JWD - 300 km Rund um Berlin
13.7.- 19.7.2008


Di 15.7. Heiligensee - Bernau

Wieder geht es mit Sonnenschein los, also bester Laune. Wir radeln durch die Siedlungsgebiete von Heiligensee, bis wir schließlich irgendwo hinter der S-Bahnstrecke auf den berühmten Mauerradweg stoßen. Da geht es nun wieder in die grüne Lunge der Außenbezirke der Großstadt Berlin. Gerade haben wir wieder einmal eine Autobahn überquert (BAB Zbr. Hamburg, man glaubt gar nicht, wie laut es da zugeht), da rauscht auch von links oben etwas Ungewisses heran. Das ist ein Mountainbiker, der mit geschätzten 40 km/h und gefühlten 80 km/h durch unsere kleine Versammlung durch brettert. Und schon ist er wieder verschwunden...

Wir geraten nun nach Frohnau, wo sich ein Buddhisten Haus befindet. Da finden wir sogar hin. Dort geht es eine steile Treppe hinauf, also bleibt Heidi unten, denn die würde sonst nicht wieder hinunter gelangen, jedenfalls nicht aufrechten Ganges. Ulrike lässt sich sogar zu einem Besuch des Andachtsraumes überreden, dazu müssen aber die Schuhe ausgezogen werden. Ich mache derweil draußen ein paar Fotos. Ein freundlicher Herr bietet an, auch von mir ein Foto zu machen, doch ich winke ab: "Ich bin nicht so fotogen". Und das ist sicher nicht gelogen!

Als Ulrike mit verklärtem Gesichtsausdruck aus dem Andachtsraum zurück ist, geht es weiter über Hohen Neuendorf nach Birkenwerder. Hier befindet sich ein Naturschutzgebiet im Briesetal, dort soll es sogar Biber geben. Ein abgeknabberter Baumrest findet sich am Wegesrand, hoffentlich hat den nicht ein übereifriger menschlicher Naturliebhaber extra zurechtgeschnitzt.

Der Weg durch diese grüne Hölle ist etwas abenteuerlich, lässt sich aber doch einigermaßen fahren, wenn man weiß, dass das nicht den ganzen Tag so weiter geht. Schließlich sind wir in Zühlsdorf, von wo aus man auf der Landstraße schnell nach Wandlitz gelangt. Dieser Ort hat ja einen etwas anrüchigen Ruf, als sich zu DDR-Zeiten Honnecker und Co. sich dort eine bequeme Bleibe geschaffen und dem real existierenden Sozialismus ein Schnippchen geschlagen haben. Ansonsten entdeckt man dort nichts auffälliges. Eine Anwohnerin verrät uns einen Schleichpfad zum Seeufer des Wandlitzer Sees. Wir machen eine Rast, folgen aber nicht der Aufforderung eines Herrn, mit ihm zusammen ein kühles Bad zu nehmen. Als er wieder den Fluten entstiegen ist, erzählt er uns, dass dies nun für eine Zeit das letzte Bad gewesen sei, morgen müsse er auf den Operationstisch. Wir können ihm nur alles Gute wünschen.


Ein schöner Waldweg führt uns unweit des (unsichtbaren) Liepnitzer Sees zum Jägerheim Ützdorf. Dort gibt es Kaffee und Kuchen. Leider ist die Schwarzwälderkirschtorte ausgegangen, dafür gibt es Marzipantorte - nicht weniger lecker, Hauptsache süß! Am Nebentisch sitzt ein älteres Ehepaar über ihre Reiseunterlagen gebeugt. Die sehen wir dann später in einen Waldweg einbiegend, aber heute werden wir sie noch einmal treffen.

Über Lanke umfahren wir nun den (unsichtbaren) Hellsee und erreichen nach allerdings etwas mühevoller Fahrt durch den Wald die Siedlung Lobetal. Dieser Ort geht auf Friedrich von Bodelschwingh zurück und es befinden sich dort wohl eine Anzahl von sozialen Einrichtungen und Behindertenheime. Es gibt von hier eine sog. Fahrradstraße direkt nach Bernau, die zugehörige Route nennt sich Eiszeittour. Diese nördlich von Bernau und "birgt alle Elemente in sich, die das von den Gletschern der letzten Eiszeit und den folgenden Schmelzwässern geprägte Barnimer Land zu bieten hat" - so ist zu lesen.

In Bernau angekommen werden wir von der Touristeninformation gleich um die Ecke angemeldet und sind entzückt über den Namen der Restauration: Hotel und Gasthof "Zum Zicken Schulze". Gleich nach uns trifft das ältere Ehepaar von heute Nachmittag ein, etwas geschafft von einem ähnlich abenteuerlichen Waldweg. Sie haben wohl eine Berlinumrundung mit Gepäcktransfer gebucht.

Nach dem Abendessen wird ein Rundgang durch Bernau gemacht und die einzelnen Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Als da sind Steintor mit Hungerturm, St. Marien Kirche, Henkerhaus, ehem. Herberge "Schwarzer Adler", ein Gasbehälter genannt "Blaues Wunder" u.a.m. Leider hat man zu DDR-Zeiten einiges der alten Bausubstanz durch Plattenbauten ersetzt. Inzwischen hat man mit einigem Erfolg versucht, Modernes mit Altem harmonisch zu kombinieren.

Mit dem Namen Bernau werden auch Erinnerungen geweckt an die Bernauer Straße in Berlin. Dort hatten sich nach dem Mauerbau im Jahre 1961 dramatische Fluchtereignisse abgespielt und seit 1963 befindet sich dort die Gedenkstätte Berliner Mauer.

Für heute beschließen wir den Abend im Freien sitzend und das eine oder andere Bier findet den ihm zugedachten Weg. "Wieder alles richtig gemacht!".

Mi 16.7. Bernau - Buckow

Von Bernau in Richtung Osten gibt es keine eigentliche Radroute und man kann bei angenehmem Rückenwind auf ruhigen Landstraßen fahren. Schöne urige Dörfer wie Börnicke, Willmersdorf oder Werneuchen werden passiert.

In Willmersdorf läßt sich eine Kirche mit zwei Türmen fotografieren. Weiter geht es über Wegendorf und Buchholz und dann auf einem unbequemen sandigem Weg nach Spitzmühle, das liegt zwischen Fänger- und Bötzsee. Auch hier sind die Seeufer entlang der Straße durchgehend bebaut, Rainer schäumt vor Wut. An einem Seitenweg finden wir dann schließlich einen Rastplatz am Seeufer. Nach Strausberg geht es danach auf einem gut asphaltiertem Weg weiter.

Auch in Strausberg dauert es eine Weile bis wir, vorbei am Heimatmuseum, wo ein totes Lehnindenkmal im Garten liegt, den Weg am Straussee finden und im Zentrum an der Marienkirche rauskommen. Vor der Kirche befindet sich ein Mahnmal für den Kirchenkomponisten Hugo Distler. Nun ist es Mittagszeit und das Restaurant & Tagungszentrum "Am Fischerkietz" ist angesagt. Da machen wir nun eine "Tagung". Auf der Aussichtsterrasse sitzt man hoch über dem See und hat einen weiten Blick. Am gegenüber liegenden Ufer sind einige hölzerne Fischerhütten auszumachen, Haubentaucher und Kormorane tummeln sich.

Leider wird der Himmel immer grauer. Rainers eierlegender Wollmilchsau Vielzweckcomputer kommt nun mal wieder zum Einsatz, und da ist lt. Satellit eine schöne Regenfront im Anzug. Als einige Windböen aufkommen und die ersten Regentropfen vor sich her jagen, verziehen wir uns in das Innere des Restaurants.

Schließlich entschließen wir uns aber doch, den Weg fortzusetzen. Und siehe da, es regnet ja noch gar nicht. Aber die an sich schöne Straße nach Garzau ist doch mit mehr Verkehr gesegnet, als zu erwarten war. Dafür erwartet uns dort der berühmte Europa Radfernweg R1 (Calais - Petersburg).  Mit der Strecke hat man sich einige Mühe gegeben, die Route ist in diesem Abschnitt vorbildlich angelegt und beschildert. So nach und nach beginnt es nun doch zu regnen. Nach einem Schlenker über Waldsieversdorf erreichen wir endlich entlang einer Museumsbahnstrecke das heutige Ziel Buckow (Märkische Schweiz). Dieser Ort ist herrlich gelegen, umgeben von Anhöhen und mit einigen Seen gesegnet, der größere heißt Schermützelsee. Bei dem inzwischen starken Regen haben wir nicht so viel davon. Aber ein Quartier findet sich mit Hilfe der freundlichen Unterstützung im Touristenbüro sogleich bei dem Restaurant & Pension "Strandcafe". Etwas durchnässt und verfroren ist eine wärmende Bettdecke dann durchaus nicht das Schlechteste.

Mit dem Abendessen werden wir bestens bedient. Was mich betrifft, gab es eine große Forelle, die anderen Gerichte der Mitstreiter habe ich nicht mehr im Gedächtnis. Nun kommt das nette Sevierfräulein - die ist inzwischen auch aufgetaut - mit einem eigentümlichen Anliegen an unseren Tisch. Man suche nach einem Rezept für ein altertümliches Nachtischgericht, aus der Zille Zeit oder so? Unsere beiden kompetenten Damen kramen in ihrem Gedächtnis oder in Erinnerungen an Rezepte aus den Intelligenzzeitungen. Aber außer "Arme Ritter" oder "Rote Grütze" ist da nicht viel mehr bei rausgekommen. Ja, das Rezept brauche jemand für ein Gastronomie-Examen, vielen Dank!

Heidi und ich machen sich mit einem ausgeborgten Regenschirm noch auf zu einem Spaziergang zum Brecht-Weigel-Haus. Hier haben dereinst Bertolt Brecht und Helene Weigel nicht schlecht gewohnt und gedichtet, heute ist das wohl ein Literatur- und Kulturzentrum oder sowas.

Nachdem der Regen aufgehört hat, können wir unter einem Sonnenschirm, der die nachtropfenden Plops von den Bäumen darüber auffängt, noch ein wenig draußen sitzen. Die immer bemerkenswerter nette Bedienung erzählt uns sogar offenherzig einiges über ihr Leben und ihre Katzen. Aber sonst sei in Buckow nicht viel los für junge Leute. Bei schönem Wetter sei allerdings immer recht viel Betrieb rings herum, und so mag das Hotel/Restaurant dann auch auf seine Kosten kommen.

Für uns war das heute eher ein Herbst- als ein Sommertag. Aber die Regenfront ist inzwischen durchgezogen.


Kapitel 3:
Buckow - Köpenick
Köpenick - Potsdam

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