Shennongxi Fluss, Wu-Schlucht, Qutang-Schlucht, Di. 10.11.

Wir werden von unserem Schiff mit einem anderen Boot abgeholt, um einen Ausflug in das Seitental des Shennongxi zu unternehmen. Dort wird die sog. "Bächleinfahrt" veranstaltet werden.

Auf diesem Nebenfluss, der natürlich auch entsprechend hoch aufgestaut ist, geht es zwischen steilen Berghängen und Felswänden dahin. Hoch oben in einer Felsspalte kann man einen eingeklemmten Steinsarg sehen, der aus einer Zeit vor 2000 Jahren stammen soll, als man die Verstorbenen "möglichst nahe beim Himmel" auf diese Weise bestattete. Dafür sind allerdings dieser Sarg und die ihn stützenden Baumstämme verdächtig gut erhalten.

An den Felshängen entdeckt man immer wieder Höhlen und deren Überreste in Gestalt von zu Tage liegenden Tropfsteinformationen. Die Bootsfahrt endet an einem Anleger, wo wir in kleine Kähne umgeladen werden. Früher begannen hier die Treidelfahrten, heute kann man rudern. Das Geschäft der Treidelfahrt betrieb die Minderheit der Tujia, die in den Bergen dieses abgeschiedenen Gebietes ansässig sind. Wir bekommen eine sehr hübsche Führerin namens Eva bzw. "Äffa", die uns einiges erzählt und sogar sehr gekonnt ein Liebeslied im Wechsel mit einem der Ruderer vorsingt. Am Schluss wird einem das Treideln vorgeführt, obwohl es hier wegen des hohen Wasserstandes nun gar nicht mehr nötig ist. Damit hat sich natürlich auch der Name "Bächleinfahrt" erledigt.

Zurück an Bord erwartet uns das Highlight der Yangtse-Reise: die Durchfahrt der Wu-Schlucht und der Qutang-Schlucht. Vor dem Aufstauen waren diese Routen durch Strömung, Strudel und Untiefen eine gefährliche Angelegenheit. Nun erinnert das Landschaftsbild eher einer Fjordfahrt, aber immer noch eindrucksvoll genug. Auf der rechten Seite taucht eine Felsformation auf, dort gibt es eine kleine Säule, und die wird als Chinesische Loreley bezeichnet. Wenig weiter hat man bereits eine Anlegestelle eingerichtet, von wo aus man auf einem Pfad dort hinauf wandern kann. Ein Verkaufskiosk ist auch schon da.

Da die Yangtse- Kreuzfahrt sich allmählich ihrem Ende nähert, lädt der Kapitän heute zum Abschiedsabendessen ein. Da muss man wieder "in Schale" erscheinen. Außer einer kleinen Ansprache des Kapitäns, übersetzt von Han, passiert aber nichts weiter außergewöhnliches und das Abendessen verläuft wie immer.

An diesem Abend - oder war es ein andermal - wird noch einmal eine Art Modenschau durchgeführt. Diesmal werden Bekleidungsweisen der chinesischen Minderheiten von Tibet bis zur Mongolei gezeigt. Die Bevölkerung Chinas setzt sich zu 92 % aus Han-Chinesen zusammen, den Rest bilden 55 ethnische Minderheiten. Da die Minderheiten rund 80% der chinesischen Grenzgebiete bevölkern, sind diese auch für die Staatsführung nicht ohne Interesse. Von der dargebotenen Show sind wieder alle begeistert, weil alles so natürlich mit Spaß an der Sache und in keiner Weise gekünstelt abläuft.

Fengdu, Mi. 11.11.

Heute ist der letzte Tag an Bord bzw. des Besuches der Geisterstadt Fengdu. Die liegt wieder auf einem Berg und man kann hinauf laufen oder mit einem Sessellift fahren. Im Tagesprogramm ist zu lesen "...die Geisterstadt ist eine Stadt von Unterweltfiguren und Dämonen und Heimat der verstorbenen Seelen (festes Schuhwerk und Trinkwasser nicht vergessen)". Man erzählt uns wieder allerhand über die Höllen und Qualen, die einen nach einem lasterhaften Leben in der chinesischen Höllenwelt erwarten, aus der man schlimmstenfalls als Hund wiedergeboren wird. Um dem entgegenzuwirken, gehen wir mit angehaltener Luft eine Treppe rauf, überqueren die Brücke ohne Wiederkehr und balancieren schließlich einbeinig auf einem runden Stein, um seinen eigenen Charakter zu prüfen. Da kommt nicht viel bei raus.

Zur Entspannung können wir am Schluss noch über einen "Hallo Markt" bummeln. Dort nehmen die Händler regen Anteil an jedem, der vorbei schlendert. Es gibt hier durchweg nur Kitsch und z.T. merkwürdige Nahrungsmittel zu kaufen.

Am Nachmittag wird die letzte Etappe bis zu er Stadt Chongqing in Angriff genommen. Das sei die größte Stadt der Welt mit 31 Millionen Einwohnern. Da hat man aber getrickst, indem man ein Gebiet groß wie Oesterreich zugrunde gelegt hat. Die eigentliche Stadt soll nur so groß wie Berlin sein.

Wir kommen dort mit einbrechender Dunkelheit an, und da muss man sich erst mal die Augen reiben. Unter einer üppig in allen Farben illuminierten Hängebrücke fahren wir auf ein Stadtbild zu, dass jeder, der es schon gesehen hat, mit Las Vegas vergleicht. Es ist ein Lichtermeer wohin das Auge schaut. Auf dem Fluss gleiten Ausflugsboote, die auch von vorn bis hinten farbig erstrahlen. Demnach kann es mit dem Stromverbrauchspreis hier nicht so weit her sein. Vielleicht sind das ja auch alles Sparbirnen? Leider ist der Fotoapparat zum entscheidenden Zeitpunkt nicht zur Hand.

Am Abend gilt es eher prosaische Dinge zu erledigen, wie die Bordrechnung zu bezahlen, die Koffer für die Abreise fertig zu machen und mit den richtigen Farbbändchen zu versehen. Eine Gruppe wird morgen nach Guilin und Hongkong (grün) reisen, die andere nach Peking (lila), und wir nach Xian (ohne Bändchen).


Kapitel 6
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