Chongqing - Xian, Do. 12.11.

Nun gehen wir von Bord, brauchen aber nicht zu weinen, das tut der Himmel für uns. Der Flug nach Xian ist von vormittags auf den frühen Nachmittag verschoben worden. Wie wir später erfahren, hat es in Xian und auch in Peking Schnee gegeben. Wir bekommen eine lokale Reiseführerin und fahren mit dem Bus zum Eling-Park hoch über der Stadt. Da die gesamte Stadt sich zwischen und auf Bergen befindet, gibt es hier auch kaum Fahrräder, stattdessen aber mal wieder genügend Kfz-Verkehr. Die Busfahrer von Chongqing seien besonders versiert, heißt es. Im Eling Park wird man sogleich von Regenschirmverkäufern belagert, erstaunlich wie schnell die sich der jeweiligen Wetterlage anpassen. Für 1 € bekommt man einen Schirm der vielleicht den ersten Windstoß übersteht. Eine Dame hat sich verkauft, da ist statt eines Haltestocks ein Kopfgurt unter dem Schirm und man trägt das Ganze wie eine Art Mütze.

Wir werden in eine Teestube gebeten, wo man erst mal warm und trocken sitzt. Eine Dame zelebriert die Kunst des Teeaufbrühens. Als die ersten Zuschauer schon Fäden in den Mundwinkeln ziehen, bekommt man endlich ein Schälchen Tee zum Probieren. Aber irgendwie hat uns das Nationalgetränk der Chinesen bisher und auch hier nicht begeistern können. Wenig weiter ist ein Museum, wo ein Künstler ein 20 m langes Wandgemälde vom Yangtsefluss angefertigt hat. Ob es Kunst ist, mag Geschmacksache sein.

Wir nehmen unser Mittagessen in der Nähe des Flughafens ein. Auf dem Flughafen treffen wir unsere fidele Peking-Gruppe wieder, die noch keinen Flug bekommen konnte. Durch die Lautsprecher hört man immer wieder "...delay due to the airport weather conditions". Wir kommen mit wenig Verspätung noch einigermaßen gut weg. Nach einer Stunde Flugzeit landen wir in Xian. zunächst können wir den Flieger etwa 1 Stunde nicht verlassen, weil gerade keine Gangway zur Verfügung steht. Anscheinend ist der Flugverkehr einigermaßen durcheinander geraten - davon später mehr. Schließlich nimmt uns ein fideler Reiseführer namens Wang in Empfang. Das Klima ist deutlich kälter geworden und es liegt Schnee. Die Stadt Xian, 8,3 Mio Einwohner, ist eine alte Kaiserstadt mit einer langen Geschichte. Sie ist der östliche Ausgangspunkt der Seidenstraße. Heute soll hier noch eine Pagode besichtigt werden. Doch der Busfahrer verzettelt sich so im dichten Feierabendverkehr, dass es mittlerweile dunkel wird. Ob noch eine Lichterfahrt später am Abend gewünscht sei? Ganze 6 Leutchen haben ein Interesse, da lohnt sich das dann nicht. Ein Herr ist ganz enttäuscht: "Könnten wir denn nicht mehr Reklame machen?". Am nächsten Tag auf dem Flughafen wird er sagen: "Wenn wir heute hier nicht wegkommen, können wir vielleicht noch die Lichterfahrt machen!".

Wir sind froh, dass wir nach dem ganzen Hin und Her endlich unser Abendessen einnehmen können. Für die Unentwegten wird gegen Aufpreis eine Sonderverpflegung angeboten, die aus einer Vielzahl von verschieden zubereiteten Maultaschen, einer Spezialität der Region, besteht.  Endlich werden wir im Grand New World Hotel abgeliefert. Dort ist man komfortabel in schönen Zimmern untergebracht, doch das Auspacken der Koffer für eine Nacht ist nicht nötig.

Xian, Terrakotta-Armee, Peking, Fr. 13.11.

Es muss zwischendurch einmal gesagt werden, dass die Reiseveranstalter versuchen, den Gästen nichts vorzuenthalten, obwohl in der Kürze der Zeit natürlich vieles nicht besucht werden kann. Das wäre dem Aufnahmevermögen der Besucher auch gar nicht zuzumuten. Es ist so schon um einiges zu viel. Heute morgen besuchen wir den Konfuziustempel in Xian, der durch seinen Stelenwald berühmt ist.

Dabei handelt es sich um 3000 graue Steintafeln, auf denen die Weisheiten und Richtlinien des Regierens, der allgemeinen Lebensgrundsätze sowie philosophische Ansichten des Gelehrten Konfuzius und anderer Weiser in Kalligraphieschrift festgehalten sind. Ein zentraler Begriff ist die "Harmonie", ein Wort, das bisher immer für das Aufsuchen der Toiletten zum Einsatz kam. So steht unser Grüppchen frierend in den Gängen der Ausstellungshallen, lauschen mehr oder weniger andächtig den Erläuterungen, und alle sind froh, als wir wieder im warmen Bus sitzen.

Bald darf man wieder frieren, als wir nun die Große Wildganspagode besichtigen. Außer ein paar Fotos bringen wir nicht viel Energie auf, uns mit dieser Angelegenheit gebührend zu befassen.

Man wartet innerlich vielmehr auf die wohl größte Attraktion der Reise: die Terrakotta Armee. Ungeduldig erwartet man die Ankunft, aber der stets dichte Verkehr spannt die Geduld auf die Folter. Schließlich fahren wir bereits in Sichtweite - wenn der Dunst nicht wäre - des Grabhügels jenes ersten Kaisers Qin Shiuangdi, gest. 210 v. Chr. Dieser Hügel ist archäologisch noch nicht in Angriff genommen worden. Auf die Frage "Warum?" heißt es, die Geldmittel und wissenschaftlichen Methoden seien noch zu unzureichend.

An dieser Stelle darf ausnahmsweise ein Auszug aus dem Baedeker zitiert werden:

Der Historiker Sima Qian lieferte um 100 v. Chr. eine Beschreibung der Grabkammer: Sie sei angefüllt mit Nachbildungen der Paläste und Amtsgebäude, mit Gerätschaften und Preziosen; Quecksilber imitierte die Flüsse des Landes, die Decke der Gruft war als Firmament gestaltet. ... Selbstschussanlagen gegen Eindringlinge. Wovon Sima Qian nicht berichtete, war die Grabwächterarmee. Sie wurde erst 1974  durch Zufall entdeckt, als Bauern einen Brunnen aushoben.

Weiter ist allerdings auch zu lesen, dass bereits im Jahre 207 v. Chr. Aufständische das Grab plünderten, Teile der unterirdischen Armee zerstörten und alles in Brand setzten.

Nun kann man nur noch bewundern, was von der Pracht übrig geblieben ist, bzw. was man bis heute zu Tage gefördert hat. Zunächst sind da zwei prächtige bronzene Vierspänner, die in Glasvitrinen ausgestellt sind. "Heiligsblechle" sagt der schwäbische Mitreisende. Anschließend dürfen wir endlich die eigens errichtete Halle zur Präsentation des bislang umfangreichsten Teils der Terrakottaarmee, dem "8. Weltwunder", betreten. Das verschlägt einem schon den Atem, wie da über die ganze Breite und Länge der Halle eine mehr oder weniger gut erhaltene Truppe in Lebensgröße mit individuell gestalteten Gesichtszügen beisammen steht. Von den ursprünglich vorhandenen Farbaufträgen ist so gut wie nichts erhalten geblieben. Man sei dabei, spezielle Lasuren zu entwickeln, die gleich nach der Freilegung einer Figur aufgebracht werden müssen, damit nicht alles abbröselt. Da auch die Wissenschaft der Konservierungstechnik voranschreitet, darf man hoffen, dass die zukünftigen Funde noch einiges erwarten lassen, da erst etwa 2000 von geschätzten 8000 Figuren ausgegraben wurden.

Eine Attraktion ist natürlich auch, dass sich einer der Entdecker namens Zhifa Yang hier öfter blicken lässt und, heute versehen mit einer langen Pfeife, die im Andenkenshop erhältlichen Bildbände signiert. - Wenn es denn ales so stimmt...

Wir fahren zum Flughafen von Xian, um unseren Flug nach Peking anzutreten. Eine böse Überraschung: die Halle ist gestopft voll mit Menschen. Kinder müssen beruhigt werden, andere sitzen auf ihrem Gepäck und spielen Karten. Anscheinend wurden eine Menge der Flüge wegen Schneefalls verschoben oder umgeleitet. Das hat auch unser Reiseführer noch nicht erlebt, wie er sagt. Er verfüge aber über "Vitamin B", und so kommt er bald mit unseren Flugtickets wedelnd zurück von irgendwelchen Abfertigungsschaltern. Und tatsächlich ist es fast ein Wunder, dass unser Flug wohl als einziger pünktlich abgeht. Schließlich haben wir heute Freitag, den 13., aber das gilt wohl als glückbringend nur für uns, und nicht für die anderen paar tausend Wartenden.

In Peking werden wir von unserem Reiseführer Lei (spricht sich wie das engl. Wort lay) in Empfang genommen. Im Voraus darf gesagt sein, dass wir hiermit wohl einen der besten Führer erwischt haben, den man sich denken kann. Nach dem Abendessen irgendwo auf dem Weg vom Flughafen werden wir endlich im Holiday Inn Hotel abgeliefert. Wir treffen sogar einige unserer fidelen Truppe, die ihr Pekingprogramm gerade hinter sich haben, und morgen in die Heimat zurückfliegen werden. Wir trinken noch gemeinsam jeder ein Bier aus der Dose draußen in der Kälte vor einem Straßenladen und nehmen damit Abschied. Ein Bier in der Hotelbar ist dagegen sündhaft teuer, in der Minibar komischerweise nicht.


Kapitel 7
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