radwandern". In Leitheim wird die Mühe durch den Anblick eines kleinen Schlosses belohnt, die Aussicht von dort oben geht im wesentlichen ins Grüne, auf die Auwälder von Donau und Lech, der sich hier der Donau hinzugesellt. Ein Ort heißt dann auch "Lechsend", obwohl der auf der falschen Seite liegt und vom Lech hier herzlich wenig zu sehen ist.

Bild 1 Landschaftsbilder

Wenig später lagern wir in Stepperg schon wieder an einem Schloß. Das ist auch gut so, denn es folgt ein längerer Anstieg, den wir mit gleichfalls ächzenden Tagesradlern hinaufschieben. Oben angekommen, sitzen wir sogleich auf, während die Tagesradler sich erst zum gemeinsamen Abschwitzpalaver sammeln müssen. Durch ein liebliches Wiesental mit Steilufer erreichen wir Neuburg.

Neuburg gliedert sich in zwei Stadtteile, wir geraten, den baulichen Schönheiten folgend, in die Oberstadt, wo sich Residenzschloß, Rathaus und Kirche befinden. Einen Obst- oder Würstchenstand finden wir aber nicht. Das gibt es alles in der Unterstadt, die mehr konsumfreundlich orientiert ist. Jetzt in der Mittagszeit ist die Stadt wie ausgestorben, auch das einzige Fahrradgeschäft hat geschlossen. Wir dösen auch ein wenig in der Sonne.

Nach den gestrigen Erfahrungen bei der Quartiersuche beschließen wir heute, auf Nummer Sicher zu gehen. Ein Anruf in Vohrburg hinter Ingolstadt, und die Sache ist erledigt. Der Telefonautomat ist sehr aufmerksam und macht mich beim Rausgehen durch vernehmliches Quieken auf die noch einsteckende Telefonkarte aufmerksam.

Weiter geht es "lang englisch". Englisch, weil am Englischen Garten von Neuburg längs, lang, weil etwa 8 km schnurgeradeaus. Das war wohl mal die Promenade zwischen Residenzschloß und Jagdschloß Grünau. Wir hatten bisher noch nicht herausgefunden, welches Bauwerk den Titel unseres Esterbauer-Radführers ziert, jetzt wissen wir es. Nur gucken wir von einer anderen Ecke auf das Jagdschloß, da macht alles einen seitenverkehrten Eindruck. Wir überlegen, ob das Foto oder das Schloß selbst seitenverkehrt ist, nach genauerer Inspektion stellt sich aber heraus: weder noch.

Residenzschloß Neuburg
Jagschloß Grünau

Über eine Allee, Felder, durch den Wald und dann immer an einem Bahndamm lang erreicht man Ingolstadt durch ein Stadttor.

Stadttor in Ingolstadt

Gleich rechts ein großer Fahrradladen. Nun muß gehandelt werden.

"Never change a winning team", diese alte Sportweisheit muß nun über Bord geworfen werden. Mein alter Sattel hat meine Sitzfläche über eine fünfstellige Zahl von Kilometern geprägt und umgekehrt. Der Angestellte des Radladens aber bestätigt, daß da auf die Schnelle keine Reparatur möglich sei. Ich entscheide mich für einen nagelneuen Sattel gleichen Fabrikats (Brooks Conquest, Naturleder). Der wird gleich montiert und ich fahre 10 m Probe. Die reichen völlig aus um festzustellen, daß man einer ungewissen Zukunft entgegenradeln wird.

Die sieben Schwaben an einem Hausgiebel

Erstmal schieben wir durch die Innenstadt, machen ein paar Besorgungen, Heidi kauft sich Sandalen (bei Woolworth). Dann lassen wir uns in einem Straßencafe nieder. Bei der Weiterfahrt der spannende Moment, wie wird man sitzen. Der Sattel fühlt sich an wie ein Stück Holz, von einer Federung ist so gut wie nichts zu merken. Es geht eben dahin auf dem "Dammweg", dieser Name erscheint ganz passend für die derzeitige Situation zu sein. Bei Großmehring können wir auf Nachfrage einen großen Umweg um das Kraftwerksgelände vermeiden, weil man einen Durchschlupf an der Donau gelassen hat. Immer geradeaus weiter, irgendwann erscheinen die Türme von Vohburg über den Baumwipfeln. Ich kann mein qualmendes Hinterteil entlasten und weiß, für heute nie wieder sitzen!

Waren wir nun im Gasthof Stöttner-Bräu oder im Seefelder Hof, das kriege ich gar nicht mehr zusammen. Für den Preis ist das Zimmer jedenfalls ein wenig mickrig.

Der Ort ist recht niedlich, am besten steigt man auch hinauf zu der Schloßanlage, das ist z.Zt eine große Baustelle. Auf dem Friedhof an der Schloßkirche sind die Entleibten per Foto aus Lebzeiten auf ihren Grabsteinen abgebildet. In einem Grab ruht eine Jungfrau, 1893 - 1906. Vor den Gräbern sind kleine Behälter mit Weihwasser, darin Miniaturausgaben von Klobürsten zum Versprengen. Heidi kann mich nur mit Mühe von der Aneignung eines solchen Souvernirs abhalten. Auf dem Dach eines Schloßgebäudes sitzt ein Storch, als ob der dafür bezahlt würde.

Samstag, Vohburg - Wörth, 95 km

Heute wird uns wieder eine interessante Etappe erwarten wie man sehen wird. Hinter Bad Gögging machen wir vor einer Kirche die erste Rast. Dann geht es durch Hopfenfelder, die durch die hochgebundenen Hopfenpflanzen ein eigenartiges Aussehen haben.

Hopfenfelder

Nochmal über eine Anhöhe, dann in sausender Fahrt wieder hinab zur Donau, wo große Parkplätze bereits die Nähe von Kloster Weltenburg ankündigen. Am Kloster lassen wir die Räder draußen - hier wird ja wohl nicht geklaut - und betreten die Klosterkirche. Wieder alles Barock. Im Vorraum sammelt sich gerade eine Gruppe zu einer Führung, ein schwarzbekittelter Mönch tritt hinzu. Wir auch. Der Mönch eröffnet, daß nicht viel Zeit sei, weil bald eine Hochzeit stattfinde. Dann fängt er mit seinen Ausführungen an, wir wollen aber nicht dumm auffallen und begeben uns wieder zu den Rädern, die tatsächlich nicht geklaut sind.

Kloster Kelheim

Wir schieben zum Schiffsanleger. Das Schiff, das gerade abfahrbereit ist, nimmt keine Radfahrer mehr mit, es ist auch das erste an diesem Morgen.

Jetzt muß man erstmal die Situation erklären. Das Tal wird hier so eng, daß auch kein Radweg mehr zwischen Wasser und Felsen paßt. Daher muß man auf das Schiff umsteigen und bis Kelheim fahren, eine nicht unwillkommene Abwechslung. Bis zum nächsten Schiff müssen wir nur eine halbe Stunde warten, bald kommt es auch schon vollbeladen um die Ecke. Als erste steigt eine Art Hostess aus, die steht dann an dem Laufsteg und weist jeden Teilnehmer einer amerikanischen Reisegruppe auf die Abfahrt in einer Stunde hin: "See you at ten thirty at this place". Die meisten verstehen das wohl auch. Was man sonst so zu sehen kriegt an Mode, Hüten, Brillen und Make-up kann man gar nicht beschreiben. Als die letzten das Schiff verlassen haben, schieben wir die Räder hinauf und machen es uns gemütlich.

Die ''Lange Wand''

Es gleiten nun die steilen Felsabbrüche des Donaudurchbruchs an einem vorüber. Lange Wand, Peter und Paul Felsen, der Hohlenstein und Klösterl, eine ehemalige Eremitage. Bald schon erscheint hoch oben über Kelheim die Befreiungshalle, über deren Bewandnis wir uns mit der Information aus dem Reiseführer begnügen. Es ist ganz praktisch, daß wir zwei verschiedene Büchlein dabeihaben, eines ist Heidis, das andere meines. Wir wetteifern ein wenig, welches die besseren Informationen enthält. Vor uns sitzt ein weiteres amerikanisches Ehepaar, da werden die Filme wohl meterweise verknipst. Manchmal nur schräg hinunter auf die Wasseroberfläche, wo vielleicht eine Ente dümpelt.

In Kelheim ist die 20 minütige Fahrt zu Ende und wir vertrauen uns wieder dem Radweg an. Es treffen sich hier der Altmühl-Radweg, die Tour de Baroque und natürlich unser Donauweg. Leider geht es bald nur auf der Landstraße weiter, außerdem über einen Berg. Die Donau ist stark kanalisiert, ab hier herrscht auch Schiffsverkehr vom Rhein-Main-Donaukanal her, dem umstrittenen Jahrhundertbauwerk.

Dann wird das Tal wieder enger und gewunden. Durch die Flußbiegung hinter Kalkofen genießen wir für ein kurzes Stück sogar Rückenwind, wie schön könnte das sein. Einmal machen wir eine Rast und knabbern Maiskolben von einem Feld. Heidi entdeckt zwei Störche am Gegenhang. Bei der Weiterfahrt entpuppen sich diese aber als Golfspieler.

Kurz vor Regensburg mündet die Naab, dann sieht man auch schon den Dom vor sich. In Regensburg ist ordentlich was los, Touristen und Radfahrer in Mengen. Ich suche erstmal die Info wegen eines Stadtplans auf. Auf dem Weg dorthin komme ich an einem friedlich schlummernden Penner vorbei. Sein Schlafmittel in Gestalt einer leeren Flasche steht neben ihm.

Den Dom besuchen wir umschichtig, Heidi ist nach fünf Minuten wieder da, ich nach drei. Dann interessiert uns mehr ein türkischer Gemüseladen und wir hocken uns auf eine Treppe. Immerhin können wir zwei berittene Rittergestalten beobachten, die mit gezückten Lanzen aufeinander losgehen. Es finden wohl irgenwelche Ritterspiele statt, für die auf diese Weise geworben wird.

An der "Steinernen Brücke" befindet sich ein historischer Würstchengrill, das lassen wir uns dann doch nicht entgehen. Allerdings darf man für die Würstel im Sechserpack auf Sauerkraut ordentlich löhnen. An dieser Brücke war wohl mal der berühmte Strudel, mir kommt der Refrain in den Sinn:

...Schiffsmann, sag's mir ähr-hährlich,
ist's denn so gefähr-hährlich...

Das ist es wohl nicht, denn eine Meute Kanufahrer tummelt sich um die Brückenpfeiler herum. Von einem vorbeifahrenden Ausflugsschiff vernehmen wir die Kunde, daß durch das Aufstauen der Donau das Gefälle an dieser Stelle entschärft wurde.

Wir sind froh, uns wieder auf dem ruhigeren Radweg wiederzufinden. Ein paar Ortschaften weiter thront sie dann direkt über uns, die Walhalla. Dort hinaufzuklettern ist wiederum nicht unser Ding.

Die Walhalla

Wir machen noch etwas Strecke, fahren aber nicht nach Bach, wo wir das Nachtquartier eingeplant haben, sondern gelangen noch bis Wörth. Das ist schon von weitem durch seine malerische hochgelegene Burg auszumachen. Ich habe hier einen Tip von meinem Kollegen Bernd Sch., der vor ein paar Wochen mit seiner Truppe hier in einem Lokal mit Metzgerei übernachtet hat. Es handelt sich um das Gasthaus Butz. Da findet heute eine Hochzeit statt. Wir können gerade der Blasmusik und den hinterherziehenden Hochzeitern ausweichen. Platz ist aber genug in einem der Gästehäuser.

Die Burg von Wörth

Die Qualität des Gasthauses erkennt man deutlich am Hüftumfang der Kellnerin. Auch wir lassen uns es gut schmecken. Dieses Lokal ist mehr als Zwischenstop für Reisende der nahen Autobahn gedacht, aber auch Radfahrer finden sich noch genug.

Bei dem Rundgang finden wir auch das mir ebenfalls empfohlene Fachgeschäft für O....-Taschen (ich lasse den Namen mal weg, denn ich habe keinen Werbevertrag). Da das Geschäft natürlich am Wochenende geschlossen ist, können wir nichts erwerben, ein Paar lila Taschen für Heidis Rad wären nicht schlecht gewesen. Wir müssen uns mit den ausliegenden Prospekten begnügen.

Sonntag, Wörth - Vilshofen, 105 km

Das Frühstück bleibt dann doch etwas hinter den Erwartungen angesichts der angeschlossenen Schlachterei zurück. In dem nun sehr weiten Tal kommen wir gut voran, zur Linken lassen sich die Ausläufer des Bayrischen Waldes zwischen den tief hängenden Wolken nur erahnen.

An einer durch Flußbegradigung regulierten Donauschlinge erreichen wir Straubing. Hier herrscht ein erstaunliches Gewimmel. Autokolonnen wälzen sich irgendwelchen Parkplätzen zu, die bereits zu Fuß gehenden fallen durch bayrischen Habitus ins Auge, wie z.B. Lederhosen, Hosenträger oder Gamsbart. Bald schon erblicken wir ein Riesenrad und das zugehörige Festgelände. Es findet das Gaubodenfest statt, das nach dem Oktoberfest in München zweitgrößte bayrische Spektakel. Einen herumsitzenden Parkwächter fragen wir, ob vielleicht auch ein Festumzug stattfinden würde. Dem ist aber nicht so, wir begeben uns in die eher ruhige Ortsmitte.

Wir lassen die Straubinger Szene eine Weile auf uns wirken und machen uns dann durch die Uferauen wieder davon. Das mit dem Gaubodenfest werden wir auf andere Art am Abend nachholen, aber vorerst noch Geduld! Wir wissen es natürlich selbst noch nicht.

In Bogen sitzen wir dann wieder auf einer Banke, dann noch weiter bis Deggendorf. Dieser Ort versteht sich als Tor zum Bayrischen Wald, von dem wir weiter wenig zu sehen bekommen. Der Ort ist auch nicht so berauschend, die Kirche kann man wegen Einsturzgefahr der Gewölbe nicht besichtigen.

Wir erreichen Niederalteich, dort wartet eine Fähre auf uns. Das ist so völlig richtig ausgedrückt, denn sie kommt extra vom anderen Ufer herüber, um uns zwei für DM 5.- überzusetzen. Vorher können wir gerade noch der Schautafel entnehmen, daß das Kloster Niederalteich ein steingewordenes Zwiegespräch verkörpert.

Radlerfähre p> Leider wird die Strecke nun doch etwas langweilig, sodaß wir uns bei Winzer wieder über die Brücke zurück auf das Nordufer begeben, wo wir allerdings den Rest der heutigen Strecke auf der Landstraße zurücklegen. Vor Vilshofen wird es wieder ganz hübsch, an einem Baum entdecken wir den Hinweis auf die Pension Wagner, Kapuzinerstraße.

Vilshofen

Diese ist bald gefunden, zwischen drei Zimmern unterschiedlichen Charakters kann ich mich nicht entscheiden. Das macht dann Heidi und wir beziehen einen riesigen Raum mit einer Duschkabine. In dieser muß das Wasser mit einer Pumpe abgesaugt werden, aber das kriegen wir auch noch hin. Das Gebäude ist eine ehemalige Brauereiwirtschaft, heute dürfen hier die Radfahrer logieren.

Vilshofen ist bekannt durch das Aschermittwochsspektakel der CSU, der Franz Josef - seelig - hat hier manche große(?) Rede geschwungen. Wir Preußen haben ja leicht Vorurteile, bei den Niederbayern mag das nicht besser sein. So warne ich Heidi, daß man in jeder Wirtschaft erstmal einen auf die Gosch'n kriegt, wenn man als Preuß' erkannt wird. Daß dem nicht so ist, werden wir noch sehen.

Wir vertrauen uns trotz der Unkerei dem bayrischsten Restaurant an, das wir finden können (Gasthof Höltl). Heidi ordert einen Grillteller, das ist dann eine Pyramide aus Braten und Würstel auf Kraut. Ich vergnüge mich an einer Knoblauchforelle. Vielleicht hätte ich aber doch die komplette Knoblauchfüllung nicht verzehren sollen...

Da das Bier uns etwas dünn vorkommt und der Flüssigkeitspegel nach einem langen Radtag nur allmählich wieder aufzufüllen ist, suchen wir noch ein anderes Lokal auf. Das heißt "Münchener Hof". Nur ein paar Gestalten sitzen da noch herum, wir fragen lieber erstmal, ob man da noch zwei Bier trinken könnte. "Da setzt's euch fei nur hier her" tönt es von dem Tisch mit den Gestalten. Was soll man machen, einen an die Gosch'n kriegen oder was? Wir rücken auf die Bank, wo uns verschwollene Augen beäugen. "Mir san übrig bliem von an Fescht im Wold". Haupt der Korona ist ein kahlköpfiger Machotyp mit gezwirbeltem Bart. Das mit dem Macho nehme ich nach dem ersten Obstler sogleich zurück. Der wird allerdings ohne unsere Beteiligung ausgeknobelt.

Dann machen wir uns ein wenig bekannt. Meine mitgeführte Lenkertasche verrät uns sowieso gleich. Bloß da sind alle Wertsachen drin und ich versuche, sie gut zu hüten. Das ist nicht nötig, bald sind wir ein Herz und eine Seele. Man bringt Heidi erstmal das Knobeln bei, "Chicago" heißt das, und mit "Fischsch!!" wird jeder Wurf beschworen. Heidi verliert NICHT, vielleicht haben unsere neuen Freunde auch nachgeholfen. Jedenfalls kommt eine neue Runde Obstler. Einer am Tisch muß sich verabschieden, der ist fertig.

Wir machen uns bekannt, das habe ich schon geschrieben. Also das Haupt, den nennt man "Schudi". Dann ist da noch "Zoddel"( wegen seiner langen Haare) und Fredi, der Wirt, der hat Abitur und alle lachen sich kaputt. Ein weiterer hat Familienprobleme, schon ist Heidi in ein tiefes Gespräch verwickelt. Ein anderer muß morgen im städtischen Dienst anfangen, der sei Ingenieur und ende nun im öffentlichen Dienst...! Der Schudi ist gut drauf, Tauchlehrer und selbständig mit einem Planungsbüro.

Dem Wirt ist der Obstler ausgegangen, zwei Fernet Branca werden noch ausgeknobelt, inzwischen haben wir auch die Adressen ausgetauscht. Da ich verspreche, unseren Freunden diesen Bericht zukommen zu lassen, bitte ich diese um Entschuldigung, wenn ich die Sachverhalte nicht in allen Punkten ganz korrekt wiedergegeben habe. Aber auch mein Erinnerungsvermögen ist nach diesem denkwürdigen Abend etwas vernebelt.

Wir seien jedenfalls für alle Zeiten in Vilshofen gern gesehene Gäste, das müssen wir uns merken.

Nicht mehr ganz nüchtern stehen wir dann irgenwann wieder vor den Toren unserer Pension. Mit dem großen Schlüssel kommen wir nicht zurecht. Auch an der Hintertür paßt er nicht. Als ob ein Schlüssel von innen steckt, so fühlt sich das an. Auch Heidi versucht ihr technisches Geschick ohne Erfolg. Statt im Vorgarten zu nächtigen, drücken wir doch lieber auf die Klingel. Der Hausherr muß aus dem Bett und uns die Tür aufmachen, wir schämen uns. Leicht schwankend wanken wir das geräumige Treppenhaus hinauf, finden unser Zimmer und versinken in niederbayrische Träume.

Montag, Vilshofen - Passau - Obernberg, 55 km

Draußen rauscht es, das ist nicht die nahe Bahnlinie, sondern der Regen. Und der Kopf, der ist auch nicht so ganz klar. Da läßt man sich Zeit. Nach dem Frühstück haue ich mich erstmal wieder hin. Heidi hält auf Abstand - der Knoblauch! Aus dem Fenster kann man beobachten, wie die Autos die Regenpfützen zerspritzen, die bald wieder aufgefüllt sind. Wir streunen ein wenig im Haus herum und finden uns in der Küche wieder. Hoffentlich verpeste ich sie nicht zu sehr mit meinem Knoblauch und anderem Dunst. Wir diskutieren den gestrigen Abend. "Ja der Schudi, woher kennt's denn den?"

Der Schudi hat auch ausgeplaudert, daß sich unter dem Haus ein geheimnisvolles Weinkellergewölbe verberge. Der Hausherr angelt nach einem riesigen Schlüssel und führt uns hinunter. Das ist dann ein eher nüchterner Raum, weiß ausgekalkt, keine Weinfässer, sondern Flaschenweine werden hier gelagert. Mit Ventilatoren wird für die klimagerechte Belüftung gesorgt.

Nachdem wir das nun auch gesehen haben und der Regen immer noch nicht nachläßt, brechen wir auf unter unseren Regenumhängen. Vor einer Buchhandlung treffen wir Leidensgenossen. Die verraten uns, daß um 11 Uhr ein Schiff nach Passau fährt. Das ist das Stichwort, die Strecke nach Passau besteht ab hier ohnehin weniger aus Radweg als aus Landstraße. Über eine Treppe und einen matschigen Weg arbeiten wir uns zu der Anlegestelle vor. Wir sind die ersten vor Ort, aber bald sind so an die fünfzehn Radfahrer beisammen, die unter ihren Regenumhängen ein eher trauriges Bild abgeben. Wie begossene Pudel!

Das Schiff hat eine Viertelstunde Verspätung, erscheint dann aber doch noch. Die Räder müssen eine steile Rampe hinaufgeschoben werden, finden aber alle Platz. Wir haben das modernste Fahrgastschiff auf der Donau erwischt, die "Deggendorf", erst seit vier Wochen in Betrieb. Es kann auf dem "Teller drehen" und in der Kommandokabine befindet sich sogar ein Fernsehschirm.

Kurz vor Passau muß dann in einer Schleuse ein Höhenunterschied von 9 Metern ausgeglichen werden. Wir fahren zwischen zwei Schleusentore und sinken dann. Bald ist die zweistündige Fahrt vorbei, wir stehen nun in Passau und reiben uns die Augen. Eigentlich ist die Fahrt ja nun zuende, der Urlaub aber noch nicht.

Endstation Passau

Ich hatte vorher immer schon etwas von Salzburg geunkt, das wird nun als nächstes Ziel anvisiert. Dafür gibt es den Inntal- und Salzachtal-Radweg, das zugehörige Büchlein (Esterbauer) habe ich schon in Vilshofen erworben.

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