Als Ulrike mit verklärtem Gesichtsausdruck aus dem Andachtsraum
zurück ist, geht es weiter über Hohen Neuendorf nach Birkenwerder. Hier befindet sich
ein Naturschutzgebiet im Briesetal,
dort soll es sogar Biber geben. Ein abgeknabberter Baumrest findet sich
am Wegesrand, hoffentlich hat den nicht ein übereifriger
menschlicher Naturliebhaber extra zurechtgeschnitzt.
Der Weg durch diese grüne
Hölle ist etwas abenteuerlich, lässt sich aber doch
einigermaßen fahren, wenn man weiß, dass das nicht den
ganzen Tag so weiter geht. Schließlich sind wir in Zühlsdorf, von wo aus man auf
der Landstraße schnell nach Wandlitz
gelangt. Dieser Ort hat ja einen etwas anrüchigen Ruf, als sich zu
DDR-Zeiten Honnecker und Co. sich dort eine bequeme Bleibe geschaffen
und dem real existierenden Sozialismus ein Schnippchen geschlagen
haben. Ansonsten entdeckt man dort nichts auffälliges. Eine
Anwohnerin verrät uns einen Schleichpfad zum Seeufer des
Wandlitzer Sees. Wir machen eine Rast, folgen aber nicht der
Aufforderung eines Herrn, mit ihm zusammen ein kühles Bad zu
nehmen. Als er wieder den Fluten entstiegen ist, erzählt er uns,
dass dies nun für eine Zeit das letzte Bad gewesen sei, morgen
müsse er auf den Operationstisch. Wir können ihm nur alles
Gute wünschen.
Über Lanke
umfahren wir nun den (unsichtbaren) Hellsee
und erreichen nach allerdings etwas mühevoller Fahrt durch den
Wald die Siedlung Lobetal.
Dieser Ort geht auf Friedrich von
Bodelschwingh zurück und es befinden sich dort wohl eine
Anzahl von sozialen Einrichtungen und Behindertenheime. Es gibt von
hier
eine sog. Fahrradstraße direkt nach Bernau, die zugehörige Route
nennt sich Eiszeittour. Diese nördlich von Bernau und "birgt alle Elemente in sich, die das von
den Gletschern der letzten Eiszeit und den folgenden
Schmelzwässern geprägte Barnimer Land zu bieten hat" - so ist zu lesen.
In Bernau angekommen werden wir von der Touristeninformation gleich um
die Ecke angemeldet und sind entzückt über den Namen der
Restauration: Hotel und Gasthof "Zum
Zicken Schulze". Gleich nach uns trifft das ältere Ehepaar
von heute Nachmittag ein, etwas geschafft von einem ähnlich
abenteuerlichen Waldweg.
Sie haben wohl eine Berlinumrundung mit Gepäcktransfer gebucht.
Nach dem Abendessen wird ein Rundgang durch
Bernau gemacht und die einzelnen Sehenswürdigkeiten abgeklappert.
Als da sind Steintor mit Hungerturm,
St. Marien Kirche, Henkerhaus, ehem. Herberge "Schwarzer Adler", ein
Gasbehälter genannt "Blaues Wunder" u.a.m. Leider hat man
zu DDR-Zeiten einiges der alten Bausubstanz durch Plattenbauten
ersetzt. Inzwischen hat man mit einigem Erfolg versucht, Modernes mit
Altem harmonisch zu kombinieren.
Mit dem Namen Bernau werden auch Erinnerungen geweckt an die Bernauer Straße in Berlin.
Dort hatten sich nach dem Mauerbau im Jahre 1961 dramatische
Fluchtereignisse abgespielt und seit 1963 befindet sich dort die Gedenkstätte Berliner Mauer.
Für heute beschließen wir den Abend im Freien sitzend und
das eine oder andere Bier findet den ihm zugedachten Weg. "Wieder alles
richtig gemacht!".
Mi 16.7. Bernau - Buckow
Von Bernau in Richtung Osten gibt es keine eigentliche Radroute und man
kann bei angenehmem Rückenwind auf ruhigen Landstraßen
fahren. Schöne urige Dörfer wie Börnicke, Willmersdorf oder Werneuchen werden passiert.
In Willmersdorf läßt sich eine Kirche mit zwei Türmen
fotografieren. Weiter geht es über Wegendorf und Buchholz und dann auf einem
unbequemen sandigem Weg nach Spitzmühle, das liegt zwischen
Fänger- und Bötzsee. Auch hier sind die
Seeufer entlang der Straße durchgehend bebaut, Rainer
schäumt vor Wut. An einem Seitenweg finden wir dann
schließlich einen Rastplatz am Seeufer. Nach Strausberg geht es danach auf
einem gut asphaltiertem Weg weiter.
Auch in Strausberg dauert es eine Weile bis wir, vorbei am Heimatmuseum, wo ein totes Lehnindenkmal im Garten liegt, den Weg am Straussee finden und im Zentrum an der Marienkirche rauskommen. Vor der Kirche befindet sich ein Mahnmal für den Kirchenkomponisten Hugo Distler. Nun ist es Mittagszeit und das Restaurant & Tagungszentrum "Am Fischerkietz" ist angesagt. Da machen wir nun eine "Tagung". Auf der Aussichtsterrasse sitzt man hoch über dem See und hat einen weiten Blick. Am gegenüber liegenden Ufer sind einige hölzerne Fischerhütten auszumachen, Haubentaucher und Kormorane tummeln sich.
Leider wird der Himmel immer grauer. Rainers
eierlegender Wollmilchsau Vielzweckcomputer kommt nun mal wieder zum
Einsatz, und da ist lt. Satellit eine schöne Regenfront im Anzug.
Als einige Windböen aufkommen und die ersten Regentropfen vor sich
her jagen,
verziehen wir uns in das Innere des Restaurants.
Schließlich entschließen wir uns aber doch, den Weg
fortzusetzen. Und siehe da, es regnet ja noch gar nicht. Aber die an
sich schöne Straße nach Garzau
ist doch mit mehr Verkehr gesegnet, als zu erwarten war. Dafür
erwartet uns dort der berühmte Europa Radfernweg R1 (Calais -
Petersburg). Mit der Strecke hat man sich einige Mühe
gegeben, die Route ist in diesem Abschnitt vorbildlich angelegt und
beschildert. So
nach und nach beginnt es nun doch zu regnen. Nach einem Schlenker
über Waldsieversdorf
erreichen wir endlich entlang einer Museumsbahnstrecke das heutige Ziel
Buckow (Märkische Schweiz).
Dieser Ort ist herrlich gelegen, umgeben von Anhöhen und mit
einigen
Seen gesegnet, der größere heißt Schermützelsee. Bei dem
inzwischen starken Regen haben wir nicht so viel davon. Aber ein
Quartier findet sich mit Hilfe der freundlichen Unterstützung im
Touristenbüro sogleich bei dem Restaurant
& Pension "Strandcafe". Etwas durchnässt und verfroren
ist eine wärmende Bettdecke dann durchaus nicht das Schlechteste.
Mit dem Abendessen werden wir bestens bedient. Was mich betrifft, gab
es eine große Forelle, die anderen Gerichte der Mitstreiter habe
ich nicht mehr im Gedächtnis. Nun kommt das nette
Sevierfräulein - die ist inzwischen auch aufgetaut - mit einem
eigentümlichen Anliegen an unseren Tisch. Man suche nach einem
Rezept für ein altertümliches Nachtischgericht, aus der Zille
Zeit oder so? Unsere beiden kompetenten Damen kramen in ihrem
Gedächtnis oder in Erinnerungen an Rezepte aus den
Intelligenzzeitungen. Aber außer "Arme Ritter" oder "Rote Grütze" ist da nicht
viel mehr bei rausgekommen. Ja, das Rezept brauche jemand für ein
Gastronomie-Examen, vielen Dank!
Heidi und ich machen sich mit einem ausgeborgten Regenschirm noch auf
zu einem Spaziergang zum Brecht-Weigel-Haus.
Hier haben dereinst Bertolt Brecht und Helene Weigel nicht schlecht
gewohnt und gedichtet, heute ist das wohl ein Literatur- und
Kulturzentrum oder sowas.
Nachdem der Regen aufgehört hat, können wir unter einem
Sonnenschirm, der die nachtropfenden Plops von den Bäumen
darüber auffängt, noch ein wenig draußen sitzen. Die
immer bemerkenswerter nette Bedienung erzählt uns sogar
offenherzig einiges über ihr Leben und ihre Katzen. Aber sonst sei
in Buckow nicht viel los für junge Leute. Bei schönem Wetter
sei allerdings immer recht viel Betrieb rings herum, und so mag das
Hotel/Restaurant dann auch auf seine Kosten kommen.
Für uns war das heute eher ein Herbst- als ein Sommertag. Aber die
Regenfront ist inzwischen durchgezogen.