Peking, Sa. 14.11.
Die große Besichtigung von Peking beginnt auf dem Platz des Himmlischen Friedens, der eigentlich Tianmen Guanchang: "Platz am Himmelsfriedenstor" heißt. Es soll der größte innerstädtische Platz der Welt sein. Das mag stimmen, denn trotz des riesigen Besucheransturms windet und zieht es hier erbärmlich. Wir haben nun gerade einen mongolischen Kälteeinbruch erwischt, der mit einem schneidenden Wind daher kommt. Das ist eine Art von Kälte, wie wir sie gar nicht kennen. Die Straßenverkäufer haben sich darauf eingestellt und bieten Schals, Handschuhe und Mützen an. Die Mützen nennt man Uschanka und ich bin froh, dass ich für 40 Yen (4 €) oder so ein solches Exemplar erwerben kann. Vorne ist ein roter Stern angebracht, um die "Linientreue" sicherzustellen. Der lässt sich später mit einer Kneifzange leicht entfernen.
Nachdem wir uns auf diesem riesigen Platz sattgesehen bzw.
-gezittert haben, durchschreiten wir das Himmelsfriedenstor am Portait des Mao Zedong vorbei. Es soll das
letzte derartige Konterfei in der Stadt sein.
Nebenan befindet sich auch das Mausoleum des Mao, wo - wie zu lesen ist
- man nie weiß, ob der echte oder ein wächserner
Maokörper
aufgebahrt sei. Das mag sich nach dem Wetter richten, heute wäre
es kalt genug.
Wir betreten den Bereich der Verbotenen Stadt, sicher ein Höhepunkt jeder Chinareise. Hier reihen sich die Herrscherpaläste aneinander und grenzen verschiedene weitläufige Innenhöfe gegeneinander ab, die unterschiedlichen Zeremonien und Aufgaben dienten. Bis 1911 wurden die Anlagen für kaiserliche Regierungs- und Präsentationen und Feierlichkeiten genutzt. Auch Tennis wurde hier gespielt. Wie es dann weiter ging, wird gut in dem Film "Der letzte Kaiser" dokumentiert. Ab 1924 ist die Verbotene Stadt auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Für die Olympischen Spiele 2008 wurde natürlich alles aufs feinste restauriert.
Unser Führer Lei ge-Lei-tet uns noch in die Wohnbereiche der Eunuchen und Konkubinen. Das sind kleinere Gebäude mit verwinkelten engen Innenhöfen, in denen es heute zum Glück nicht so zugig ist. Wo die verbotene Stadt in den Kaiserlichen Garten übergeht, versammeln wir uns wieder und fahren zum Mittagessen. Diesmal erwartet uns ein gut besuchtes Buffet-Restaurant, wo man sich nicht vom Drehteller bedienen muss. An einem Stand wird auch von der Pekingente eine Kostprobe gegeben, darüber später mehr.
Die nächste Station ist die Anlage des Himmelstempels. Man wandert
zunächst an einer offenen Galerie entlang, wo ein munteres Treiben
herrscht. Hier treffen sich die Rentner und Frühpensionäre,
wenn sie der Langeweile entfliehen wollen. Da wird Musik gemacht,
gesungen und Karten gespielt. Einige versuchen auch, etwas zu verkaufen
oder sonstwie eine Münze zu ergattern. Wenig weiter ist ein
öffentlicher Tanzplatz, wo man sich gymnastischen Übungen
oder eben auch dem Tanz hingeben kann. Mittelpunkt der Anlage ist die Halle des Erntegebets als
"vollkommenstes Werk chinesischer Baukunst" (Baedeker). Nach einigem
Herumwandern wärmen wir uns in einer Teestube auf.
Es gehört wohl auch zum Pflichtprogramm einer
Besichtigungstour, dass man in einer Art Kaufhaus abgeliefert wird, und
das gleich für 2 Stunden. Außer Nahrungsmitteln gibt es so
ziemlich alles zu kaufen, hauptsächlich aber Schmuckwaren und
Kleidung. Da ich einen Hosengürtel benötige, lassen wir uns
ein Angebot machen. Dazu wird vom Verkäufer ein Betrag auf einem
Taschenrechner eingetippt. 390 Yen (39
€) solle der Gürtel kosten. Nun genieße ich die
Vorzüge einer Ehegattin, die beim Handeln sehr kompromisslos
vorzugehen pflegt. Sie tippt 100 Yen in den Rechner. Nun schmilzt der
Preis nach und nach zwar rapide, doch Heidi tippt immer wieder die 100
ein. Als die Verkäuferin der Sache überdrüssig zu werden
scheint, wenden wir uns zum Gehen - und nach zurückgelegten 5 m
wird auf die 100 Yen eingewilligt. So geht das also, welchen
Verkaufspreisen kann man dann überhaupt trauen?
Und nun ziehn wir mit Gesang in das nächste Restaurang. Dort
findet endlich das angepriesene Essen mit Servieren der berühmten
Pekingente statt. Ein Bediensteter, als Koch verkleidet, tritt an die
Tafel und säbelt auf seinem Tischchen mit einem scharfen Messer
schmale Streifen, möglichst mit Haut, vom Entenbein ab oder was
sonst von der Ente übrig ist. Die Bröckchen, die man davon
ergattert, sollen dann versehen mit einer speziellen Knoblauch- und
Gewürzpaste sowie Lauchstreifen und frischer Gurke in ein
Teigscheibchen eingewickelt werden. Das kaut man schließlich
durch und fragt sich, wo der Entengeschmack geblieben ist. Schon ist
man wieder Banause und genießt die Entenhappen pur, wenn es sein
muss auch noch mit Messer und Gabel, falls das mit den Stäbchen zu
schwierig wird.
Nachdem das überstanden ist, steht für die Unentwegten noch ein Programmpunkt für heute auf der Spät-am-Abend-Tagesordnung (gegen Aufpreis): 4 Stunden: "The Legend of Kung Fu" im Roten Theater, eine der spektakulärsten Shows in Peking, so ist zu lesen. Da wäre man dann erst gegen Mitternacht "zu Hause" im Hotel. Nur 6 Leutchen der Gruppe fühlen sich dieser Sache nicht mehr gewachsen. Die dürfen mit dem Taxi auf Kosten des Veranstalters Phoenix zurück zum Hotel fahren. Wir sind auch dabei und finden uns nach diesem durchgefrorenen Tag in der heißen Badewanne wieder.
Die Große Mauer und anderes,
So, 15.11.
Der letzte Besichtigungstag der Reise mit der Erwartung, die große Mauer zu sehen. Aber
erst mal muss eine Attraktion jüngeren Datums angesteuert werden,
und das ist das Olympiagelände mit dem architektonisch eigenwillig
gestalteten Stadion, genannt das Vogelnest.
Die anderen angrenzenden Sporthallen sehen dagegen eher normal aus. Ein
Hochhausgebäude fällt noch auf, dessen Gestaltung die
olympische Flamme symbolisieren mag. The Beijing 7-Stars Morgan Plaza,
das weltweit einzige 7 Sterne Hotel. Ein Superlativ, das vielleicht
nicht jeder haben muss bzw. sich noch weniger leisten kann. So geht es
zu in einem
Land des Sozialismus!
Auf der Fahrt zur großen Mauer darf
man sich wieder einmal über den dichten Autoverkehr wundern. Es
wird gesagt, dass die Anschaffung eines Autos steuerlich
unterstützt wird und monatlich 8000 Autos in Peking neu dazu
kommen.
Das kann dann ja eigentlich nicht lange gut gehen, wenn einer nach dem
anderen zwischen den Blechlawinen wahnsinnig wird. Vielleicht ist
Zweiradfahren schließlich doch die bessere Lösung.
Angekommen an der großen Mauer,
die sich malerisch an den Hängen entlang zieht, geht es den
Unentwegten darum, möglichst weit hinauf zu steigen. Das ist auf
z.T. vereisten Stufen nicht so einfach in dem Besucherstrom, der sich
allerdings nach oben hin mehr und mehr ausdünnt. Zwischendurch ist
der Spruch zu hören: "We climbed up to the top to find out it is
not the top". Aus Zeitgründen kann ich auch nicht bis zum letzten
sichtbaren Wachtturm hinauf steigen. Einige aber haben es geschafft und
berichten dann, dass da oben die Mauer zuende sei und weiter nichts zu
sehen gewesen wäre.
Ganz in der Nähe ist ein
ländliches Dorf, das man vielleicht auch gern besichtigt
hätte, aber wir müssen zum Mittagessen und anschließend
wieder durch Verkaufsräume schlendern. Hier geht es allerdings
recht diskret zu und man wird nicht dauernd angemacht. Aber wir wollen
ja auch nicht schon wieder etwas kaufen.
Wir besuchen
anschließend die Ming
Gräber, die von einer schönen Landschaft umgeben sind.
Nun kann man noch den 1 km langen Seelenweg
mit 18 berühmten Steinfigurenpaaren entlang schlendern. Einige
Tierfiguren sind in Ruhestellung dargestellt, dazu meint unser Schwabe:
"Dorhanne san die Strackerten".
Danach ist der Besuch einer Familie geplant.
In dem kleinen Häuschen ist es schön warm und man lässt
sich in der Runde nieder, wo Tee serviert wird. Nun hat Heidi aber noch
einen Spruch aus Aegypten im Kopf: "Geh mir weg mit Malventee", wobei
auf den drohenden Fluch der Pharaonen
hingewiesen wurde. Sie möchte also lieber draußen warten.
Bis ich mich auch rausgedrängelt habe, ist sie auf der Suche nach
dem Bus schon außer Sicht. Das kann ja heiter werden, denn hier
verläuft man sich schnell, kalt und dunkel ist es auch schon. Man
findet sich aber wieder, und bei der Gelegenheit wird noch eine
Handvoll Uhren von einem Straßenverkäufer erworben, alles Gucci und Rolex bzw. Lolex. Bis unsere Gruppe vom
Teebesuch wieder erscheint, sind wir gründlich durchgefroren.
Rückreise,
Mo. 16.11.
Peking erwartet an diesem Tag die Air Force Number One mit Inhalt zu
einem Staatsbesuch. Da sei die Zufahrt zum Flughafen zeitweise
gesperrt. So müssen wir eine Stunde früher raus. Das ist auch
nötig, weil die Fahrt zum Flughafen sich bei dem Verkehrsaufkommen
wieder verzögert. Nun müssen wir uns von unserem Führer
Lei verabschieden, den wir in diesen drei Tagen geradezu lieb gewonnen
haben. Alles weitere mit dem Einchecken und der Sicherheitskontrolle
läuft normal ab und wir sitzen pünktlich im Flieger. Der hat
aber noch keine Starterlaubnis, weil womöglich eine Person, die
Schwierigkeiten mit der Einreise habe, wieder mit zurück genommen
werden müsse. Darüber vergeht nun wieder eine Stunde, die wir
als Verspätung mitbringen werden und damit die geplanten
Anschlussverbindungen in Deutschland nicht mehr erreichen werden.
Zu guter letzt müssen die 10 Stunden
Flugzeit
überstanden werden. Mein Fensterplatz nützt nichts, es ist
durchweg wolkig. Als wir uns etwa über den Baltischen Staaten
befinden, ereignet sich noch ein Unfall, als ein Teilnehmer unserer
Gruppe ein Unwohlsein und damit verbundenen unglücklichen Sturz
erleidet. Er muss ärztlich versorgt werden und in Frankfurt vom
Notdienst übernommen werden. Das trübt natürlich die
Stimmung.
An der Zollkontrolle wird das Ehepaar vor
uns einer gründlichen Kontrolle unterzogen. Die Koffer werden
gründlich inspiziert. Aber man hat wohl weder billige Uhren oder
gar Rohopium gebunkert. Wir werden durchgewunken, und erst hier
fällt uns ein, dass wir mit den Gucci und Lolex Exemplaren
womöglich Schwierigkeiten bekommen hätten. So aber
können wir beruhigt im Frankfurter Hbf in einen ICE einsteigen,
der uns direkt nach Braunschweig bringt, wo uns unser Schwiegersohn am
Bahnhof erwartet.
Zu Hause angekommen sind wir fast 23 Stunden
unterwegs gewesen. Nicht nur wegen der Müdigkeit fällt es
schwer, die durchweg überwältigenden Eindrücke dieser
Reise auf Reihe zu bringen. Eine Erholung konnte es nicht sein, eine
Erkältung haben wir uns auch eingefangen. Aber was man gesehen und
vor allem gelernt hat, dass muss nun erst einmal verarbeitet werden.
Und das ist hiermit geschehen.
Am nächsten Tag steht in der Zeitung,
dass das Treffen unseres geschätzten US-Präsidenten Barrack Obama mit der chinesischen
Staatsführung in Peking auf einer gleich frostigen Ebene wie das
derzeitige Klima dort verlief. Es ging um Menschenrechte, Umwelt- und
Klimaschutz. Themen, die in der unseligen Bush-Ära nur eine
untergeordnete Rolle spielten.
So bleibt doch der Eindruck: Noch
ist nicht alles Gold, was glänzt - im Reich der Mitte!