Es geht auf die letzte Etappe Richtung Wien. Hier ist die Landschaft entlang der aufgestauten Donau vergleichsweise langweilig. Bald beginnt es erst leise, dann stärker und anhaltend zu regnen. Wir sind auf freier Strecke und müssen da durch. Bei Traismauer passieren wir die Ruine eines Atomkraftwerks, das den Umtrieben von umweltbewußten Bürgern zum Opfer gefallen ist. Hier können wir uns ein wenig in katakombenartigen Räumen unter einer auf Stelzen gebauten Werkshalle unterstellen. Man tauscht einige klatschnasse gegen nasse Kleidungsstücke aus. Um nicht zu frieren, fahren wir dann bald weiter. Es regnet und regnet, monoton tritt man in die Pedale und fragt nach dem Sinn des Lebens, speziell des Radfahrens. Die Zeit vergeht nur träge, die Strecke dehnt sich in die Länge.
Gegen Mittag sind wir in Tulln, klatschnaß, verfroren und hungrig. Wir kaufen irgendwas ein, essen aus der Tüte, legen uns einigermaßen trocken und genießen einen heißen Kaffee. Endlich hört der Regen auf, noch 20 km bis Klosterneuburg. Diese Strecke ist wieder etwas schöner, nur läßt uns der Regen immer noch nicht in Ruhe. Gegen 14 Uhr sind wir in Klosterneuburg und sinken ermattet auf die Bank vor dem Verkehrsverein, der in Kürze öffnen wird.
Als der zuständige Offizielle eintrifft, stellt sich bald heraus, daß Klosterneuburg und Wien vollbelegt sind, ein frisch erbauter Campingplatz, der gegenüberliegt, wird uns empfohlen. Zerknirscht sitzen wir noch eine Weile auf der Bank und beraten mit einem anderen Radfahrer die Situation. Ich bin bereit zum Campen, aber wegen des vorangegangenen Regens ist das keinem zuzumuten. Plötzlich kommt der Verkehrsbeamte vor die Tür und hält nach uns Ausschau, ein Glück, daß wir noch da sind. Es hat sich doch noch ein Quartier gefunden, und zwar ein ganz komfortables Appartement mit Bad im Haus Enzian bei Familie Jagschitz.
Nun wird das Quartier bezogen, die Sachen ausgepackt und zum Trocknen herausgelegt, gebadet und ermattet eine Weile ausgespannt. Aber wir stehen wie weiland die Türken vor Wien und es ist noch früher Nachmittag. So finden wir uns bald an der Bushaltestelle, um per Bus und U-Bahn noch nach Wien hineinzufahren. Am Karlsplatz steigen wir aus, besichtigen die Karlskirche und schlendern dann Richtung Oper. Hier war doch irgendwas mit Sachertorte versprochen worden ? Nach dem Studium der Preise im Hotel Sacher versuche ich, das Versprechen in eine andere Richtung zu lenken, Verena aber zeigt starke Anzeichen der Verstimmung, also lassen wir uns doch an einem Freilufttisch nieder und tun so, als seien wir Stammgäste. Verena bekommt ihre Sachertorte an dem geweihten Ort, wir begnügen uns mit je einem Tässchen Kaffee. Heidi und Verena studieren abschließend auch die Toiletten, von wo sie mit glänzenden Augen zurückkehren: Alles Marmor und Spiegel!
Wir schlendern weiter zum Stefansdom, eine Fiakerfahrt kann ich nun doch erfolgreich abblocken, dafür werden wir am nächsten Tag eine Stadtrundfahrt mitmachen. Wir gehen noch ein wenig im Gelände der Hofburg herum, dann plagt uns der Hunger. Bei mangelnder Ortskenntnis und nicht so prallem Geldbeutel fällt es einem gar nicht so leicht, ein passendes Lokal zu finden. Schließlich sagt uns eines zu, wir essen dort und fühlen uns ganz behaglich, nur darf man keinem erzählen, wie das Lokal heißt: "Wiener Wald". Ein freundlicher Herr an einem Nebentisch bringt sich fast um, um uns den Heimweg mit den verfügbaren Verkehrsmitteln zu erklären.
Nach einem längeren Fußmarsch zum Bahnhof Hernals erreichen wir den Zug nach Klosterneuburg, die Fahrkarte wollen wir beim Schaffner lösen. Doch dieser hat es gar nicht eilig und vertröstet uns erstmal. Das zieht sich solange hin, daß wir ganz kostenfrei nach Klosterneuburg gelangen, wo der Schaffner gerade unser Abteil betritt. So erledigen wir das Aussteigen recht flott und lachen uns auf dem Bahnhofsvorplatz ins Fäustchen.