Flusstag, So. 8.11.
Es
steht eine lange Teilstrecke bis zu den Schleusen des Gezhouba Stausees
mit zwei Nacht- und Tagesfahrten bevor. Der Tag wird an Bord
verlebt, und wir haben Glück mit dem Wetter: es ist warm und
sonnig. An den Ufern des Yangtse lässt sich vor allem die
Schilfernte auf den weiten Uferflächen und deren Verladung
beobachten. Auf den abgemähten Flächen sind kleine
Behelfsunterkünfte errichtet, die aber wohl eher der
Teezubereitung in den Arbeitspausen denn als Behausungen dienen. Aber
man sieht auch Wäscheleinen.
Die
Vorträge sind heute: 3-Schluchten-Staudamm,
Chinesisch-Unterricht,
Akupunktur, Kalligraphie und Stempelkunst,
das Spiel Mahjong. Abends
gibt es Bingo, und dann ist
dieser erholsame Tag überstanden.
Gezhouba
Schleuse, Beginn 3 Schluchten, Mo. 9.11.
In aller Frühe erreichen wir die
Schleuse am Gezhouba Staudamm.
Dieser Damm wurde zwischen 1970 und 1988 mit über 2 km Länge
und etwa 30 m Höhe erbaut, sozusagen als Probe für den 3 Schluchtenstaudamm, den wir
später kennen lernen werden. Bei aller Kritik an den
Staudammprojekten muss bedacht werden, dass die Gefahr von
Hochwassern zu allen Zeiten ein Alptraum der Bewohner am Yangtse
gewesen ist. Im letzten Jahrhundert sollen drei Millionen Menschen
durch Überflutungen ums Leben gekommen sein. Wenn nun allerdings
ein Staudamm durch Erdbeben oder Kriegseinwirkung brechen sollte,
wäre die Zahl der Opfer nicht abschätzbar. So erfüllen
die Staudämme, solange es gut geht, ihre Aufgabe als
Hochwasserschutz, Transportmittel und Wasser- und Energielieferant.
Als alle Frühaufsteher sich richtig die
Augen gerieben haben, sind wir schon durch die Schleuse hindurch. Es
folgt die Durchfahrt der unteren Xiling
Schlucht, die sich an diesem Morgen sehr neblig
präsentiert. Imposante steil aufragende Berge säumen das
ehemals enge Tal.
Bald erreichen wir die Anlegestelle unterhalb des 3 Schluchten Staudamms, den man
allerdings von hier aus nicht zu Gesicht bekommt, weil er durch eine
Flussbiegung und Insel verdeckt ist. Also werden wir wieder in einen
Bus verfrachtet, der uns nach Passieren einer Sicherheitskontrolle -
damit keiner eine Bombe einschmuggelt - etwa 200 m höher in der
Gegend der Staudammkrone ausläd.
Die fünf Schleusen - so erfahren wir,
wurden mangels anderer williger Arbeitskräfte durch zigtausende
von Armeeangehörige ohne Verwendung von Sprengstoff gebaut.
Sprengungen hätten den Untergrund und die bereits im Bau
befindliche Staumauer womöglich in Mitleidenschaft gezogen. Auf
die Frage, wie viele Todesfälle es bei den Bauarbeiten gegeben
habe, wird die Zahl 120 genannt. Leider offiziell auch nicht
nachprüfbar.
Abschließend ein Foto von der
größten Staumauer der Welt, und das ist wegen des Nebels
eher paradox: kaum etwas zu sehen! Bevor wir wieder auf unserem Schiff
"landen", ergibt sich die Gelegenheit, in der anliegenden
Ladenstraße den einen oder anderen Sixpack Tsingtao Bier zu erwerben.
Nach einigem Feilschen haben wir einen günstigen Preis
ausgehandelt, erhalten als Wechselgeld jedoch einige Scheinchen, die
praktisch wertlos sind, wie sich einige Zeit später herausstellen
wird.
Unser Schiff begibt sich nun in die 5 Schleusen, was so seine
Zeit in Anspruch nimmt. Nach Mittagessen und kurzer Siesta ist dann
auch die letzte der Schleusen geschafft.
Nun wird aus der Flussfahrt eine Seefahrt,
denn ab hier ist der Yangtse auf über 600 km Länge mit
anfangs 170 m Tiefe gestaut. Untergegangen sind Ortschaften,
Kulturgüter, die historischen Treidelpfade und vieles mehr. 1,2
Mio Anwohner wurden umgesiedelt und leben heute in modernen
Städten, wahrscheinlich nicht glücklicher. Unsere beiden
Führer Han und Willi begleiten nun die Fahrt mit ihren
Kommentaren, während sich die Reisegäste auf dem Vorderdeck
versammeln. Leider verabschiedet sich die Sonne bald, da ist es mit dem Fotografieren vorbei.
Bei einsetzender Dämmerung werden wir auf eine weitere
Merkwürdigkeit hingewiesen. Die Ortschaften an den höheren
Hängen seien nur spärlich erleuchtet. Das liege an den sehr
hohen Strompreisen - und das hier in unmittelbarer Nähe des
größten Wasserkraftwerks der Welt mit 18 200 Megawatt
Leistung und einer Produktion von 85 Milliarden Kilowattstunden pro
Jahr?
Der Grund ergibt sich daraus, dass es kostspielig ist, die
Stromzuleitungen einzurichten, und das schlägt sich dann im
Verbraucherpreis nieder. In den Großstädten sei der Strom um den Faktor 100 billiger.